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Insolvenzverwalter – keine Aktivlegitimation für Geltendmachung des Quotenschadens

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

GmbHG: § 25

IO: § 69

Der Geschäftsführer einer GmbH ist bei schuldhafter Insolvenzverschleppung Ansprüchen von zwei Seiten ausgesetzt: Einerseits kann die Gesellschaft – und damit im Insolvenzfall der Insolvenzverwalter – ihren Schaden aufgrund des „Weiterwurstelns“ aus Schadenersatz gem § 25 GmbHG fordern. Andererseits können die Altgläubiger gegen den Geschäftsführer ihren Quotenschaden (zu erwartende Insolvenzquote im Vergleich zur möglichen fiktiven Insolvenzquote bei gebotener früherer Insolvenzantragstellung) geltend machen, weil § 69 IO – der die Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung regelt – nach hA als Schutzgesetz zugunsten aller Gläubiger angesehen wird, die durch die nicht rechtzeitige Insolvenzeröffnung geschädigt wurden.

Vor Inkrafttreten des GIRÄG 2003, BGBl I 2003/92, judizierte der OGH in gefestigter Rsp, dass auf Delikt beruhende Schadenersatzansprüche von Gesellschaftsgläubigern gegen Organe einer Gesellschaft kein Bestandteil des Vermögens der Gesellschaft sind und daher nicht vom Masseverwalter der Gesellschaft geltend gemacht werden können.

Der erk Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen Trenkers (JBl 2018, 354 [insb 365 ff] [Teil 1] und JBl 2018, 434 [Teil 2]) an und hält auch nach Inkrafttreten des GIRÄG 2003 weiterhin daran fest, dass dem Insolvenzverwalter die Aktivlegitimation für die Geltendmachung des Quotenschadens (Gläubigerschadens) während anhängigen Insolvenzverfahrens fehlt (auch unter Bedachtnahme auf § 69 Abs 5 IO): Dem Wortlaut des § 69 Abs 5 IO lässt sich keine gesetzliche Grundlage für eine Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters entnehmen. Auch die Gesetzesmaterialien liefern keinen (verlässlichen) Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber eine solche Aktivlegitimation mit § 69 Abs 5 IO einführen hätte wollen. Trenker ist darin zuzustimmen, dass sich auch aus einer analogen Anwendung anderer (welcher ?) Bestimmungen keine Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters zur Geltendmachung von Quotenschäden ableiten lässt.

OGH 26. 6. 2025, 17 Ob 2/25f

Hinweis:

Die Möglichkeit von Neugläubigern zur Geltendmachung ihres aus der Insolvenzverschleppung resultierenden Vertrauensschadens (vgl RS0122035) war hier mangels Entscheidungsrelevanz nicht näher zu beleuchten; zu untersuchen war nur das Verhältnis zwischen den Ansprüchen der Gesellschaft und jenen der Altgläubiger.

Entscheidung

Da dem Insolvenzverwalter ohnehin zwei unterschiedliche Haftungsgrundlagen zur Verfügung stehen – nämlich § 25 Abs 2 GmbHG („Betriebsverlust“ – Differenz zwischen dem Vermögen der geschädigten Gesellschaft nach der Schädigung und des hypothetischen Vermögens bei Ausbleiben der rechtswidrigen Handlung, also der unterlassenen bzw verspäteten Insolvenzantragstellung) und § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG („Zahlungen nach materieller Insolvenz“) – und er die im Ergebnis für ihn günstigere wählen kann (vgl Trenker, JBl 2018, 442 f zur unzulässigen, weil insgesamt zu einer Doppelliquidation führenden Kumulierung der beiden Schäden), ist auch keine Rechtsschutzlücke bei Verneinung der Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters für die Geltendmachung des Quotenschadens der Gläubiger zu erkennen. Im Rahmen der von ihm durchsetzbaren Schadenersatzansprüche kann der Insolvenzverwalter seinen Wissensvorsprung gegenüber den Einzelgläubigern effektiv nutzen und damit im Ergebnis einen Quotenschaden der Gläubiger verhindern (oder zumindest minimieren).

Da die (Alt-)Gläubiger während des anhängigen Insolvenzverfahrens ihre Ansprüche auf Ersatz des Quotenschadens nach § 69 Abs 5 IO nicht (weiter) verfolgen können und alle vom Insolvenzverwalter obsiegten Beträge in die Masse fließen, bestehen auch keine Bedenken im Hinblick auf die gebotene Gleichbehandlung der Gläubiger.

Der von der überwiegenden Lit (zumindest implizit) gezogene Schluss, aus der Normierung einer Sistierung der Möglichkeit zur Anspruchsverfolgung durch die Gläubiger während des Insolvenzverfahrens folge, dass dieser Anspruch (zeitlich begrenzt) auf den Insolvenzverwalter übergehe, überzeugt damit insgesamt nicht.

Bloße prozessökonomische Erwägungen vermögen die von der überwiegenden Lit befürwortete Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters für die Geltendmachung des Quotenschadens während des Insolvenzverfahrens in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage nicht zu begründen.

Ergebnis

Das ursprüngliche Zahlungsbegehren hat der kl Insolvenzverwalter hier (auch) auf den Betriebsverlust gestützt (Innenhaftung des bekl Geschäftsführers nach § 25 Abs 2 GmbHG). Da er ausreichendes Tatsachenvorbringen zur Höhe der Aktiva und Passiva im Zeitpunkt der gebotenen und der tatsächlich erfolgten Insolvenzantragstellung erstattet hat, liegt insoweit keine Unschlüssigkeit vor.

Auf den ebenfalls in Anspruch genommenen Haftungstatbestand des § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG musste nicht mehr eingegangen werden, weil der Schaden aus verpönten Zahlungen nach dem erstinstanzlichen Vorbringen des Kl unterhalb des zugesprochenen Betrags (Betriebsverlust) liegt.

Das ausgedehnte Zahlungsbegehren hat der Kl hingegen ausschließlich auf den (bei den Gläubigern zu erwartenden) Quotenschaden gestützt (fiktive Insolvenzquote gemäß Sachverständigengutachten 23,3 %, was ein Delta von 17,77 % zur tatsächlich zu erwartenden Quote darstelle). In diesem Umfang war das Zahlungsbegehren abzuweisen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 37017 vom 06.08.2025