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Ist einem Arbeitgeber – wie hier dem Betreiber eines Alten- und Pflegeheims – durch eine Verordnung des Gesundheitsministeriums vorgeschrieben, dass er nur solchen Mitarbeitern Zutritt zum Betrieb gewähren darf, bei denen in regelmäßigen Abständen ein Antigen-Test auf SARS-CoV-2 oder ein molekularbiologischer Test auf SARS-CoV-2 durchgeführt wird, ergibt sich daraus eine zumindest mittelbare Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich den vom Arbeitgeber angeordneten (für ihn kostenfreien) Tests zu unterziehen, damit der Arbeitgeber ihn weiter im Alten- und Pflegeheim beschäftigen und er seinem Arbeitsvertrag nachkommen kann. Weigert sich der Arbeitnehmer ohne besondere gesundheitliche Gründe beharrlich, sich den angeordneten regelmäßigen Corona-Tests zu unterziehen, weil er deren Sinnhaftigkeit in Zweifel zieht, liegt keine unwirksame Motivkündigung nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG vor, wenn der Arbeitnehmer wegen der unbegründeten Verweigerung der Testungen vom Arbeitgeber gekündigt wird.
OGH 14. 9. 2021, 8 ObA 42/21s -> zu OLG Linz 11 Ra 23/21p siehe ARD 6749/6/2021 (Bestätigung)
Sachverhalt und bisheriges Verfahren
Der beklagte Arbeitgeber betreibt ein Alten- und Pflegeheim, in dem der Kläger als Diplomkrankenpfleger tätig war. Im November 2020 wurde das Dienstverhältnis des Klägers gekündigt, weil er sich weigerte, sich entsprechend der Anweisung des Arbeitgebers einmal wöchentlich – unabhängig von Krankheitssymptomen – auf Kosten des Arbeitgebers einem Antigen-Test oder einer molekularbiologischen Testung auf SARS-CoV-2 zu unterziehen. Der Arbeitgeber stützte seine Forderung in mehreren Gesprächen mit dem Kläger auf die Verpflichtung nach § 10 Abs 4 COVID-19-Notmaßnahmen-Verordnung, wonach der Betreiber eines Alten- und Pflegeheimes seine Mitarbeiter grundsätzlich nur dann einlassen darf, wenn diese einmal wöchentlich auf SARS-CoV-2 getestet sind, und die schutzbedürftige Bewohnerschaft. Der Kläger hat die Testungen nicht deshalb verweigert, weil hierbei ein Nasenabstrich genommen wird, sondern weil er die „Sinnhaftigkeit des Tests in Zweifel zog“.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren auf Rechtsunwirksamerklärung der Kündigung nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG übereinstimmend ab. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge und führt zusammengefasst aus:
Entscheidung:
Mitarbeiter zur Testung verpflichtet
Eine erfolgreiche Anfechtung nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG setzt voraus, dass die Geltendmachung von Ansprüchen durch den Arbeitnehmer nicht offenbar unberechtigt ist. Der Motivkündigungsschutz soll nicht schon bei haltlosen Behauptungen greifen.
§ 10 Abs 4 der am 17. 11. 2020 in Kraft getretenen COVID-19-NotMV idF BGBl II 2020/479 sah ua vor, dass der Betreiber von Alten- und Pflegeheimen Mitarbeiter nur einlassen durfte, wenn für diese einmal pro Woche ein Antigen-Test auf SARS-CoV-2 oder ein molekularbiologischer Test auf SARS-CoV-2 durchgeführt wird und dessen Ergebnis negativ ist.
Der für die Beurteilung des verwerflichen Motivs entscheidende Zeitpunkt ist jener des Ausspruchs der Kündigung. Zum hier maßgeblichen Zeitpunkt gehörte § 10 Abs 4 COVID-19-NotMV idF BGBl II 2020/479 dem Rechtsbestand an. Der Arbeitgeber als unmittelbare Adressat der Verordnung war zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung daher verpflichtet, dem Kläger ohne Vorliegen eines negativen Testergebnisses (bzw einer der in der Verordnung statuierten Ausnahmen) das Betreten der Betriebsstätte zu verwehren, ohne dass es ihm frei stand, sich mit der Bereitschaft des Klägers zum Tragen einer FFP2-Maske oder seiner Beteuerung, gesund zu sein, zu begnügen.
Umgekehrt ergab sich (schon) aus dieser Verordnung eine zumindest mittelbare Verpflichtung des Klägers, sich den vom Arbeitgeber angeordneten (für ihn kostenfreien) Tests zu unterziehen, damit der Arbeitgeber ihn weiter im Alten- und Pflegeheim beschäftigen und er seinem Arbeitsvertrag nachkommen konnte.
Zu diesem Ergebnis gelangt, soweit ersichtlich, einhellig auch die Lehre und Literatur, die sich mit den Auswirkungen der Verordnung auf das Arbeitsrecht befasst (vgl Drs/Schwab in Dako 2021/30 [59]; Gerhartl in ecolex 2021/53 [59]; Grimm/Wolf in JMG 2021, 8 [13]; Plucinska/Zankel in ASoK 2021, 82; Mazal in ZAS 2021/14 [74]; Ganner/Pixner/Pfeil in ÖZPR 2021, 20 [23]).
Keine verpönte Motivkündigung
Einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis darauf, sich entgegen dieser – in der arbeitsrechtlichen Treuepflicht wurzelnden – Mitwirkungspflicht doch nicht testen lassen zu müssen, der einen Motivkündigungsschutz nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG begründen könnte, vermochte der Kläger nicht aufzuzeigen. Einen (unverhältnismäßigen) Eingriff in Persönlichkeitsrechte durch die regelmäßigen Testungen auf SARS-CoV-2 behauptete der Kläger gar nicht konkret. Er stützte sich bloß ganz allgemein auf den „Schutz der Grund- und Freiheitsrechte“. Dementsprechend setzt er auch der Beurteilung des Berufungsgerichts, dass eine bei einem Grundrechtseingriff gebotene Interessenabwägung wegen der Schutzbedürftigkeit der in einer Pandemie besonders vulnerablen Heimbewohner jedenfalls zugunsten der Testpflicht ausfiele, nichts weiter entgegen. Er lehnte die Tests zudem nicht (wie anfänglich behauptet) wegen des damit verbundenen Eingriffs in seine psychische und physische Integrität ab, sondern weil er deren Sinnhaftigkeit in Zweifel zog. Seinen Überlegungen, das Testen asymptomatischer Personen sei nicht zielführend und es könnte durch falsch positive Tests zu einer Ausdünnung des Personalstands kommen, haben bereits die Vorinstanzen zutreffend erwidert, dass es nicht an ihm als Arbeitnehmer liegt, die Sinnhaftigkeit der Schutzmaßnahmen in Frage zu stellen, zu deren Umsetzung der Arbeitgeber als Betreiber eines Alten- und Pflegeheims nach der geltenden Rechtsordnung verpflichtet ist.
Die (beharrliche) Weigerung des Klägers, sich auf Kosten des Arbeitgebers den von ihm iSd § 10 Abs 4 COVID-19-NotMV angeordneten regelmäßigen Tests zu unterziehen, war daher offenbar unbegründet. In der daraufhin durch den Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung ist eine verpönte Retorsionsmaßnahme nicht zu erblicken.