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Ein Anspruch auf Elternteilzeit setzt nach § 15h Abs 1 Z 2 MSchG voraus, dass die Dienstnehmerin zum Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung in einem Betrieb mit mehr als 20 Beschäftigten tätig ist. Nach § 15h Abs 3 MSchG ist für die Ermittlung der Dienstnehmeranzahl nach § 15h Abs 1 Z 2 MSchG weiters maßgeblich, wie viele Dienstnehmer “regelmäßig im Betrieb beschäftigt werden“. Da der Gesetzgeber bei dieser Regelung davon ausgeht, dass der Ausfall an Arbeitszeit infolge der Teilzeitbeschäftigung durch die anderen (regelmäßig beschäftigten) Dienstnehmer aufgefangen werden kann, kommt es allein auf deren Anzahl an, somit auf die „Zahl der verfügbaren Köpfe“. Irrelevant ist, ob es sich um befristet oder unbefristet aufgenommene Arbeitnehmer handelt und ob ein Dienstnehmer nur geringfügig beschäftigt ist. Das Gesetz unterscheidet auch nicht danach, mit wem ein Dienstnehmer einen Dienstvertrag hat, sodass auch überlassene Arbeitnehmer mitzuzählen sind.
In diesem Sinne ist auch ein Dienstnehmer für die Mindestgröße des Betriebs zu berücksichtigen, der auf einem Arbeitsplatz im Betrieb beschäftigt ist, der üblicherweise von nur kurzfristig beschäftigten Personen besetzt wird, dies aber regelmäßig. Dass sich der Begriff „regelmäßig“ auf die Anzahl der Dienstnehmer bezieht und nicht auf die regelmäßige Beschäftigung des einzelnen Dienstnehmers, entspricht nicht nur dem Wortlaut der Bestimmung, sondern auch dem gesetzlichen Grundgedanken, dass ab einer bestimmten Arbeitnehmerzahl der Personaleinsatz flexibler gestaltbar ist.
Der Begriff “fallweise Beschäftigte“ stammt aus dem Sozialversicherungsrecht (§ 33 Abs 3 ASVG). Maßgeblich ist im gegebenen Zusammenhang in arbeitsrechtlicher Hinsicht die Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse dieser Personen, nämlich die unregelmäßige unterbrochene Aneinanderreihung verschiedener, kurzzeitig befristeter Dienstverhältnisse auf Basis einer Rahmenvereinbarung. Da es für die Berücksichtigung eines Dienstnehmers weder auf die Befristung noch auf den Umfang der Beschäftigung ankommt, sind diese Dienstnehmer für die Mitarbeiterzahl nach § 15h Abs 1 S 1 Z 2 MSchG nicht von vornherein unerheblich, sondern bei der Prüfung des Beschäftigtenstands im Sinn der Anzahl der regelmäßig beschäftigten Dienstnehmer zu berücksichtigen.
OGH 2. 9. 2021, 9 ObA 76/21y -> zu OLG Wien 9 Ra 22/21b siehe ARD 6755/8/2021 (Bestätigung)
Ausgangsfall
Aufgabengebiete der beklagten Arbeitgeberin sind die Durchführung von Dopingkontrollen, Informations- und Präventionsarbeit und die Durchführung sportrechtlicher Verfahren. Die Klägerin ist im Ausmaß von 38,5 Wochenstunden im Betrieb der Arbeitgeberin als Büroangestellte in der Abteilung Dopingkontrollsystem (DKS) beschäftigt.
Die begehrte Elternteilzeit ab 13. 7. 2020 im Ausmaß von 25,5 Stunden pro Woche lehnte die Arbeitgeberin mit der Begründung ab, dass im Betrieb nicht mehr als 20 Dienstnehmer regelmäßig beschäftigt seien. Im Betrieb sind 14 Mitarbeiter im Büro tätig (intern als Stammmitarbeiter bezeichnet). Weiters gibt es etwa 115 fallweise Beschäftigte, die zwischen Jänner und Juni 2020 für die Arbeitgeberin tätig waren. Sie führen idR ausschließlich Dopingkontrollen durch und halten Vorträge.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie die Elternteilzeit zu den von ihr bekannt gegebenen Bedingungen ab 13. 7. 2020 bis 11. 7. 2025 antreten könne; in eventu, die Arbeitgeberin zu verpflichten, in die begehrte Elternteilzeit ab einzuwilligen. Im Betrieb der Arbeitgeberin seien regelmäßig mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt.
Das ErstG ging davon aus, dass die fallweise beschäftigten Mitarbeiter bei der Ermittlung der Anzahl der Mitarbeiter nach § 15h Abs 1 Z 2 MSchG nicht zu berücksichtigen seien und wies das Feststellungsbegehren ab. Die Arbeitgeberin habe allerdings der Inanspruchnahme der Elternteilzeit nach § 15i MSchG zuzustimmen, weshalb das ErstG dem eventualiter erhobenen Leistungsbegehren stattgab.
Das BerufungsG änderte die Entscheidung iS einer Stattgebung des Hauptbegehrens ab, weil die Arbeitgeberin unter Berücksichtigung der fallweise Beschäftigten regelmäßig mehr als 20 Dienstnehmer beschäftige.
Der OGH erachtete die Revision für zulässig, jedoch nicht für berechtigt und bestätigte die Rechtsansicht des BerufungsG.
Entscheidung
Für den Zeitpunkt des begehrten Antritts der Teilzeitbeschäftigung der Klägerin (Juli 2020) stellte sich die Situation bei der beklagten Arbeitgeberin so dar, dass sie 14 Stammmitarbeiter und etwa 115 fallweise Beschäftigte hatte. Sie führt durchschnittlich etwa zwischen sieben und neun Doping-Kontrollen täglich durch, wobei teils mehrere Proben bei einem Event genommen werden und bei einer Kontrolle mindestens zwei Mitarbeiter anwesend sein müssen. Der größte Teil der Dienstnehmer ist im Durchschnitt sechs Mal im Monat im Einsatz.
Im Zeitraum Jänner bis Juni 2020 wurden mindestens sieben Arbeitnehmer (vom BerufungsG exemplarisch genannt) wiederholt (in fünf von sechs Monaten) für die Arbeitgeberin tätig, davon jeder einzelne monatlich durchschnittlich 16 bis 93 Stunden in diesen sechs Monaten. Mit Ausnahme von März/April 2020 (erster Lockdown) waren in den einzelnen Monaten jeweils mehr als 35 Mitarbeiter für die Arbeitgeberin tätig. Es ist zu erwarten, dass zumindest sieben Dienstnehmer auch weiterhin in einer ähnlichen Häufigkeit zur Dienstleistung herangezogen werden.
Bei dieser Sachlage kann zwanglos davon ausgegangen werden, dass eine Anzahl von mindestens sieben fallweise zum Einsatz kommenden Dienstnehmern nicht nur der Abdeckung eines bloß kurzfristigen und vorübergehenden, sondern eines laufend, nämlich nahezu täglich wiederkehrenden Bedarfs der Arbeitgeberin dient. Ausgehend vom Beurteilungszeitpunkt 13. 7. 2020 ist damit nicht weiter zweifelhaft, dass die Arbeitgeberin regelmäßig insgesamt mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigt.
Der Umstand, dass die Tätigkeiten der Klägerin und der fallweise Beschäftigten nicht ident sind, ist für die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen nach § 15h MSchG nicht relevant.
Da die Voraussetzung einer regelmäßigen Beschäftigung von mehr als 20 Dienstnehmern hier unter Berücksichtigung der fallweisen Beschäftigten der Arbeitgeberin erfüllt ist, besteht der Anspruch der Klägerin auf die begehrte Teilzeitbeschäftigung iS ihres Hauptbegehrens zu Recht.