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Überstunden, die dadurch entstanden sind, dass die nach dem Kollektivvertrag täglich zulässige Normalarbeitszeit überschritten wird, sind auch während Zeiten, für die Corona-Kurzarbeit vereinbart wurde, gesondert zu entlohnen.
Sachverhalt und bisheriges Verfahren
Auf das Arbeitsverhältnis ist der Kollektivvertrag für Dienstnehmer in den privaten Autobusbetrieben (KV) anzuwenden. Für April 2020 bestand im Betrieb eine aufrechte (Corona-)Kurzarbeitsvereinbarung mit einer Reduktion der sonst zu erbringenden Normalarbeitszeit um 42 %. Dem Kläger wurde eine Nettoersatzrate von 80 % ausbezahlt. Er arbeitete im April 2020 an acht Arbeitstagen jeweils 12 Stunden und 20 Minuten. Es wurden daher im April 2020 insgesamt 18,67 Stunden nach der 10. Stunde des jeweiligen Arbeitstages geleistet. Eine Betriebsvereinbarung, die eine Durchrechnung der Normalarbeitszeit regelt, existiert im Unternehmen nicht.
Der Kläger begehrte für diese 18,67 Überstunden Entgelt von € 373,03 brutto. Auch wenn die Stundenzahl die zustehende Nettoersatzrate der Kurzarbeitsvereinbarung nicht erreiche, seien die Überstunden separat abzurechnen. Für jede Leistung über der täglichen Normalarbeitszeit von 10 Stunden seien diese Überstunden zuzüglich einem 50%igen Zuschlag abzugelten.
Der Arbeitgeber anerkannte das Klagebegehren im Umfang von € 274,84 brutto, die Forderung von weiteren € 98,19 brutto wurde bestritten. Die Normalarbeitszeit im April habe 173,33 Stunden betragen. Aufgrund der Kurzarbeitsregelung habe der Kläger eine Nettoersatzrate von 80 % erhalten, dies entspreche 138,67 Stunden. Der Kläger habe im April 2020 149,97 Stunden gearbeitet, davon 18,67 Stunden nach der 10. Stunde des Tages. Er habe daher über die mit der Nettoersatzrate abgegoltene Anzahl von Stunden hinaus 11,3 Überstunden geleistet. Diese seien daher zuzüglich Zuschlag zu bezahlen. Hinsichtlich der restlichen 7,37 Stunden habe der Kläger den Grundlohn bereits durch die Zahlung der Nettoersatzrate erhalten. Diesbezüglich sei nur die Forderung nach dem 50%igen Zuschlag berechtigt. Der vom Kläger geforderte Grundlohn für die 7,37 Stunden (€ 98,19) werde daher weiter bestritten.
Die Vorinstanzen gaben der Klage auch in Bezug auf die restlichen € 98,19 statt. Der OGH ließ die Revision zu, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Berechnung des Überstundenentgelts für während der Kurzarbeit geleistete Überstunden vorlag, bestätigte in der Sache aber die Entscheidungen der Vorinstanzen.
Entscheidung
Die Bundesrichtlinie Kurzarbeitsbeihilfe (KUA-COVID-19) vom 1. 3. 2020 regelt, dass der Arbeitszeitausfall im Kurzarbeitszeitraum durchschnittlich nicht unter 10 % und nicht über 90 % der gesetzlich oder kollektivvertraglich festgelegten oder, bei Teilzeitbeschäftigten, der vertraglich vereinbarten Normalarbeitszeit betragen darf. Die Kurzarbeitsbeihilfe richtet sich gestaffelt nach der Höhe des Bruttoentgelts und liegt zwischen 80 und 90 % bzw bei Lehrlingen bei 100 % des bisherigen Nettoentgelts.
Diese Vorgabe einer pauschalen Mindestnettoersatzrate hat zur Folge, dass das Gesamtentgelt der Arbeitnehmer für tatsächlich geleistete Arbeits- plus geförderte Ausfallstunden mit zunehmender Arbeitsleistung nicht steigt. Damit reduziert sich die von den Arbeitgebern zu leistende Kurzarbeitsunterstützung zunehmend, je mehr Stunden gearbeitet werden und je näher daher das für die erbrachte Arbeitsleistung gebührende Entgelt an der vorgesehenen Mindestnettoersatzrate liegt. Grundsätzlich ist daher richtig, dass allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer mehr Stunden als in der Kurzarbeitsvereinbarung vorgesehen leistet, nicht notwendigerweise ein höheres Entgelt nach sich zieht, wenn die abzugeltende Leistung noch im Rahmen der für ihn geltenden Mindestnettoersatzrate liegt.
Der Arbeitgeber übersieht jedoch, dass im vorliegenden Fall nicht die Entlohnung von in der Normalarbeitszeit erbrachten Leistungen begehrt wird, sondern von Überstunden. Unabhängig von der Höhe der reduzierten oder nicht reduzierten Normalarbeitszeitstunden wurden außerhalb der zulässigen Normalarbeitszeit Leistungen erbracht, nämlich durch Überschreitung der im Kollektivvertrag vorgesehenen täglichen Normalarbeitszeit von 10 Stunden. Solche Überstunden sind auch bei Vorliegen einer Kurzarbeitsvereinbarung zusätzlich zum Grundlohn und daher auch neben der pauschalen Mindestnettoersatzrate zu entlohnen. Die Entlohnung der Überstunden setzt sich – wie im Kollektivvertrag vorgesehen – aus dem Stundenlohn laut Grundlohn und einem Zuschlag zusammen. Es ist daher nicht richtig, dass die Abgeltung der unstrittig geleisteten Überstunden schon durch Zahlung des für die in der Normalarbeitszeit zu erbringenden Arbeitsleistung vereinbarten Entgelts abgedeckt ist.
Daran ändert auch nichts, dass die Bundesrichtlinie Kurzarbeitsbeihilfe für die Bestimmung der berechenbaren Ausfallstunden vorsieht, dass von den kollektivvertraglichen Normalarbeitszeitstunden auch im Abrechnungszeitraum angefallene Überstunden abzuziehen sind (Pkt 6.7.). Dass der Arbeitgeber während der Zeit der Kurzarbeitsvereinbarung den Arbeitnehmer zur Leistung von Überstunden heranzieht, mag Auswirkungen auf die zu gewährende Förderung haben, ändert aber nichts daran, dass diese Überstunden gesondert zu entlohnen sind (vgl auch Kurzböck, Das Corona-Kurzarbeits-ABC, ARD 6693/5/2020).
Der OGH kommt daher zu dem Ergebnis, dass Überstunden, die dadurch entstanden sind, dass die nach dem Kollektivvertrag täglich zulässige Normalarbeitszeit überschritten wird, auch während Zeiten, für die Corona-Kurzarbeit vereinbart wurde, gesondert zu entlohnen sind.