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Kündigung wegen verweigerten Maskentragens – keine Diskriminierung wegen Weltanschauung

Bearbeiter: Manfred Lindmayr

GlBG: § 17 Abs 1 Z 7, § 26 Abs 7

Aufgrund seiner Weltanschauung darf niemand im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere auch nicht bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Ansicht, das Coronavirus sei „ungefähr so gefährlich sei wie das Influenzavirus“ und (im Hinblick auf die Aufhebung zahlreicher Verordnungen iZm COVID-19 durch den VfGH) „Verfassungsgesetze sollten eingehalten werden“, stellt noch keine Weltanschauung im Sinne des Diskriminierungsrechts dar. Die vom Arbeitgeber wegen der Weigerung, den vorgeschriebenen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, ausgesprochene Kündigung stellt somit noch keine Diskriminierung wegen der Weltanschauung dar.

OGH 25. 11. 2021, 9 ObA 130/21i

Begriff der Weltanschauung

Eine Kündigung kann bei Gericht angefochten werden, wenn das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber wegen der Weltanschauung des Arbeitnehmers gekündigt worden ist (§ 26 Abs 7 GlBG). Der Begriff „Weltanschauung“, der eng mit dem Begriff „Religion“ verbunden ist, dient als Sammelbezeichnung für alle ideologischen, politischen und ähnlichen Leitauffassungen vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen sowie zur Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standortes für das individuelle Lebensverständnis (vgl ErlRV 285 BlgNR 22. GP 11 zur Umsetzung der RL 2000/78/EG im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz). Weltanschauungen sind keine wissenschaftlichen Systeme, sondern Deutungsauffassungen in der Form persönlicher Überzeugungen von der Grundstruktur, Modalität und Funktion des Weltganzen. Soferne Weltanschauungen Vollständigkeit anstreben, gehören dazu Menschen- und Weltbilder, Wert-, Lebens- und Moralanschauungen. Ähnliche Ausführungen finden sich auch in den Materialien zur Umsetzung der RL 2000/78/EG bezüglich des Diskriminierungsgrundes der Weltanschauung im Gleichbehandlungsgesetz für die Privatwirtschaft (ErlRV 307 BlgNR 22. GP 14 f).

Kritische Auffassungen eines Arbeitnehmers über die derzeitige Asylgesetzgebung und -praxis in Österreich sind keine Weltanschauung sind (vgl OGH 24. 2. 2009, 9 ObA 122/07t, ARD 5975/4/2009). Allfällige punktuelle Kritik eines Arbeitnehmers an personellen Missständen oder die Führung eines Gerichtsprozesses gegen den Arbeitgeber begründen ebenfalls noch keine bestimmte Weltanschauung (vgl OGH 28. 5. 2015, 9 ObA 42/15i, ARD 6464/11/2015). Auch dass es sich bei einer Prozesspartei, die geltend macht, bei der Überlassung eines Veranstaltungslokals diskriminiert worden zu sein, um eine Burschenschaft handelt, ergibt in Anbetracht sehr unterschiedlich ausgerichteter Studentenverbindungen noch keine bestimmte Weltanschauung (vgl OGH 29. 3. 2017, 6 Ob 38/17g).

Kein ausreichendes Vorbringen der Klägerin

Es ist Sache der Partei, die sich auf eine Diskriminierung wegen Weltanschauung stützt, ein entsprechendes substanziiertes Vorbringen zu erstatten, um dem Gericht die Beurteilung zu ermöglichen, ob es sich tatsächlich um eine Weltanschauung im Sinn des Gesetzes handelt. Ein derartiges Vorbringen zu ihrer Weltanschauung, die wie Motiv der Arbeitgeberkündigung gewesen sein soll, blieb die Klägerin im vorliegenden Fall allerdings trotz ausdrücklichen Einwandes des Arbeitgebers und trotz gerichtlicher Erörterung schuldig. Der Schwerpunkt des erstinstanzlichen Vorbringens der Klägerin lag vor allem auf dem Versuch, das Gericht davon zu überzeugen, dass „das Coronavirus ungefähr so gefährlich sei wie das Influenzavirus“, und darauf abstellenden Beweisanträgen. Die Klägerin pochte weiters darauf, dass der VfGH bereits 22 Gesetzes- oder Verordnungsstellen im Zusammenhang mit COVID-19 aufgehoben habe. Darauf aufbauend meinte sie schließlich, dass sie die Weltanschauung habe, „dass Verfassungsgesetze eingehalten werden sollten und sie nicht aufgrund der Sorge um ihre körperliche Gesundheit aus dem Dienstverhältnis entfernt werden sollte“.

Darin, dass Verfassungsgesetze eingehalten werden sollen, ist der Klägerin beizupflichten. Auch die Sorge der Klägerin um die eigene Gesundheit ist sehr gut nachvollziehbar. Mit einer Weltanschauung im oben beschriebenen Sinn hat dieses Vorbringen aber nichts zu tun. Auf den gleichlautenden Einwand des Arbeitgebers reagierte die Klägerin nicht und erläuterte auch trotz Erörterung des Erstgerichts, dass sich aus der Aussage der Klägerin keine Weltanschauung, sondern lediglich allfällige Sachargumente zum (bzw gegen das) „Maskentragen“ ergeben hätten, nicht, weshalb sie meint, es würde sich dabei um eine Weltanschauung im Sinne des Diskriminierungsrechts handeln. Mit ihrer erkennbar kritischen Haltung zu COVID-19-Bestimmungen liegt die Klägerin auf der Linie der zu 9 ObA 122/07t und 9 ObA 42/15i beurteilten Fälle, bei denen es ebenfalls um die kritischen Haltungen von Arbeitnehmern einerseits zur Asylgesetzgebung und -praxis in Österreich und andererseits zu Personalmissständen im Betrieb ging. Auch dort wurde das Vorliegen einer Weltanschauung verneint.

Mangels Darlegung einer für die Kündigung kausalen Leitauffassung der Klägerin „vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen“ konnte auch nicht geprüft werden, inwieweit eine solche Leitauffassung Motiv der gegenständlichen Arbeitgeberkündigung gewesen sein soll.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32066 vom 10.02.2022