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Insolvenz des Versicherungsnehmers – Absonderungsrecht nach VersVG

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

VersVG: § 157

ZPO: § 228

Ist über das Vermögen des (hier betriebshaftpflichtversicherten) Versicherungsnehmers ein Insolvenzverfahren eröffnet, so kann der Dritte gem § 157 VersVG wegen seines Anspruchs gegen den Versicherungsnehmer abgesonderte Befriedigung aus der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers verlangen. Behauptet der Kl ein Absonderungsrecht nach § 157 VersVG, kann er die Feststellung begehren, dass der Insolvenzverwalter für zukünftige Schäden – hier: für künftige Regressansprüche – mit dem Deckungsanspruch hafte. Auch eine solche Feststellungsklage setzt allerdings gem § 228 ZPO ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung voraus, das etwa in drohender Verjährung begründet sein kann.

Im vorliegenden Fall wurde das Feststellungsinteresse ua darauf gestützt, dass iZm den möglichen künftigen Regressansprüchen nach einem Arbeitsunfall mehrere Rechtsstreitigkeiten anhängig sind, die möglicherweise noch Jahre dauern, sodass das Insolvenzverfahren bis dahin abgeschlossen ist. Ein Feststellungsinteresse der Kl lässt sich daraus aber nicht ableiten: Ist der Schädiger nicht (mehr) insolvent, bedarf es es Absonderungsrechts nach § 157 VersVG nicht mehr; der Geschädigte kann vielmehr, weil er ja idR keinen direkten Anspruch gegen den Versicherer hat, sondern auf einen Schadenersatzanspruch gegen den Versicherungsnehmer beschränkt ist, zur exekutiven Hereinbringung der Schadenersatzforderung den Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer pfänden und sich überweisen lassen. Dieser wandelt sich dadurch jedenfalls in einen Geldanspruch um und der Geschädigte kann vom Versicherer unmittelbar Ersatz verlangen.

OGH 24. 11. 2020, 17 Ob 11/20x

Entscheidung

Im vorliegenden Fall hatte die Schuldnerin mit der Nebenintervenientin einen Haftpflichtversicherungsvertrag geschlossen. Der Feststellungsklage liegen mögliche künftige Regress- und Schadenersatzansprüche der Klägerin gegen die Schuldnerin iZm einem Arbeitsunfall zu Grunde. Die Kl vertritt zwar primär den Standpunkt, dass sie am Arbeitsunfall keinerlei Verschulden treffe, hält es aber für möglich, dass sowohl ihr selbst als auch der Schuldnerin eine grob fahrlässige Verursachung des Arbeitsunfalls bzw eine grob fahrlässige Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften zur Last gelegt werden könnte. Letztere Konstellation zugrunde gelegt, könnte das Dienstgeberhaftpflichtprivileg möglicherweise nicht mehr greifen und sie würde für die Schadenersatzansprüche haften, die auf die Sozialversicherungsträger übergegangen sind. Dies würde dann ihrerseits zu Regressansprüchen gegen die Schuldnerin führen.

Zur Darlegung ihres Feststellungsinteresses hat die im Wesentlichen ausgeführt, dass die verschiedenen Rechtsstreitigkeiten zur Feststellung des Verursachers des Arbeitsunfalls und des Verschuldens noch Jahre dauern könnten und bei deren Beendigung das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin bereits aufgehoben worden sein könnte. Auch weil gegen ihren eigenen Haftpflichtversicherer Dritte (wie etwa die AUVA) keine direkten Ansprüche iZm dem Arbeitsunfall geltend machen könnten und somit sie selbst für entsprechende Schadenersatz-, Regress- und Ausgleichsansprüche in Anspruch genommen werde, bestehe das entsprechende Feststellungsinteresse. Die Feststellungsklage diene ua zur Abwehr der Verjährung von Ansprüchen sowie zur Klarstellung.

Aus diesem Vorbringen lässt sich das Feststellungsinteresse der Kl aber nicht ableiten:

Dass bei Abschluss der anhängigen Verfahren das Insolvenzverfahren allenfalls schon aufgehoben sein könnte, ist ohne Relevanz, weil der Absonderungsanspruch nach § 157 VersVG nur den Zweck hat, es dem Geschädigten trotz Insolvenz des Schädigers zu ermöglichen, Befriedigung aus der Haftpflichtversicherung des Schädigers zu erlangen. Ist der Schädiger nicht (mehr) insolvent, bedarf es dieses Absonderungsrechts nicht; der Geschädigte kann vielmehr, weil er ja (von wenigen, hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) keinen direkten Anspruch gegen den Versicherer hat, sondern auf einen Schadenersatzanspruch gegen den Versicherungsnehmer beschränkt ist, zur exekutiven Hereinbringung der Schadenersatzforderung den Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer pfänden und sich überweisen lassen. Dieser wandelt sich dadurch jedenfalls in einen Geldanspruch um. Der Geschädigte kann dann vom Versicherer unmittelbar Ersatz verlangen: er tritt dabei in die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers ein (7 Ob 139/18v, Rechtsnews 26508 = RdW 2019/189; RS0004099).

Die von der Kl in den Raum gestellte Verjährung ihres allfälligen künftigen Regressanspruchs bis zur Beendigung der anhängigen Prozesse droht in Wahrheit nicht, weil die Verjährungsfrist überhaupt erst mit der tatsächlichen Zahlung an den Geschädigten zu laufen beginnt; solange sie nicht gezahlt hat, gäbe ihr nicht einmal das Bestehen eines rechtskräftigen Exekutionstitels gegen sie ein Rückgriffsrecht (vgl RS0017519).

Auch aus dem Fehlen der Möglichkeit einer Direktklage gegen ihren eigenen Haftpflichtversicherer kann für sich noch kein rechtliches Interesse der Kl an der hier begehrten Feststellung abgeleitet werden.

Am Fehlen des Feststellungsinteresses kann im Übrigen auch der Umstand nichts ändern, dass der Mitschuldner, der noch nicht gezahlt hat, die mit der Zahlung bedingte Regressforderung im Insolvenzverfahren nach § 17 Abs 2 IO bedingt für den Fall anmelden kann, dass der Gläubiger die Forderung nicht selbst geltend macht: Die Anmeldung dient nämlich der Sicherstellung gem § 16 IO (vgl Musger in KLS, IO § 17 Rz 5) und damit einer spezifischen Interessenlage im Rahmen des Insolvenzverfahrens; auf das Bestehen eines Feststellungsinteresses lässt sich daraus nicht rückschließen.

Da das Klagebegehren schon mangels Feststellungsinteresses abzuweisen ist, muss ua auch nicht auf die Frage eingegangen werden, ob die Kl überhaupt „geschädigte Dritte“ iSd § 157 VersVG ist.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30434 vom 16.02.2021