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Missachtung der angeordneten Absonderung als Corona-Verdachtsfall – Entlassung

Bearbeiter: Bettina Sabara

AngG: § 27 Z 1

VBG: § 34 Abs 2 lit b

Wird eine Arbeitnehmerin anlässlich einer Testung gemäß § 7 Epidemiegesetz bis zum Vorliegen des Testergebnisses als Corona-Verdachtsfall abgesondert und erscheint sie dann am folgenden Tag – eigenmächtig und ohne den Dienstgeber darüber zu informieren – zum Dienst, so setzt sie dadurch zumindest fahrlässig alle Kollegen ihrer Abteilung der Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit aus und berechtigt dieses Verhalten den Arbeitgeber zur Entlassung der Arbeitnehmerin wegen Vertrauensunwürdigkeit.

OGH 14. 9. 2021, 8 ObA 54/21f -> zu OLG Wien 10 Ra 37/21s siehe ARD 6760/9/2021 (Bestätigung)

Sachverhalt und bisheriges Verfahren

Die klagende Dienstnehmerin wurde am 15. 3. 2020 auf SARS-CoV-2 getestet. Sie erhielt einen „Absonderungszettel“, mit dem ab sofort eine Absonderung nach § 7 Epidemiegesetz für 14 Tage ausgesprochen wurde und die Klägerin angehalten wurde, für diesen Zeitraum die Wohnung nicht zu verlassen. Trotz dieser Absonderungsanordnung ging sie tags darauf – eigenmächtig und ohne den Dienstgeber über den Test und die behördliche Anordnung zu informieren – normal zur Arbeit.

Am 17. 3. 2020 in der Früh lag ein positives Testergebnis der Klägerin vor und schickte sie daraufhin ein Foto des „Absonderungszettels“ an die Personalabteilung. Am selben Tag erhielt auch die Vorgesetzte der Klägerin einen Anruf von der Gesundheitsbehörde, wonach die Klägerin positiv auf COVID-19 getestet sei, und der Arbeitgeber daher „sofort die ganze Abteilung für 14 Tage in Quarantäne schicken“ müsse; dies betraf 23 Personen.

Nachdem dem Personalleiter bekannt wurde, dass die Klägerin am 16. 3. 2020 im Büro war, obwohl es eine Absonderung gegeben hatte, sprach er wegen Vertrauensunwürdigkeit die Entlassung der Klägerin aus.

Die Vorinstanzen wiesen das auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses gerichtete Klagebegehren übereinstimmend ab. Die Klägerin habe den Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit gesetzt, weil sie am 16. 3. 2020 ungeachtet einer am Vortag anlässlich einer Testung gemäß § 7 Epidemiegesetz bis zum Vorliegen des Testergebnisses angeordneten Absonderung als Corona-Verdachtsfall – eigenmächtig und ohne den Dienstgeber darüber zu informieren – zum Dienst erschien und dadurch zumindest fahrlässig alle Kolleginnen ihrer Abteilung der Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit aussetzte.

Der OGH bestätigte die Rechtsansicht der Vorinstanzen und entkräftete die Argumente der Klägerin wie folgt:

Entscheidung

Die Klägerin meint, entgegen der Ansicht der Vorinstanzen komme es sehr wohl darauf an, ob sie am 16. 3. 2020 tatsächlich an Corona erkrankt war (worauf das am Tag darauf vorliegende positive Testergebnis schließen lässt) oder nicht (wie sie unter Vorlage eines ein Jahr später eingeholten negativen Antikörperstatus nachzuweisen können glaubt), weil eine objektive ex-post-Betrachtung maßgeblich sei. Dieser Einwand verkennt allerdings, dass ihr nicht ihre Erkrankung zum Vorwurf gemacht wurde, sondern dass sie die Anordnung, die Wohnung zur Verhinderung einer möglichen Verbreitung von SARS-CoV-2 nicht zu verlassen, ignorierte, obgleich sie vor Vorliegen des Testergebnisses eine Infektion nicht ausschließen konnte und so durch ihr Verhalten eine Gefährdung der Gesundheit ihrer Kolleginnen und der Interessen ihres Dienstgebers an einem reibungslosen Dienstbetrieb in Kauf nahm. Als problematisch erweist sich daher die darin zum Ausdruck kommende Einstellung der Klägerin.

Ihre weitere Argumentation, sie habe mangels Symptomen subjektiv davon ausgehen dürfen, nicht erkrankt zu sein, setzt sich über die erstgerichtlichen Feststellungen hinweg. Demnach waren für die unmittelbare Vorgesetzte der Klägerin am 16. 3. 2020 „über ein normales Hüsteln hinausgehende Symptome erkennbar“, sodass sie [zu Recht] den Eindruck hatte, die Klägerin sei „verkühlt“. Eine entsprechende Nachfrage der Vorgesetzten quittierte die Klägerin auch nur mit der Bemerkung, sie habe kein Fieber und fühle sich „soweit gut“, verschwieg aber, dass sie am Tag zuvor auf Corona getestet worden war.

Auch der Hinweis auf die zu Beginn des sogenannten ersten Lockdowns am 16. 3. 2020 herrschende gesamtgesellschaftliche Verunsicherung vermag die Klägerin nicht zu entschuldigen, hätte doch das fehlende Wissen um Gefährlichkeit und Konsequenzen einer Erkrankung umso mehr die strikte Befolgung einer konkret der Klägerin auch zur Kenntnis gebrachten behördlichen Anordnung geboten.

Auch setzte der Dienstgeber kein Verhalten, das der Klägerin eine Verwirkung oder gar eine Verzeihung ihres Fehlverhaltens hätte nahelegen können. Ihre Behauptung, dass der Dienstgeber – nach Vorliegen des positiven Testergebnisses der Klägerin am 17. 3. 2020 – noch (fast) zwei Tage ihre Dienstleistung anstandslos angenommen habe, kollidiert mit der Feststellung, dass alle in der Abteilung der Klägerin tätigen Personen am 17. 3. 2020 in der Früh unverzüglich für 14 Tage in Quarantäne geschickt wurden.

Im Ergebnis hat die Klägerin den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit erfüllt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31621 vom 25.10.2021