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Konkurrenzverbot: Angestellte eines Wirtschaftstreuhänders

Bearbeiter: Manfred Lindmayr / Bearbeiter: Barbara Tuma

AngG: § 7, § 36

WTBG: § 77 Abs 10

Personen, die für einen Berufsberechtigten tätig sind – in welchem Rechtsverhältnis auch immer –, dürfen gem § 77 Abs 10 WTBG während, innerhalb und anlässlich der Beendigung dieser Tätigkeit nur mit Zustimmung des Berufsberechtigten Aufträge oder Bevollmächtigungen von dessen Klienten selbst übernehmen oder dessen Klienten anderen Berufsberechtigten zuführen. Anders als eine Konkurrenzklausel bzw Klientenschutzklausel gilt das Verbot gemäß § 77 Abs 10 WTBG ex lege während der Vertragsdauer bis zur Beendigung des Rechtsverhältnisses mit dem Berufsberechtigten. Es handelt es sich um eine berufsspezifische Konkretisierung des Konkurrenzverbots nach § 7 Abs 4 AngG. Wird gegen dieses Konkurrenzverbot verstoßen, hat der Dienstgeber Anspruch auf Ersatz des verursachten Schadens, wobei die Geltendmachung dieses gesetzlichen Anspruchs nicht den Regelungen und Beschränkungen der §§ 36 f AngG für vertragliche Konkurrenzklauseln unterliegt (insbesondere auch nicht der Einkommensgrenze nach § 36 Abs 2 AngG).

OGH 23. 11. 2020, 8 ObA 48/20x

Sachverhalt und bisheriges Verfahren

Die beiden Beklagten waren beim Kläger, einem Wirtschaftstreuhänder, seit 2008 als Bilanzbuchhalterinnen zu einem Bruttogehalt von jeweils weniger als € 1.500,- (teilzeit-)beschäftigt. Sie kündigten ihre Dienstverhältnisse zum 31. 12. 2015, nachdem sie gemeinsam eine Buchhaltungs OG gegründet hatten.

Die Dienstverträge der beiden Bilanzbuchhalterinnen enthalten eine Klausel mit der Überschrift „Klientenschutz“, nach der sie für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Klienten des Dienstgebers weder mittelbar noch unmittelbar betreuen dürfen. Für den Fall einer Verletzung dieser Klausel ist weiters eine Vertragsstrafe in Höhe des eineinhalbfachen durchschnittlichen Jahresumsatzes des Dienstgebers mit den betreffenden Klienten vereinbart.

Mit seiner Klage begehrt der Arbeitgeber Schadenersatz in Höhe von 85 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes mit namentlich genannten Klienten, die die Bilanzbuchhalterinnen unter Verstoß gegen das Verbot des § 88 Abs 8 WTBG idF BGBl I 58/1999 bzw des gleichlautenden § 77 Abs 10 WTBG idgF noch während ihrer aufrechten Dienstverhältnisse aktiv abgeworben hätten.

Die Bilanzbuchhalterinnen wandten ua die Unwirksamkeit eines Konkurrenzverbots ein, weil ihre Gehälter den Grenzbetrag des § 36 Abs 2 AngG nicht erreicht hätten.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Dieses stütze sich auf eine “gesetzliche Konkurrenzklausel“, die im vorliegenden Fall ebenso wie eine vertragliche Klientenschutzklausel den Beschränkungen des § 36 AngG unterliege.

Diese Rechtsansicht wird vom OGH nicht geteilt:

Entscheidung

Unterschiedlicher Anwendungsbereich

Zwar war auch im vorliegenden Fall vertraglich eine sogenannte „Mandantenschutzklausel“ oder „Klientenschutzvereinbarung“ mit Wirksamkeit für die Zeit nach dem Ende des Dienstverhältnisses vereinbart worden, die nach ständiger Rechtsprechung den § 36, § 37 AngG unterliegt (vgl OGH 15. 4. 2004, 8 ObA 21/04b, ARD 5529/6/2004).

Der Arbeitgeber begehrt hier aber gerade nicht die darin vereinbarte Vertragsstrafe, sondern Schadenersatz für eine Konkurrenztätigkeit, die von den Bilanzbuchhalterinnen unter Verstoß gegen (nunmehr) § 77 Abs 10 WTBG noch während ihrer aufrechten Dienstverhältnisse oder spätestens anlässlich ihrer Beendigung entfaltet worden sein soll. Nach dieser Bestimmung dürfen Personen, die für einen Berufsberechtigten in welchem Rechtsverhältnis auch immer tätig sind, während, innerhalb und anlässlich der Beendigung dieser Tätigkeit nur mit Zustimmung des Berufsberechtigten Aufträge oder Bevollmächtigungen von dessen Klienten selbst übernehmen oder dessen Klienten anderen Berufsberechtigten zuführen.

Der OGH teilt die Ansicht des Berufungsgerichts, dass § 77 Abs 10 WTBG und der vertraglichen Konkurrenzklausel ein ähnlicher Zweck zugrundeliegt. Beide dienen dem Schutz eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses des Dienstgebers.

Der Anwendungsbereich der beiden Regelungen unterscheidet sich jedoch. Der Wirkungsbereich einer Klientenschutzklausel beginnt erst im Anschluss an die Beendigung des Dienstverhältnisses. Ohne gesonderte Vereinbarung würde eine solche nachvertragliche Beschränkung nicht bestehen, weil Dienstnehmer grundsätzlich ihre Qualifikationen bei künftigen Arbeitgebern gewinnbringend verwerten dürfen und es – bei Wechsel in eine selbstständige Tätigkeit – zum Wesen des Wettbewerbs gehört, in einen fremden Kundenkreis einzudringen.

Das Verbot gemäß § 77 Abs 10 WTBG gilt dagegen ex lege während der Vertragsdauer. Diese Bestimmung stellt, soweit sie sich auf Angestellte bezieht, – entgegen der Auffassung der Vorinstanzen – keine “in Gesetzesform ergangene Konkurrenzklausel“ gemäß § 36 AngG dar, sondern es handelt sich um eine berufsspezifische Konkretisierung des Konkurrenzverbots nach § 7 Abs 4 AngG, das (mit einer hier nicht relevanten Ausnahme) sinngemäß auch auf Angestellte von Wirtschaftstreuhändern anzuwenden ist und während eines aufrechten Dienstverhältnisses gilt.

Wird gegen dieses Konkurrenzverbot verstoßen, ist der Dienstgeber unter den sinngemäß anzuwendenden Voraussetzungen des § 7 Abs 3 AngG zum Ersatz des verursachten Schadens berechtigt. Die Geltendmachung dieses gesetzlichen Anspruchs unterliegt hingegen nicht den Regelungen und Beschränkungen der §§ 36 f AngG für vertragliche Konkurrenzklauseln, insbesondere auch nicht der Einkommensgrenze nach § 36 Abs 2 AngG.

Fortsetzung des Verfahrens

Die Rechtsfrage der Qualifikation des geltend gemachten Anspruchs als Schadenersatz nach § 7 Abs 4 AngG wurde im bisherigen Verfahren mit den Parteien noch nicht erörtert. Zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung wird ihnen im fortgesetzten Verfahren Gelegenheit zu geben sein, zu den gesetzlichen Voraussetzungen Stellung zu nehmen und allfälliges Vorbringen zu erstatten – insbesondere zu den Fristen nach § 7 Abs 3 AngG (wonach die Ansprüche des Dienstgebers in 3 Monaten von dem Zeitpunkt an erlöschen, in dem er Kenntnis vom Abschluss des Geschäfts erlangt hat, jedenfalls aber 5 Jahre nach Geschäftsabschluss).

Sollte im fortgesetzten Verfahren von einer rechtzeitigen Geltendmachung der Klagsforderung auszugehen sein, wären die angebotenen Beweise zu Grund und Höhe des behaupteten konkreten Schadens aufzunehmen. Auch in diesem Punkt wäre den Parteien Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vorbringens zu gewähren, weil auf die pauschalierende Berechnung nach der vertraglich vereinbarten Konkurrenzklausel wegen der anders gelagerten Rechtsgrundlage der Klagsforderung nicht zurückgegriffen werden kann.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30602 vom 17.03.2021