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Insolvenz: Aufrechung – Sicherheitsleistung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

IO: § 19

Im vorliegenden Zivilverfahren begehrt der kl Masseverwalter (im Konkursverfahren über das Vermögen einer AG) die Rückzahlung eines Darlehens, das die Schuldnerin (AG) der hier Bekl (einer Gesellschaft der Aktionäre der Schuldnerin) gewährt habe. Als Gegenforderung wurde dagegen kompensando eine bedingte Bürgenregressforderung eingewandt (Haftung als Bürge und Zahler iZm Bankkrediten der Schuldnerin). Der Kl bestritt das Bestehen einer Bürgenregressforderung; sollte das Gericht jedoch anderer Ansicht sein, stelle er den „Antrag“, das „hg Gericht“ möge eine Sicherheitsleistung gemäß § 19 Abs 2 IO in entsprechender Höhe auftragen.

Im Insolvenzverfahren ist die Aufrechnung nach den – zwingenden – Bestimmungen der §§ 19, 20 IO teilweise erleichtert, teilweise erschwert. So kann etwa mit bedingten oder betagten Forderungen (oder gegen solche) aufgerechnet werde. Um dem Risiko für die Masse bei bedingten Aktivforderungen entgegenzutreten, ordnet § 19 Abs 2 letzter Satz IO an, dass das Gericht die Zulässigkeit der Aufrechnung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen kann. Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung (arg: „kann“), die auf Antrag oder von Amts wegen zu treffen ist. Entscheidet das Insolvenzgericht, eine Sicherheitsleistung aufzuerlegen, stellt die Erfüllung dieser Verpflichtung eine – prozessuale – Voraussetzung für die Zulässigkeit der Aufrechnung dar.

Zur Entscheidung nach § 19 Abs 2 IO zuständig ist das Insolvenzgericht und nicht das Zivilgericht, das (wie hier) die Aufrechnungseinrede eines Insolvenzgläubigers zu behandeln hat, der mit einer bedingten Insolvenzforderung aufrechnen möchte. Da es sich bei der Auferlegung einer Sicherheitsleistung um eine rechtsgestaltende Entscheidung handelt, trifft die Rechtsansicht nicht zu, dass in einem Fall wie hier das Zivilgericht über die Sicherheitsleistung als Vorfrage zu entscheiden hätte. Das Zivilgericht ist auch – mangels gesetzlicher Grundlage – nicht verpflichtet, das Vorliegen einer Entscheidung des Insolvenzgerichts nach § 19 Abs 2 IO von Amts wegen zu veranlassen oder abzuwarten. Da die Entscheidung des Insolvenzgerichts Voraussetzung für die Zulässigkeit der Aufrechnung ist, liegt es am Gläubiger, der mit einer bedingten Forderung aufrechnen will (hier: die Bekl), beim Insolvenzgericht einen entsprechenden Antrag auf Auferlegung einer Sicherheitsleistung zu stellen (sofern das Insolvenzgericht nicht ohnedies bereits tätig geworden ist).

Wird hier daher der „Antrag“ des kl Masseverwalters als Einwendung gewertet, dass die Zulässigkeit der Aufrechnung von der vorherigen Entscheidung des Insolvenzgerichts über eine Sicherheitsleistung abhängig sei, hat das Zivilgericht – entsprechend der E 7 Ob 608/83 – zu beachten, ob ihm zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz eine Entscheidung des Insolvenzgerichts gem § 19 Abs 2 IO vorliegt (vorgelegt wird), widrigenfalls die Kompensationseinwendung zurückzuweisen ist. Dies ergibt sich daraus, dass der aufrechnende Insolvenzgläubiger im Zivilprozess, in dem er gegen die klageweise geltend gemachten Forderung der Masse mit einer bedingten Gegenforderung aufrechnen will, nicht besser gestellt werden kann, als hätte er diese Aufrechnung gegenüber dem Insolvenzverwalter (bereits) im Insolvenzverfahren erklärt. Damit stimmt überein, dass das Insolvenzgericht unabhängig vom Verfahren des Zivilgerichts gem § 19 Abs 2 IO die Möglichkeit hat, die Aufrechenbarkeit mit einer bedingten Forderung des Gläubigers an den Erlag einer Sicherheitsleistung zu knüpfen.

OGH 27. 4. 2023, 9 Ob 62/22s

Entscheidung

Im vorliegenden Fall war die Kompensationseinwendung der Bekl im noch streitgegenständlichen Umfang somit zurückzuweisen, weil zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz keine Entscheidung des Insolvenzgerichts gem § 19 Abs 2 IO vorlag (7 Ob 608/83).

Zwischen dem Vorbringen der Bekl, eine Sicherheitsleistung gem § 19 Abs 2 IO wäre aus aus rechtlichen Gründen nicht erforderlich, und dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz verging nahezu ein Jahr, sodass ausreichend Zeit bestand, eine Entscheidung des Insolvenzgerichts gem § 19 Abs 2 IO als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Aufrechnungseinrede zu beantragen oder zumindest anzuregen. Dass dazu nicht die Möglichkeit und die Zeit bestanden hätte, wird nicht behauptet.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34270 vom 14.07.2023