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§ 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG verlangt als eine der Anspruchsvoraussetzungen für den Familienzeitbonus, dass im Beobachtungszeitraum der letzten 182 Tage unmittelbar vor Bezugsbeginn eine – selbstständige oder unselbstständige – Erwerbstätigkeit „tatsächlich ausgeübt“ und durch diese Erwerbstätigkeit die Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung begründet wird (Unterbrechungen von insgesamt nicht mehr als 14 Tagen wirken sich dabei nicht anspruchsschädigend aus).
Auf eine „physische“ Ausübung der Erwerbstätigkeit kommt es bei dieser Anspruchsvoraussetzung nicht an. Der Familienzeitbonus steht im vorliegenden Fall daher auch einem Vertragsbediensteten zu, der im Beobachtungszeitraum Sonderurlaub im Ausmaß von insgesamt mehr als 14 Tagen konsumiert (hier: Vaterschaftsfrühkarenz nach dem OÖ Landes-Vertragsbedienstetengesetz im Ausmaß von 80 Stunden sowie zwei Tage Sonderurlaub unmittelbar nach der Geburt des Kindes), während dieser Zeit jedoch den Anspruch auf die vollen Bezüge behält (vgl § 47 Abs 2 oö L-VBG) und im Beobachtungszeitraum durchgehend – auch während der Tage des Sonderurlaubs – sozialversicherungspflichtig unselbstständig erwerbstätig ist.
OGH 13. 10. 2020, 10 ObS 99/20m
Entscheidung
Erwerbstätigkeit iSv FamZeitbG und KBGG
Zum Erwerbstätigkeitserfordernis des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG verweisen die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2) auf das KBGG, da das Erwerbstätigkeitserfordernis im Grunde jenem nach § 24 Abs 1 Z 2 iVm § 24 Abs 2 erster Satz KBGG entspricht (vgl dazu auch die Gesetzesmaterialien ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 16).
Die Rsp zu § 24 KBGG kann auch zur Auslegung von § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG herangezogen werden (vgl OGH 30. 7. 2019, 10 ObS 38/19i, ARD 6665/11/2019) und stellt darauf ab, ob eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, die der SV-Pflicht unterlag, sodass aufgrund dieser Tätigkeit SV-Beiträge geleistet werden mussten. Diese Voraussetzung ist etwa während des Präsenzdienstes nicht erfüllt (OGH 10. 9. 2012, 10 ObS 57/12y, ARD 6284/4/2012 zu § 24 Abs 2 KBGG; 10 ObS 38/19i zu § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG), ebenso beim Bezug von Weiterbildungsgeld (OGH 21. 10. 2014, 10 ObS 103/14s, ARD 6434/16/2015). Ebenso fehlt es an einer „tatsächlichen“ Ausübung einer Erwerbstätigkeit im hier zu beurteilenden Sinn dann, wenn die Pflichtversicherung infolge Konsumierung eines unbezahlten Urlaubs wegfällt (OGH 14. 3. 2018, 10 ObS 25/18a, ARD 6602/12/2018).
Auslegung des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG
Schon nach dem Wortlaut des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG muss der Anspruchswerber im Beobachtungszeitraum eine – selbstständige oder unselbstständige – Erwerbstätigkeit ausgeübt haben, die die Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung begründet.
Daher ist der Tatbestand des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG nicht erfüllt, wenn
- | keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird (weil zB ein Dienstverhältnis schon beendet ist); |
- | wenn eine solche Erwerbstätigkeit zwar ausgeübt wird, durch sie aber keine Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung ausgelöst wird (etwa bei einer bloß geringfügigen Beschäftigung mit Unfallversicherungspflicht: ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 10); |
- | oder wenn zwar eine unselbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, aber der Entgeltanspruch – und damit gemäß § 11 Abs 1 Satz 2 ASVG die Pflichtversicherung – geendet hat (etwa infolge einer Dienstverhinderung durch Krankheit, wenn kein Entgeltfortzahlungsanspruch [mehr] besteht, oder im Fall eines Sonderurlaubs gegen Entfall der Bezüge und Sozialversicherungspflicht). |
Der Begriff „tatsächlich“ kann mehrere Bedeutungen haben, weil eine Tatsache zB einen wirklichen, einen nachweisbaren, einen bestehenden, einen wahren oder einen anerkannten Sachverhalt beschreiben kann. Es liegt daher ein unbestimmter und damit auslegungsbedürftiger Gesetzesbegriff vor.
Dass der Begriff „tatsächlich“ in § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG nicht iS einer konkreten Ausübung einer Arbeitsleistung innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit und am vereinbarten Arbeitsort meint, ergibt sich schon aus dem Umstand, dass Zeiten des Erholungsurlaubs und der Krankheit nach dem Willen des Gesetzgebers keine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit im Beobachtungszeitraum darstellen (sofern die Kranken- und Pensionsversicherungspflicht aus der Erwerbstätigkeit aufrecht bleibt; vgl ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 16 zu § 24 Abs 2 KBGG).
Weiters stellt das FamZeitbG nicht auf eine bestimmte Erwerbstätigkeit ab, sondern primär darauf, dass sich die anspruchsberechtigten Väter unmittelbar vor der Inanspruchnahme von Familienzeit im Erwerbsleben befanden und für die von ihnen ausgeübte Erwerbstätigkeit SV-Beiträge zu entrichten waren. Damit unterscheidet sich das FamZeitbG entscheidend etwa von der Schwerarbeit, bei der es nach der Absicht von Gesetz- und Verordnungsgeber sehr entscheidend auf die „tatsächliche“ (physische) Ausübung einer Arbeitstätigkeit ankommt (vgl OGH 20. 12. 2016, 10 ObS 117/16b, ARD 6534/12/2017).
Die Absicht des Gesetzgebers wird in der Änderung des § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG durch BGBl I 2011/139 deutlich: Mit der Betonung, dass eine Erwerbstätigkeit im Beobachtungszeitraum „tatsächlich“ ausgeübt werden soll, wollte der Gesetzgeber va zum Ausdruck bringen, Missbrauch durch die Ausübung einer bloßen Scheinerwerbstätigkeit in Österreich zu verhindern, wie dies in den Gesetzesmaterialien zu dieser Änderung ausdrücklich festgehalten wird (ErläutRV 1522 BlgNR 24. GP 4). Genau diese Absicht des Gesetzgebers drückt sich auch in den Formulierungen aus, dass die Erwerbstätigkeit „tatsächlich (also Tag für Tag) und durchgehend ausgeübt“ und „faktisch an den Tag gelegt“ werden muss (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2 und 10). Diese Wertungen gelten auch für § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG. Eine darüber hinausgehende Bedeutung in dem Sinn, dass nur eine „physische“ Arbeitstätigkeit im Rahmen des Arbeitsvertrags den Tatbestand des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG erfüllen könnte, kommt dem Begriff „tatsächlich“ in dieser Bestimmung aus den dargelegten Gründen nicht zu.
Ergebnis: Für die Verwirklichung des Tatbestands des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG ist es – neben den weiteren in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen – erforderlich, dass im Beobachtungszeitraum der letzten 182 Tage unmittelbar vor Bezugsbeginn erstens eine – selbstständige oder unselbstständige – Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, und dass zweitens durch diese Erwerbstätigkeit die Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung begründet wird.
Keine gleichheitswidrige Privilegierung
Gemäß § 47 oö L-VBG kann einem Vertragsbediensteten kann sein Ansuchen aus wichtigen persönlichen oder familiären Gründen oder aus einem sonstigen besonderen Anlass ein Sonderurlaub gewährt werden. Für die Zeit des Sonderurlaubs behält der Vertragsbedienstete den Anspruch auf die vollen Bezüge.
Eine gleichheitswidrige „Privilegierung“ des Klägers durch diese Bestimmung liegt nicht vor: Abgesehen davon, dass es für die Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG nicht auf eine „physische“ Ausübung der Erwerbstätigkeit ankommt, normiert § 47 oö L-VBG nicht einen „Anspruch“ des Vertragsbediensteten, sondern regelt nur das Recht des Dienstgebers, dem Vertragsbediensteten über dessen Ersuchen einen bezahlten Sonderurlaub zu gewähren (arg: „kann“). Das Recht, einen Dienstnehmer über das Ausmaß des gesetzlichen Erholungsurlaubs gegen Fortzahlung des Entgelts vom Dienst freizustellen, steht auch anderen Dienstgebern offen.