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EuInsVO: Klage gegen Schuldner nach Insolvenzeröffnung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

VO (EG) 1346/2000: Art 1, Art 4, Art 15

Eine Klageerhebung gegen den Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist als Rechtsverfolgungsmaßnahme nach Art 4 Abs 2 lit f EuInsVO zu qualifizieren und es ist auf sie daher das Recht des Staats der Insolvenzeröffnung anzuwenden (lex fori concursus). Auch über die Zulässigkeit einer solchen Klageerhebung entscheidet somit die lex fori concursus.

OGH 23. 2. 2016, 4 Ob 160/15f

Entscheidung

Die VO (EG) 1346/2000 über Insolvenzverfahren (Europäische Insolvenzverordnung - EuInsVO) gilt nach ihrem Art 1 Abs 1 „für Gesamtverfahren, welche die Insolvenz des Schuldners voraussetzen und den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge haben“. Nach Art 4 Abs 2 lit f EuInsVO regelt das Recht des Staats des Insolvenzverfahrens (lex fori concursus) „insbesondere, wie sich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzelner Gläubiger auswirkt“ (ausgenommen bereits anhängige Rechtsstreitigkeiten; für diese gilt nach Art 15 EuInsVO ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats, in dem der Rechtsstreit anhängig ist [lex fori processus]).

Im vorliegenden Fall begehrt der kl Verbraucher mit seiner Klage von dem in Deutschland ansässigen bekl Verein die Rückzahlung des investierten Betrags aus einem Anlagegeschäft und stützt die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auf Art 15 Abs 1 bzw Art 17 EuGVVO 2012.

Die Klageerhebung erfolgte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Bekl in Deutschland. Die Auswirkung des Insolvenzverfahrens in Deutschland auf die gegenständliche Klageerhebung sind daher nach deutschem Recht als der lex fori concursus zu beurteilen und der OGH hält dazu fest:

Verhängt das Gericht ein allgemeines Verfügungsverbot gegen den Schuldner nach § 21 Abs 2 Z 2 dInsO und geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Verwalter gem § 22 dInsO über, verschafft die Regelung in § 24 Abs 2 dInsO dem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter die volle Prozessführungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners, und zwar nicht nur für unterbrochene Prozesse und sonstige Verfahren, sondern auch für neu anzustrengende Aktivprozesse und Passivprozesse gegen die Masse. Eine nach Einleitung dieser gerichtlichen Maßnahmen gegen den Schuldner erhobene Klage ist unzulässig (vgl Vuia in Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch5 § 14 Rz 118; Vallender in Uhlenbruck, dInsO14 § 24 Rz 16).

Im hier gegebenen Fall der Einleitung des Verfahrens nach §§ 21 f dInsO vor Anhängigkeit der gegenständlichen Klage ist nach Ansicht des OGH somit von einer Unzulässigkeit der Klagsführung auszugehen und die Vorinstanzen haben die Klagszurückweisung zu Recht ausgesprochen.

Hinweis:

Die VO (EG) 1346/2000 wird durch die VO (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren (Neufassung) aufgehoben; diese gilt grds erst ab 26. 6. 2017.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21442 vom 13.04.2016