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Insolvenzeröffnung: Rechtsmittel eines einzelnen Liquidators?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

IO: § 66, § 69, § 71c

UGB: § 146, § 150, § 161

1. Auch wenn bei mehreren Liquidatoren nicht Einzelvertretungsbefugnis bestimmt ist, kann der Beschluss des Gerichts über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem einzelnen der (somit nur) kollektiv vertretungsbefugten Liquidatoren im eigenen Namen angefochten werden. Denn nach stRsp des OGH wird organschaftlichen Vertretern einer juristischen Person im § 69 Abs 3 und 4 IO eine selbstständige verfahrensrechtliche Stellung zugebilligt, sodass sie im Insolvenzeröffnungsverfahren zur Anfechtung auch im eigenen Namen legitimiert sind, unabhängig davon, ob das Organ den zugrunde liegenden Antrag gestellt hat. Dies gilt auch bei bloßer Gesamtvertretungsbefugnis.

2. Nach Rsp und Lehre liegt Zahlungsunfähigkeit iSd § 66 IO vor, wenn der Schuldner mangels bereiter Zahlungsmittel nicht in der Lage ist, seine fälligen Schulden zu bezahlen, und er sich die erforderlichen Zahlungsmittel voraussichtlich auch nicht alsbald verschaffen kann. Es kommt auf die Gesamtsituation im Einzelfall an. Der OGH billigt die Beurteilung des BerufungsG, dass die Liquidationsmasse hier nicht zahlungsunfähig ist, sondern höchstens zahlungsunwillig, weil den zu ihren Gunsten beim BG Weiz hinterlegten Beträgen von 542.100 € und 15.546,28 €, über die die Liquidatoren jederzeit und frei verfügen könnten, lediglich eine Forderung von 26.450,15 € gegenübersteht.

OGH 24. 4. 2020, 8 Ob 17/20p

Sachverhalt

Bei der Schuldnerin handelt es sich um eine KG, die seit einem vorangegangenen Insolvenzverfahren nach § 131 Z 3 UGB aufgelöst und nach Abschluss eines Sanierungsplans im Frühjahr 2019 von ihren Gesellschaftern – den nunmehrigen Liquidatoren – nicht fortgesetzt wurde. Zu deren Gunsten hatte der ehemalige Masseverwalter einen Überschuss aus dem beendeten Insolvenzverfahren iHv 542.100 € gem § 1425 ABGB beim BG Weiz gerichtlich hinterlegt.

Anders als das ErstG wies das RekursG über Rechtsmittel des Zweitliquidators den Eröffnungsantrag ab.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Gläubigerin wurde vom OGH zurückgewiesen.

Entscheidung

Entgegen der Meinung der Gläubigerin liegt auch im Hinblick auf eine allfällige Uneinigkeit der gesamtvertretungsbefugten Liquidatoren keine „rechtliche Unmöglichkeit zum Zahlen“ vor. Bereits das RekursG hat darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin die Möglichkeit hat, den Anspruch auf Ausfolgung des Gerichtserlags gem § 294 EO in Exekution zu ziehen. Die Pfändung und Überweisung des Ausfolgungsanspruchs ersetzt die Zustimmung des Erlagsgegners und zugleich Verpflichteten (RS0006638 [T6]; 7 Ob 237/98y).

Die Behauptung der Erstliquidatorin, als Erlagsgegner im Erlagsverfahren vor dem BG Weiz seien tatsächlich nicht die KG, sondern die einzelnen Liquidatoren zu betrachten, vermengt Rechtsperson und vertretungsbefugtes Organ. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass vor Beendigung der Liquidation die Gesellschaft wahre Gläubigerin der Hyperocha ist.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 29542 vom 17.08.2020