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Notgeschäftsführer – Schuldnerverfahren

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

GmbHG: § 15a

IO: § 6, § 8a

Nach § 6 Abs 3 IO können Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen auch während des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner oder von ihm anhängig gemacht und fortgesetzt werden (sog Schuldnerverfahren).

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft steht der Bestellung eines Notgeschäftsführers grds nicht entgegen. Dem Notgeschäftsführer bleibt aber, wie dem Schuldner selbst, nur die Verfügung über das insolvenzfreie Vermögen der Gesellschaft. Der Notgeschäftsführer hat gegen die Gesellschaft einen Anspruch auf Ersatz von Barauslagen und auf Entlohnung, der im Verfahren außer Streitsachen durchzusetzen ist. Für Leistungen nach Insolvenzeröffnung steht dem Notgeschäftsführer allerdings grds kein Entlohnungsanspruch zu, es sei denn er wird vom Insolvenzverwalter in einem Ausmaß herangezogen, das die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten eines Schuldners oder dessen Geschäftsführers nach der Insolvenzordnung übersteigt. Derartige Ansprüche sind als Masseforderungen vor dem Firmenbuchgericht im Außerstreitverfahren geltend zu machen. Die Beurteilung, ob eine Insolvenz- oder eine Masseforderung vorliegt, obliegt dem Firmenbuchgericht als Vorfrage.

Da der Entlohnungsanspruch des Notgeschäftsführers im Falle seiner Bestellung nach Insolvenzeröffnung nicht unmittelbar durch den Bestellungsbeschluss, sondern erst (mittelbar) durch einen über die gesetzlichen Mitwirkungspflichten hinausgehenden Auftrag des Insolvenzverwalters entsteht, berührt die Bestellung des Notgeschäftsführers nicht den Sollstand der Insolvenzmasse und ist dessen Bestellung mit vermögensrechtlichen, die Masse betreffenden Ansprüchen auch nicht derart eng verknüpft, dass sich diese auf den Bestand oder die Höhe der die Masse betreffenden Ansprüche auswirken würden. Das Verfahren über die Bestellung des Notgeschäftsführers ist daher ein Schuldnerverfahren gem § 6 Abs 3 iVm § 8a IO.

OGH 17. 1. 2025, 6 Ob 197/24z

Sachverhalt

Die nunmehrige Schuldnerin (eine GmbH) ist seit 2005 im Firmenbuch eingetragen. Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft seit 2013 selbstständig und ist Mehrheitsgesellschafter der GmbH.

Im Juni 2022 beantragte der Minderheitsgesellschafter die Bestellung eines Notgeschäftsführers für die Gesellschaft. Diesen Antrag stellte das ErstG dem Geschäftsführer samt Beilagen im Rechtshilfeweg nach Russland zur Äußerung binnen zwei Wochen zu.

Im Juli 2023 wurde über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet und ein Masseverwalter bestellt.

Im September 2023 langte beim ErstG eine Mitteilung in russischer Sprache ein, der das gesamte Rechtshilfeersuchen im Original angeschlossen war. Dies teilte das ErstG dem Antragsteller mit Beschluss mit und trug ihm den Erlag eines Kostenvorschusses iHv 1.000 € zur Übersetzung des Berichts auf. Der Antragsteller wies auf die Insolvenzeröffnung hin und ersuchte, das Verfahren zu unterbrechen. Der Antrag sei dazu gedacht gewesen, die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft durch die kurzfristige Bestellung eines Notgeschäftsführers wiederherzustellen und dadurch eine Insolvenz der Gesellschaft abzuwenden, wofür es nun zu spät sei. Es sei ihm auch nicht zumutbar, die Dolmetschkosten zu tragen.

Mit Beschluss vom 6. 12. 2023 wurden die Anträge auf Unterbrechung des Verfahrens und Bestellung eines Notgeschäftsführers abgewiesen. Den Rekurs dagegen wies das RekurstG mit Beschluss vom 15. 4. 2024, 6 R 10/24w (= RW0001077) zurück.

Den darauf folgenden Antrag des Antragstellers vom 15. 5. 2024 auf Fortsetzung des Verfahrens wies das ErstG ab, weil der Gegner des Schuldners bei Anträgen, die einer Anmeldung im Konkurs unterliegen, einen Fortsetzungsantrag erst nach Abschluss der Prüfungstagsatzung stellen könne.

Das RekursG hingegen gab dem Rekurs des Antragstellers Folge, setzte das Verfahren über die Bestellung eines Notgeschäftsführers fort und berichtigte die Parteibezeichnung der Gesellschaft auf deren Masseverwalter. Die Bestellung eines Notgeschäftsführers wirke sich zwar wegen des Vergütungsanspruchs des Notgeschäftsführers unmittelbar auf die Insolvenzmasse aus, stelle aber keine Insolvenzforderung dar. Die Aufnahme des durch die Insolvenzeröffnung unterbrochenen Verfahrens bedürfe daher nicht der vorherigen Geltendmachung des Anspruchs im Insolvenzverfahren; es sei lediglich ein Aufnahmeantrag erforderlich.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Gesellschaft, mit dem sie die Wiederherstellung der Entscheidung des ErstG – allenfalls iS einer Zurückweisung des Fortsetzungsantrags – beantragt; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Entscheidung

Das RekursG hat mit Beschluss vom 15. 4. 2024, 6 R 10/24w (= RW0001077), keinen Beschluss über die Unterbrechung des Verfahrens gefasst, sondern den Rekurs des Antragstellers zurückgewiesen, weil im Rekurs kein Verstoß gegen § 7 Abs 1 IO geltend gemacht worden sei (vgl RS0037023; RS0036977). Die (amtswegige) Wahrnehmung eines allfälligen Nichtigkeitsgrundes hat es – unter der (unrichtigen) Prämisse, dass das Verfahren ex lege unterbrochen sei – abgelehnt. Damit ist der Beschluss des ErstG, mit dem es den Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers abgewiesen hat, in Rechtskraft erwachsen. Selbst Entscheidungen, die trotz eingetretener Unterbrechungswirkung unzulässigerweise ergangen sind, sind nicht wirkungslos, sondern lediglich in der nächsten Instanz anfechtbar oder mit aus Anlass eines Rechtsmittels wahrzunehmender Nichtigkeit behaftet (RS0064051 [T1]; Fink in Fasching/Konecny3 § 163 ZPO Rz 23; Gitschthaler in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 163 Rz 9).

Das Verfahren auf Bestellung eines Notgeschäftsführers ist daher mit dem rk antragsabweisenden Beschluss des ErstG vom 6. 12. 2023 beendet worden. Dies hat zur Folge, dass die Entscheidung des ErstG mit der Maßgabe wiederherzustellen ist, dass der Fortsetzungsantrag des Antragstellers zurück- statt abzuweisen ist. Damit kommt es auch auf eine allfällige Verletzung des rechtlichen Gehörs der Gesellschaft im Verfahren erster Instanz und im Rekursverfahren (vgl § 66 Abs 1 Z 1 iVm § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG) nicht mehr an (zur mangelnden absoluten Wirkung einer Gehörverletzung im Verfahren außer Streitsachen siehe RS0120213).

Irrelevant ist hier auch, dass der Masseverwalter der Mandatierung des Rechtsvertreters der Gesellschaft nicht zugestimmt hat. Wenn nämlich der Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers ein Schuldnerverfahren gemäß § 6 Abs 3 iVm § 8a IO ist, bedarf auch die Erteilung einer Vollmacht zur Vertretung in diesem Verfahren keiner Genehmigung des Insolvenzverwalters.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36490 vom 10.03.2025