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Insolvenz: Einbringung eines Teilbetriebs – Anfechtung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

IO: § 28, § 29

Unentgeltliche Verfügungen“ des Schuldners in den letzten zwei Jahren vor Insolvenzeröffnung sind nach § 29 Z 1 IO grds anfechtbar. Die Einbringung eines Teilbetriebs in eine Gesellschaft, an der der Einbringende unmittelbar oder mittelbar allein beteiligt ist, erfüllt den Tatbestand des § 29 Z 1 IO jedenfalls dann nicht, wenn die übernehmende Gesellschaft nicht überschuldet ist (wie hier).

Ob die Anfechtung wegen Benachteiligungsabsicht nach § 28 Z 1 IO berechtigt ist, kann nicht abschließend beurteilt werden. Die Einbringung kann im Einzelfall dazu führen, dass Gläubiger der übernehmenden Gesellschaft vorrangig auf das eingebrachte Vermögen zugreifen, was zulasten der Gläubiger des Einbringenden ginge; diesen ist der unmittelbare Zugriff auf die Vermögenswerte verwehrt. Weiters benachteiligt die Einbringung eines Teilbetriebs in eine Gesellschaft im Regelfall auch deswegen die Gläubiger des Einbringenden, weil die exekutive Verwertung eines Geschäftsanteils schwieriger ist als jene von körperlichen Sachen. Zwar könnte sich im Einzelfall auch Gegenteiliges ergeben, etwa im Fall der Alleingesellschafterstellung des Einbringenden wie hier (vgl Trenker, Insolvenzanfechtung 166); das könnte dann zutreffen, wenn ein Teilbetrieb in ein bereits werbendes Unternehmen eingebracht wird und Synergieeffekte zu einer überproportionalen Erhöhung des Werts dieses Unternehmens (also der übernehmenden Gesellschaft) führen. Bei der Einbringung in eine neu gegründete, bisher nicht geschäftlich tätige Gesellschaft werden dem Wert der eingebrachten Sachen aber regelmäßig zumindest die Gründungskosten gegenüberstehen. In diesem Fall wird jedenfalls der erste Anschein für Nachteiligkeit sprechen. Auf dieser Grundlage ist nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens Gläubigerbenachteiligung anzunehmen.

OGH 12. 7. 2022, 17 Ob 13/21t

Sachverhalt

Der Kl ist Masseverwalter im Konkurs der S* GmbH (idF: Schuldnerin). Ein Teilbetrieb der Schuldnerin war mit Vertrag vom 21. 9. 2017 zum Stichtag 31. 12. 2016 in die Bekl eingebracht worden, wobei die Gesellschaften bei Einbringung – wie auch derzeit – über die Person des Ing. H miteinander verbunden waren:

-An der Schuldnerin waren bei Abschluss des Einbringungsvertrags Ing. H zu einem Prozent und eine (inzwischen ebenfalls insolvente) H GmbH zu 99 % beteiligt, deren Alleingesellschafter wiederum Ing. H war.
-Alleingesellschafterin der Bekl war bei Abschluss des Vertrags die Schuldnerin. Derzeit ist Alleingesellschafterin der Bekl eine ungarische Gesellschaft, deren Alleingesellschafter wiederum Ing. H ist.

Im Einbringungsvertrag vertrat Ing. H sowohl die Schuldnerin als auch die Bekl. Die Einbringung erfolgte nach § 19 Abs 2 Z 5 UmgrStG ohne Gewährung neuer Anteile an der übernehmenden Gesellschaft.

Die Gründung der Bekl und die Einbringung des Teilbetriebs diente der Vorbereitung des Einstiegs eines Investors. Gespräche darüber hatten im März 2017 begonnen, für Mitte September stand das „Signing“ und bald darauf das „Closing“ in Aussicht. Dann kam es jedoch zu einer Verzögerung, die der Steuerberater der Schuldnerin gegenüber Ing. H als „kritisch“ für die Schuldnerin bezeichnete. Da das Investment „nicht vom Tisch war“, entschied Ing. H in Absprache mit dem Steuerberater, die Einbringung des Teilbetriebs in die Bekl „vorzuziehen“, damit beim Einstieg des Investors alles „fertig“ sei.

Zum Einstieg des Investors kam es letztlich nicht. Vielmehr wurde über das Vermögen der Schuldnerin am 2. 11. 2017 ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet, das am 22. 5. 2018 nach Bestätigung eines Sanierungsplans aufgehoben wurde.

Mit Vertrag vom 5. 10. 2018 trat die Schuldnerin die Anteile an der Bekl zum Preis von 4 Mio € an die ungarische Gesellschaft ab.

Am 3. 4. 2019 wurde neuerlich ein Insolvenzverfahren eröffnet und der Kl zum Verwalter bestellt. Er trat wegen Nichtzahlung eines Kaufpreisteils vom Vertrag mit der ungarischen Gesellschaft zurück.

Der Kl ficht nun die Einbringung des Teilbetriebs nach § 28 Z 1 und 2 IO und § 29 Z 1 IO an. Zunächst begehrte er (mit Stufenklage) Rückübertragung des Teilbetriebs, in weiterer Folge änderte er sein Begehren wegen Untunlichkeit der Rückübertragung (§ 39 Abs 1 IO) auf Zahlung von 13.465.331,79 € (Buchwert des Teilbetriebs). Die Einbringung sei unentgeltlich erfolgt, weswegen sie (auch) unmittelbar nachteilig sei. Die (unmittelbare) Nachteiligkeit ergebe sich auch daraus, dass die eingebrachten Werte nun anderen Gläubigern, nämlich jenen der Bekl, zur Verfügung stünden. Dies habe Ing. H als Geschäftsführer der Schuldnerin beabsichtigt. Der Kaufpreis für die Veräußerung des Geschäftsanteils an die ungarische Gesellschaft sei zu gering gewesen und noch dazu durch Aufrechnungen getilgt worden. Daher sei die angefochtene Rechtshandlung auch mittelbar nachteilig. Die Bekl habe den Anfechtungsanspruch im ersten Insolvenzverfahren anerkannt.

Entscheidung

Nach § 28 Z 1 IO ist Benachteiligungsabsicht erforderlich, zu der konkrete Feststellungen fehlen. Das ErstG hat zwar festgestellt, dass die Einbringung des Teilbetriebs der Vorbereitung des Einstiegs eines Investors diente. Das schließt jedoch – va angesichts der bald darauf erfolgten Insolvenzeröffnung – nicht aus, dass Ing. H eine Benachteiligung der Gläubiger der Schuldnerin ernsthaft für möglich hielt und sich damit abfand. Dazu hat das ErstG weder eine positive noch eine negative Feststellung getroffen.

Von Bedeutung ist insb, wie realistisch der Einstieg des Investors noch war und ob aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation der Schuldnerin nicht doch auch die zumindest temporäre Vereitelung von Vollstreckungsmaßnahmen ein (weiteres) Motiv für die Einbringung bildete. Wird Benachteiligungsabsicht (zumindest iSv dolus eventualis) festgestellt, bestünde der Anspruch dem Grunde nach zu Recht.

Zur Klarstellung hält der OGH weiters fest, dass sich zwar eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auch daraus ergeben könnte, dass die Schuldnerin den Geschäftsanteil an der Bekl später an eine ungarische Gesellschaft übertrug. Sowohl die Benachteiligungsabsicht als auch deren Kenntnis müssen aber im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung vorliegen – hier also bei der Einbringung (RIS-Justiz RS0064273; König/Trenker, Anfechtung Rz 7.26; Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze § 28 IO Rz 21, 27; beide mwN). Angesichts der zeitlichen Abfolge ist es kaum vorstellbar, dass Ing. H zu diesem Zeitpunkt, also noch vor dem ersten Insolvenzverfahren, schon den Verkauf des Geschäftsanteils und dessen allenfalls nachteilige Folgen für die Gläubiger bedacht haben könnte.

Sollte Benachteiligungsabsicht nicht erweisbar sei, wäre zu prüfen, ob – wie vom Kl behauptet – ein über das erste Insolvenzverfahren hinausreichendes konstitutives Anerkenntnis vorliegt. Auch dazu fehlen bisher die erforderlichen Feststellungen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32958 vom 25.08.2022