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GmbH: Zurechnung der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AnfO: § 2

Die fehlende Kenntnis des Geschäftsführers der bekl GmbH von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners steht hier der Bejahung des § 2 Z 1 AnfO (nunmehr § 439 Z 1 EO) nicht entgegen: Die bekl GmbH wurde zum Zwecke der Treuhand eigens gegründet. Die Zurechnung des Wissens des Schuldners über seine eigene Benachteiligungsabsicht an die GmbH bzw deren Geschäftsführer ist – schon aufgrund der im Anfechtungsrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise – wegen seiner Stellung als Treugeber (und damit wirtschaftlich Berechtigtem) nicht zu beanstanden.

OGH 22. 2. 2024, 17 Ob 24/23p

Hinweis:

Die Regelungen der AnfO wurden mit der Gesamtreform des Exekutionsrechts (GREx BGBl I 2021/86) in die §§ 438 ff EO übernommen. Diese Bestimmungen sind gem § 502 Abs 8 EO idF GREx auf Rechtshandlungen nach dem 30. 6. 2021 anzuwenden.

Sachverhalt

Der Schuldner war Eigentümer einer Liegenschaft. Um sie dem exekutiven Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen, brachte er einen Arzt, mit dem ihn die gemeinsame Mitgliedschaft in einer Studentenverbindung verband und der über keinerlei kaufmännische Erfahrung verfügte, unter Verheimlichung seiner wahren und Vortäuschung einer falschen Intention dazu, als sein Treuhänder allein die bekl GmbH zu gründen, als deren Geschäftsführer zu fungieren und als solcher mit ihm über die Liegenschaft einen Kaufvertrag zu schließen. Dabei wurden ein bestimmter Kaufpreis, ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht des Schuldners an der Liegenschaft und die Tragung der laufenden Kosten der Liegenschaft durch die Bekl während der Wohnrechtsausübung vereinbart. Der Schuldner stellte der Bekl sowohl das Gründungskapital als auch das nötige Geld für den Kaufpreis und die Tragung der laufenden Kosten zu Verfügung.

Zum erste Rechtsgang siehe 17 Ob 5/22t, EvBl 2023/19 [Füreder] = RdW 2022/686.

Nach Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen des Schuldners und Eintritt der Masseverwalterin in den Prozess als kl P anstelle des vormals klagenden Gläubigers bestätigte das BerufungsG im zweiten Rechtsgang das Ersturteil, mit dem der (auch) auf § 2 Z 1 AnfO gestützten Klage stattgeben wurde (Duldung der Exekution in die Liegenschaft zur Hereinbringung von insgesamt 37.528,06 € sA). Rechtlich übertrug es im Wesentlichen die E 3 Ob 1/10h (= RdW 2010/736) auf den vorliegenden Fall und kam so zum Ergebnis, dass die fehlende Kenntnis des Geschäftsführers der Bekl von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners der Bejahung des § 2 Z 1 AnfO nicht entgegenstehe, weil sich der Schuldner seiner als „uninformiertes Werkzeug“ bedient habe und wirtschaftlich betrachtet es an einer Trennung des Vermögens des Schuldners von jenem der Bekl fehle.

Diese Beurteilung bedarf keiner höchstgerichtlichen Korrektur (Zurückweisung der außerordentlichen Revision gem § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO).

Entscheidung

Im Anfechtungsrecht vertritt der OGH in stRsp, dass beim Handeln eines gesetzlichen Vertreters zwar grundsätzlich dessen Kenntnis maßgebend ist; wenn aber etwa auf Betreiben des Vaters ein Kollisionskurator für einen Minderjährigen bestellt wird und sich der Vater des gutgläubigen, als Werkzeug missbrauchten Kurators bedient, ist das Wissen des Vaters dem Kind als Anfechtungsgegner zuzurechnen (RS0114517).

Ausgehend von dieser Judikatur hat der OGH zu 3 Ob 1/10h den Organ einer liechtensteinischen Privatstiftung die Kenntnis des Stifters zugerechnet, der der Stiftung rechtsmissbräuchlich Vermögen zugewendet hatte. Die Wissenszurechnung müsse jedenfalls für eine Stiftung gelten, die noch unter dem wirtschaftlichen Einfluss des Stifters stehe, wobei die zu beurteilende Stiftung als „in Wahrheit kein eigentümerloses, vom Stifter völlig getrenntes Vermögen“ qualifiziert wurde (3 Ob 1/10h [Pkt III.1]). Die zitierte Rsp (RS0114517) sei wegen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Anfechtungsrecht insofern vergleichbar, als es auch hier um die Einschaltung eines ahnungslosen Werkzeugs (Organe der Stiftung) gehe. Auf deren Wissen über die Benachteiligungsabsicht des Stifters komme es nicht an. Die gegenteilige Auffassung machte das Anfechtungsrecht völlig „zahnlos“, könnten doch Schuldner ihr Vermögen jederzeit dem Zugriff ihrer Gläubiger über das „Vehikel“ einer liechtensteinischen Stiftung anfechtungsfest entziehen (3 Ob 1/10h [Pkt III.2]).

Die E 3 Ob 1/10h stieß in der Lit auf Zustimmung (siehe insb König in PSR 2010, 164 [166 f]). Dass sie auch Bedeutung haben werde für die Wissenszurechnung bei der Anfechtung etwa von Einlagen an Kapitalgesellschaften oder bei einer GmbH mit unwissendem Geschäftsführer, die zum Zwecke der Vermögensverschiebung erst gegründet wurde oder faktisch vom Alleingesellschafter beherrscht wird, wurde bereits in der Lit ausgeführt (Zollner in GES 2010, 210 [214]; Widhalm-Budak in GesRZ 2010, 358 [359]). Das Berufungsurteil steht damit im Einklang.

Dass Rsp des OGH zu einem völlig gleich gelagerten Sachverhalt fehlt, begründet noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (vgl RS0110702; RS0102181; RS0107773). Dies gilt insb dann, wenn der Streitfall – wie hier – mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rsp gelöst wurde (RS0042742 [T13]; RS0042656 [T48]).

Hinweis:

Zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Anfechtungsrecht siehe etwa 6 Ob 172/06x [Pkt 1.2], RdW 2007/424; 17 Ob 5/22t [Rz 19], RdW 2022/686; König/Trenker, Die Anfechtung nach der IO6 [2020] Rz 2.29 mwN).

Allgemein zur Wissenszurechnung bei wirtschaftlicher Identität von Schuldner und Anfechtungsgegner siehe auch Trenker, Insolvenzanfechtung gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen [2012] 106 f, 226 f.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35272 vom 04.04.2024