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Krankenstandsmissbrauch: Ersatz von Detektivkosten

Bearbeiter: Manfred Lindmayr

ABGB: § 1295

Hat ein Arbeitgeber ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass ein Arbeitnehmer einen Krankenstand nur vortäuscht, ist ihm zuzugestehen, dass er sich durch den Einsatz einer Detektei Klarheit verschafft. Werden in der Folge tatsächlich Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers im Krankenstand nachgewiesen, kann der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer den Ersatz der aufgelaufenen Detektivkosten verlangen, wobei eine dreitägige Observation eines jungen und mobilen Arbeitnehmers durch zwei Detektive noch nicht überschießend ist. Auch wenn bereits am ersten Überwachungstag ein pflichtwidriges Verhalten nachgewiesen werden konnte, sind auch die Kosten für die Überwachung am zweiten und dritten Tag zu ersetzen, weil ein nicht ausreichend abgesichertes Überwachungsergebnis vor Gericht oft durch nicht oder schwer zu widerlegenden Ausflüchten und Ausreden in Zweifel gezogen wird.

OGH 25. 3. 2021, 8 ObA 8/21s

Sachverhalt und bisheriges Verfahren

Der beklagte 20-jährige Arbeitnehmer befand sich in letzter Zeit regelmäßig im Krankenstand. Da der Arbeitgeber von einem „Krankspielen“ ausging, erteilte er, nachdem wieder eine Bestätigung eines praktischen Arztes über eine Arbeitsunfähigkeit vom 29. 4. bis 10. 5. vorlag, einer Detektei den Auftrag, den Arbeitnehmer ab dem Morgen des 3. 5., einem Freitag, bis auf Weiteres zu observieren. Der Arbeitnehmer wurde hierauf dabei beobachtet, wie er sich gegen Mittag zu Hause abholen ließ, anschließend in ein Kaffeehaus fuhr, dieses mit seinen Begleitern gegen 15:30 Uhr verließ und um 1:48 Uhr des Folgetags nach Hause zurückkehrte. Nachdem dies dem Arbeitgeber am Samstag von der Detektei mitgeteilt worden war, wies er diese nicht zur Einstellung ihrer Arbeit an. Die fortgesetzte Observierung ergab für den Samstag und den Sonntag ein ähnliches Geschehen, woraufhin sich der Kläger mit der Beendigung der Überwachung einverstanden erklärte. Am 7. 5 sprach der Arbeitgeber die Entlassung aus.

Mit seiner Klage begehrt der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer den Ersatz der von ihm getragenen Detektivkosten iHv € 7.983,30 (netto). Während das Erstgericht die Beauftragung der Detektei durch den Arbeitgeber als „rechtsmissbräuchlich und geradezu sittenwidrig“ ansah und das Klagebegehren abwies, sprach das Berufungsgericht dem Arbeitgeber die eingeklagte Summe zur Gänze zu; die Nachforschung sei legitim und auch die Dauer der Überwachung (noch) nicht überschießend gewesen. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Arbeitnehmers wurde nun vom OGH zurückgewiesen:

Ausreichende Anhaltspunkte erforderlich

Der OGH hat bereits mehrfach zu den Voraussetzungen eines auf Schadenersatzrecht gegründeten Anspruchs des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf Ersatz von Detektivkosten Stellung genommen. Einem Arbeitgeber steht dann der Ersatz von Nachforschungskosten im Rahmen eines adäquaten typischen Kausalzusammenhangs zu, wenn der Arbeitnehmer zunächst ausreichende Anhaltspunkte für ein vertragswidriges, den Interessen des Arbeitgebers zuwiderlaufendes Verhalten gegeben hat, die den Arbeitgeber veranlassten, sich durch geeignete Nachforschungen noch weitere Klarheit zu verschaffen (vgl OGH 12. 7. 2006, 9 ObA 129/05v, ARD 5728/9/2006). Der Anspruch hängt von der Notwendigkeit der getätigten Aufwendungen ab. Die Kosten sind somit nur zu ersetzen, wenn es des Detektiveinsatzes bedurfte, wenn und insoweit der Einsatz objektiv notwendig erschien. Wo die Überwachung offenkundig überflüssig und erkennbar unzweckmäßig ist, besteht kein Anspruch. Damit hat der Arbeitnehmer nur jene Kosten zu ersetzen, die bis zum Vorliegen eines sichereren Beweises für sein Fehlverhalten entstehen. Zudem ist anerkannt, dass Detektivkosten nur insoweit ersatzfähig sind, als sie im Verhältnis zum gerechtfertigten konkreten Informationsinteresse nicht als unangemessen erscheinen.

Ob und inwieweit die Voraussetzungen für den Zuspruch von Detektivkosten vorliegen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, weshalb abseits einer korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts und der Missachtung der vom OGH aufgestellten Leitlinien in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vorliegt.

Höhe der Honorarkosten angemessen

Das Berufungsurteil befindet sich mit dieser Rechtsprechung im Einklang. Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, der Schadenersatzanspruch bestehe nicht nur dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich der Kosten für die Überwachung am zweiten und dritten Tag. Es begründete dies im Wesentlichen mit der Gefahr, dass der Arbeitnehmer bei Nachweis bloß eines einmaligen Verstoßes gegen seine Verpflichtungen im Krankenstand diesen Verstoß zu rechtfertigen versuchen könnte. Dies ist nicht zu beanstanden, weil bekanntermaßen ein nicht ausreichend abgesichertes Überwachungsergebnis vor Gericht oft durch einen Hinweis auf Wahrnehmungsfehler oder Zufälle, mit anderen Worten mit unter Umständen nicht oder schwer zu widerlegenden Ausflüchten und Ausreden in Zweifel gezogen wird.

Entgegen der Ansicht des beklagten Arbeitnehmers gibt es keinen Grundsatz im Arbeitsrecht, Detektivkosten automatisch dann als überhöht anzusehen, wenn sie das monatliche Einkommen des Ersatzpflichtigen „um ein Vielfaches übersteigen“. Der im vorliegenden Fall konkret begehrte Betrag ist weder existenzbedrohend noch erscheint eine dreitägige Überwachung des immerhin bereits fünf Jahre im Unternehmen beschäftigt gewesenen Arbeitnehmers exorbitant, dies nicht zuletzt auch angesichts der für den Arbeitgeber mit einem Krankenstand durch die Entgeltfortzahlung einhergehende Kostenbelastung.

Der – entsprechend kostenintensive – Einsatz von zwei Detektiven war der Notwendigkeit geschuldet, dem jungen und mobilen Arbeitnehmer nach Verlassen der Wohnung zu folgen.

Dass der dem Arbeitgeber in Rechnung gestellte und von ihm auch gezahlte Betrag das übliche Preisniveau von Detekteien überschritt, hat der Arbeitnehmer nicht behauptet. Aus der nicht unbeträchtlichen Höhe des Rechnungsbetrags kann auch nicht gefolgert werden, dass der Arbeitgeber seine volle Zahlungspflicht gegenüber der Detektei mit Erfolg bestreiten hätte können. Es lag am beklagten Arbeitnehmer als Schädiger, eine konkrete Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Arbeitgeber zu behaupten und unter Beweis zu stellen (vgl RS0027129).

Hinweis: Siehe allgemein zu diesem Thema auch Sabara, Der Einsatz eines Detektivs im Arbeitsverhältnis, ARD 6421/5/2014.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30991 vom 07.06.2021