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Mit der Befreiungsbestimmung des § 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988 für Reiseaufwandsentschädigungen sollen Aufwendungen und Belastungen verschiedenster Art abgedeckt werden, die bei der ständigen Dienstverrichtung an einem festen Arbeitsplatz nicht anfallen. Es macht dabei keinen Unterschied, ob sich dieser feste Arbeitsplatz am Werksgelände des Arbeitgebers oder am Werksgelände eines Auftraggebers (Großkunden) des Arbeitgebers befindet. Die mit Tätigkeiten an wechselnden Arbeitsplätzen verbundene Reiseerschwernis liegt da wie dort nicht vor und es ist auch nicht erkennbar, wieso bei einem dauerhaften Einsatz im Betrieb des Auftraggebers ein Bedarf an Mobilitätsanreizen gegeben sein soll. Für die ständige Tätigkeit eines Dienstnehmers am Betriebsgelände eines Auftraggebers (Großkunden) des Arbeitgebers können somit keine steuerfreien Reiseaufwandsentschädigungen gemäß § 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988 ausbezahlt werden. Dass die Reiseaufwandsentschädigungen aufgrund des anwendbaren Kollektivvertrages verpflichtend zu zahlen sind, ändert daran nichts.
VwGH 29. 5. 2024, Ro 2022/15/0019 -> zu BFG RV/5100132/2020, ARD 6810/13/2022 (Bestätigung)
Sachverhalt und bisheriges Verfahren
Der Revisionswerber ist Masseverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der X GmbH, bei der für den Streitzeitraum gemeinsame Prüfungen lohnabhängiger Abgaben (GPLA) stattgefunden haben. Der Prüfer stellte ua fest, Dienstnehmern der X GmbH, die – teilweise vom ersten Beschäftigungstag an und teilweise über Monate bzw Jahre hinweg – im Betrieb eines Auftraggebers der X GmbH zum Einsatz gekommen seien, seien für den gesamten Zeitraum steuerfreie Reiseaufwandsentschädigungen ausbezahlt worden. Seiner Ansicht nach zu Unrecht; steuerfreie Reiseaufwandsentschädigungen hätten nur für die ersten 6 Monate des jeweiligen Einsatzes ausbezahlt werden dürfen.
Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ gegenüber der X GmbH Bescheide über die Haftung für Lohnsteuer betreffend die Jahre 2010 bis 2016. In ihren Beschwerden führte die X GmbH ua aus, ihre Mitarbeiter (hauptsächlich Schlosser und Installateure) erledigten in ihrem Auftrag in verschiedenen fremden Industriebetrieben Montage-, Installations-, Reparatur- und Wartungsarbeiten an Industrieanlagen. Es liege in der Natur der Sache, dass in großen Industriebetrieben ständig Anlagen neu errichtet, umgebaut oder repariert werden müssten. Um die Aufträge erfüllen zu können, seien bestimmte Dienstnehmer, die für den Firmensitz aufgenommen worden seien und sich zur Reisetätigkeit verpflichtet hätten, ständig in den Industriebetrieben der Auftraggeber zum Einsatz gelangt. Die X GmbH sei aufgrund des KV für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe zur Auszahlung der Reiseaufwandsentschädigungen verpflichtet. Der Firmensitz sei in der BV der X GmbH als ständiger Betrieb definiert worden.
Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BFG den Beschwerden keine Folge. Die bloße Erfüllung der in § 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988 angeführten Tatbestände reiche nicht aus, um von einer „Reise“ im Sinne dieser Vorschrift ausgehen zu können. Für steuerliche Zwecke könnten lohngestaltende Vorschriften nämlich nicht uneingeschränkt Fiktionen aufstellen, also zur Steuerfreiheit von Tag- und Nächtigungsgeldern sowie Fahrtkostenvergütungen führen, wenn sich der Dienstnehmer gar nicht auf einer Dienstreise befinde. Würden diese Gelder tatsächlich für Tätigkeiten an einem Ort ausbezahlt, der als Dienstort des jeweiligen Dienstnehmers anzusehen sei, weil der Dienstnehmer dort ständig für einen längeren Zeitraum tätig sei, könnten diese Gelder nicht als steuerfrei gemäß § 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988 behandelt werden. Auch Tätigkeiten in einer ständigen Arbeitsstelle außerhalb des Betriebsortes des Arbeitgebers seien als Dienstort des Arbeitnehmers anzusehen und befinde sich der Dienstnehmer bei einer solchen Tätigkeit nicht auf einer Reise iSd § 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die ordentliche Revision. Diese wurde jedoch als unbegründet abgewiesen:
In lohngestaltenden Vorschriften geregelte Dienstreisen
Gemäß § 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988 sind vom Arbeitgeber als Reiseaufwandsentschädigungen gezahlte Tagesgelder und Nächtigungsgelder von der Einkommensteuer befreit, soweit sie nicht gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 zu berücksichtigen sind, die ua für eine Baustellen- und Montagetätigkeit außerhalb des Werksgeländes des Arbeitgebers gewährt werden, soweit der Arbeitgeber aufgrund einer lohngestaltenden Vorschrift gemäß § 68 Abs 5 Z 1 bis 6 EStG 1988 zur Zahlung verpflichtet ist. Die Tagesgelder dürfen die sich aus § 26 Z 4 EStG 1988 ergebenden Beträge nicht übersteigen.
Die Regelung des § 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988 geht im Wesentlichen auf die Reisekosten-Novelle 2007, BGBl I 2007/45, zurück und war eine Reaktion des Gesetzgebers auf das Erkenntnis des VfGH vom 22. 6. 2006, G 147/05, ARD 5714/10/2006, mit dem die unbegrenzte Möglichkeit der Erweiterung des Dienstreisebegriffs des § 26 Z 4 EStG 1988 in lohngestaltenden Vorschriften aufgehoben wurde. Die Bestimmung wurde geschaffen, um zu erreichen, dass – wie nach der Rechtslage vor der Gesetzesaufhebung – über die Dienstreise im engeren Sinn hinausgehend auch für in lohngestaltenden Vorschriften großzügiger geregelte Dienstreisen nicht der Einkommensteuer zu unterziehende Tagesgelder gezahlt werden können.
Verlassen des Werksgeländes erforderlich
Der Begriff der Baustellen- und Montagetätigkeit umfasst laut Initiativantrag zur Reisekosten Novelle 2007 die Errichtung und Reparatur von Anlagen sowie alle damit verbundenen Nebentätigkeiten wie Planung, Überwachung der Bauausführung sowie die Einschulung bzw Übergabe fertig gestellter Anlagen, wobei aber ein Tätigwerden am ständigen Betriebsgelände des Arbeitgebers (zB Bauhof) nicht unter diesen Tatbestand fällt (vgl 220/A BlgNR 23. GP, S 6).
§ 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988 normiert somit eine Steuerbefreiung für Tagesgelder, die vom Arbeitgeber als Reiseaufwandsentschädigungen für Tätigkeiten gezahlt werden, bei welchen das Werksgelände des Arbeitgebers verlassen wird. Die Befreiungsbestimmung berücksichtigt damit speziell die Belastungssituation von Betätigungen außerhalb der eigentlichen Betriebsstätte und wird sachlich damit begründet, dass „mit diesen Tätigkeiten Aufwendungen verschiedenster Art verbunden sind, die zwar für Gruppen von Arbeitnehmern und auch innerhalb dieser Gruppen der Höhe und dem Grunde nach unterschiedlich sein können, die aber bei der ständigen Dienstverrichtung an einem festen Arbeitsplatz nicht oder nicht in dieser Art anfallen. [...] Neben diesen pauschalen Aufwandsentschädigungen berücksichtigt § 3 Abs 1 Z 16b die mit den angeführten Tätigkeiten verbundene ‚Reiseerschwernis‘ sowie Mobilitätsanreize“ (220/A BlgNR 23. GP).
Keine Steuerbefreiung für Reiseaufwandsentschädigungen
Das BFG stellte fest, die X GmbH habe sich mit der Herstellung, Montage und Wartung von Industrieanlagen befasst und die damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten häufig vor Ort bei den Auftraggebern durchgeführt. Am Betriebsstandort von Großkunden, von denen kontinuierlich Aufträge erteilt worden seien, seien idR drei bis vier Mitarbeiter der X GmbH dauerhaft zum Einsatz gekommen, deren Tätigkeit das Aufstellen neuer Maschinen, die Demontage ausgedienter Maschinen, das Umstellen vorhandener Maschinen, Wartungsarbeiten, den Einbau von Rohrleitungen, Zentralheizungen, Heizungskomponenten, Arbeiten an sanitären Anlagen, den Umbau von Anlagen zur Verbesserung von Fertigungsabläufen, die Behebung von Störungen, die Errichtung von Flugdächern bzw Einhausungen, den Bau von Verschalungen etc umfasst habe. Das BFG vertrat den Standpunkt, die Voraussetzung für die Steuerfreiheit der verfahrensgegenständlichen Bezugsbestandteile seien nicht erfüllt, weil eine am Betriebsstandort eines Auftraggebers (Großkunden) ausgeübte Tätigkeit, die in der laufenden, auf Dauer angelegten Errichtung bzw dem Umbau, dem Service und der Wartung von Industrieanlagen besteht, nicht mehr als – von der X GmbH ausschließlich als Befreiungstatbestand herangezogene – Montage- bzw Baustellentätigkeit iSd § 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988 anzusehen sei.
Die im angefochtenen Erkenntnis vertretene Rechtsauffassung, die hier in Rede stehenden Bezugsbestandteile seien nicht gemäß § 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988 von der Steuer befreit, stößt schon deswegen auf keine Bedenken, weil mit der angeführten Befreiungsbestimmung Aufwendungen und Belastungen verschiedenster Art abgedeckt werden sollen, die bei der ständigen Dienstverrichtung an einem festen Arbeitsplatz nicht anfallen. Es macht keinen Unterschied, ob sich dieser feste Arbeitsplatz am Werksgelände des Arbeitgebers oder am Werksgelände eines Auftraggebers (Großkunden) des Arbeitgebers befindet. Die mit Tätigkeiten an wechselnden Arbeitsplätzen verbundene Reiseerschwernis liegt da wie dort nicht vor und es ist auch nicht erkennbar, wieso in Konstellationen wie der vorliegenden ein Bedarf an Mobilitätsanreizen gegeben sein soll.
Es trifft nicht zu, dass das BFG „diametral gegen den eindeutigen in § 3 Abs 1 Z 16b EStG klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers“ entschieden habe. Vielmehr ergibt sich aus den zitierten Gesetzesmaterialien, dass etwa ein Tätigwerden am ständigen Betriebsgelände des Arbeitgebers (zB Bauhof) nicht unter diesen Tatbestand fällt (220/A BlgNR 23. GP, S 6). Dies muss für die ständige Tätigkeit eines Dienstnehmers am Betriebsgelände eines Auftraggebers (Großkunden) des Arbeitgebers gleichermaßen gelten.