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Verwaltungsstrafverfahren – Kumulationsprinzip

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AM-VO: § 7, § 11

VStG: § 22

Für das Verwaltungsstrafverfahren gilt beim Zusammentreffen mehrerer Verwaltungsübertretungen, anders als im gerichtlichen Strafverfahren, nach § 22 Abs 2 erster Satz VStG das Kumulationsprinzip. Danach ist grundsätzlich jede gesetzwidrige Einzelhandlung, durch die der Tatbestand verwirklicht wird, als Verwaltungsübertretung zu bestrafen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nach der stRsp des VwGH beim fortgesetzten Delikt bzw beim Dauerdelikt. Das Vorliegen einer tatbestandlichen Handlungseinheit hat zur Folge, dass der Täter nur eine Tat verwirklicht hat und für diese auch nur einmal zu bestrafen ist. Wie groß der Zeitraum zwischen den einzelnen Tathandlungen sein darf, um noch von einer tatbestandlichen Handlungseinheit sprechen zu können, ist von Delikt zu Delikt verschieden und hängt weiters im besonderen Maß von den Umständen des Einzelfalls ab. Zur Beantwortung der Frage, ob eine tatbestandliche Handlungseinheit vorliegt, ist im Wege der deliktspezifischen Tatbestandsauslegung zu prüfen, ob gleichartige Handlungen zu einer einzigen Tat zusammengefasst werden können.

Gemäß § 11 Abs 3 Arbeitsmittelverordnung (AM-VO) müssen Prüfbefunde über bestimmte Prüfungen von Arbeitmitteln am Einsatzort des Arbeitsmittels vorhanden sein. Hinsichtlich der Arbeitsmittel „kraftbetriebene Türen und Tore, einschließlich solcher von Fahrzeugen“ (§ 7 Abs 1 Z 11 AMVO) stellt das jeweilige Fahrzeug den „Einsatzort“ dar, an dem die Prüfbefunde bzw deren Kopien vorhanden sein müssen. Das Unterbleiben der Mitführung von Prüfbefunden ist als tatbestandliche Handlungseinheit im engeren Sinn zu qualifizieren. Es sind demnach keine Einzelstrafen pro beanstandeter Tür zu verhängen, sondern nur eine Gesamtstrafe pro unterlassener Mitführung der Prüfbefunde am Einsatzort (dem Fahrzeug bzw dem „Zug“ in seiner jeweiligen Zusammensetzung).

VwGH 19. 12. 2018, Ra 2018/02/0107 und Ra 2018/02/0108

Ausgangsfall

Im vorliegenden Fall ging die Revisionswerberin – rechtsirrig – davon aus, „Einsatzort“ gem § 11 Abs 3 zweiter Satz AM-VO für die Aufbewahrung der Prüfbefunde sei (auch) der Heimatbahnhof; die erforderlichen Prüfbefunde wurden daher nicht in den Zügen selbst mitgeführt, obwohl das jeweilige Fahrzeug den „Einsatzort“ gem § 11 Abs 3 zweiter Satz AM-VO darstellt, an dem die Prüfbefunde bzw deren Kopien vorhanden sein müssen (vgl VwGH 7. 3. 2017, Ra 2015/02/0006, Rechtsnews 23648 = ARD 6554/6/2017).

Da das VwG einzelne Strafen pro Tür verhängt hat, hat der VwGH die angefochtenen Erkenntnisse gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben (diese Rechtswidrigkeit war vorrangig zu behandeln; der VwGH vermisste auch Feststellungen dazu, welche und wieviele Fahrzeuge konkret vom Tatvorwurf betroffen waren).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 27094 vom 02.04.2019