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Insolventer Ehegatte – Aufteilungsverfahren nach Insolvenzeröffnung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

EheG: § 96

IO: § 2, § 3, § 7, § 8, § 8a, § 81a

Der insolvente Ehegatte kann einen nach Insolvenzeröffnung entstandenen Aufteilungsanspruch wirksam geltend machen und das Aufteilungsverfahren einleiten, weil der Anspruch vor gerichtlicher Geltendmachung noch nicht der Exekution unterworfen ist und daher nicht die Insolvenzmasse betrifft.

Nach wirksamer Antragstellung ist dem Insolvenzschuldner – wie auch im Fall der Insolvenzeröffnung nach Antragstellung – die Befugnis zur weiteren Verfahrensführung entzogen. Das Verfahren kann nur vom Insolvenzverwalter fortgeführt werden. Aus § 8 Abs 2 IO ergibt sich, dass dem Insolvenzverwalter für seine Erklärung, ob er in ein anhängiges Verfahren eintritt, eine bestimmte Frist zu setzen ist. Tritt der Insolvenzverwalter nicht in das Aufteilungsverfahren ein, scheidet der Aufteilungsanspruch aus der Masse aus und das Verfahren wird vom Schuldner fortgeführt; die von ihm nach Antragstellung gesetzten Verfahrenshandlungen sind dann wirksam. Tritt der Insolvenzverwalter in das Verfahren ein, steht es ihm frei, die vom Schuldner (nach Antragstellung) vorgenommenen unwirksamen Verfahrenshandlungen zu genehmigen.

OGH 8. 4. 2024, 1 Ob 157/23d

Entscheidung

Abgehen von der bisherigen Begründung der Rsp

Die Legitimation des Insolvenzschuldners zur gerichtlichen Geltendmachung eines nach Insolvenzeröffnung entstandenen Aufteilungsanspruchs (zur Einleitung des Aufteilungsverfahrens) entspricht im Ergebnis der bisherigen höchstgerichtlichen Rsp (RS0114060).

Diese begründete ihre Ansicht allerdings damit, dass Aufteilungsansprüche des nicht insolventen Ehegatten gegen den insolventen Ehegatten im Fall einer Scheidung nach Konkurseröffnung (wie hier) weder Insolvenz- noch Masseforderungen seien und daher nicht am Konkursverfahren (Insolvenzverfahren) teilnähmen. „Demnach“ beträfen auch Aufteilungsansprüche des insolventen gegen den nicht insolventen Ehegatten nicht die Insolvenzmasse und seien daher vom Schuldner und nicht vom Masseverwalter (Insolvenzverwalter) geltend zu machen (6 Ob 315/99p, ZIK 2001/158).

Diese Begründung kann der hier erkennende Fachsenat aber nicht aufrecht erhalten.

(a) Zu 6 Ob 315/99p nahm der OGH zwar auf Vorjudikatur Bezug, insb auf die E zu 3 Ob 685/82 (= MietSlg XXXV/8) - aus der sich diese Begründung so aber nicht ergab: In der E 3 Ob 685/82 war ein Aufteilungsbegehren des nicht insolventen gegen den insolventen Ehegatten zu beurteilen, das aufgrund der Scheidung erst nach Insolvenzeröffnung nicht als Insolvenzforderung qualifiziert wurde, sondern als auf das insolvenzfreie Vermögen gerichteter Anspruch. Warum daraus – so die Argumentation in 6 Ob 315/99p sowie der daran anschließenden Judikatur – auf die fehlende Massebezogenheit im (umgekehrten) Fall eines Aufteilungsanspruchs des insolventen gegen den nicht insolventen Ehepartner zu schließen sei, wurde weder zu 6 Ob 315/99p noch in nachfolgenden E (zuletzt etwa 2 Ob 184/03b, ZIK 2004/63) begründet.

(b) Richtigerweise kann ein solcher Schluss auch nicht gezogen werden:

Die IO (und zuvor die KO) beurteilt die Frage, ob Ansprüche (Forderungen) des Schuldners einerseits und gegen diesen gerichtete Forderungen andererseits die Insolvenzmasse betreffen nach unterschiedlichen Kriterien. Während sich die Frage, ob Forderungen gegen den Schuldner oder den Insolvenzverwalter geltend zu machen sind, danach richtet, ob diese vor oder nach Insolvenzeröffnung entstanden sind (RS0033799), zählt gem § 2 Abs 2 IO das vom Schuldner nach Insolvenzeröffnung erlangte (pfändbare) Vermögen – und damit auch ein solcher Vermögensanspruch – zur Insolvenzmasse und ist daher der Verfügung des Schuldners entzogen.

Aus der Passivlegitimation des Schuldners (und nicht des Insolvenzverwalters) für nach Insolvenzeröffnung entstandene Ansprüche kann daher nicht geschlossen werden, dass dem Schuldner auch die Aktivlegitimation zur Geltendmachung solcher nach Insolvenzeröffnung entstandener Ansprüche (die eben zur Insolvenzmasse zählen) zukommt. Demnach kann auch daraus, dass ein – nach Insolvenzeröffnung entstandener – Aufteilungsanspruch des nicht insolventen Ehegatten nach der bish Rsp die Insolvenzmasse nicht betrifft, nicht abgeleitet werden, dass dies auch für die Geltendmachung eines solchen Anspruchs durch den insolventen Ehegatten gilt.

Verfahren nach Antragstellung

Da der Aufteilungsanspruch mit gerichtlicher Geltendmachung übertragbar und verpfändbar wurde, ist er ab diesem Zeitpunkt ein „der Exekution unterworfenes Vermögen“ iSd § 2 Abs 2 IO. Dem Insolvenzschuldner ist dann nach dieser Bestimmung die freie Verfügung über den Aufteilungsanspruch entzogen, soweit dieser die Insolvenzmasse betrifft. Letzteres ergibt sich hier schon daraus, dass der Antragsteller von der Antragsgegnerin eine vermögenswerte Leistung begehrt, nämlich die Übertragung einer in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft.

Neben § 2 Abs 2 IO ergibt sich die fehlende Verfügungsbefugnis des Antragstellers im – von ihm wirksam eingeleiteten – Aufteilungsverfahren auch aus § 3 Abs 1 IO, wonach Rechtshandlungen (Verfahrenshandlungen) des Schuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sofern sie die Insolvenzmasse betreffen, den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam sind. Diese Bestimmung sieht nach hA eine Prozesssperre für (massebezogene) Aktivverfahren des Schuldners vor (Jelinek in Koller/Lovrek/Spitzer, Insolvenzordnung² [2022] § 6 IO Rz 48).

Die fehlende Verfahrenslegitimation des Schuldners (hier nach Antragstellung) wird dadurch ausgeglichen, dass der Insolvenzverwalter gem § 81a Abs 2 IO die Masse ganz oder teilweise betreffende Rechtsstreitigkeiten zu führen hat. Da dies auch für das vorliegende außerstreitige Aufteilungsverfahren gilt (vgl ausdrücklich § 8a IO), hätte dieses nach Verfahrenseinleitung nur mehr mit dem Insolvenzverwalter fortgeführt werden dürfen. Die insolvenzrechtlichen Bestimmungen der §§ 2 Abs 2, 3 Abs 1, 6 Abs 1 und 81a Abs 2 IO (Verfügungsunfähigkeit des Schuldners hinsichtlich massebezogener Verfahren) „überlagern“ insoweit die allgemeine Bestimmung des § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG über die materielle Parteistellung. Dies ergibt sich auch aus § 8a IO, wonach die Bestimmungen „betreffend Rechtsstreitigkeiten“ iSd IO sinngemäß für das Außerstreitverfahren gelten.

Dass im nachehelichen Aufteilungsverfahren uU auch Rechtsverhältnisse zu beurteilen sind, die die Insolvenzmasse nicht betreffen (wovon aufgrund des Aufteilungsantrags derzeit aber nicht auszugehen ist), stünde einer ausschließlichen Verfahrenslegitimation des Insolvenzverwalters nicht entgegen, weil gem § 81a Abs 2 IO Rechtsstreitigkeiten, die die Masse auch bloß teilweise betreffen, vom Insolvenzverwalter zu führen sind. Damit korrespondiert § 6 Abs 3 IO, wonach während des Insolvenzverfahrens vom Schuldner nur Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche anhängig gemacht werden können, die das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen. Beträfe das Aufteilungsverfahren also sowohl die Insolvenzmasse als auch den Gemeinschuldner (höchst-)persönlich, wäre dieses gem § 81a Abs 2 und § 6 Abs 3 IO (nach Antragstellung) dennoch nur vom Insolvenzverwalter (weiter) zu führen.

Nach der Rsp kann der Schuldner in einem Zivilprozess auf Seite des Masseverwalters als Nebenintervenient beitreten, wenn er ein eigenes rechtliches Interesse an dessen Obsiegen hat (4 Ob 2397/96w, ZIK 1997, 220). Ein solches eigenes Interesse könnte im Aufteilungsverfahren etwa bestehen, wenn sich dieses auch auf unpfändbare (§ 250 EO) und damit nicht insolvenzverfangene Sachen bezieht. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Es kann daher offen bleiben, ob und gegebenenfalls auf welcher Weise dem Schuldner im Außerstreitverfahren eine der Nebenintervention vergleichbare Rechtsposition eingeräumt werden könnte (vgl dazu auch Gitschthaler, EF-Z 2023/69, Punkt D.3.).

Vorliegendes Verfahren

Da nach wirksamer Einbringung des Aufteilungsantrags durch den Schuldner nur der Insolvenzverwalter zur weiteren Verfahrensführung legitimiert war, war der Schuldner nicht zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen den Beschluss des ErstG, mit dem die Rechtssache an ein anderes BG überwiesen wurde, sowie gegen den darüber ergangenen Beschluss des RekursG legitimiert. Beide Rechtsmittel hätten vom Insolvenzverwalter erhoben werden müssen.

Dem Insolvenzverwalter wird nun aufgetragen, dem OGH binnen vier Wochen bekannt zu geben, ob er in das vom Antragsteller wirksam eingeleitete Aufteilungsverfahren eintritt und ob er gegebenenfalls die Verfahrenshandlungen des Schuldners genehmigt.

Tritt der Insolvenzverwalters nicht in das Aufteilungsverfahren ein, würde dieses (gem § 8 Abs 1 IO) vom Schuldner weitergeführt und der OGH hätte über dessen Revisionsrekurs inhaltlich zu entscheiden.

Tritt der Insolvenzverwalter hingegen in das Verfahren ein, wäre über dieses Rechtsmittel nur im Fall einer Genehmigung der bisherigen Verfahrensführung des Schuldners (mit Ausnahme der Antragstellung) inhaltlich zu entscheiden. Mangels Genehmigung wäre der Revisionsrekurs aufgrund der fehlenden Rechtsmittellegitimation des Schuldners zurückzuweisen. Welche Folgen der Eintritt des Verwalters für das Bestehen und die Durchsetzung allfälliger Ansprüche des anderen Gatten hat – zumal der „Aufteilungsanspruch“ ja nicht nur aus dem formell erhobenen Begehren besteht, sondern materiell ein Bündel möglicher Rechte und Pflichten beider Seiten umfasst, die mit einer rechtsgestaltenden Gesamtlösung begründet werden können (1 Ob 235/19v Zak 2020/421) –, ist hier nicht zu entscheiden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35771 vom 21.08.2024