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K-LVBG: Anrechnung nur im Ausland ausgeübter gleichwertiger Vordienstzeiten verfassungswidrig?

Bearbeiter: Manfred Lindmayr

K-LVBG: § 41 Abs 12

Nach § 41 Abs 12 des Kärntner Landesvertragsbedienstetengesetzes 1994 sind bei der Bestimmung des Vorrückungsstichtags von Vertragsbediensteten Zeiten einer gleichwertigen Berufstätigkeit nur dann zu berücksichtigen, wenn sie außerhalb Österreichs ausgeübt wurden. Der OGH hat Zweifel an der sachlichen Rechtfertigung dieser unterschiedlichen Behandlung von gleichwertigen inländischen und ausländischen Vordienstzeiten in der Privatwirtschaft und deshalb beim VfGH beantragt, in § 41 Abs 12 K-LVBG die Wortfolge „außerhalb Österreichs“ als verfassungswidrig aufzuheben.

OGH 29. 3. 2023, 8 ObA 82/22z

Feststellungsantrag des ÖGB

Nach § 41 Abs 12 des Kärntner Landesvertragsbedienstetengesetzes 1994 sind bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtags der Vertragsbediensteten Zeiten, in denen Berufstätigkeiten ausgeübt wurden, bei denen es sich im Hinblick auf die im Zeitpunkt des Dienstantritts ausgeübten Tätigkeiten um gleichwertige Tätigkeiten handelt, die gleichwertige Berufserfahrung vermitteln, zur Gänze anzurechnen, wenn diese Zeiten außerhalb Österreichs (1.) im Gebiet einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, oder (2.) in einem Staat, dessen Staatsangehörige die gleichen Rechte wie österreichische Staatsangehörige auf den Zugang zu einem Beruf haben, oder (3.) bei einer Einrichtung der Europäischen Union oder bei einer sonstigen zwischenstaatlichen Einrichtung, der Österreich angehört, ausgeübt worden sind. Wann eine Berufstätigkeit als gleichwertig anzusehen ist, bestimmt § 41 Abs 13 K-LVBG.

Mit seinem Feststellungsantrag nach § 54 Abs 2 ASGG begehrt der ÖGB die Feststellung, dass Landesvertragsbedienstete des Landes Kärnten, auf deren Dienstverhältnis das K-LVBG anzuwenden ist, das Recht haben, dass bei der Ermittlung oder Verbesserung ihres Vorrückungsstichtags (auch) gleichwertige inländische Vordienstzeiten zur Gänze berücksichtigt werden. Dass bei der Bestimmung des Vorrückungsstichtags nur Tätigkeiten „außerhalb Österreichs“ anzurechnen seien, sodass gleichwertige Berufstätigkeiten im Inland nicht berücksichtigt würden, führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Inländerdiskriminierung.

Sachliche Rechtfertigung nicht erkennbar

Auch der OGH hat Zweifel an der von Art 7 B-VG und Art 2 StGG geforderten Sachlichkeit der in § 41 Abs 12 K-LVBG normierten unterschiedlichen Behandlung von inländischen und ausländischen Vordienstzeiten:

Der EuGH hat bereits festgestellt, dass eine zeitliche Beschränkung der Anrechnung von einschlägigen Vordienstzeiten aus der Privatwirtschaft nicht mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art 45 AEUV und Art 7 Abs 1 der Verordnung (EU) 492/2011 [über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer] vereinbar ist. Konkret sei die Anrechnung identischer bzw gleichwertiger Vorerfahrung zur Sicherstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit unionsrechtlich geboten, während dies bei schlicht nützlicher Vorerfahrung nicht der Fall ist (vgl EuGH 8. 5. 2019, C-24/17, Österreichischer Gewerkschaftsbund, ARD 6649/3/2019; EuGH 10. 10. 2019, C-703/17, Krah, ARD 6685/12/2020).

Der Kärntner Landesgesetzgeber hat dies zum Anlass genommen, die Vorschriften über die Ermittlung des Vorrückungsstichtags in § 41 K-LVBG mit LGBl 81/2021 dahin abzuändern, dass nunmehr Zeiten einer gleichwertigen Berufstätigkeit zur Gänze angerechnet werden, wenn diese Berufstätigkeit außerhalb Österreichs ausgeübt wurde, während gleichwertige Berufstätigkeiten in der Privatwirtschaft, die im Inland ausgeübt wurden, nicht an zu rechnen sind, weil diese nicht von den unionsrechtlichen Bestimmungen über die Freizügigkeit erfasst sind. Der Anknüpfungspunkt der Vordienstzeiten „außerhalb Österreichs“ und damit der Ausschluss der Anwendung dieser begünstigenden Regelung auf Vordienstzeiten in Österreich bei „Anpassung“ an die unionsrechtlichen Vorgaben aus der Rechtsprechung zum Freizügigkeitsrecht ist aber für den OGH auch aus Sicht des Unionsrechts fraglich. Dies einerseits weil der EuGH die Anwendung des Freizügigkeitsrechts zunehmend auch auf rein interne Sachverhalte erstreckt, wenn diese „spürbar“ sind. Andererseits wird etwa auch ein deutscher Staatsbürger, der in Österreich als Lehrer pensioniert wurde, bei der Anrechnung seiner Zeiten bei einem neuen Dienstverhältnis eingeschränkt oder kann ein Arbeiternehmer aus Deutschland abgehalten werden zur Überbrückung vor der Anstellung bei einer Gebietskörperschaft vorweg zu einem privaten Arbeitgeber in Österreich zu wechseln.

Nach der Rechtsprechung des VfGH widerspricht es im Regelfall dem Gleichheitsgrundsatz, österreichische Staatsbürger gegenüber Ausländern ohne sachliche Rechtfertigung zu benachteiligen. Der Gleichheitssatz lässt es daher im Allgemeinen nicht zu, den Umstand, dass eine bestimmte Regelung unionsrechtlich geboten ist, als alleinige sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von Inländern und Unionsbürgern oder von rein innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Sachverhalten heranzuziehen.

Eine nationale Regelung, welche die Anrechnung gleichwertiger Vordienstzeiten in der Privatwirtschaft davon abhängig macht, in welchem Land sie ausgeübt wurden, hat der VfGH noch nicht beurteilt. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, dass Tätigkeiten, die eine „gleichwertige“ Berufserfahrung vermitteln, nach § 41 Abs 12 K-LVBG auf den Vorrückungsstichtag angerechnet werden, wenn sie bei einem Unternehmen im Ausland, nicht aber, wenn sie bei einen Unternehmen im Inland ausgeübt wurden, ist nicht erkennbar. Das Mobilitätsgebot des Art 21 Abs 4 B-VG zwischen Gebietskörperschaften kann innerstaatlich zwar rechtfertigen, dass der Wechsel zwischen Gebietskörperschaften begünstigt wird. Dies erzwingt aber keine Benachteiligung des Wechsels von privaten Arbeitgebern in Österreich zu einer Gebietskörperschaft gegenüber jenem von privaten Arbeitgebern aus dem Ausland zu einer Gebietskörperschaft. Dies ist darüber hinaus auch nicht aus der unionsrechtlichen Umsetzungsverpflichtung zu rechtfertigen. Gerade für die Umsetzung gilt auch das Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes des Art 20 der Grundrechtecharte der EU. Sollte also doch davon ausgegangen werden, dass Art 21 Abs 4 B-VG auch die Benachteiligung privater Arbeitgeber im Inland gegenüber jenen im Ausland unter dem Aspekt des Sachlichkeitsgebots des Gleichheitssatzes Art 7 B-VG und Art 2 StGG rechtfertigte, so trifft dies auf das Sachlichkeitsgebot des Art 20 GRC nicht zu. Insoweit ist Art 21 Abs 4 B-VG auf Umsetzungsgesetze nicht anzuwenden und steht Art 20 GRC einer solchen Umsetzung entgegen.

Der OGH hat daher die Bedenken, dass die angefochtenen Bestimmungen gegen Art 2 StGG und Art 7 B-VG, in eventu Art 2 StGG und Art 7 B-VG iVm Art 20 GRC bzw Art 20 GRC verstoßen und dementsprechend den Antrag an den VfGH gestellt, in § 41 Abs 12 K-LVBG die Wortfolge „außerhalb Österreichs“ als verfassungswidrig aufzuheben (mit weiteren Eventualanträgen).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34022 vom 11.05.2023