Dieser Inhalt ist frei verfügbar. Mit einem Abonnement des ARD erhalten Sie die Zeitschrift in Print und vollen digitalen Zugriff im Web, am Smartphone und Tablet. Mehr erfahren…
Testen Sie
ALLE 13 Zeitschriftenportale
30 Tage lang kostenlos.
Der Zugriff endet nach 30 Tagen automatisch.
1. Geht mit einer geplanten Videoüberwachung im Betrieb die Ermittlung von personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer einher, ist für die Videoüberwachung idR die Zustimmung des Betriebsrats und der Abschluss einer Betriebsvereinbarung nach § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG notwendig. Zusätzlich muss die geplante Videoüberwachung der Datenschutzbehörde gemeldet werden und im Registrierungsverfahren – soweit erforderlich – die Betriebsvereinbarung vorgelegt werden.
Die Frage, ob der Abschluss einer Betriebsvereinbarung notwendig ist, ist von der Datenschutzbehörde (oder im Rechtszug vom Verwaltungsgericht) als Vorfrage zu beurteilen. Falls erforderlich, hat die Nichtvorlage der Betriebsvereinbarung die Ablehnung der Registrierung der Datenanwendung zur Folge.
2. Auch wenn die geplante Videoüberwachung der Ein- und Ausgänge des Betriebsgebäudes primär dem Eigen- und Objektschutz dienen soll, darf sie nur nach Abschluss einer Betriebsvereinbarung eingeführt werden, weil damit zwangsläufig Mitarbeiter erfasst werden bzw die Erfassung von Mitarbeitern nicht wirksam ausgeschlossen werden kann. § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG stellt nicht auf einen bestimmten Kontrollzweck der Datenanwendung ab; maßgeblich ist vielmehr die objektive Eignung der Anwendung („zur automationsunterstützten Ermittlung, Verarbeitung und Übermittlung von personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers“). Dass die Erfassung von Mitarbeiterdaten gleichsam nur „beiläufig“ erfolgt bzw ein „Nebeneffekt“ der Videoüberwachung ist, verhindert für sich genommen nicht eine Subsumtion unter § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG.
VwGH 23. 10. 2017, Ro 2016/04/0051
Sachverhalt
Der Revisionswerber plante die Einrichtung einer Videoüberwachung in seiner Unternehmenszentrale und erstattete beim Datenverarbeitungsregister eine entsprechende Meldung. Als Zweck wurden „Eigen-/Objektschutz bzw Erfüllung rechtlicher Sorgfaltspflichten, jeweils einschließlich der Beweissicherung (...)“ angegeben. Die überwachten Bereiche betrafen va die Ein- und Ausgänge, eine Überwachung von Arbeitsplätzen sollte nicht erfolgen. Die Auswertung der Videodaten sollte ausschließlich im Anlassfall erfolgen.
Die Datenschutzkommission (bzw die Datenschutzbehörde) erteilten dem Arbeitgeber zwei Verbesserungsaufträge, in denen insbesondere die Vorlage einer Betriebsvereinbarung gemäß § 50c Abs 1 DSG 2000 verlangt wurde. Eine solche wurde vom Arbeitgeber jedoch nicht vorgelegt, was die Ablehnung der Registrierung der gemeldeten Datenanwendung zur Folge hatte.
Auch das VwG ging von der Notwendigkeit des Abschlusses einer Betriebsvereinbarung nach § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG aus, weil die Datenanwendung Bereiche überwache, die von den Mitarbeitern täglich stark frequentiert würden.
Der VwGH ließ die ordentliche Revision zu und hob das angefochtene Erkenntnis wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.
Entscheidung:
Notwendigkeit einer BV als Vorfrage
Der Arbeitgeber (= datenschutzrechtlicher Auftraggeber) vertritt die Auffassung, dass die Notwendigkeit einer Betriebsvereinbarung nicht von der Datenschutzbehörde beurteilt werden dürfe, sondern von den ordentlichen Gerichten.
Dieser Auffassung tritt der VwGH aus folgenden Erwägungen nicht bei:
Die Meldepflicht und das Registrierungsverfahren für Videoüberwachungen ist in § 50c DSG 2000 geregelt. Nach § 50c Abs 1 letzter Satz DSG 2000 sind Betriebsvereinbarungen im Registrierungsverfahren vorzulegen, „soweit“ solche gemäß § 96a ArbVG „abzuschließen sind“. Die Vorlage ist dem datenschutzrechtlichen Auftraggeber nicht freigestellt, sondern – bei Vorliegen der Voraussetzung – verpflichtend vorgesehen. Der Wortlaut der Bestimmung stellt für die Verpflichtung zur Vorlage der Betriebsvereinbarung nicht darauf ab, ob Betriebsvereinbarungen tatsächlich bestehen, sondern ob sie gemäß § 96a ArbVG „abzuschließen sind“.
Damit ist aber die Beurteilung, ob eine Betriebsvereinbarung abzuschließen ist, Voraussetzung für die Beantwortung der Frage, ob eine solche vorzulegen ist. Insoweit werden auch nicht die Voraussetzungen für die Genehmigung einer Videoanlage materiell erweitert. Vielmehr obliegt es der Datenschutzbehörde (bzw im Beschwerdeverfahren: dem Verwaltungsgericht), im Wege der Vorfragenbeurteilung zu prüfen, ob die gemeldete Datenanwendung gemäß § 96a Abs 1 ArbVG der Zustimmung des Betriebsrates bedarf und demnach eine Betriebsvereinbarung abzuschließen – und somit auch vorzulegen – ist.
Dass über die hier gegenständliche Vorfrage in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren bereits rechtskräftig entschieden worden wäre, wurde nicht behauptet.
Folgen der Nicht-Vorlage einer notwendigen BV
Videoüberwachungen unterliegen gemäß § 50c Abs 1 DSG 2000 jedenfalls der Meldepflicht nach den §§ 17 ff DSG 2000 und – abgesehen von einer fallbezogen nicht einschlägigen Ausnahme – auch der Vorabkontrolle nach § 18 Abs 2 DSG 2000. Die Nicht-Vorlage einer – von der Datenschutzbehörde bzw vom VwG als erforderlich angesehenen – Betriebsvereinbarung im Registrierungsverfahren ist als Mangelhaftigkeit der Meldung iSd § 19 Abs 4 DSG 2000 anzusehen. Somit ist nach § 20 Abs 4 und 5 DSG 2000 dem datenschutzrechtlichen Auftraggeber die Verbesserung der Meldung aufzutragen und, wenn dem Verbesserungsauftrag nicht entsprochen wird, die Registrierung der Meldung abzulehnen.
Das VwG ist somit im vorliegenden Fall grundsätzlich zutreffend davon ausgegangen, dass die Nicht-Vorlage einer gemäß § 96a ArbVG abzuschließenden Betriebsvereinbarung die Ablehnung der Registrierung zur Folge hat.
Betriebsvereinbarung erforderlich
Bilddaten wie etwa Videoaufnahmen sind grundsätzlich vom Begriff der personenbezogenen Daten umfasst (dass eine Bestimmbarkeit der Identität der erfassten Personen aufgrund der mangelnden Auflösung des Bildes nicht möglich sei, wurde vom Arbeitgeber hier nicht behauptet).
§ 96a Abs 1 Z 1 ArbVG erfasst Systeme „zur automationsunterstützten Ermittlung, Verarbeitung und Übermittlung von personenbezogenen Daten“. Die Regelung stellt dabei nicht auf einen bestimmten, vom Arbeitgeber verfolgten Kontrollzweck der Datenanwendung ab. Insofern kann eine Ausnahme von der Verpflichtung zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung nicht pauschal mit dem „Eigentums- bzw Objektschutz“ begründet werden, den der Arbeitgeber im vorliegenden Fall als Ziel der Maßnahme ins Treffen geführt hat. Vielmehr ist auf die objektive Eignung der Anwendung abzustellen. Dass die Erfassung von Mitarbeiterdaten gleichsam nur „beiläufig“ erfolgt bzw ein „Nebeneffekt“ der Videoüberwachung ist, vermag eine Subsumtion unter § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG für sich genommen nicht zu verhindern.
Nach Ansicht des VwGH ist es daher grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn es das VwG in einer objektiven Betrachtungsweise als relevant ansieht, dass eine Mitarbeitererfassung nicht wirksam ausgeschlossen werden könne.
Aufhebung wegen Verfahrensmangel
Erfolg hatte der Arbeitgeber hingegen mit dem Revisionsvorbringen, dass das VwG nicht hinreichend begründet habe, wieso die vorliegende Datenanwendung (iSd § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG) seiner Ansicht nach über die Ermittlung von allgemeinen Angaben zur Person hinausgehe und nicht aufgrund von gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Verpflichtungen erfolge. Der Arbeitgeber stützt sich diesbezüglich va darauf, dass als einzige mitarbeiterbezogene Information das Aussehen der Mitarbeiter erfasst und nur in unsystematischen Anlassfällen (etwa bei einem gemeldeten Diebstahl) der Zeitpunkt des Betretens oder Verlassens des „befilmten Bereichs“ festgestellt werde. Zudem erfolge die Datenanwendung aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nach § 1157 ABGB, von der auch die vermögensrechtlichen Interessen der Arbeitnehmer erfasst seien.
Da das VwG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgelehnt hat, obwohl eine solche nach Art 47 GRC geboten gewesen wäre, und nicht ersichtlich ist, dass die Voraussetzungen für ein Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung jedenfalls gegeben wären, hat der VwGH das angefochtene Erkenntnis aufgehoben.