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Insolvenz: Fremdwährungskredit mit überhöhten Zinsen – Forderungsfeststellung, Verjährung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 1295, § 1431, § 1489

IO: § 60

Hat der Insolvenzverwalter eine Saldoforderung aus einem (Fremdwährungs-)Kredit anerkannt und wurde diese nicht bestritten (weder von der Kreditnehmerin noch den Gläubigern), steht die Forderungsfeststellung einer Klage der Kreditnehmerin auf Rückzahlung von (angeblich) vereinbarungswidrig überhöht verrechneten Kreditzinsen nicht entgegen, die vor dem Anerkenntnis geleistet wurden. Denn die Bindungswirkung der Forderungsfeststellung ist nur hinsichtlich jener im Insolvenzverfahren allenfalls noch offen gewesenen Kreditzinsforderungen der Bank zu bejahen, die auch von der Forderungsfeststellung umfasst waren, nicht jedoch im Hinblick auf die im Zeitpunkt der Forderungsfeststellung bereits gezahlten Beträge.

Hinsichtlich bereicherungsrechtlicher Rückforderungsansprüche wegen zu hoch berechneter Zinsen ist bei variablen Kreditraten (Erhöhung bzw Senkung der Raten laut Darlehensvertrag entsprechend der Entwicklung des Zinssatzes) eine etwaige Überzahlung entsprechend dem in der Darlehensvereinbarung zum Ausdruck kommenden Parteiwillen gerade nicht für die Tilgung des Kapitals gewidmet, die ja dem ursprünglichen Tilgungsplan entsprechen soll, sondern ausschließlich der Abdeckung des (vermeintlich) infolge Erhöhung der Kreditzinsen angestiegenen Zinsenanteils. Es liegt hier daher (anders als bei Annuitätendarlehen) keine Zahlung auf eine bestehende, aber noch nicht fällige Schuld, nämlich den Darlehensrest, vor und die Verjährung tritt bereits bei Überzahlung jenes Anteils ein, der auf die variablen Zinsen fällt.

Auch bei einer überhöhten Leistung von Zinszahlungen im Fall eines – wie hier – endfälligen Kredits (während der Laufzeit nur Zahlung der Zinsen, Rückzahlung der gesamten Kreditsumme [erst] nach Ablauf der Laufzeit) berühren überhöht verrechnete Zinsen die Tilgung des Kapitals nicht weiter. Bereits vor der Tilgung aller Rückzahlungsansprüche des Darlehensgebers beginnt die Verjährungsfrist für bereicherungsrechtliche Ansprüchen der Kreditnehmerin daher bereits mit der Zahlung der jeweils (angeblich) überhöhten Zinsbeträge.

Dies gilt auch für einen schadenersatzrechtlicher Rückforderungsanspruch. Auch für den Schadenseintritt ist an die jeweilige Zahlung der (angeblich) überhöhten Kreditzinsen anzusetzen.

OGH 19. 11. 2024, 4 Ob 174/24b

Entscheidung

Bindungswirkung einer Forderungsfeststellung

Wegen der Verwandtschaft der Bindungswirkung einer Forderungsfeststellung mit der Bindungswirkung einer Entscheidung im Prozess liegt es nahe, die dort entwickelten Grundsätze zu den objektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft anzuwenden (Jelinek/Nunner-Krautgasser in Konecny/Schubert, § 60 KO Rz 42). Das umso mehr, als bezüglich der Geltendmachung von Insolvenzforderungen die prozessualen Ansichten zum Streitgegenstand herangezogen werden (siehe nur Jelinek in KLS² § 106 Rz 2, § 110 Rz 39 f mwN). Gegenstand des Prüfungsverfahrens ist – iSd Grundsätze der Judikatur (vgl RS0039255; RS0040064; RS0039347 betr den Streitgegenstand sowie RS0041572 betr die Bindungswirkung) – somit nur die angemeldete Insolvenzforderung, die durch den begehrten Betrag und die rechtserheblichen Tatsachen abgegrenzt wird. In diesem Sinn weist die Kl zutreffend darauf hin, dass grundsätzlich nur die offenen Forderungen aus dem Kreditverhältnis (Restbetrag iHv 429.875,14 € nach Rückkauf der Tilgungsträger [Lebensversicherungen]) inklusive (allfälliger) offener Zinsen festgestellt wurden.

Strittig ist, ob und inwieweit der eingeklagte Zinsenbetrag von der Feststellung gem § 60 IO mitumfasst wird. Dabei ist zu differenzieren.

Die hier zu klärende Fragestellung entspricht der Problematik Spitzenbetrag/Sockelbetrag bei der materiellen Rechtskraft in einem Zivilprozess. Dazu wird nach zutreffender Ansicht vertreten, dass ein Sockelbetrag nicht dem Grund und der Höhe nach festgestellt wird, wenn nur der übrige Restbetrag eingeklagt wurde (Klicka in Fasching/Konecny³ § 411 ZPO Rz 66 mwN; vgl auch 8 Ob 108/76; 8 Ob 18/84; 5 Ob 75/09d; RS0041266). Bei sinngemäßer Anwendung dieser Grundsätze (§ 252 IO) ist daher nur der Anspruch auf den Restbetrag von 429.875,14 € bindend festgestellt, nicht aber der Anspruch auf die davor der bekl Bank bereits zugeflossenen Beträge. Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass die Anerkennung der Insolvenzforderung eine damals bereits bestandene (aber nicht eingewandte) Gegenforderung der Kl inhaltlich nicht tangierte.

Die zum Zeitpunkt der Forderungsfeststellung bereits entrichteten Zinsen sind daher nicht von der Feststellung nach § 60 IO umfasst. Dieser Umstand steht einer erfolgreichen Klagsführung insoweit nicht entgegen (zur Verjährung siehe unten). Damit steht den Rückforderungsansprüchen der Kl keine Bindungswirkung hinsichtlich der Vorfrage entgegen, ob der Bekl ein Anspruch auf die im Zeitpunkt der Forderungsfeststellung bereits gezahlten Beträge zustand.

Hinsichtlich jener im Insolvenzverfahren allenfalls noch offen gewesenen Kreditzinsforderungen der Bekl, die auch von der Forderungsfeststellung über 429.875,14 € umfasst wurden, ist die Bindungswirkung hingegen zu bejahen. Insoweit in diesem Betrag (damals) noch offene Kreditzinsforderungen der Bekl enthalten waren, stünde die Bindungswirkung der Forderungsfeststellung den insoweit geltend gemachten Bereicherungs- und Schadenersatzansprüchen entgegen. Waren zB die Zinsen für Juli 2018 zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung (im AUgust 2018) noch offen und Teil der (eingeschränkten) Forderungsanmeldung und damit vom Anerkenntnis umfasst, könnte sich die Kl (nur) in diesem Umfang wegen der Bindungswirkung nicht auf Bereicherung oder Schadenersatz wegen überhöhter Kreditzinsen berufen (vgl auch RS0016737 [Verneinung von Bereicherungs- und Schadenersatzansprüchen wegen Bindung an ein rechtskräftiges Urteil]).

Verjährung – Erkundigungsobliegenheit

Die Erkundigungsobliegenheit eines Darlehensnehmers darf nicht überspannt werden. Sofern nicht ausnahmsweise konkrete Verdachtsmomente bestehen, kann der Darlehensnehmer einer Bank darauf vertrauen, dass diese keine nach der Rechtslage unzweifelhaft nichtige Vertragsklauseln verwendet (7 Ob 204/05h, RdW 2006/398). Erst wenn der Kreditnehmer dahingehende konkrete Verdachtsmomente hat, aus denen er schließen kann, dass diese Verhaltenspflicht von der Bank nicht eingehalten worden sein könnte, kommt seine Erkundigungsobliegenheit zum Tragen und es ist von ihm zu verlangen, dass er Maßnahmen setzt, um das Verhalten der Bank zu kontrollieren (7 Ob 204/05h, RdW 2006/398).

Da der Kl bzw ihrem Rechtsvertreter nach den Feststellungen spätestens im ersten Quartal 2018 die Berechnungsgrundlagen der Bekl zur Verfügung standen und sie die Zinsberechnung weiter bemängelte, ist zum damaligen Zeitpunkt die Kenntnis vom Schaden bzw eine entsprechende Erkundigungsobliegenheit zu bejahen, sodass ein allfälliger darauf bezogener Schadenersatzanspruch mit der Klagseinbringung im August 2022 insoweit verjährt wäre.

Innerhalb von drei Jahren vor Klagseinbringung wurde die Bekl nur im August 2019 durch die Umschuldung im Ausmaß der anerkannten Insolvenzforderung befriedigt. Ein darauf gestützter Schadenersatzanspruch muss aber iSd obigen Ausführungen an der Bindungswirkung der Forderungsfeststellung scheitern.

Ergebnis

Zusammengefasst ist damit davon auszugehen, dass die Rückforderungsansprüche jedenfalls scheitern müssen, weil diese entweder verjährt oder von der Bindungswirkung der Forderungsfeststellung umfasst sind.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36289 vom 15.01.2025