Dieser Inhalt ist frei verfügbar. Mit einem Abonnement des ARD erhalten Sie die Zeitschrift in Print und vollen digitalen Zugriff im Web, am Smartphone und Tablet. Mehr erfahren…
Testen Sie
ALLE 13 Zeitschriftenportale
30 Tage lang kostenlos.
Der Zugriff endet nach 30 Tagen automatisch.
Alle LexisNexis-Fachzeitschriften sind im Volltext auch in Lexis 360® verfügbar.
Lexis 360 ist Österreichs innovativste* Recherchelösung und bietet Zugriff auf
alle relevanten Quellen von Rechtsnews, Gesetzen, Urteilen und Richtlinien bis
zu Fachzeitschriften und Kommentaren.
Testen Sie jetzt Lexis 360® kostenlos.
*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
GlBG: § 6 Abs 2 Z 1
1. Die ausdrückliche oder stillschweigende Zurückweisung oder Ablehnung eines sexuell belästigenden Verhaltens durch die betroffene Person ist keine Tatbestandsvoraussetzung der sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs 2 Z 1 GlBG.
2. Ist eine Arbeitnehmerin auf den lockeren, teils freizügig-scherzhaften Umgangston ihres Vorgesetzten eingestiegen, der auch immer wieder mit sexuell anzüglichen Bemerkungen gespickt war, und hat ihn auch teilweise erwidert, ist davon auszugehen, dass durch die sexuell gefärbten Äußerungen keine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die Arbeitnehmerin geschaffen wurde, weshalb der Tatbestand der sexuellen Belästigung nach § 6 Abs 2 Z 1 GlBG nicht erfüllt ist.
Sachverhalt
Die Klägerin war im beklagten Verein als kaufmännische Angestellte tätig; das Dienstverhältnis endete durch Dienstnehmerkündigung. Der Obmann des Vereins pflegte insbesondere gegenüber weiblichen Angestellten einen lockeren, teils freizügig-scherzhaften Umgangston, der von der Klägerin teilweise erwidert wurde. Er scheute auch vor Kraftausdrücken nicht zurück und machte allgemein gehaltene sexuelle Bemerkungen, etwa dahingehend, dass ihn große Brüste oder ein „breiter Arsch“ ansprechen würden.
Gegenüber der Klägerin, die sich mit dem Obmann duzte und mit ihm auch private SMS austauschte, kam es ua zu folgenden Vorfällen:
- | Als die Klägerin einmal einen Teller Spaghetti Carbonara aß, kommentierte der Obmann dies mit der Bemerkung, dass ihn diese Sauce „an etwas anderes“ erinnere. |
- | Zu Silvester leitete der Obmann ein wenig originelles „Ketten-SMS“ an die Klägerin weiter, das ua auch eine der sexuellen Sphäre zuzurechnende Äußerung enthielt („... ich kenne so viele Leute. Arme, hässliche Säcke, Schlampen, Alkoholiker und sonstige Idioten, denen ich noch Schreiben muss. Also fang ich mal bei den attraktiven, intelligenten, stilvollen und geilen wie Dir an. :) Guten Rutsch ins Jahr 2014“). |
- | In Zusammenhang mit einem anstehenden Service der Therme erfolgte eine – auf den ersten Blick als solche objektiv nicht sofort erkennbare, aber umso geschmacklosere – sexuell anzügliche Äußerung gegenüber der Klägerin. |
- | PC-Probleme bei der Klägerin schob der Obmann öfters darauf, dass die Klägerin „wohl zuviel auf Pornoseiten surfe“. Als wieder einmal Probleme auftraten, fragte die Klägerin den Obmann per SMS zynisch, ob „etwa die Pornoseiten was damit zu tun haben [könnten], die ich hier während meiner Arbeitszeit kucke???“ Auf die Äußerung des Obmanns: „Schick mir mal den Link zu deiner Seite :)“, antwortete die Klägerin: „Das sind zu viele, außerdem glaub ich nicht, dass wir auf die selben Sachen stehen.“ |
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin ua Schadenersatz iHv € 2.000,- als Ausgleich für die erlittene persönliche Beeinträchtigung infolge sexueller Belästigung durch den Obmann des beklagten Vereins.
Während das ErstG der Klägerin noch einen Schadenersatz von € 1.000,- zusprach, wies das BerufungsG das diesbezügliche Klagebegehren ab. Es ging davon aus, dass die Intensität der sexuellen Belästigung objektiv als gering einzustufen sei und die Klägerin ihrer Obliegenheit zur Ablehnung der Belästigung nicht nachgekommen sei.
Der OGH wies die außerordentliche Revision der Klägerin zurück und bestätigte damit das Berufungsurteil im Ergebnis, wenn auch mit anderer Begründung:
Keine Ablehnungspflicht der belästigten Person
In seinen Entscheidungsgründen hält der OGH zunächst zur Klarstellung fest, dass eine allgemeine Ablehnungspflicht der belästigten Person im einschlägigen Schrifttum zutreffend verneint wird (Posch in Rebhahn, GlBG §§ 6–7 Rz 26 ff; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 6 Rz 26). Für nicht zielführend hält er hingegen abschwächende Überlegungen zu einer (eingeschränkten) „Ablehnungsobliegenheit“ belästigter Personen (Obliegenheiten iSv „Rechtspflichten minderer Art“ oder „Verhaltensregeln“), könnten „Ablehnungsobliegenheiten“ von potentiellen Belästigern doch nur allzu leicht als Rechtfertigung ihrer Aktivitäten missbraucht oder missverstanden werden.
Klarstellend hält der OGH daher fest, dass die ausdrückliche oder stillschweigende Zurückweisung oder Ablehnung eines sexuell belästigenden Verhaltens durch die betroffene Person keine Tatbestandsvoraussetzung der sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs 2 Z 1 GlBG ist.
Keine sexuelle Belästigung im konkreten Fall
Allerdings musste sich der OGH mit diesem Thema hier nicht weiter auseinandersetzen, weil der Diskriminierungstatbestand der sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs 2 Z 1 GlBG auch voraussetzt, dass das der sexuellen Sphäre zugehörige Verhalten eine „einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt“.
Im konkreten Fall steht fest, dass sich der Obmann gegenüber seinen Mitarbeiterinnen eines lockeren, teils freizügig-scherzhaften Umgangstons mit zum Teil sexuell konnotierten Bemerkungen bediente, auf den die Klägerin auch einstieg und ihn teilweise erwiderte. Zum Teil verfasste sie auch von sich aus Nachrichten mit sexuellem Bezug an den Obmann (betreffend Pornoseiten), die nicht von diesem veranlasst waren.
Auch wenn der OGH daher – anders als das BerufungsG – die Intensität der Äußerungen und Bemerkungen des Obmanns des beklagten Vereins zwar nicht als objektiv noch gering einstuft, liegt jedoch nach der Art der Kommunikation zwischen der Klägerin und dem Vereinsobmann nicht zutage, dass sein Verhalten eine für die Klägerin einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt bezweckt oder auch nur geschaffen hätte. Der OGH hält es daher im Ergebnis für noch vertretbar, wenn das BerufungsG den Tatbestand des § 6 Abs 2 Z 1 GlBG nicht als erfüllt ansah.