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Wahlzeuge bei Betriebsrats-Wahl - bezahlte Freistellung

Bearbeiter: Manfred Lindmayr

AngG § 8 Abs 3

ABGB § 1154b Abs 5

Die Tätigkeit eines Arbeitnehmers als Wahlzeuge bei einer Betriebsratswahl stellt einen wichtigen persönlichen Dienstverhinderungsgrund iSd § 1154b Abs 5 ABGB bzw § 8 Abs 3 AngG dar. Der Arbeitnehmer behält daher für die notwendige Zeit seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

OGH 26. 1. 2017, 9 ObA 121/16h

Sachverhalt

Der Kläger kandidierte mit einer eigenen Liste bei der BR-Wahl, die für zwei Tage angesetzt war. Um bei der Wahl auch die Tätigkeit als Wahlzeuge ausüben zu können, vereinbarte der Kläger mit seinem Arbeitgeber für diese beiden Tage Urlaub.

Mit seiner Klage begehrt er nun die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Urlaubsvereinbarung. Die Wahrnehmung einer Funktion als Wahlzeuge bei einer BR-Wahl stelle einen wichtigen Dienstverhinderungsgrund nach § 8 Abs 3 AngG dar. Er habe daher unter Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts vom Dienst fernbleiben können.

Mit dieser Rechtsansicht hatte der Kläger letztlich in allen drei Instanzen Erfolg. Der OGH ließ die Revision zu, weil zur Frage der Anwendung des § 8 Abs 3 AngG bzw § 1154b Abs 5 ABGB auf Wahlzeugen keine höchstgerichtliche Rechtsprechung besteht und diese Rechtsfrage Bedeutung über den Einzelfall hinaus hat.

Entscheidung

Nach § 23 BRWO ist jede Wählergruppe, deren Wahlvorschlag für die Betriebsratswahl zugelassen wurde, berechtigt, für jeden Wahlort höchstens zwei Wahlzeugen zu bezeichnen, denen das Recht zusteht, die Wahlhandlung zu beobachten. Als Wahlzeugen können außer wahlberechtigten Arbeitnehmern auch Vorstandsmitglieder oder Angestellte einer zuständigen freiwilligen Berufsvereinigung oder gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitnehmer namhaft gemacht werden. Die Wahlzeugen haben die Aufgabe, die Wahlhandlung zu überwachen.

Eingangs weist der OGH darauf hin, dass weder das ArbVG noch die Betriebsrats-Wahlordnung (BRWO) eine Bestimmung über einen Freistellung- bzw Entgeltfortzahlungsanspruch von Wahlzeugen für die Zeit der Ausübung ihrer Tätigkeit enthalten. Eine derartige Regelung finde sich in § 55 Abs 1 ArbVG sowie § 13 Abs 4 BRWO nur für den Wahlvorstand, indem auf die sinngemäße Anwendung der §§ 115 und 116 ArbVG verwiesen wird. Entgegen der Ansicht des Arbeitgebers lasse sich daraus jedoch nicht der Umkehrschluss ziehen, dass damit für andere Tätigkeiten im Zusammenhang mit der BR-Wahl eine Dienstfreistellung bzw Entgeltfortzahlung jedenfalls ausgeschlossen sei. Durch die mit der Novelle BGBl 1986/394 ins ArbVG aufgenommene Regelung erfolge nur eine Klarstellung und damit Absicherung der Rechtsstellung der Mitglieder des Wahlvorstands.

Zu prüfen sei daher, ob ein Entgeltfortzahlungsanspruch aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen besteht:

Nach § 8 Abs 3 AngG besteht ein Anspruch auf Entgelt, wenn der Angestellte durch andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Leistung seiner Dienste verhindert wird. Neben familiären oder tatsächlichen Hinderungsgründen können auch Dienstverhinderungen aus öffentlich-rechtlichen Pflichten unter § 8 Abs 3 AngG subsumiert werden; so wurde etwa in der Entscheidung 8 ObA 71/03d (zu § 1154b Abs 4 ABGB) die Tätigkeit als fachkundiger Laienrichter als ein solcher wichtiger Grund angesehen.

Der OGH schließt sich der Ansicht Löschniggs (in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 56 Rz 9) an, dass die Mitwirkung als Wahlzeuge jedenfalls einen wichtigen, die Person des Arbeitnehmers betreffenden Grund iSd § 1154b ABGB bzw des § 8 Abs 3 AngG darstellt. Die Tätigkeit als Wahlzeuge bei einer BR-Wahl diene den Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens und damit letztlich auch den betrieblichen Interessen am gesetzmäßigen Ablauf einer BR-Wahl und sei so wie die Tätigkeit des Wahlzeugen bei allgemeinen Wahlen für das Funktionieren einer demokratischen (Betriebs-)Gemeinschaft von essenzieller Bedeutung. Sie stelle damit für den einzelnen Arbeitnehmer wenn auch keine Rechtspflicht, so doch eine so wesentliche gesellschaftliche Verpflichtung dar, dass vom Vorliegen eines Dienstverhinderungsgrundes iSd § 8 Abs 3 AngG auszugehen sei.

Daran ändert laut OGH auch nichts, dass diese Funktion auch von Mitgliedern von Interessenvertretungen ausgeübt werden könne. Denn gerade die Möglichkeit der Teilnahme von Arbeitnehmern des Betriebs oder Mitgliedern wahlwerbender Gruppen werde in der Regel besonders geeignet sein, das Vertrauen in den ordnungsgemäßen Ablauf der Wahl zu bestärken und zur Akzeptanz des Ergebnisses beitragen.

Die grundsätzliche Bejahung eines Entgeltfortzahlungsanspruchs für Wahlzeugen mache auch § 55 ArbVG nicht überflüssig, da durch diese Regelung klargestellt wird, dass für die Tätigkeit als Wahlvorstand in jedem Fall ein Anspruch auf Dienstfreistellung und Entgeltfortzahlung besteht, unabhängig von den anderen Voraussetzungen, die nach § 8 Abs 3 AngG bzw § 1154b ABGB jeweils im Einzelfall zu prüfen sind.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Kläger und seinem Arbeitgeber getroffene Urlaubsvereinbarung unwirksam ist: Da nach § 4 Abs 2 UrlG für Zeiträume, während deren der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Entfall der Arbeitsleistung hat, ein Urlaubsantritt nicht vereinbart werden kann, wenn diese Umstände bereits bei Abschluss der Vereinbarung bekannt waren, waren die beiden Tage, an denen der Kläger als Wahlzeuge fungierte, nicht auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch anzurechnen. Überdies behält er nach § 8 Abs 3 AngG für diesen Zeitraum seinen Anspruch auf das Entgelt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 23312 vom 22.03.2017