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Von Insolvenzverwalter beigezogener Privatsachverständiger – Haftung wegen Kreditschädigung?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

§ 1330 ABGB

§ 81a IO

Der wirtschaftliche Ruf genießt wie die persönliche Ehre nach § 1330 ABGB absoluten Schutz; ob der Eingriff in absolut geschützte Rechte rechtswidrig ist, kann allerdings nur aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung beurteilt werden.

Im vorliegenden Fall hat der Insolvenzverwalter die beklagte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft deshalb beigezogen, um die Ursachen für die Insolvenz der Schuldnerin zu eruieren. Dabei hat die Bekl auch die Geschäftsführertätigkeit des Kl beleuchtet. Würde diese Tätigkeit mit einer Verantwortlichkeit nach § 1330 ABGB belastet, dann bestünde die Gefahr, dass Sachverständige, die vom Insolvenzverwalter beauftragt werden, davor zurückschrecken, die Tätigkeit ehemaliger Organe der Gesellschaft kritisch zu untersuchen. Gemäß § 81a Abs 1 IO hat sich der Insolvenzverwalter aber über die dort angeführten Umstände „unverzüglich genaue Kenntnis“ zu verschaffen. Das Interesse an der umfassenden Erfüllung dieser Aufgabe, die auch im Interesse der Gläubiger liegt, gebietet somit auch die Ausnahme eines vom Insolvenzverwalter zur Erfüllung seiner Aufgaben nach § 81a IO beigezogenen Privatsachverständigen von der Verantwortlichkeit nach § 1330 ABGB. Eine Differenzierung zwischen einer Bestellung des Sachverständigen durch das Insolvenzgericht nach § 81 Abs 4 Satz 4 IO und einer privatrechtlichen Beiziehung durch den Insolvenzverwalter selbst im Rahmen des § 81a IO erscheint von der bisherigen Rsp nicht angezeigt.

Auf den Rechtfertigungsgrund des § 1330 Abs 2 dritter Satz ABGB kann sich der Privatsachverständige hingegen nicht berufen, weil ein Privatgutachten ohne besondere Abrede der Vertraulichkeit jedenfalls schon deshalb keine „nicht öffentlich vorgebrachte Mitteilung“ sein kann, weil der Sachverständige stets damit rechnen muss, dass der Auftraggeber dieses Gutachten Dritten gegenüber verwenden wird.

OGH 27. 11. 2019, 6 Ob 205/19v

Sachverhalt

Der Kl war von 1974 bis 2005 Geschäftsführer eines großen österreichischen Bauunternehmens („Bau GmbH“). 2005 war er Geschäftsführer, von 2006 bis 2011 Aufsichtsratsvorsitzender der Holdinggesellschaft des Konzerns („Holding“). Seit Gründung bis 2012 war er auch Minderheitsgesellschafter der Holding.

Am 19. 6. 2013 wurde das Sanierungsverfahren über die Bau GmbH eröffnet und am 4. 7. 2013 in ein Konkursverfahren umgewandelt. Am 2. 7. 2013 wurde der Konkurs über die Holding eröffnet.

Der Insolvenzverwalter der Bau GmbH beauftragte die beklagte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die Ursachen des Vermögensverfalls der Bau GmbH sowie damit zusammenhängend des Konzerns im Zeitraum 2004 bis 2012 zu analysieren bzw weitere verbale Erläuterungen über die jüngere Vergangenheit bis Juni 2013 zu erstellen. In der Folge beauftragten die beiden Insolvenzverwalter sowohl der Bau GmbH als auch der Holding die Bekl mit einer weiteren Analyse zu spezifischen Themenstellungen der Insolvenzen.

Der Kl begehrte zuletzt rund 5 Mio € an Schadenersatz sowie die Feststellung der Haftung der Bekl für künftige Schäden aus ihren Gutachten. Außerdem strebt er – in mehreren Eventualbegehren – die Unterlassung der Behauptungen an, der Kl habe den Vermögensverfall des Baukonzerns bzw die Zahlungsunfähigkeit der Bau GmbH und der Holding insb durch seinen Führungsstil verursacht. Schließlich zielt die Klage auf einen Widerruf dieser Behauptungen gegenüber konkret genannten Personen bzw in einem Printmedium ab. Die Bekl habe mit ihren unrichtigen Gutachten für die Insolvenzverwalter – nicht als gerichtliche Sachverständige für das Insolvenzgericht – die Ehre des Kl beleidigt und seinen Kredit geschädigt. Der Leser gewinne den falschen Eindruck, der Kl habe die Bau GmbH schon fast diktatorengleich gegen den Willen der Mitarbeiter in die größte Pleite der zweiten Republik gepeitscht. Die Bekl sei ausgehend von tatsächlich nicht vorhandenen Bilanzfehlern davon ausgegangen, dass Kredite des Baukonzerns fällig zu stellen gewesen wären und der Konzern seine Liquidität eingebüßt hätte. Dadurch habe die Bekl dem Kl unterstellt, eine schon 2010 eingetretene Zahlungsunfähigkeit bis zu seinem Ausscheiden nicht erkannt zu haben.

Die Klage blieb in allen drei Instanzen erfolglos.

Entscheidung

Eine Haftung der Bekl gegenüber dem Kl nach § 1300 ABGB scheidet aus, weil mit dem Gutachten keine Grundlage für eine Disposition des Kl geschaffen werden sollte und keine Interessen des Kl verfolgt werden sollten; dass der Kl durch das Gutachten „berührt“ wird, reicht für eine Erstreckung der vertragsmäßigen Haftung der Bekl nach der Judikatur nicht aus, zumal dies eine Ausuferung der vertraglichen Haftung darstellen würde. Ausgehend vom Gutachtenszweck können – wie das BerufungsG überzeugend dargelegt hat – als geschützt insb die Masse und die Gläubiger angesehen werden, nicht aber der Kl als ehemaliges Organ der Schuldnerin, weil der Insolvenzverwalter mit dem Gutachtensauftrag an die Bekl keine Interessen des Kl „mitverfolgt“ hat. Damit besteht unter dem Aspekt des § 1300 ABGB eine Haftung nur bei wissentlicher Unrichtigkeit des Gutachtens. § 1300 Satz 2 ABGB kommt aber als Anspruchsgrundlage schon deshalb nicht in Betracht, weil auch der Kl dem Bekl kein wissentlich falsches Gutachten zum Vorwurf gemacht hat. Entgegen der Ansicht der Revision macht der Kl einen bloßen Vermögensschaden geltend.

Das restliche Schadenersatzbegehren und das Begehren auf Unterlassung und Widerruf können nicht mit Erfolg auf § 1330 Abs 2 ABGB gestützt werden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 28657 vom 11.02.2020