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Unzulässige Verwendung eines GPS-Ortungssystems im Dienstfahrzeug - Schadenersatz

Bearbeiter: Bettina Sabara

ABGB § 1328a Abs 1

Wird von einem Arbeitgeber ohne Zustimmung des Arbeitnehmers in das Dienstfahrzeug des Arbeitnehmers, das dieser auch privat nutzen darf, ein GPS-Ortungssystems eingebaut, das die GPS-Daten rund um die Uhr überträgt, wodurch das Fahrzeug sowohl in der Dienstzeit als auch in der Freizeit des Arbeitnehmers geortet werden kann, so greift diese Kontrollmaßnahme rechtswidrig in die Privatsphäre des Arbeitnehmers ein. Die dauernde Ortungsmöglichkeit während der Arbeitszeit des Arbeitnehmers berührt jedenfalls die Menschenwürde, solche Kontrollen des Arbeitgebers außerhalb der Dienstzeit sind jedenfalls unzulässig.

Hält der Arbeitgeber an seiner rechtswidrigen Kontrollmaßnahme fest, obwohl sich der Arbeitnehmer mehrmals bei ihm über dessen Vorgangsweise beschwerte, so liegt eine erhebliche Verletzung der Privatsphäre des Arbeitnehmers iSd § 1328a Abs 1 ABGB vor, weshalb der Arbeitnehmer Anspruch auf Schadenersatz gegenüber dem Arbeitgeber hat.

OGH 22. 1. 2020, 9 ObA 120/19s

Sachverhalt

Der beklagte Arbeitgeber hatte im Dienstfahrzeug des Klägers, einem seiner im Vertrieb beschäftigten Außendienstmitarbeiter, ohne dessen Kenntnis und Zustimmung ein GPS-Ortungssystem eingebaut. Dieses System konnte die GPS-Daten rund um die Uhr übertragen. Das Fahrzeug, das der Kläger auch privat nutzen durfte, wurde vom Arbeitgeber auch in der Freizeit geortet. Zudem konnte das GPS-System auch den Batteriepegel überwachen und erkennen, wann die Zündung eingeschalten wird. Diese Daten konnten vom Geschäftsführer, dem Vertriebsleiter, dem Produktionsleiter und der Innendienstleiterin jederzeit über das Internet angesehen werden. Der Arbeitgeber nutzte das GPS-Ortungssystem nicht zur strategischen Vertriebssteuerung. Eine Betriebsvereinbarung über diese GPS-Ortung gab es nicht, zumal im Betrieb kein Betriebsrat existierte.

Nachdem der Kläger von der ständig erfolgten GPS-Überwachung durch den Arbeitgeber zufällig Kenntnis erlangte, erklärte er gegenüber dem Vertriebsleiter, dass er mit der durchgehenden GPS-Ortung, va in der Freizeit, nicht einverstanden sei. Den mehrmaligen schriftlichen und mündlichen Aufforderungen des Klägers, die Überwachung zumindest in der Freizeit zu unterlassen, kam der Arbeitgeber jedoch nicht nach.

Die GPS-Ortung brachte für den Kläger erhebliche Unannehmlichkeiten. Oft wurde er von seinem Vorgesetzten angerufen und gefragt, warum er so spät von daheim weggefahren sei. Da der Kläger nicht wollte, dass sein Privatleben durch die GPS-Ortung des Dienstfahrzeugs kontrolliert und überwacht wurde, fuhr er auch nicht mit dem Dienstfahrzeug, sondern mit einem anderen Auto auf Urlaub. Der Kläger wurde schließlich gekündigt.

Der Kläger begehrt vom Arbeitgeber gestützt auf § 1328a ABGB einen ideellen Schadenersatz von € 6.000,- (ca € 1.000,- pro Monat). Durch die ständige rechtswidrige und schuldhafte GPS-Überwachung, auch in der Freizeit, habe der Arbeitgber erheblich in seine Privatsphäre eingegriffen.

Das Erstgericht sprach dem Kläger einen immateriellen Schadenersatz von € 2.400,- (€ 400,- pro Monat) zu. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH hat die Revision für zulässig erklärt, weil zur Frage, ob ein ideeller Schadenersatz nach § 1328a ABGB gebührt, wenn die Einführung und Verwendung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen, die die Menschenwürde berühren, ohne Einhaltung der Vorgaben des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG bzw des § 10 Abs 1 AVRAG erfolgt ist, noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt. Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Entscheidung

Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen, die dem Kläger einen Ersatz für seinen dadurch erlittenen immateriellen Schaden von insgesamt € 2.400,- (ca € 400,- monatlich), zusprachen. Mit dem GPS-Ortungssystem habe der Arbeitgeber eine technische Maßnahme zur dauernden Kontrolle ihrer Vertriebsmitarbeiter eingeführt, die die Menschenwürde berühre, weil damit die vom Arbeitnehmer in den Betrieb miteingebrachte Privatsphäre kontrolliert worden sei. Diese Kontrollmaßnahme während der Arbeitszeit hätte daher zu ihrer Zulässigkeit einer Betriebsvereinbarung (§ 96 Abs 1 Z 3 ArbVG) oder einzelvertraglichen Zustimmung des Klägers (§ 10 Abs 1 AVRAG) bedurft. Beides lag im vorliegenden Fall nicht vor. Solche Kontrollen des Arbeitgebers außerhalb der Dienstzeit sind jedenfalls unzulässig.

Durch die Verwendung des GPS-Ortungssystems im Dienstfahrzeug des Klägers während dessen Arbeitszeit (und Freizeit) hat der Arbeitgeber rechtswidrig und schuldhaft (vorsätzlich) in die Privatsphäre des Klägers, nämlich seinen höchstpersönlichen Lebensbereich, eingegriffen (§ 1328a Abs 1 ABGB). Da es sich durch die Intensität und das Ausmaß der Verletzung auch um eine erhebliche Verletzung der Privatsphäre des Klägers handle, gebührt ihm ein immaterieller Schadenersatzanspruch nach § 1328a ABGB. Die von den Vorinstanzen zugesprochene Höhe des Schadenersatzes, scheint dem OGH angemessen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 28843 vom 01.04.2020