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Rechtshandlungen des Schuldners nach Insolvenzeröffnung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

IO: § 3, §§ 27 ff

Nach § 3 Abs 1 IO sind Rechtshandlungen des Schuldners nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welche die Insolvenzmasse betreffen, den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam. Nach stRsp des OGH ist zwar im Fall einer Anfechtung nach §§ 27 ff IO auf die Befriedigungstauglichkeit abzustellen; eine Übertragung dieser Grundsätze auf § 3 IO kommt aber nicht in Betracht:

Während Rechtshandlungen des Schuldners vor Insolvenzeröffnung wirksam sind (bei Zutreffen der Voraussetzungen der §§ 27 ff IO aber anfechtbar), folgt die Unwirksamkeit von Rechtshandlungen des Schuldners nach Insolvenzeröffnung bereits aus dem Gesetz, sie bedarf keiner Anfechtung; sie ist Rechtsfolge dessen, dass dem Schuldner die Verfügung über das Massevermögen entzogen ist. Die Anfechtungstatbestände der IO nach den §§ 27 ff IO verfolgen ausschließlich den Zweck, die Insolvenzmasse gegen Vorgänge vor der Insolvenzeröffnung zu immunisieren, die geeignet sind, diesen Befriedigungsfonds der Gläubiger zu verkleinern oder zumindest die Befriedigung hieraus zu erschweren. Ein Vergleich mit § 3 Abs 1 IO verbietet sich aber schon vor dem Hintergrund, dass vor Insolvenzeröffnung nur der Schuldner agieren kann und schon aus Verkehrsschutzgründen geboten ist, nur diejenige Rechtshandlungen für anfechtbar zu erklären, die sich nachteilig für die Gläubigerschaft ausgewirkt haben, alle anderen Handlungen jedoch, bei denen Konkurszwecke nicht greifen, unberührt zu lassen. Nach Insolvenzeröffnung agiert hingegen ausschließlich der Insolvenzverwalter. Es ist bei sonstiger Haftung seine Aufgabe, masseerhaltende Maßnahmen zu setzen, wobei für die Masse vorteilhafte Rechtshandlungen des Schuldners gleichermaßen unwirksam sind, weil ihm nach § 2 Abs 2 IO jede Verfügung über die Masse entzogen ist.

OGH 19. 5. 2021, 17 Ob 6/21p

Entscheidung

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nahm die Schuldnerin ein Privatdarlehen auf und leistete daraus an den Bekl Zahlungen, um die Einstellung der von ihm betriebenen Exekutionsverfahren und die Löschung der Pfandrechte auf den Liegenschaften zu erreichen. Die Darlehensforderung wurde vom kl Insolvenzverwalter als Masseforderung anerkannt, wodurch der Kl auch den Darlehensvertrag mit der Wirkung ex tunc anerkannte. Schon aus diesem Grund betrafen die Zahlungen an den Bekl die Insolvenzmasse, weil die Genehmigung des Darlehensvertrags auch die Zuzählung der Darlehenssumme erfasste.

Gestützt auf § 3 Abs 1 IO begehrt der Insolvenzverwalter mit der vorliegenden Klage die Feststellung der Unwirksamkeit der Überweisung an den Bekl nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Zahlung dieses Betrags. Die Schuldnerin habe nach Insolvenzeröffnung und ohne Wissen und Zustimmung des Insolvenzverwalters Zahlung geleistet.

Anders als der Bekl meint, kommt es auf die Befriedigungstauglichkeit in einem Fall wie hier nicht an.

Gegen die Verneinung eines Bereicherungsanspruchs durch die Vorinstanzen wendet sich die Revision nicht: Bereits das ErstG verwies darauf, dass dem Bekl aufgrund der konkret erzielten Verwertungserlöse aus dem Verkauf von Pfandliegenschaften kein Nachteil entstand, die Masse also nicht bereichert ist. Es bedarf daher keines Eingehens darauf, wie sich eine iSd § 3 Abs 2 IO unwirksame Befriedigung eines Gläubigers durch den Schuldner auf die Löschung eines Pfandrechts des Gläubigers auswirkt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31173 vom 09.07.2021