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Deregulierungsgesetz 2017 - BGBl

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

Bundesgesetz, mit dem das E-Government-Gesetz, das Zustellgesetz, das Bundesgesetz über die Ausstellung der Apostille nach dem Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung, die Bundesabgabenordnung, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010, das Neugründungs-Förderungsgesetz, das Unternehmensserviceportalgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das GmbH-Gesetz, das Notariatstarifgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996, das Mutterschutzgesetz 1979, das Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz 1987, das Gleichbehandlungsgesetz, das Heimarbeitsgesetz 1960, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz, das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Arzneimittelgesetz, das Rohrleitungsgesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden (Deregulierungsgesetz 2017)

BGBl I 2017/40, ausgegeben am 12. 4. 2017

Das Deregulierungsgesetz 2017 dient va folgenden Zielen:

-Serviceverbesserung für Bürger
-Entlastung von Unternehmen
-Effizienzsteigerung der Verwaltung
-Ausbau des e-Governments

Es umfasst hauptsächlich folgende Maßnahmen:

1. Abschnitt E-Government

1.1. Änderung von E-GovG und ZustG

-Elektronische Kommunikation mit allen Behörden:
Durch das Recht auf elektronischen Verkehr erhalten Bürger und Unternehmen die Wahlfreiheit, in welcher Art und Weise sie mit Behörden kommunizieren wollen. Der elektronische Verkehr umfasst jegliche Kommunikation mit der Behörde und damit gleichermaßen auch die Einbringung und die elektronische Zustellung. Die elektronische Kommunikation soll damit forciert werden und die Basis für eine „digital first“-Strategie bilden.

Anmerkung: Das „Recht auf elektronischen Verkehr“ wird in einem neuen § 1a E-GovG verankert, der mit 1. 1. 2020 in Kraft tritt und auszugsweise lautet: „Jedermann hat in den Angelegenheiten, die in Gesetzgebung Bundessache sind, das Recht auf elektronischen Verkehr mit den Gerichten und Verwaltungsbehörden. Ausgenommen sind Angelegenheiten, die nicht geeignet sind, elektronisch besorgt zu werden. [...]“

Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs sowie der Zeitpunkt der Aufnahme des elektronischen Verkehrs werden im Internet bekanntgemacht.

Personen in gerichtlich, (gegenüber der RV neu) finanzstrafbehördlich oder verwaltungsbehördlich angeordnetem Freiheitsentzug können ihr Recht auf elektronischen Verkehr nur nach Maßgabe der technischen und organisatorischen Gegebenheiten ausüben und nur „sofern dies vollzugsrechtlich zulässig ist und dadurch keine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung zu erwarten ist“.

-Neu gegenüber der RV: Zum Zweck der Erleichterung des elektronischen Verkehrs zwischen öffentlichen und privaten Stellen wird die Möglichkeit der Anforderung von verschlüsselten bPK (bereichsspezifischen Personenkennzeichen) auch für die Verwendung im privaten Bereich unter denselben Bedingungen wie im öffentlichen Bereich eröffnet. Bisher war die Erzeugung solcher bPK nur für jene Auftraggeber des privaten Bereichs möglich, die aufgrund von gesetzlichen Vorschriften - etwa im BWG bzw im FM-GwG - die Identität ihrer Kunden festhalten müssen. Um für Unternehmen die Verwendung der Bürgerkarte (Handy-Signatur) als sicheres elektronischen Identifizierungsmittel in Zukunft attraktiver zu gestalten, wird die Vorausstattung mit bPK nun auch zulässig, wenn der Auftraggeber des privaten Bereichs eine für den Einsatz der Bürgerkarte taugliche technische Einrichtung eingerichtet hat (§ 14 Abs 2 zweiter Satz E-GovG).
Im Hinblick auf den erhöhten Aufwand beim Dienstleister der Stammzahlenregisterbehörde wird auch eine Verordnungsermächtigung aufgenommen, die es dem BMI ermöglicht, dafür einen Kostenersatz von den Auftraggebern des privaten Bereichs einzuheben.
-Elektronische Zustellung:
Bis zum Jahr 2020 werden Unternehmen verpflichtet, elektronische Zustellungen entgegenzunehmen.
Zur weitgehenden Harmonisierung der elektronischen Zustellung wird bei elektronischen Zustelldiensten auf die dritte Verständigung mittels „gelbem Zettel“ verzichtet, die Abholung von nicht-nachweislichen Dokumenten (Zustellungen ohne Zustellnachweis) auch ohne Bürgerkarte ermöglicht und eine einfachere Zustellfiktion eingeführt. Bei elektronischen Kommunikationssystemen der Behörde wird eine verpflichtende Verständigung eingeführt.
Um aus den unterschiedlichen Zustellsystemen sowohl auf Basis des ZustG (elektronische Zustelldienste, Kommunikationssysteme der Behörde) als auch fachspezifischen Systemen anderer Verfahrensgesetze (Elektronischer Rechtsverkehr gem GOG, FinanzOnline gem BAO) Empfängern eine einheitliche Übersicht der für sie bereitgehaltenen Zustellstücke zu ermöglichen, wird außerdem ein Anzeigemodul eingeführt. Behördliche Kommunikationssysteme und die Zustelldienste bringen dazu Metainformationen in das Anzeigemodul ein, die dann für den Empfänger angezeigt werden. Die Zustellstücke selbst verbleiben beim jeweiligen Versandsystem und es wird lediglich über das Anzeigemodul zugegriffen. Die Abholung durch den Empfänger wird vom Anzeigemodul protokolliert und an das jeweilige Zustellsystem elektronisch übermittelt. Das Anzeigemodul kann in der Folge auch bei Internetportalen der Behörden über Portalverbund angebunden werden.
Die Verfügbarkeit des Anzeigemoduls wird vom BMF im BGBl kundgemacht.

In einer Ausbaustufe - die erst eine Pilotierungsphase durchlaufen muss und daher noch nicht Gegenstand dieser Novelle ist - soll 2017 das System dahin erweitert werden, dass ein systemübergreifendes Teilnehmerverzeichnis sämtlicher Zustellsysteme eingeführt wird, um alle potentiellen Empfänger erreichen zu können. Dies soll auch den Versendern die Möglichkeit der Auswahl des elektronischen Versandsystems geben und nicht wie bisher an jenes System binden, bei dem der Nutzer angemeldet war. Dies soll zu einer weiteren Harmonisierung der Zustellzeitpunkte führen.

1.2. Elektronische Apostille

Durch die Änderung des BG über die Ausstellung der Apostille nach dem Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung wird (ab 1. 7. 2017) eine gesetzliche Grundlage für das Anbringen einer elektronischen Apostille für solche Urkunden geschaffen, die elektronisch ausgestellt und ohne Medienbruch elektronisch übermittelt werden.

Durch Verordnung soll noch näher festgelegt werden, für welche elektronischen Urkunden nachgeordneter Dienststellen der Bundesministerien und sonstiger Einrichtungen in Vollziehung behördlicher Aufgaben des Bundes das Erfordernis der Zwischenbeglaubigung durch die entsprechenden Bundesministerien entfallen kann.

Weiters wird eine Rechtsgrundlage für das Anbringen einer elektronischen Apostille aus Registern von Bundesministerien geschaffen und die Zuständigkeit zur Ausstellung der Apostille hinsichtlich der Urkunden der Verwaltungsgerichte geregelt.

Die Erstellung der e-Apostille erfolgt aus einer internen Datenbank heraus. Mittels entsprechender Software wird die elektronische Urkunde mit der e-Apostille (PDF-Format) zusammengeführt und das dadurch entstandene Dokument mit Amtssignatur des BMEIA versehen. Der Dokumenteninhaber bzw die Behörde im Ausland, dem/der das Dokument elektronisch übermittelt wird, hat die Möglichkeit, die Echtheit der e-Apostille zu verifizieren. Dies geschieht durch Hochladen des abgespeicherten Dokuments am Prüfungstool http://www.signaturpruefung.gv.at Sowohl die e-Apostille als auch das zugrundeliegende Dokument können auf diesem Wege eingesehen werden.

2. Abschnitt Finanzen, Justiz, Familien

-Elektronische Zustellung:
Im Hinblick auf die Einführung eines einheitlichen Anzeigemoduls für alle elektronisch übermittelten Behördendokumente (siehe oben Pkt 1.1.) muss die Übermittlung bestimmter Daten, insb der Metadaten von Erledigungen, trotz der bestehenden abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht (§ 48a BAO) ermöglicht werden.
Weiters wird FinanzOnline als Identity-Provider positioniert und das Anzeigemodul als Teil der Melde- und Kommunikationsinfrastruktur in das Unternehmensserviceportal eingebunden.
-Zuständigkeit des Finanzamts nach melderechtlichem Hauptwohnsitz:
Durch Änderung des AVOG 2010 wird die Zuständigkeit des Finanzamts ab 1. 1. 2018 an den Hauptwohnsitz des Abgabenpflichtigen geknüpft, der im zentralen Melderegister (ZMR) gespeichert ist. Damit ist im Fall eines Wohnsitzwechsels eine gesonderte Mitteilung an das bisher zuständige Finanzamt durch den Abgabepflichtigen nicht mehr erforderlich.
-GmbH-Gründung ohne Notar:
Bisher kann eine GmbH nur unter Beiziehung eines Notars gegründet werden, was einen Zeit- und Kostenfaktor darstellt. Die Gründung einer „Standard-GmbH“ soll daher ab 1. 1. 2018 (RV: 1. 7. 2017) auch ohne Notar möglich sein. Eine „Standard-GmbH“ ist eine Einpersonen-GmbH, bei der der einzige Gesellschafter zugleich auch Geschäftsführer ist und deren Errichtungserklärung einen standardisierten Inhalt aufweist (§ 9a GmbHG neu). Die Identifizierung des Gründers erfolgt einerseits über seine Bürgerkarte/Handysignatur bzw das USP und andererseits durch die Bank, bei der die Bareinlage geleistet wird. Dadurch wird der Gründungsprozess beschleunigt und verbilligt.
Um sicherzustellen, dass für die technischen und legistischen Vorkehrungen für die vereinfachte GmbH-Gründung nach § 9a GmbHG ausreichend Zeit zur Verfügung steht, treten die Änderungen des GmbHG - anders als in der RV vorgesehen - erst mit 1. 1. 2018 in Kraft (RV: 1. 7. 2017) und sind auf Gesellschaften anzuwenden, die nach dem 31. 12. 2017 zur Eintragung in das Firmenbuch angemeldet werden. Außerdem tritt § 9a GmbHG nach einer dreijährigen Testphase (mit Ablauf des 31. 12. 2020) wieder außer Kraft - entsprechend dem generellen Anliegen, neue gesetzliche Regelungen nach Möglichkeit nur befristet zu erlassen („Sunset Clause“).
Alternativ dazu kann die Gründung auch in diesen Standardfällen sowie in einigen zusätzlichen Konstellationen (insb wenn der Gründer nicht zugleich Geschäftsführer sein soll) weiterhin mit Notar zu einem stark vergünstigten Tarif erfolgen (Bewertung des Gegenstands mit 500 € gem § 5 Abs 8a NTG neu). Diese Erleichterung tritt bereits mit 1. 7. 2017 in Kraft und ist auf Beurkundungen und Beglaubigungen anzuwenden, die nach dem 30. 6. 2017 vorgenommen werden
-Elektronische NeuFö-Erklärung:
Die Erkärung über die Neugründung kann der Betriebshinhaber nun auch elektronisch über das Unternehmensserviceportal vornehmen. Die Beratung durch die Sozialversicherungsanstalt oder Berufsvertretung kann in diesen Fällen auch „auf fernmündlichen Kommunikationswegen oder unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung“ erfolgen (§ 4 Abs 4 NeuFöG).
Zudem kann die Wirtschaftskammer auch die Beratung neuer Selbständiger übernehmen (§ 4 Abs 3 NeuFöG).
Die Änderungen im NeuFöG treten mit 31. 7. 2017 in Kraft.

3. Abschnitt Arbeitsrecht

Gegenüber dem ME (siehe ARD 6519/18/2016) wurde der Entfall der Auflagepflicht bestimmter Gesetze und Verordnungen zum Arbeitnehmerschutz (in Papierform oder elektronisch) bereits in der RV von 1. 1. 2017 auf 1. 7. 2017 verschoben und auch das Heimarbeitsgesetz berücksichtigt.

Die Auflagepflicht wird daher nun in folgenden Gesetzesvorschriften gestrichen: § 24 AZG, § 23 ARG, § 18 Abs 1 BäckAG, § 9 KA-AZG, § 17 MSchG, § 27 Abs 1 KJBG, § 60 GlBG, § 8 Abs 2 HeimAG, § 125 Abs 7 und § 129 ASchG (einschließlich der ASchG-Verordnungen) sowie § 23a BEinstG.

4. Abschnitt Gesundheit

-Die Änderungen im Gesundheitstelematikgesetz (GTelG 2012) beziehen sich va auf den Datenschutz (Aufhebung der datenschutzrechtlichen Meldepflicht für sämtliche mit ELGA verbundenen Datenanwendungen und ausdrückliche Dokumentation der im Wesentlichen bereits bei der Erlassung des GTelG 2012 durchgeführten Datenschutz-Folgenabschätzung).
-Im Arzneimittelgesetz wird weiters für Einrichtungen nach § 15 SMG (mit Betreuungsangebot für Personen im Hinblick auf Suchtgiftmissbrauch) die Möglichkeit geschaffen, einschlägige Arzneimittel vom Großhandel zu beziehen und an ihre Klienten - auch als Einzeldosen - abzugeben.

5. Abschnitt Verkehr

-Die Novelle des RohrleitungsG dient insb der Umsetzung der Bestimmungen der RL 2009/31/EG [über die geologische Speicherung von Kohlendioxid ...], die iZm dem Regelungskomplex „Zugangsrechte zum CO2-Transportnetz“ stehen. Dabei wird va auch die gesetzliche Grundlage geschaffen, damit Dritte bestehende Kapazitäten von Rohrleitungen ausnutzen können, in denen ein Kohlenstoffdioxidstrom befördert wird.
Außerdem entfallen nun die Sonderbestimmungen für Enteignungsfälle, weil die Grundlagen im Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz (EisbEG) zwischenzeitlich vorliegen und inhaltlich weiter entwickelt wurden.
-Im Bereich des KFG wird dem Prinzip des „One-Stop-Shop“ bei den Personenstands- und Meldebehörden Rechnung getragen, indem ab 1. 10. 2017 im Zuge einer Namens- oder Wohnsitzänderung auch gleich die Änderung von Namen oder Adresse für die Zulassung gemeldet wird. Da dann aktuelle Daten in der Zulassungsevidenz vorhanden sind, ist die Ausstellung eines neuen Zulassungsscheins mit den geänderten Daten nicht mehr notwendig.

In der Formulierung des neuen § 42 Abs 1a KFG wurde gegenüber der RV va noch berücksichtigt, dass eine Änderung des Namens nicht immer bei der Personenstandsbehörde erfolgt und dass es Fälle gibt, in denen zwar dieselbe Behörde örtlich zuständig ist, aber eine andere Behördenbezeichnung für das Kennzeichen vorgesehen ist (zB innerhalb des Sprengels einer Landespolizeidirektion). In diesen Fällen sind ein neues Kennzeichen und ein neuer Zulassungsschein erforderlich.

Inkrafttreten

Soweit nicht anders vorgesehen (Termine teilweis in Abhängigkeit von der Kundmachung der Verfügbarkeit der technischen Einrichtungen), treten die Änderungen im Wesentlichen am 13. 4. 2017 in Kraft.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 23422 vom 13.04.2017