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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
An die Sorgfaltspflicht bestimmter Großgläubiger (hier: Krankenversicherungsträger) ist ein strenger Maßstab anzulegen, weil sie über entsprechende Ressourcen zur Bonitätsüberwachung ihrer Schuldner verfügen. Liegen Insolvenzindikatoren vor, darf sich der Gläubiger nicht mit der Behauptung des Schuldners über eine bloße Zahlungsstockung zufrieden geben, sondern muss diese überprüfen. Als jedenfalls zumutbares Auskunftsmittel ist der Schuldner anzusehen, der auch zur Vorlage von Urkunden (insbesondere Liquiditätsbilanz, offene Postenlisten, allenfalls letzte Bilanz) aufgefordert werden kann.
Übereinstimmende Medienberichte über die massive wirtschaftliche Krise eines Unternehmens können für sich allein einen Insolvenzindikator darstellen, der insb bei einem Großgläubiger wie einer GKK solche Erkundigungspflichten auslöst (hier: Berichte betr Verlust von fast 500 Mio € im Vorjahr und unmittelbar drohende Insolvenz). Auch wenn auf dem Beitragskonto des Unternehmens bei der GKK keine Rückstände bestehen und später in den Medien über ein Sanierungskonzept, die Einigung mit den Gläubigerbanken und die optimistische Sicht des neuen Geschäftsführers bezüglich Sanierungserfolg berichtet wird, darf sich die GKK auf diese neuen Pressemeldungen ebenso wenig verlassen wie auf eine allfällige unmittelbar an sie gerichtete unbelegte Behauptung der Schuldnerin über ihre (günstige) wirtschaftliche Lage.
Sachverhalt
Der Konkurs über das Vermögen der A***** GmbH wurde am 19. 6. 2013 eröffnet.
Bereits von Jänner bis Ende Februar/Anfang März 2013 war in zahlreichen österreichischen Printmedien inhaltlich übereinstimmend über die schlechte wirtschaftliche Lage des Baukonzerns berichet worden.
Ab Anfang März 2013 betrafen die Berichte in den Printmedien inhaltlich übereinstimmend die Einigung der Schuldnerin mit ihren Gläubigern (Restrukturierungsvereinbarung) und ab Anfang April 2013 den Dienstantritt des neuen Geschäftsführers, der sich optimistisch über den Erfolg der Sanierungsmaßnahmen äußerte (die Schuldnerin werde ab 2015 wieder in der Gewinnzone sein; die Sanierungsschritte seien „bereits festgezurrt“).
Ab 24. 4. 2013 berichteten die Printmedien über die vorläufigen Zahlen der Schuldnerin für das Jahr 2012 (knapp 450 Mio € Verlust) und am 17. 5. 2013 über eine drohende Pleite der Schuldnerin, weil der spanische Mutterkonzern „den Geldhahn zudreht“.
Die Schuldnerin leistete (ua) am 17. 5. 2013 eine Beitragszahlung iHv 1.005.999,71 € an die bekl GKK. Sie war zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig und insolvenzrechtlich überschuldet. Auf ihrem Beitragskonto bei der Beklagten bestand bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Rückstand, (auch) der Zahlung vom 17. 5. 2013 ging keine Mahnung voraus. Folglich waren auch keine Exekutionsverfahren der Bekl gegen die Schuldnerin anhängig.
Die Bekl holte bei der Schuldnerin keine Auskünfte über deren Bonität ein. Hätte sie in deren OP-Listen und Kontoauszüge, den Stand ihrer fälligen Forderungen und die Restrukturierungsvereinbarung vom März 2013 Einsicht genommen, hätte sie die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erkennen können.
Im vorliegenden Verfahren ficht der Insolvenzverwalter gemäß § 31 Abs 1 Z 2 IO drei Zahlungen der Schuldnerin an die Bekl im Zeitraum März bis Mai 2013 an, darunter jene vom 17. 5. 2013 (wegen fahrlässiger Unkenntnis der GKK von der Zahlungsunfähigkeit). Mit Teilurteil wiesen die Vorinstanzen das Klagebegehren hinsichtlich der Zahlung vom 17. 5. 2013 übereinstimmend ab.
Der OGH hingegen ließ die außerordentliche Revision des Klägers wegen der Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen zu und erklärte die Zahlung vom 17. 5. 2013 iHv 1.005.999,67 € gegenüber den Gläubigern im Insolvenzverfahren für unwirksam.
In seinen Entscheidungsgründen stützt sich der OGH im Wesentlichen auf seine stRsp zur Sorgfaltspflicht von Großgläubigern (RIS-Justiz RS0064682 [T12]) und die Prüfpflicht von SV-Trägern (zB 3 Ob 99/10w = RdW 2011/430 = RIS-Justiz RS0126562 oder 3 Ob 181/14k mwN = LN Rechtsnews 19885 vom 16. 7. 2015 = ZIK 2015/249). Auch dass übereinstimmende Medienberichte einen Insolvenzindikator für Großgläubiger darstellen können, wurde bereits judiziert (RIS-Justiz RS0118049). Der Zuspruch der begehrten gesetzlichen Zinsen (4 %) ab dem Zeitpunkt des Einlangens der angefochtenen Zahlung bei der Bekl beruht auf § 39 Abs 2 IO; danach ist die Bekl nach erfolgreicher Anfechtung als unredlicher Besitzer anzusehen, der nach § 335 ABGB haftet (3 Ob 99/10w mwN).