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KV-Arbeitskräfteüberlassung: DV-Lösung im Krankenstand

Bearbeiter: Bettina Sabara / Bearbeiter: Barbara Tuma

EFZG: § 3, § 5

KVAÜ: Abschnitt XVI und XVII

Der Kollektivvertrag für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung (KVAÜ) regelt den grundsätzlichen Anspruch auf Sonderzahlungen (unabhängig von einer bestimmten Mindestdauer des Dienstverhältnisses) und den aliquoten Anspruch bei unterjährigem Ende des Arbeitsverhältnisses; zur Frage der Einbeziehung der Sonderzahlungen in die Berechnung der Entgeltfortzahlung enthält der KVAÜ jedoch keine Aussage. Die KV-Bestimmungen schließen somit im Ergebnis nicht aus, dass das „regelmäßige Entgelt“ im Entgeltfortzahlungszeitraum während eines Krankenstandes (§ 3 Abs 3 EFZG) anteilige Sonderzahlungen umfasst.

Dies gilt auch, wenn der Entgeltfortzahlungszeitraum – wie hier im Fall einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers während eines Krankenstandes – über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinausreicht. Nach Maßgabe des Ausfallsprinzips der §§ 3, 5 EFZG sind daher auch in diesen Entgeltfortzahlungszeitraum nach DV-Ende die anteiligen Sonderzahlungen (Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration) in das Krankenentgelt miteinzubeziehen.

OGH 29. 4. 2021, 9 ObA 22/21g

Sachverhalt

Der Kläger war seit 15. 1. 2016 bei der beklagten Arbeitgeberin (Arbeitskräfteüberlasserin) beschäftigt. Am 10. 10. 2019 erlitt er einen Arbeitsunfall und befand sich daraufhin bis 6. 12. 2019 im Krankenstand. Das Dienstverhältnis wurde am 16. 10. 2019 einvernehmlich beendet.

Der Kläger begehrt die Zahlung der anteiligen Sonderzahlungen für den Zeitraum der Entgeltfortzahlung ab DV-Ende (17. 10. bis 6. 12. 2019). Dagegen wendet die Arbeitgeberin ein, dass der Anspruch auf Sonderzahlungen nach dem anwendbaren KV-Arbeitskräfteüberlassung (KVAÜ) an die Dienstzeit geknüpft sei und mit dem Ende des arbeitsrechtlichen Dienstverhältnisses ende.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren nach Maßgabe der §§ 3 Abs 1 iVm 5 EFZG statt.

Der OGH ließ die ordentliche Revision wegen fehlender Rsp zur hier maßgeblichen Auslegung des KVAÜ zu, bestätigte aber im Ergebnis die Rechtsansicht der Vorinstanzen.

Entscheidung

Sonderzahlungen nach dem KVAÜ

Der KVAÜ sieht in den Regelungen der Abschnitte XVI und XVII für jedes Kalenderjahr einen einheitlichen Anspruch auf Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration im Ausmaß eines Monatsentgelts auf einer näher definierten Basis vor. Entsprechend dem Zweck dieser Sonderzahlungen, dem Arbeitnehmer die Finanzierung der typischen Mehrkosten anlässlich des Erholungsurlaubs bzw des Weihnachtsfestes zu erleichtern, ist der Urlaubszuschuss grundsätzlich bei Urlaubsantritt fällig, spätestens jedoch mit der Juni-Abrechnung, und die Weihnachtsremuneration spätestens am Ende jener Arbeitswoche, in die der 1. Dezember fällt.

Im Eintrittsjahr erhält der Arbeitnehmer den aliquoten Teil des Urlaubszuschusses vom Eintrittsdatum bis zum Ende des Kalenderjahres (je Woche 1/52; Abschnitt XVI Pkt 4 S 1 KVAÜ) bzw den aliquoten Teil der Weihnachtsremuneration entsprechend seiner Dienstzeit (je Woche 1/52; Abschnitt XVII Pkt 3 Fall 1 KVAÜ).

Für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sehen Abschnitt XVI Pkt 6 und Abschnitt XVII Pkt 3 Fall 2 KVAÜ eine Aliquotierung des Urlaubszuschusses bzw der Weihnachtsremuneration in Fällen vor, in denen das Arbeitsverhältnis vor Verbrauch eines Urlaubs (vgl OGH 28. 10. 2016, 9 ObA 120/16m, ARD 6528/5/2016) bzw vor Erhalt der Weihnachtsremuneration vor Ablauf des Kalenderjahres endet. Hat der Arbeitnehmer, dessen Dienstverhältnis vor Ablauf des Kalenderjahres endet, den Urlaubszuschuss bereits erhalten und den Urlaub (teilweise) verbraucht oder die Weihnachtsremuneration bereits erhalten, besteht eine anteilige Rückzahlungspflicht für den restlichen Teil des Kalenderjahres nach Maßgabe von Abschnitt XVI Pkt 5 und Abschnitt XVII Pkt 5 KVAÜ.

Sonderzahlungen sind einzubeziehen

Aus den Regelungen geht insgesamt hervor, dass der Anspruch auf Sonderzahlungen nach Abschnitt XVI und Abschnitt XVII KVAÜ dem Grunde nach durch ein – wenn auch nur kurzfristig – aufrechtes Dienstverhältnis in einem Kalenderjahr erworben wird und nicht von einer bestimmten Mindestdauer des Dienstverhältnisses abhängig ist (damit unterscheidet sich der KVAÜ vom KV in der E 8 ObA 53/17b, ARD 6597/6/2018). Art XVI Pkt 3 und Art XVII Pkt 2 KVAÜ enthalten diesbezüglich nur Fälligkeitsregelungen.

Im Übrigen ist Inhalt und offenkundiger Zweck der Abschnitte XVI Pkt 6 und XVII Pkt 3 Fall 2 KVAÜ, bei unterjähriger Vertragsbeendigung die Höhe des jeweiligen – dem Grunde nach bestehenden – Sonderzahlungsanspruchs anteilig im Verhältnis der (zurückgelegten) Dienstzeit zur vollen Dauer eines Kalenderjahres zu begrenzen. Das ist für den Regelfall auch nur folgerichtig.

Auf die Frage der Entgeltfortzahlung im Krankenstand nimmt der Regelungskomplex jedoch nicht Bezug. Er bietet insbesondere keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Ausfallsprinzip des EFZG im Hinblick auf Sonderzahlungen beschränkt werden sollte. So ist unzweifelhaft, dass die während des aufrechten Dienstverhältnisses „im Kalenderjahr zurückgelegte Dienstzeit“ nicht um Zeiten der Entgeltfortzahlung zu reduzieren ist. Die in den Aliquotierungsregelungen enthaltenen Wendungen „entsprechend ihrer jeweils im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit“ bzw „einen ihrer Dienstzeit entsprechenden Teil“ können damit lediglich als Ausdruck dafür verstanden werden, dass die Sonderzahlungen bei Beendigung des Dienstverhältnisses während des laufenden Kalenderjahres aliquot anfallen, sie treffen aber keine Aussage über die Frage ihrer Einbeziehung in die Berechnung der Entgeltfortzahlung.

Die Bestimmungen schließen damit nicht aus, dass das im Entgeltfortzahlungszeitraum zu zahlende „regelmäßige Entgelt“ (§ 3 Abs 3 EFZG) anteilige Sonderzahlungen umfasst, und dies auch, wenn der Entgeltfortzahlungszeitraum über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinausreicht. Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin wird in den Abschnitten XVI Pkt 6 und XVII Pkt 2 KVAÜ daher auch keine entsprechende Bedingung für die Gewährung der Sonderzahlungen festgelegt. Die Frage, ob der Entgeltbegriff im Anwendungsbereich des § 5 iVm § 3 EFZG überhaupt zum Nachteil des Arbeitnehmers verändert werden könnte (s § 3 Abs 5 EFZG), stellt sich folglich nicht.

Die Vorinstanzen sind danach zutreffend zum Ergebnis gekommen, dass die Entgeltfortzahlung hier für den gesamten Entgeltfortzahlungszeitraum nach Maßgabe des Ausfallsprinzips der §§ 3, 5 EFZG vorzunehmen ist. Dass von diesem auch die Sonderzahlungen umfasst sind, ist nicht weiter strittig.

Anmerkung:

Der E OGH 29. 4. 2020, 10 ObS 25/21y, liegt ein ähnlich gelagerter Sachverhalt zugrunde: Es war ebenfalls der KVAÜ anzuwenden, allerdings wurde der Kläger während des Krankenstandes gekündigt (Krankenstand von 14. 1. 2019 bis 19. 2. 2019, Kündigung zum 8. 2. 2019). Der OGH kommt in der wortidenten rechtlichen Beurteilung zum selben Ergebnis, dass die Entgeltfortzahlung für den gesamten Entgeltfortzahlungszeitraum (also auch für den Zeitraum von 9. 2. bis 19. 2. 2019) nach Maßgabe des Ausfallsprinzips auch die Sonderzahlungen miteinschließt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31079 vom 22.06.2021