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Insolvenz – noch nicht ausgeübte Option

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

IO: § 26

Nach § 26 Abs 3 IO ist der Insolvenzverwalter an „Anträge“ des Schuldners (Offerte, Angebote, Versprechen) nicht gebunden, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht angenommen worden sind. Die Wendung „nicht gebunden“ ist mit der hA dahin zu verstehen, dass der Antrag mit dem Eintritt der Insolvenzwirkungen (§ 2 Abs 1 IO) eo ipso erlischt. Dem Insolvenzverwalter steht es freilich frei, das erloschene Angebot gegenüber dem anderen Teil zu erneuern.

Auf eine noch nicht ausgeübte Option findet § 26 Abs 3 IO jedenfalls dann keine Anwendung, wenn sie noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Optionsverpflichteten eingeräumt und das für sie versprochene Entgelt entrichtet wurde.

Im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden ist, ob § 26 Abs 3 IO auf unentgeltliche Optionen anzuwenden wäre bzw auf eine entgeltliche Option, für die das Entgelt vor Insolvenzeröffnung aber noch nicht entrichtet wurde.

OGH 24. 11. 2022, 17 Ob 14/22s

Hinweis:

Dass gesellschaftsvertragliche Aufgriffsrechte nicht unter § 26 Abs 3 IO zu subsumieren sind, hat der OGH jüngst unter eingehender Darlegung der divergierenden Ansichten in der Lit klargestellt (6 Ob 64/20k mwN [insb Pkt 7.1], RdW 2020/643).

Entscheidung

Der vorliegende „Miet- und Kaufoptionsvertrag“ über eine Liegenschaft wurde im Jahr 2009 geschlossen. Im Vertrag räumte die Schuldnerin der Kl gegen Zahlung von 70.000 € das Recht ein, die Liegenschaft bis spätestens 31. 10. 2034 durch einseitige schriftliche Ausübungserklärung zu erwerben. Die Kl hat diese Zahlung geleistet.

Wird dem Mietkäufer nach Ablauf der Mietzeit eine Kaufoption eingeräumt, dann ist der Mietkauf als zeitlich aufeinander folgende Koppelung zweier Verträge anzusehen (RIS-Justiz RS0128740). Ein solcher Mietkaufvertrag ist damit zum einen ein Gebrauchsüberlassungsvertrag, zum anderen ein Optionsvertrag und damit die Grundlage für das allfällige Entstehen eines anschließenden Kaufvertrags (vgl 3 Ob 532/95, ZIK 1995, 184; 10 Ob 26/13s, ZIK 2014/313; BGH IX ZR 283/88, BGHZ 109, 368 [374 ff]).

Mietverhältnis und Kaufoption sind dabei (im Falle der Insolvenz über das Vermögen des Bestandgebers) getrennt zu betrachten:

Hinsichtlich der Gebrauchsüberlassung ist § 24 IO maßgebend (Eintritt des Insolvenzverwalters in Bestandverträge). Zöge man insofern § 21 IO heran (Wahlrecht zw Vertragserfüllung oder Vertragsrücktritt), wäre es dem Insolvenzverwalter möglich, ein Mietverhältnis ohne Weiteres zu beenden – was mit der aus § 24 IO ersichtlichen Wertung und dem notwendigen Mieterschutz unvereinbar wäre.

Hinsichtlich der Kaufoption ist demgegenüber § 21 IO maßgebend. Wurde hinsichtlich der Kaufoption der Optionsvertrag bereits vollständig erfüllt, bleibt die Option e contrario § 21 Abs 1 IO aufrecht.

Wird die Option sodann ausgeübt, kann der Insolvenzverwalter analog § 21 IO aber von dem damit zustandegekommenen, beiderseits noch nicht erfüllten Kaufvertrag zurücktreten (vgl RIS-Justiz RS0064545; Gamerith in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht4 I [2000] § 21 Rz 3). Er muss freilich in diesem Fall dem anderen nach § 21 IO Schadenersatz leisten. Die Vorschrift ist nur per analogiam anwendbar, weil sie unmittelbar nur für Verträge gilt, die bei Insolvenzeröffnung bereits bestehen, hier der Kaufvertrag aber erst mit Optionsausübung zustande kommt. Der Ähnlichkeitsschluss ist jedoch berechtigt, zumal der unmittelbar von § 21 IO geregelte Fall und der vorliegende Fall gemeinsam haben, dass der Vertrag noch nicht beiderseitig erfüllt ist und auf keinem eigenen Willensentschluss des Insolvenzverwalters beruht (§ 21 IO: noch vom Schuldner geschlossener Vertrag; hier: Vertrag zwar erst nach Insolvenzeröffnung zustande gekommen, aber aufgrund einer noch vom Schuldner eingeräumten Option). Warum der unterschiedliche Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrags es rechtfertigen sollte, dass der Insolvenzverwalter nach § 21 IO im einen, nicht aber im anderen Fall zurücktreten könnte, wäre wertungsmäßig nicht zu begründen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33576 vom 25.01.2023