News

Kündigung eines Mitarbeiters im Pflegeheim wegen der Weigerung zu COVID-19-Tests

Bearbeiter: Manfred Lindmayr

ArbVG: § 105 Abs 3 Z 1 lit i

Ist einem Arbeitgeber – wie hier dem Betreiber eines Alten- und Pflegeheims – durch eine Verordnung des Gesundheitsministeriums vorgeschrieben, dass er nur solchen Mitarbeitern Zutritt zum Betrieb gewähren darf, bei denen in regelmäßigen Abständen ein Antigen-Test auf SARS-CoV-2 oder ein molekularbiologischer Test auf SARS-CoV-2 durchgeführt wird, darf ein Mitarbeiter den regelmäßigen COVID-19-Test ohne triftigen Grund nicht verweigern, da er sonst seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit nicht erfüllen kann. Ohne besondere gesundheitliche Gründe fällt die grundrechtlich verankerte Pflicht zur umfassenden Interessenabwägung zweifellos zugunsten der Testpflicht aus. In diesem Fall liegt aber auch keine unwirksame Motivkündigung nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG vor, wenn der Arbeitnehmer wegen der offensichtlich unberechtigten Weigerung, sich einer Testung auf SARS-CoV-2 zu unterziehen, vom Arbeitgeber gekündigt wird.

OLG Linz 26. 4. 2021, 11 Ra 23/21p

Sachverhalt und bisheriges Verfahren

Der beklagte Arbeitgeber betreibt ein Alten- und Pflegeheim, in dem der Kläger als Diplomkrankenpfleger tätig war. Im November 2020 wurde das Dienstverhältnis des Klägers gekündigt, weil er sich weigerte, sich entgegen der Anweisung des Arbeitgebers einmal wöchentlich – unabhängig von Krankheitssymptomen – auf Kosten des Arbeitgebers einem Antigen-Test oder einer molekularbiologischen Testung auf SARS-CoV-2 zu unterziehen. Der Arbeitgeber stützte seine Forderung auf die Verpflichtung nach § 10 Abs 4 COVID-19-Notmaßnahmen-Verordnung, wonach der Betreiber eines Alten- und Pflegeheimes seine Mitarbeiter grundsätzlich nur dann einlassen darf, wenn diese einmal wöchentlich auf SARS-CoV-2 getestet sind. Im Betrieb bestand auch eine Betriebsvereinbarung, wonach auf Kosten des Arbeitgebers im Betrieb die wöchentlichen Testungen, wie in der genannten Verordnung vorgesehen, durchgeführt werden. Zum Tragen einer FFP2-Maske während der Arbeit hat sich der Kläger bereit erklärt.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger, die Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären, da sie gemäß § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG motivwidrig sei. Er habe eine Testung zu Recht verweigert. Die Sinnhaftigkeit des Tests sei zu bezweifeln, weil durch die Menge an potenziell falschen Testungen das Personal ausgedünnt und am Ende aufgrund von Kettenreaktionen die Bewohner des Pflegeheims nicht mehr betreut werden könnten. Überdies sei § 10 Abs 4 COVID-19-NotMV verfassungswidrig, es fehle an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Der Arbeitgeber habe bei Einforderung der Tests auf Basis einer (aufrechten) rechtlichen Verpflichtung gehandelt, deren Einhaltung Voraussetzung für die Ausübung der vom Kläger geschuldeten Pflegetätigkeit gewesen sei. Einem Arbeitgeber, der im Sinn der Einhaltung einer ihn treffenden rechtlichen Verpflichtung handle, sei kein rechtlich missbilligtes, verwerfliches Motiv zu unterstellen.

Das OLG Linz als Berufungsgericht bestätigte nun diese Entscheidung:

Motivkündigung

Nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG kann die Kündigung beim Gericht angefochten werden, wenn sie wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer erfolgt ist. Bei diesem Kündigungsanfechtungsgrund geht es darum, dass der Arbeitgeber nach Meinung des Arbeitnehmers bestehende Ansprüche nicht erfüllt, dass der Arbeitnehmer diese nicht erfüllten Ansprüche dem Arbeitgeber gegenüber geltend macht und dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen dieser Geltendmachung kündigt. Dass sich dieser Anspruch letztlich als unberechtigt erwiesen hat, schließt die Berechtigung der Anfechtung nicht aus. Für den Schutz des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG reicht es aus, dass die Geltendmachung des Anspruchs „offenbar nicht unberechtigt“ war. Unklarheiten oder unterschiedliche Auffassungen über den Bestand von Ansprüchen schließen daher den Anfechtungsgrund nicht aus.

Im vorliegenden Fall war der Grund für die Arbeitgeberkündigung die Weigerung des Klägers, sich entgegen der Anweisung des Arbeitgebers einmal wöchentlich – unabhängig von Krankheitssymptomen – auf dessen Kosten einem Antigen-Test oder einer molekularbiologischen Testung auf SARS-CoV-2 zu unterziehen. Zu prüfen ist demnach, ob diese Weigerung offensichtlich unberechtigt erfolgte. Nur wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, würde der Kläger die Kündigung nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG mit Erfolg anfechten.

Mitarbeiter zur Testung verpflichtet

Die Weisung des beklagten Arbeitgebers erfolgte aufgrund der ihn treffenden Verpflichtung nach § 10 COVID-19-Notmaßnahmenverordnung idF BGBl II 2020/479. Nach § 10 Abs 4 COVID-19-NotMV darf der Betreiber von Alten- und Pflegeheimen Mitarbeiter nur einlassen, wenn diese durchgehend eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung tragen und wenn für diese einmal pro Woche ein Antigen-Test auf SARS-CoV-2 oder ein molekularbiologischer Test auf SARS-CoV-2 durchgeführt wird. Ohne Antigen- oder molekularbiologischen Test auf SARS-CoV-2 darf Mitarbeitern nur dann Zutritt gewährt werden, wenn Tests nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen (§ 10 Abs 5 COVID-19-NotMV). Dieser Ausnahmefall lag hier nicht vor, sodass für die Gewährung des Einlasses eine wöchentliche Testung erforderlich war.

In einem weiteren Schritt ist nunmehr zu prüfen, ob den Kläger – ohne seine Zustimmung – grundsätzlich eine Testpflicht traf, weil ohne Testpflicht seine Weigerung „nicht offenbar unberechtigt“ gewesen wäre. Im vorliegenden Fall hat der Zentralbetriebsrat des beklagten Unternehmens in einer Betriebsvereinbarung einer verpflichtenden wöchentlichen Testung der Mitarbeiter auf SARS-CoV-2 durch einen molekularbiologischen Test oder Antigentest zugestimmt. Schon aufgrund dieser auf § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG (vgl zB Gerhartl, COVID-19-Tests im Arbeitsverhältnis, ecolex 2021, 58 [59]; Hainz/Mitschka, Corona-Testpflicht im Arbeitsverhältnis, GRAU 2020, 60 [62]), allenfalls auf § 97 Abs 1 Z 8 ArbVG (so Plucinska/Zankel, Rechtliche Rahmenbedingungen für Testungen und Impfungen im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 im Arbeitsverhältnis, ASok 2021, 82 [87]) gegründeten Betriebsvereinbarung war der Kläger zur Testung verpflichtet.

Testung offensichtlich unberechtigt verweigert

Die Verweigerung der verpflichtenden wöchentlichen Testung hatte hier zur Folge, dass der Kläger seine arbeitsvertraglich geschuldete Pflegetätigkeit nicht erfüllen konnte, weil ihn der Arbeitgeber nicht in seine Arbeitsstelle einlassen durfte. Um keine Pflichtverletzung zu begehen, musste die Weigerung des Klägers auf einem triftigen Grund beruhen. Zur erfolgreichen Geltendmachung des Motivkündigungsschutzes des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG muss sich der Kläger demnach zumindest in vertretbarer Weise auf einen zur Verweigerung berechtigenden Grund stützen. Dazu führt das OLG Linz Folgendes aus:

Der Kläger stützt sich auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs 4 COVID-19-NotMV. Dabei zieht er aber zu Recht nicht in Zweifel, dass auch eine verfassungswidrige Verordnung bis zu deren Aufhebung durch den VfGH dem Rechtsbestand angehört. Nur nicht gehörig kundgemachte Rechtsvorschriften entfalten keinerlei Rechtswirkungen (vgl Art 89 Abs 1 B-VG). Letzteres wird nicht einmal von der Berufung behauptet. Demnach musste der Arbeitgeber die angeführte Bestimmung beachten und hätte sich bei Nichtbeachtung verwaltungsrechtlich und allenfalls sogar gerichtlich strafbar gemacht. Zur Durchsetzung seiner Verpflichtung hat der Arbeitgeber mit dem Zentralbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, die die Mitarbeiter und damit auch den Kläger zu einer entsprechenden wöchentlichen Testung verpflichtet. Vor diesem Hintergrund hat der Verweis auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit der Verordnung den Kläger jedenfalls nicht zur Testverweigerung berechtigt. Damit erübrigt sich aber eine nähere Prüfung der Verfassungskonformität des § 10 Abs 4 COVID-19-NotMV und eine vom Kläger angestrebte Vorlage an den VfGH.

Das Recht des Arbeitnehmers auf körperliche Unversehrtheit könnte einen tauglichen Verweigerungsgrund darstellen, wenn die Testung für den Kläger nicht zumutbar wäre. Gesundheitliche Gründe, die beim Kläger gegen die Durchführung eines Antigen- oder molekularbiologischen Tests sprechen würden, werden jedoch von der Berufung nicht dargelegt. Ohne besondere gesundheitliche Gründe fällt die grundrechtlich verankerte Pflicht zur umfassenden Interessenabwägung zweifellos zugunsten der Testpflicht aus. Hier geht es nicht nur um den Schutz der Mitarbeiter am Arbeitsplatz, sondern auch um den Schutz der Heimbewohner als bekanntermaßen besonders vulnerable Bevölkerungsgruppe in einer Pandemiesituation und war der Arbeitgeber öffentlich-rechtlich zur Testung verpflichtet.

Vor diesem Hintergrund ist die abgeschlossene Betriebsvereinbarung keinesfalls überschießend, sondern ermöglicht dem Arbeitgeber auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene die Durchsetzung seiner Testverpflichtung ohne Zustimmung der einzelnen Mitarbeiter und ohne Rückgriff auf allfällige arbeitsvertragliche Verpflichtungen.

Die Sorge des Klägers, dass durch die Testungen das Personal ausgedünnt werde und Bewohner nicht mehr betreut werden könnten, liegt nicht in seinem Verantwortungsbereich und rechtfertigt keinesfalls seine Testverweigerung.

Insgesamt folgt daraus, dass sich der Kläger nicht in vertretbarer Weise auf einen zur Testverweigerung berechtigenden Grund gestützt hat. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Kläger die Testung offensichtlich unberechtigt verweigert hat, weshalb der Berufung ein Erfolg zu versagen war. (Revision vom OLG zugelassen)

Hinweis: Die ordentliche Revision an den OGH wurde vom OLG Linz für zulässig erklärt, weil der Berechtigung zur Verweigerung von Antigen- und molekularbiologischen Tests auf SARS-CoV-2 durch einen Dienstnehmer über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukommt.

Auch nach der aktuell geltenden 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung (BGBl II 2021/58 idF BGBl II 2021/181) besteht die Vorgabe für die Betreiber von Alten- und Pflegeheimen, dass sie Mitarbeitern nur dann Zutritt gewähren dürfen, wenn in vorgegebenen Abständen ein Antigen-Test auf SARS-CoV-2 oder ein molekularbiologischer Test auf SARS-CoV-2 durchgeführt wird. Eine entsprechende Verpflichtung besteht auch für Betreiber von stationären Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe sowie von Kranken- und Kuranstalten.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30849 vom 04.05.2021