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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
Setzt ein Unternehmen im Rahmen von Verkaufsschulungen und zur Rekrutierung von Führungskräften ein Bewertungsverfahren zur Beurteilung der Arbeitnehmer ein, bei dem ausschließlich „soft skills“ abgefragt werden (wie Neigungen, Interessen und andere Persönlichkeitsmerkmale wie Belastbarkeit, Frustrationstoleranz und höchstpersönliche „Werte“), nicht aber „hard skills“, also die Fachkompetenz der Arbeitnehmer, ist die Verwendung ohne vorherigen Zustimmung des Betriebsrats (in Form einer Betriebsvereinbarung nach § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG) unzulässig, weil durch das Testverfahren massiv die Persönlichkeit der getesteten Personen berührt wird und dessen Einsatz nicht durch überwiegende berufliche Interessen gerechtfertigt ist. Auf die im Einzelfall freiwillige Teilnahme an den Tests durch die Arbeitnehmer kommt es dabei nicht an.
Entscheidung
Das hier zu beurteilende Testverfahren wird vom Arbeitgeber im Rahmen von Verkaufsschulungen und zur Rekrutierung von Führungskräften aus dem Kreis der Mitarbeiter verwendet; der Test wird von externen Betreibern zugekauft und durchgeführt. Nach der Definition der Betreiber handelt es sich um ein werteorientiertes Verfahren, das in die Tiefe der Persönlichkeit geht und nicht das Verhalten misst, sondern an der wesentlich stabileren, persönlichen Wertehaltung ansetzt. Schicksalsschläge und all das, was die getestete Person im letzten Jahr bewegt hat, werden abgebildet und es wird nicht nur die Berufswelt angeschaut, sondern auch das berufliche Selbst, alle Aspekte der Welt und das gesamthafte Selbst über alle Lebensbereiche. Dies lässt die Wertedimension (des Getesteten) gut erkennen. Sodann werden computerunterstützt Abweichungen zu einer mathematisch-logischen Grundeinstellung ermittelt.
Gemäß § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG bedarf die Einführung von Systemen zur Beurteilung von Arbeitnehmern des Betriebs zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats, sofern mit diesen Beurteilungssystemen „Daten erhoben werden, die nicht durch die betriebliche Verwendung gerechtfertigt sind“. Der Arbeitgeber bestreitet nicht, dass es sich bei dem Testverfahren grundsätzlich um ein solches System handelt; er wendet sich allerdings gegen die Ansicht des BerufungsG, dass die Erhebung dieser Daten nicht durch die betriebliche Verwendung gerechtfertigt ist.
In der E OGH 20. 8. 2008, 9 ObA 95/08y, ARD 5907/3/2008, hat sich der OGH nach ausführlicher Darstellung der Lit zu § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG der Meinung angeschlossen, wonach im Einzelfall ein Interessensvergleich zwischen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers einerseits und konkreten betrieblichen Interessen andererseits vorzunehmen ist.
Das BerufungsG ist davon ausgegangen, dass dieses Bewertungsverfahren, bei dem ausschließlich „soft skills“ abgefragt werden – wie Neigungen, Interessen und andere Persönlichkeitsmerkmale wie Belastbarkeit, Frustrationstoleranz und höchstpersönliche „Werte“ –, nicht aber „hard skills“, also die Fachkompetenz, massiv die Persönlichkeit der getesteten Personen berührt und nicht durch überwiegende berufliche Interessen gerechtfertigt ist.
Der Arbeitgeber zeigt in seiner Revision nicht auf, weshalb diese Beurteilung korrekturbedürftig sein sollte. Auch wenn die Testergebnisse an sich dem Arbeitgeber nicht bekannt werden, enthält die ihm zugehende Auswertung eine umfassende Beurteilung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers, von deren Validität der Arbeitgeber offenbar ausgeht. Offen blieb auch in der Revision, welche Bedeutung den erhobenen Kriterien für die betriebliche Verwendung überhaupt zukommt.
Die Auswertung mag zwar nicht zum Personalakt gegeben werden, kommt dem Arbeitgeber aber zu und ist weitere fünf Jahre lang beim extern beauftragten Unternehmen abrufbar. Da sie nach Angaben des Arbeitgebers zu 15–20 % für die Auswahl von Führungskräften relevant ist, stellt sie zwar nicht das ausschließliche, aber ein jedenfalls gewichtiges Beurteilungskriterium dar. Im Übrigen ließe sich bei einem bloß unbedeutenden Hilfsmittel – mit dem der Arbeitgeber argumentiert – eine betriebliche Relevanz noch weniger rechtfertigen.
Ebenfalls vertretbar hat das BerufungsG auch darauf verwiesen, dass aufgrund der großflächigen Verwendung der Tests von einem generellen Verfahren auszugehen ist, nicht bloß von individuellen Maßnahmen. Derartige Systeme zur Beurteilung von Arbeitnehmern des Betriebs, die nicht durch die betriebliche Verwendung gerechtfertigt sind, bedürfen aber nach § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG der Zustimmung des Betriebsrats (in Form einer Betriebsvereinbarung). Auf die im Einzelfall freiwillige Teilnahme an den Tests durch die Arbeitnehmer kommt es dabei nicht an.
Ob auch von einem Personalfragebogen auszugehen wäre, dessen Verwendung nach § 96 Abs 1 Z 2 ArbVG ohne Zustimmung des Betriebsrats unzulässig ist, musste der OGH hier nicht weiter prüfen.