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EuGH: Servicepersonal in internationalen Zügen

Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 96/71/EG: Art 1

Im Ausgangsfall zu diesem österreichischen Vorabentscheidungsersuchen geht es um die Erbringung von Dienstleistungen wie Bordservice, Reinigungsleistungen oder Verpflegung der Fahrgäste in internationalen Zügen der ÖBB, die auf Basis von Subauftragsketten durch Arbeitnehmer eines ungarischen Unternehmens erbracht werden bzw durch Arbeitnehmer, die diesem ungarischen Unternehmen von einem anderen ungarischen Unternehmen überlassen wurden. Diese Dienstleistungen werden in internationalen Zügen erbracht, die (auch) durch Österreich fahren.

Nach Ansicht des EuGH wird die Erbringung dieser Dienstleistungen von Art 1 Abs 3 Buchst a der RL 96/71/EG (EntsendeRL) nicht erfasst, wenn diese Arbeitnehmer einen wesentlichen Teil der mit den betreffenden Dienstleistungen verbundenen Arbeit im Hoheitsgebiet von Ungarn leisten und ihren Dienst dort antreten bzw beenden.

EuGH 19. 12. 2019, C-16/18, Dobersberger

Ausgangsfall

Zum Vorabentscheidungsersuchen des VwGH Ra 2017/11/0093 ua (EU 2017/0012 bis 0015) siehe Rechtsnews 24795.

Im vorliegenden Fall waren alle eingesetzten Arbeitskräfte in Ungarn wohnhaft und sozialversichert und hatten dort ihren Lebensmittelpunkt, außerdem hatten sie auch ihren Dienst in Ungarn anzutreten und dort zu beenden.

Eingesetzt wurden die Arbeitnehmer in Zügen von Budapest nach Salzburg oder München und retour.

In Budapest mussten sie die dort gelagerten Waren, nämlich Speisen und Getränke, ausfassen und in die Züge bringen. Ebenfalls in Budapest hatten sie die Kontrollen des Warenstands und die Abrechnungen der Umsätze durchzuführen. Bis auf die Arbeitsleistungen, die in den Zügen durchzuführen waren, wurden somit alle Arbeitsleistungen in Ungarn erbracht.

Entscheidung

Ausreichende Verbindung erforderlich

In seinen Entscheidungsgründen stellt der EuGH ua klar, dass gemäß Art 2 Abs 1 RL 96/71/EG (EntsendeRL) als „entsandter Arbeitnehmer“ jeder Arbeitnehmer gilt, der „während eines begrenzten Zeitraums seine Arbeitsleistung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als demjenigen erbringt, in dessen Hoheitsgebiet er normalerweise arbeitet“. In diesem Sinne kann ein Arbeitnehmer nicht als in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsandt angesehen werden, wenn seine Arbeitsleistung keine hinreichende Verbindung zu diesem Hoheitsgebiet aufweist. Diese Auslegung folgt aus der Systematik der RL 96/71/EG, insb ihres Art 3 Abs 2, iVm ihrem 15. Erwägungsgrund, der vorsieht, dass bei Leistungen von sehr beschränktem Umfang die Bestimmungen dieser RL über die Mindestlohnsätze und den bezahlten Mindestjahresurlaub nicht anzuwenden sind.

Derselbe Gedanke liegt im Übrigen den fakultativen Ausnahmebestimmungen nach Art 3 Abs 3 und 4 der RL 96/71/EG zugrunde.

Nun unterhalten Arbeitnehmer wie im Ausgangsverfahren, die einen wesentlichen Teil ihrer Arbeitsleistung, nämlich sämtliche Tätigkeiten im Rahmen dieser Arbeit mit Ausnahme des Bordservice während den Zugfahrten, im Sitzmitgliedstaat des Unternehmens erbringen, das sie für die Leistung von Diensten in internationalen Zügen einsetzt, und die ihren Dienst in diesem Mitgliedstaat antreten bzw beenden, keine hinreichende Verbindung zu dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats bzw der Mitgliedstaaten, das diese Züge durchqueren, um als dorthin „entsandt“ iSd RL 96/71/EG gelten zu können.

In diesem Zusammenhang ist es nicht von Bedeutung, dass die Dienstleistungen im Rahmen eines Subauftrags erbracht werden (also eines Vertrags zwischen dem Dienstleistungsunternehmen und einem Unternehmen, das seinen Sitz in demselben Mitgliedstaat hat wie das Schienenverkehrsunternehmen, mit dem es seinerseits in vertraglicher Verbindung steht). Ebenfalls nicht von Bedeutung ist, dass das Dienstleistungsunternehmen die Leistungen nicht durch seine eigenen Arbeitnehmer erbringen lässt, sondern durch Arbeitskräfte, die ihm von einem in seinem eigenen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen überlassen werden.

Der EuGH hat für Recht erkannt:

Art 1 Abs 3 Buchst a der RL 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 12. 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen ist dahin auszulegen, dass er die Erbringung von Dienstleistungen wie Bordservice, Reinigungsleistungen oder die Verpflegung der Fahrgäste im Rahmen eines Vertrags zwischen einem Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat und einem Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, das vertraglich an ein Schienenverkehrsunternehmen mit Sitz in demselben Mitgliedstaat gebunden ist, durch Arbeitnehmer des erstgenannten Unternehmens oder durch diesem von einem ebenfalls im erstgenannten Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen überlassene Arbeitnehmer in internationalen Zügen, die durch den zweitgenannten Mitgliedstaat fahren, nicht erfasst, wenn diese Arbeitnehmer einen wesentlichen Teil der mit den betreffenden Dienstleistungen verbundenen Arbeit im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats leisten und ihren Dienst dort antreten bzw beenden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 28451 vom 19.12.2019