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Betriebsvereinbarung mit 12-Stunden-Gleitzeit versus KV-Regelung mit 10-Stunden-Gleitzeit

Bearbeiter: Bettina Sabara

AZG: § 4b Abs 4

KV-Metallgewerbe/Angestellte: § 4 Abs 9

Sieht eine nach dem 1. 9. 2018 neu abgeschlossene und auf die Neufassung des § 4b AZG idF BGBl I 2018/53 gestützte Betriebsvereinbarung betreffend Gleitzeit eine tägliche Normalarbeitszeit von bis zu 12 Stunden vor, während der anwendbare Kollektivvertrag (hier: KV Angestellte des Metallgewerbes) bei Gleitzeit eine tägliche Normalarbeitszeit von maximal 10 Stunden zulässt, so gebühren für die 11. und 12. Tagesarbeitsstunde die kollektivvertraglichen Überstundenzuschläge. Die Betriebsvereinbarung über das zuschlagsfreie Gleiten innerhalb der 12-Stunden-Grenze wird nämlich durch die bestehende Kollektivvertragsregelung zur Verlängerung der täglichen Normalarbeitszeit auf 10 Stunden verdrängt; somit gelten die 11. und die 12. Stunde gemäß der betrieblichen Gleitzeitvereinbarung iSd § 4b AZG zwar als Normalarbeitszeit, sind aber iSd Kollektivvertrages als zuschlagspflichtige Überstunden zu werten.

OGH 16. 12. 2019, 8 ObA 77/18h

Sachverhalt

Die Antragstellerin (WKÖ) und die Antragsgegnerin (GPA) haben per 1. 1. 2018 den KV für Angestellte des Metallgewerbes (in der Folge kurz: KV) abgeschlossen. Strittig ist die Auslegung des § 4 Abs 9 dieses KV.

Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass § 4 Abs 9 KV einer Regelung über eine tägliche Normalarbeitszeit von bis zu 12 Stunden in einer nach dem 1. 9. 2018 abgeschlossenen Gleitzeit-(betriebs-)vereinbarung gemäß § 4b AZG nicht entgegenstehe.

Nach Ansicht des OGH ist der Feststellungsantrag nur teilweise berechtigt. Seine Ausführungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Maßgebliche Bestimmungen

§ 4b Abs 4 AZG betreffend die gleitende Arbeitszeit lautet in der hier maßgeblichen Fassung seit 1. 9. 2018 (BGBl I 2018/53, ARD 6611/4/2018) wie folgt:

„Die tägliche Normalarbeitszeit darf zehn Stunden nicht überschreiten. Eine Verlängerung der täglichen Normalarbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden ist zulässig, wenn die Gleitzeitvereinbarung vorsieht, dass ein Zeitguthaben ganztägig verbraucht werden kann und ein Verbrauch im Zusammenhang mit einer wöchentlichen Ruhezeit nicht ausgeschlossen ist. Die wöchentliche Normalarbeitszeit darf innerhalb der Gleitzeitperiode die wöchentliche Normalarbeitszeit gemäß § 3 im Durchschnitt nur insoweit überschreiten, als Übertragungsmöglichkeiten von Zeitguthaben vorgesehen sind.“

Die Übergangsbestimmung des § 32c Abs 10 AZG idF der AZG-Novelle 2018 lautet:

„Bestehende Gleitzeitvereinbarungen bleiben aufrecht. Regelungen in Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen, die für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer günstigere Bestimmungen vorsehen, werden durch die Änderungen des Bundesgesetzes BGBl I Nr 53/2018 nicht berührt.“

Der § 4 des KV für Angestellte des Metallgewerbes enthält sehr umfassende Regelungen über die Arbeitszeit. § 4 Abs 9 des KV regelt zum Thema Gleitzeitvereinbarung, dass durch Betriebsvereinbarung – in Betrieben ohne Betriebsrat durch Vereinbarung mit den einzelnen Arbeitnehmern – die tägliche Normalarbeitszeit gemäß § 4b Abs 4 AZG bis auf 10 Stunden verlängert werden darf.

Nach § 5 Abs 1 des KV gilt jede ausdrücklich angeordnete Arbeitsstunde, durch die das Ausmaß der kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit überschritten wird, als – zuschlagspflichtige – Überstunde.

Strittige Rechtsfragen

Im vorliegenden Verfahren stellen sich im Wesentlichen drei Fragen:

a.Haben die KV-Parteien die Kompetenz, die vom Gesetzgeber den Betriebsvereinbarungsparteien zuerkannte Möglichkeit der Gestaltung von Gleitzeit nach dem AZG einzuschränken?
b.Welche Kompetenzen kommen den KV-Parteien zur Gestaltung von Arbeitszeit- und Entgeltbedingungen allgemein in diesem Zusammenhang zu?
c.In welchem Verhältnis stehen KV und Betriebsvereinbarung, die solche Fragen regeln?

In der Literatur werden diese Fragen kontrovers diskutiert. Nach einer ausführlicher Erörterung des Zusammenspiels von Kollektivvertrag und Betriebsvereinbarung kommt der OGH zusammengefasst zu folgendem Ergebnis:

1.Die KV-Parteien haben hier eigene Arbeitszeitregelungen und mit diesen verbundene Entgeltregelungen getroffen, die über die Regelungen des AZG hinausgingen und auch nach der Änderung des AZG aufrecht erhalten wurden und wirksam sind.
2.Die Kompetenzen von KV-Parteien und Betriebsvereinbarungsparteien zur Schaffung von normativ auf den Arbeitsvertrag einwirkenden Regelungen sind sowohl im ArbVG als auch im AZG geregelt.
3.Diese Kompetenztatbestände des AZG schränken hier jene des ArbVG zur Regelung von Arbeitszeit und Entgelt durch KV nicht ein.
4.Andererseits kann der KV mangels einer ausdrücklichen Ermächtigung im AZG nicht die im AZG den Betriebsvereinbarungsparteien eingeräumte Regelungskompetenz einschränken. Insoweit war dem Antrag stattzugeben.
5.Bestehen KV-Regelungen und Betriebsvereinbarungs-Regelungen zum gleichen Regelungsbereich, so wird deren Verhältnis zueinander durch das Günstigkeitsprinzip des § 3 ArbVG bestimmt.
6.Unter Beachtung der Wertungen der Übergangsbestimmungen des AZG sind die Bestimmungen des KV günstiger als die einer Betriebsvereinbarung nach § 4b AZG und gehen dieser vor. Soweit mit dem Antrag festgestellt werden sollte, dass die zuschlagsfreie Normalarbeitszeit durch Erweiterung des Gleitzeitrahmens in einer Betriebsvereinbarung iSd § 4b AZG entgegen dem Kollektivvertrag auch auf eine 11. Und 12 Stunde ausgedehnt werden kann, war der Antrag abzuweisen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 28709 vom 26.02.2020