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Kündigung durch Übermittlung eines Fotos vom Kündigungsschreiben über „WhatsApp“

Bearbeiter: Bettina Sabara

KV Zahnarztangestellte: § 15 Z 2

Verfasst und unterfertigt ein Arbeitsvertragspartner ein Kündigungsschreiben und übermittelt er ein davon erstelltes Foto über „WhatsApp“ an den anderen Arbeitsvertragspartner, so wird das in § 15 Z 2 des KV für die Zahnarztangestellten Österreichs normierte Schriftformgebot für Kündigungen nicht erfüllt. Da sich der Empfänger der „WhatsApp“-Nachricht nicht ohne weiteres, also ohne zusätzliches einfaches technisches Vorgehen, einen Ausdruck in Form eines physischen Schriftstücks des ihm übermittelten Fotos des Kündigungsschreibens herstellen kann, wird den Formzwecken des Schriftformgebots, nämlich der ausreichenden Prüfungsmöglichkeit des Kündigungsschreibens und dem Beweiszweck, insbesondere auch für den Empfänger, nicht entsprochen.

OGH 28. 10. 2015, 9 ObA 110/15i

Sachverhalt

Nach dem auf das Dienstverhältnis zwischen den Parteien anwendbaren Kollektivvertrag für die Zahnarztangestellten Österreichs müssen Kündigungen bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit schriftlich erfolgen.

Der beklagte Arbeitgeber, der die Klägerin kündigen wollte, verfasste ein Kündigungsschreiben und versah dieses mit Stempel und Unterschrift. Anschließend fotografierte er dieses Kündigungsschreiben und übermittelte das Foto über die Smartphoneanwendung „WhatsApp“ noch am 31. 10. 2014 an die Klägerin. Das auch per Post übermittelte Kündigungsschreiben ging der Klägerin erst am 4. 11. 2014 zu.

Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, dass die ihr über „WhatsApp“ übermittelte Fotografie des Kündigungsschreibens nicht das im KV normierte Formerfordernis der Schriftlichkeit erfülle. Da ihr die schriftliche Kündigung erst am 4. 11. 2014 zugegangen sei, stehe ihr unter Zugrundelegung einer Kündigungsfrist von 2 Monaten zum Monatsletzten eine Kündigungsentschädigung bis 31. 1. 2015 zu.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht teilte hingegen die Ansicht des Arbeitgebers, dass dem Schriftformgebot entsprochen worden sei und wies das Begehren auf Kündigungsentschädigung, soweit es den Zeitraum 1. 1. 2015 bis 31. 1. 2015 betraf, ab.

Der OGH erachtet die ordentliche Revision zur Frage, ob die Übermittlung eines mit Originalunterschrift versehenen Kündigungsschreibens über „WhatsApp“ dem Schriftlichkeitsgebot entspricht, für zulässig.

Entscheidung

Schriftformgebot bedeutet Unterschriftlichkeit

Nach § 886 Satz 1 ABGB kommt ein Vertrag, für den Gesetz oder Parteiwille Schriftlichkeit bestimmt, durch die Unterschrift der Parteien zustande. Diese Bestimmung ist nicht nur auf Verträge, sondern auch auf einseitige Erklärungen anzuwenden, für welche das Gesetz, ohne eine entsprechende Einschränkung zu machen, Schriftlichkeit normiert. Das Gesetz versteht Schriftlichkeit in § 886 ABGB als „Unterschriftlichkeit“, die durch eigenhändige Unterfertigung unter den Text hergestellt wird. Das Erfordernis der Schriftform soll schon ganz allgemein gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können (vgl OGH 7. 2. 2008, 9 ObA 96/07v, ARD 5867/6/2008).

Die unterschiedlichen Formgebote sind nach ihrem jeweiligen Zweck zu untersuchen. In jedem Einzelfall ist auch zu prüfen, ob ein Schriftformgebot nach dem konkreten Formzweck auch dann eingehalten ist, wenn das eigenhändig unterfertigte Schriftstück bloß unter Einsatz elektronischer Medien übermittelt wird (siehe zB Kolmasch in Schwimann/Kodek, ABGB Taschenkommentar3 § 886 Rz 5).

Zweck der Schriftform

Der Zweck der Schriftform (mit Unterschrift) wird auch im Übereilungsschutz und in der Beweissicherung gesehen. Aber auch andere Zwecke, die sich zum Teil mit den genannten überschneiden, kommen in Betracht, etwa dass eine Erklärung in Bezug auf die Person des Erklärenden und den Inhalt besonders augenscheinlich gemacht wird. Dieser letztgenannte Zweck kann sich sowohl auf die Ausstellerseite (Schutz vor Übereilung bei Abgabe der Erklärung) als auch auf die Empfängerseite (besondere Bedeutung des Schreibens) beziehen.

Gerade die besondere Bedeutung eines das Arbeitsverhältnis beendenden Kündigungsschreibens für den Empfänger ist wesentlicher Zweck des in § 15 Z 2 KV-Zahnarztangestellte bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit festgelegten Schriftlichkeitsgebots. Der Empfänger, sei es nun der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer, soll durch die geforderte Schriftlichkeit ein Dokument über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den anderen Vertragsteil zum weiteren Verbleib bei ihm erhalten, damit er es einer Überprüfung unterziehen kann. Die physische Verfügungsmöglichkeit über eine tatsächliche „Hardcopy“ (hier iSd Ausdrucks des Dokuments) des Kündigungsschreibens ermöglicht dem Empfänger nicht zuletzt auch die Anfertigung einer Kopie und Übergabe derselben oder des Originals an eine Beratungsstelle (Gewerkschaft, Arbeiterkammer, Rechtsanwalt).

Zudem besitzt die Schriftform einer Kündigung in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzende Beweisfunktion. Es soll nämlich verhindert werden, dass über die Existenz einer Kündigung und die daraus resultierende Beendigung des Arbeitsverhältnisses Ungewissheit oder Streit besteht. Berücksichtigt man, dass die KV-Parteien mit der Formvorschrift des § 15 Z 2 KV-Zahnarztangestellte eine zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen wollten, dann muss davon ausgegangen werden, dass sie bei Festlegung der Formvorschrift der Schriftlichkeit für Kündigungen auch die verschiedenen (und auch damals üblichen) Zugangsmöglichkeiten im Blick gehabt haben.

Übermittlung eines Fotos über „WhatsApp“

Bei „WhatsApp“ handelt es sich um eine plattformübergreifende mobile Nachrichten-Applikation handelt, die es erlaubt, zwischen zwei oder mehreren Smartphones via Internet va Textnachrichten und Bilddateien auszutauschen, ohne den sonst für SMS anfallenden Tarif eines Mobilfunkanbieters zahlen zu müssen. Ein nun über „WhatsApp“ übermitteltes Foto der schriftlichen Kündigungserklärung erfüllt die vorstehenden Zwecke schon deshalb nicht, weil es für den Empfänger der Nachricht ohne weitere Ausstattungen und technisches Wissen nicht möglich ist, das auf dem Smartphone übermittelte Foto des Kündigungsschreibens auszudrucken. Erhält der Empfänger einer Kündigung aber keinen Ausdruck der Kündigung und kann er auch nicht leicht den Ausdruck vom Foto des Dokuments bewerkstelligen und sich damit ein physisches Schriftstück herstellen, ist auch nicht ausreichend gewährleistet, dass der Empfänger alleine aus dem auf dem Smartphone (je nach Qualität und Größe des Displays) ersichtlichen Foto des Schriftstücks den Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnehmen kann.

Schriftformgebot nicht eingehalten

Zusammengefasst wird ein vom schriftlichen (unterfertigten) Kündigungsschreiben erstelltes und über „WhatsApp“ an den Arbeitsvertragspartner übermitteltes Foto desselben dem in § 15 Z 2 des KV für die Zahnarztangestellten Österreichs normierten Schriftformgebot für Kündigungen nicht gerecht. Ein über „WhatsApp“ übermitteltes Foto des Kündigungsschreibens entspricht den Formzwecken des Schriftformgebots des § 15 Z 2 KV-Zahnarztangestellte, nämlich der ausreichenden Prüfungsmöglichkeit des Kündigungsschreibens und dem Beweiszweck, insbesondere auch für den Empfänger, nicht.

Die durch den Arbeitgeber erfolgte Kündigung des Arbeitsverhältnisses wurde daher erst durch das der Klägerin am 4. 11. 2013 zugegangene Kündigungsschreiben wirksam. Die Kündigungsfrist endete somit gemäß § 15 Z 1 KV-Zahnarztangestellte iVm § 20 Abs 1 AngG am 31. 1. 2015. Der Klägerin steht aufgrund der fristwidrigen Kündigung bis zu diesem Zeitpunkt die der Höhe nach nicht mehr strittige Kündigungsentschädigung zu.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20700 vom 02.12.2015