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Eine Rückerstattung von Ausbildungskosten kann nur auf Basis einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verlangt werden, wobei dem Schriftlichkeitsgebot nur entsprochen wird, wenn die Vereinbarung von beiden Arbeitsvertragsparteien unterzeichnet wird.
War der Ausbildungskostenrückersatz zwar bereits im beidseitig unterschriebenen Dienstvertrag grundsätzlich geregelt, wurden die konkrete Ausbildung sowie die Gesamtkosten aber erst später in einer ergänzenden Vereinbarung festgehalten, die nur vom Arbeitnehmer unterzeichnet wurde, ist allein dadurch, dass die Grundlagenvereinbarung von beiden Parteien unterfertigt wurde, das Schriftformerfordernis noch nicht eingehalten. Die Verletzung des Schriftformerfordernisses in der ergänzenden Vereinbarung führt zur (gänzlichen) Unwirksamkeit der Vereinbarung und kann der Arbeitgeber daher die Ausbildungskosten nicht zurückfordern.
Sachverhalt und bisheriges Verfahren
Der beklagte Arbeitnehmer war bei der klagenden Arbeitgeberin als Angestellter beschäftigt. Am 24. 1. 2020 unterschrieb er eine „Rückzahlungserklärung für die Kosten von Ausbildungsveranstaltungen“, die von der Arbeitgeberin nicht unterschrieben wurde. In dieser heißt es ua: „Ich verpflichte mich hiermit zur Rückzahlung sämtlicher entstandener Kosten von Ausbildungsveranstaltungen, wenn das Dienstverhältnis innerhalb von 36 Monaten ab dem Ende der Ausbildung durch Dienstnehmerkündigung (...) beendet wird.“ Das Dienstverhältnis endete durch Dienstnehmerkündigung zum 31. 10. 2021.
Die Arbeitgeberin begehrt auf Basis der Erklärung vom 24. 1. 2020 die Rückzahlung eines Teils der Ausbildungskosten. Das Erstgericht wies das Klagebegehren jedoch ab. Nur eine schriftliche Vereinbarung, die auch vom Arbeitgeber unterfertigt sei, biete dem Arbeitnehmer Rechtssicherheit. Die Verletzung des Schriftformerfordernisses führe zur gänzlichen Nichtigkeit der Vereinbarung.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Arbeitgeberin gegen diese Entscheidung Folge. Es führte zusammengefasst aus, dass der Schutzzweck des § 2d AVRAG auch dann erfüllt sei, wenn eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nur vom Arbeitnehmer unterschrieben worden sei und der Arbeitgeber seine Willenserklärung anders, zB mündlich oder konkludent durch Verfassen des Schriftstücks und Entgegennahme des vom Arbeitnehmer unterschriebenen Schriftstücks, abgäbe. Damit sei der Anspruch der Arbeitgeberin auf Rückzahlung anteiliger Ausbildungskosten nicht bereits deshalb zu verneinen, weil die Rückzahlungserklärung nicht deren Unterschrift aufweise. Da aber Feststellungen fehlten, um beurteilen zu können, ob die übrigen Voraussetzungen eines Rückzahlungsanspruchs vorlägen, sei das erstgerichtliche Urteil aufzuheben.
Der OGH hat den Rekurs zugelassen, weil Rechtsprechung zur Frage fehlt, ob eine schriftliche Vereinbarung iSd § 2d Abs 2 AVRAG zwingend auch eigenhändig vom Arbeitgeber zu unterschreiben ist. Er gab dem Rekurs Folge und stellte das klagsabweisende erstgerichtliche Urteil mit der folgenden Begründung wieder her:
Schriftlichkeit bedeutet „Unterschriftlichkeit“
Nach § 2d Abs 2 AVRAG kann eine Rückerstattung von Ausbildungskosten nur auf Basis einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verlangt werden. Ein Vertrag, für den Gesetz oder Parteiwille Schriftlichkeit bestimmt, kommt nach § 886 ABGB durch Unterschrift der Parteien zustande. Das Gebot der Schriftlichkeit bedeutet im Allgemeinen „Unterschriftlichkeit“ und erfordert die eigenhändige Unterschrift unter dem Text, es sei denn, das Gesetz sieht ausdrücklich eine Ausnahme vor (vgl zB OGH 7. 2. 2008, 9 ObA 96/07v, ARD 5867/6/2008).
Nur im Einzelfall kann einem gesetzlichen Schriftlichkeitsgebot auch ohne Unterfertigung einer Erklärung entsprochen werden; die Zulässigkeit derartiger Ausnahmen richtet sich nach dem Zweck des jeweiligen Formgebots. Die teleologische Reduktion von Formvorschriften ist allerdings mit größter Vorsicht zu handhaben. Allgemein soll das Erfordernis der Schriftform gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Darüber hinaus liegt der Zweck der Schriftform etwa im Übereilungsschutz, in der Beweissicherung oder in der Rechtssicherheit des Geschäftsverkehrs. Bei bloßen Informationspflichten spricht der Zweck eher für Textform ohne eigenhändige Unterschrift, geht es doch darum, dem Empfänger bestimmte Angaben in dauerhafter Weise zur Verfügung zu stellen.
Bei einem zweiseitig verbindlichen Vertrag ist dem Formerfordernis der Schriftlichkeit grundsätzlich nur dann entsprochen, wenn beide Parteien den Vertrag unterzeichnet haben, kommt ein dem Schriftlichkeitsgebot unterliegender Vertrag doch kraft ausdrücklicher Anordnung des § 886 ABGB erst mit der Unterschrift „der Parteien“ zustande. Zu einseitig verbindlichen Verträgen wird in der Lehre vertreten, dass das Schriftformgebot nach dem Formzweck ausnahmsweise auch dadurch erfüllt sein kann, dass der ausschließlich Verpflichtete ein Schriftstück unterschreibt und der Berechtigte sich damit, wenn auch formlos, einverstanden erklärt (siehe zB Berger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch [Hrsg], ABGB3 [2022] § 886 ABGB Rz 13). In der Rechtsprechung wurde in Fällen der gewillkürten Schriftform ebenfalls bejaht, dass diese dadurch erfüllt ist, dass der ausschließlich Verpflichtete unterschreibt und der Berechtigte sich damit, wenn auch formlos, einverstanden erklärt.
Keine Grundlage für Beschränkung der Schriftlichkeit
§ 2d AVRAG verlangt eine „schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer“. Daraus lässt sich schließen, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass die Vereinbarung über den Ausbildungskostenrückersatz sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer zu unterzeichnen ist.
Die Bestimmung stellt eine Schutzbestimmung zugunsten des Arbeitnehmers dar. Die dem Arbeitnehmer daraus gebührenden Rechte sind nach § 16 AVRAG unabdingbar, die Inhalte des § 2d AVRAG stellen relativ zwingendes Recht dar. Zweck des § 2d AVRAG ist, für den Arbeitnehmer Transparenz über die Bedingungen für den Rückersatz der Kosten seiner Ausbildung zu schaffen. Ihm soll ersichtlich sein, auf welche Verpflichtungen er sich künftig einlässt, weil er nur so die finanzielle Tragweite der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in jenem Zeitraum ermessen kann, für den eine Kostentragungspflicht vereinbart wurde. Nur so kann eine sittenwidrige Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers vermieden werden (vgl OGH 28. 6. 2023, 9 ObA 48/23h, ARD 6865/10/2023).
Für eine interpretative Beschränkung der Schriftlichkeit in § 2d AVRAG auf den Arbeitnehmer besteht allerdings keine Grundlage. Die teleologische Reduktion verschafft der „ratio legis“ gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung. Die (verdeckte) Lücke besteht im Fehlen einer nach der „ratio legis“ notwendigen Ausnahmeregel. Zwar richtet sich die Reichweite des Formgebots auch nach dem Formzweck. Dieser liegt, wie zuvor dargestellt, im Schutz des Arbeitnehmers, dem die Reichweite der Verpflichtung, die er eingeht, deutlich gemacht werden soll, aber letztlich auch in der Erleichterung und Sicherung des Beweises des Umfangs der Vereinbarung. Wenn daher der Gesetzgeber die Schriftlichkeit nicht auf die Verpflichtungserklärung des Arbeitnehmers beschränkt, kann das nicht als planwidrig überschießend und unsachlich angesehen werden.
Eine Rückzahlungsvereinbarung wie die vorliegende ist auch nicht nur einseitig verbindlich. Selbst wenn sich in ihr der Arbeitnehmer unter bestimmten Umständen zum Kostenersatz verpflichtet, resultiert daraus auch die Verpflichtung des Arbeitgebers für den Fall, dass der Arbeitnehmer die in Aussicht genommene Ausbildung absolviert, zumindest vorläufig die Kosten dafür zu übernehmen. Weiters ergibt sich daraus die Verpflichtung des Arbeitgebers, sofern die Bedingungen für den Kostenersatz nicht eintreten, diese Ausbildungskosten endgültig zu tragen.
Vereinbarung ist gänzlich unwirksam
Die Arbeitgeberin argumentiert im vorliegenden Fall damit, dass der Ausbildungskostenrückersatz bereits in dem auch von ihr unterfertigten Dienstvertrag aus dem Jahr 2012 zugrunde gelegt war und die nur vom Arbeitnehmer unterfertigte „Verpflichtungserklärung“ nur die Konkretisierung dieser Rückersatzvereinbarung behandelt, für die eine nochmalige Unterschrift des Arbeitgebers nicht notwendig sei.
Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass ein Ausbildungskostenrückersatz in Form einer Rahmenvereinbarung mit nachfolgender ergänzender Vereinbarung für die konkreten Kosten einer bestimmten Ausbildung wirksam vereinbart werden kann, ist daraus für die Klägerin nichts zu gewinnen. Sieht das Gesetz eine bestimmte Form der Vereinbarung vor, dann muss diese schriftliche Vereinbarung jedenfalls die wesentlichen Vertragspunkte umfassen. Das sind aber bei der Rückzahlungsvereinbarung die konkrete Ausbildung und die Gesamtkosten, deren Rückzahlung gefordert werden kann. Da diese erst in der „Rückzahlungserklärung“ enthalten waren, ist allein dadurch, dass die Grundlagenvereinbarung von beiden Parteien unterfertigt wurde, nicht von der Einhaltung des Schriftformerfordernisses auszugehen. Demnach liegt auch in der Vereinbarung im Dienstvertrag keine von beiden Parteien unterfertigte Rückzahlungsvereinbarung.
Die Verletzung des Schriftformerfordernisses führt zur (gänzlichen) Unwirksamkeit (Nichtigkeit) der Vereinbarung (vgl OGH 24. 2. 2021, 9 ObA 121/20i, ARD 6746/10/2021).