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Während Abschöpfungsverfahrens geerbter Liegenschaftsanteil – Herausgabe?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

EO: § 105

IO: § 210, § 211, § 213, § 254

Im Abschöpfungsverfahren hat der Schuldner nach § 210 Abs 1 Z 2 IO Vermögen herauszugeben, das er während der Rechtswirksamkeit der Abtretungserklärung von Todes wegen erwirbt. Die Herausgabe des Vermögenswerts kann nicht erzwungen werden. Verletzt der Schuldner diese Obliegenheiten aber schuldhaft und beeinträchtigt dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger, ist das Abschöpfungsverfahren auf Antrag eines Insolvenzgläubigers nach § 211 Abs 1 Z 2 IO vorzeitig einzustellen, sodass der Schuldner nicht in den Genuss der Restschuldbefreiung nach § 213 IO kommt. Die Obliegenheit des § 210 Abs 1 Z 2 IO hat den Zweck, Vermögen für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger heranzuziehen. Nach Ansicht des Gesetzgebers wäre es nämlich unbillig, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu gewähren, ohne dass er dieses Vermögen antasten muss (ErläutRV 1218 BlgNR 18. GP 33). Das österreichische Insolvenzrecht kennt auch keinen Grundsatz, wonach das Haus oder die Wohnung des Schuldners nicht verwertet werden dürfte. Dementsprechend kann sich der Schuldner bei ererbten Liegenschaften auch nicht auf seinen Wohnbedarf berufen. Für die Begründung eines Wohnrechts zu Gunsten des Schuldners fehlt im Insolvenzverfahren die Rechtsgrundlage.

Nach § 5 Abs 3 IO ist jedoch im Insolvenzverfahren § 105 Abs 2 EO sinngemäß anzuwenden, wenn der Schuldner in einem Haus wohnt, das zur Insolvenzmasse gehört. Nach § 105 Abs 2 EO können Kranke in der Zwangsverwaltung nicht zur Räumung der Wohnung angehalten werden, solange sie diese nicht ohne Gefährdung ihrer Gesundheit verlassen können. Im Insolvenzverfahren beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 105 EO zwar auch auf die Verwaltung der Insolvenzmasse und steht der Verwertung der Vermögenssubstanz durch kridamäßige Versteigerung oder freihändigen Verkauf nach stRsp nicht im Wege (RS0002541), dem RekursG ist aber zuzustimmen, dass dem Schuldner die Verweigerung der Herausgabe des (hier) Liegenschaftsanteils gegebenenfalls nicht als Verschulden angelastet werden könnte, wenn damit eine Gefährdung seiner Gesundheit verbunden wäre. Verfügt der Schuldner über ausreichendes Einkommen, um eine Wohnung anzumieten, ist eine solche Gefährdung jedoch in aller Regel auszuschließen.

OGH 17. 11. 2023, 8 Ob 104/23m

Entscheidung

Nach § 254 Abs 5 IO hat das Gericht von Amts wegen zu erheben, ob den Schuldner ein Verschulden trifft. Die Pflicht des Gerichts zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhalts endet aber dort, wo ein Vorbringen der Parteien überhaupt nicht vorliegt. Da hier der Schuldner gar nicht behauptet hat, dass der Umzug in eine Mietwohnung seine Gesundheit gefährden würde, und sich dafür auch sonst keine Hinweise ergeben haben, verantwortet er eine schuldhafte Verletzung der Obliegenheit nach § 210 Abs 1 Z 2 IO, die eine vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens nach § 211 Abs 1 Z 2 IO rechtfertigt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35055 vom 09.02.2024