Thema - Human Resources

Mobbingprävention - gesunde Beziehungen fördern

Dr. Elvira Hauska

Sicherheit und Gesundheit schaffen Vertrauen - im betrieblichen Kontext vor allem darin, dass Arbeitskräfte in einer Form eingesetzt sind, in der sie Nutzen stiften. Dieser Aspekt umfasst wirtschaftliche und soziale Dimensionen. Spätestens seit der Einführung des Begriffs Mobbing ist klar, dass Wirtschaft und Soziales eng miteinander verknüpft sind. Mobbingprävention will krankmachendes zwischenmenschliches Handeln verhindern. Am Beispiel des Österreichischen Bundesheeres wird eine Bandbreite von Möglichkeiten aufgezeigt, die aktuell diesbezüglich Einsatz finden.

1. Prävention und ihre Ebenen

Die Deutsche Ärztezeitung versteht unter Prävention "... vorbeugende Maßnahmen, die geeignet sind, den Eintritt einer Krankheit zu verhindern oder zu verzögern oder die Krankheitsfolgen abzuschwächen". Umgelegt auf Mobbingprävention, bedeutet das in erster Linie die Förderung gesunder zwischenmenschlicher Beziehungen bzw die Reduktion von unerwünschten Folgen, wenn Beziehungen krank machen.

Hans Konrad Knoepfel definiert im Jahr 1979 gesunde mitmenschliche Beziehungen wie folgt:

-Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie funktionieren. Dieses Phänomen gilt in Arbeitsbeziehungen und im privaten Umfeld.
-Sie können nur aus guter Zusammenarbeit entstehen. Diese Aussage ist vor allem für Führungskräfte sehr wichtig.
-Streit ist dabei durchaus positiv, solange andere nicht unterworfen werden. Eine Dominanz führt immer zu einem Pyrrhussieg, bei dem selbst der Sieger verliert.
-Sie erfordern Offenheit und Information - auch sich selbst gegenüber. Nur so können Menschen aneinander wachsen und sich selbst entfalten.
-Sie zeigen Loyalität, Verantwortung gegenüber anderen und Achtung vor sich selbst. Dazu gehört Mut, sich dagegen zu wehren, dass man (von einem Vorgesetzten) "überfahren" wird.

Knöpfel führte bereits 1979 aus, dass diese Form der Beziehungen eher selten anzutreffen ist. Seine Beschreibung entstand zwar deutlich vor dem Boom, sich eingehender mit Mobbing zu beschäftigen. Dennoch hat sie heute wenig an Aktualität eingebüßt, wenn es darum geht, Mobbingprävention zu betreiben. Im gesundheitlichen Sinne umfasst Prävention drei Ebenen, die von der Ärztezeitung wie folgt beschrieben werden:

1. Primärprävention - Maßnahmen des Risikoschutzes bei Gesunden
2. Sekundärprävention - Vorsorgemaßnahmen, um Krankheiten frühzeitig diagnostizieren und Patienten therapieren zu können
3. Tertiärprävention - Maßnahmen nach Erkrankungen zur Risikoreduktion von Rückfällen bzw Verhinderung von Folgeschäden

Bevor in den nachfolgenden Punkten konkreter auf Mobbingprävention Bezug genommen wird, erfolgt eine Kurzbeschreibung von Instrumenten und Vorgehensweisen, die das Österreichische Bundesheer als Beispielgeber dieses Artikels zu diesem Thema vorsieht.

2. Mobbingprävention am Beispiel des Österreichischen Bundesheeres

Als öffentliche Einrichtung, die stark im Lichte der Öffentlichkeit steht, ist das Österreichische Bundesheer besonders gefordert, geeignete Maßnahmen für Mobbingprävention zu treffen. Daher dient es als Vorzeigeorganisation, was Strukturen und Vorgehensweisen betrifft. Roswitha Mathes koordiniert und steuert dabei als Anti-Mobbing-Beauftragte alle Aktivitäten rund um dieses Thema. Im Gegensatz dazu arbeitet Oliver Jeschonek als Mediator und Mitarbeiter des Referats Coaching, Mediation und Teamentwicklung unmittelbar mit Menschen und Teams, die aufgaben- und zielorientierter zusammenarbeiten wollen.

Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe weiterer Instrumente:

- Heerespsychologischer Dienst zur Förderung seelischer Gesundheit als Voraussetzung für gesunde Beziehungen
- Sprachinstitut des Bundesheeres zur Förderung der sprachlichen Verständigung in einer multikulturellen Arbeitsumgebung
- Parlamentarische Bundesheerkommission zur Aufarbeitung von Beschwerden von Soldatinnen und Soldaten bzw Wehrpflichtigen
-Umfangreiche Aus- und Weiterbildung von Führungskräften in unterschiedlichen Heereseinrichtungen

3. Sicherheit und Vertrauen in Beziehungen

Die wesentlichen Aufgaben von Mobbingprävention sind laut Oliver Jeschonek Bildung und Haltung. Dabei steht für ihn die Haltung noch vor der Prävention: "Beschäftigen sich Menschen mit ihrer eigenen Einstellung, fördert das gesunde Beziehungen in der Regel eher als die Auseinandersetzung mit Mobbingprävention."


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Folgende Kriterien sind dabei für ihn zentral:

-Die Haltung entscheidet, ob sich Menschen offen und dennoch wertschätzend begegnen können.
-Besonders deutlich zeigt sich diese im Umgang mit Fehlern. Fehler können als großes Problem oder als Lern- und Entwicklungsmöglichkeit wahrgenommen werden.
-Die Aus- und Weiterbildung von Führungskräften spielt dabei eine große Rolle. Allerdings ist die Beschäftigung mit Haltung eher eine Lebensaufgabe als ein Inhalt, der in einem einzigen Kurs abgearbeitet werden kann.
-Erkennen Menschen, dass der Wunsch nach Rache auch ihnen selbst schadet, können sie eher Alternativen suchen, die für alle Vorteile bringen.

Um sich in einer interkulturellen Arbeitsumgebung sicher und vertrauensförderlich zu begegnen, braucht es Vernetzung und Wissen. In diesem Zusammenhang initiiert das Sprachinstitut des Bundesheeres eine zentraleuropäische Sprachenplattform. Sie soll Kenntnis über die Bedeutung von Worten und üblichen Gewohnheiten anderer Kulturen vermitteln. Das Sprachinstitut hat bereits langjährige Erfahrung in der Sprach- und Kulturvermittlung. So hat es nicht nur diverse Wörterbücher und Sprach-Apps, zB für den Einsatz in der Flüchtlingshilfe, herausgegeben, sondern zusätzlich kulturelle Verständigungshilfen entwickelt. Tabelle 1 listet einen Auszug aus erwünschten und unerwünschten Verhaltensformen für Einsatzkräfte im Tschad auf, die durchaus auch in unserem Kulturkreis zum Nachdenken anregen können.


Du sollst ... Du darfst nicht ...
Immer Respekt zeigen! Frage stets um Erlaubnis für Dein Vorhaben!Mit der linken Hand Hände schütteln, grüßen, essen und Geschenke annehmen! Sie gilt als unrein.
Versuchen, ein paar Wörter Arabisch zu lernen! Deine Mühe wird gewürdigt werden.Männern nach ihren Frauen fragen! Nach Kindern darfst Du fragen.
Dir bei Gesprächen und Verhandlungen Zeit lassen! Sei nicht ungeduldig, folge dem Motto: "Abwarten, Tee trinken"Herumschreien, aggressive Bewegungen machen, mit dem Finger auf Leute zeigen. Emotionen offen zu zeigen, gilt als Schwäche.
Niemanden der Unwahrheit bezichtigen! Er sieht die Sache lediglich anders.Jemanden beim Gebet unterbrechen! Muslime beten fünfmal täglich.
Dich nicht über Unpünktlichkeit aufregen, es ist normal! Sei selbst aber stets pünktlich!Dich in betrunkenem Zustand in der Öffentlichkeit zeigen! Die Strafe sind 40 Peitschenhiebe!

Tabelle 1: Do’s & Don’ts der Visuellen Verständigungshilfe Tschad 2 (Quelle: Sprachinstitut des Bundesheeres)

4. Transparente Interventionsketten

Ein wesentliches Element für Roswitha Mathes in der Mobbingprävention sind transparente Vorgehensweisen. Zentral dazu ist die Interventionskette, die in ihrer Abteilung aus einer allgemeinen Helpline und einem psychologischen und rechtlichen Beratungsteam besteht, die grundsätzlich abklären, wie ein Anliegen zu beurteilen ist. Sie meint dazu: "Oft stellt sich bereits beim ersten Gespräche heraus, dass ein vermeintliches Mobbing KEINES ist. Subjektiv mögen es die Betroffenen als Mobbinghandlungen erleben , aber es handelt sich oftmals um übliche und erlaubte Arbeitsweisen , die keine Mobbingtendenzen aufweisen."

Ein typisches Beispiel dazu sind Beschwerden aus der Kollegenschaft, dass während ihres Krankenstandes andere Personen den eigenen Arbeitsplatz benützen. Hier erfolgt in der Regel eine Aufklärung, dass Bürogegenstände Eigentum der Republik sind und es keinen Mobbingtatbestand darstellt, wenn diese bei Abwesenheit anderweitig Verwendung finden.

Die Anlaufstelle unterscheidet Interventionen in Abhängigkeit von bestimmten Sachverhalten, wobei das Ergebnis einer Prüfung dieser Sachverhalte konkrete Sanktionen beinhalten kann (vgl auch Abbildung 1):


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-Konflikt
-Mobbingverdacht
-Dienst(pflicht)verletzungen

Abbildung 1: Interventionskette Mobbing (Quelle: Bundesministerium für Landesverteidigung)

Menschen, die sich mit Mobbing beschäftigen, treffen auf grundlegende Probleme: Konkurrenz, Karrierestreben, Arbeitsplatzangst, ... Der Mobbing-Ratgeber des ÖGB-Verlags aus dem Jahr 1999 weist darauf hin, dass es unmöglich ist, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die Mobbing vollständig verhindern.

5. Die Zukunft der Mobbingprävention

Welche konkreten anerkannten Empfehlungen zur Mobbingprävention es in 10 Jahren geben wird, ist heute eher schwer einschätzbar. Grundsätzliche Vorgaben im Bereich Mobbing sind Aufgabe von Führungskräften. Die Gestaltung gesunder Arbeitsbeziehungen jedoch liegt in der Verantwortung jedes einzelnen, selbst wenn das mit einem Widerstand gegenüber bestehenden oder geplanten Vorgaben verbunden ist.

Wahrscheinlich wird es auch in Zukunft die folgenden zwei Dimensionen dabei geben:

- Mediative Vorgehensweise:
Hier stehen Interessen und Bedürfnisse im Vordergrund, die für die Beteiligten Vorteile, Nutzen und Hilfe in konkreten Situationen bieten sollen.
- Zwangsorientierte Vorgehensweise:
Dabei werden Handlungen auch gegen den Willen einzelner Personen durchgesetzt. In einem funktionierenden Rechtsstaat sind dabei bestehende Gesetze zu beachten.

Welche der beiden Richtungen vorrangig Einsatz findet, hängt von der jeweiligen Kultur ab. Die handelnden Menschen sind dabei selbst gefordert, diese Kultur aktiv mitzugestalten. Nachfolgend finden Sie einige Anregungen zur Gestaltung gesunder Beziehungen, die Sie einfach in jedem Betrieb umsetzen können:

1.Verschaffen Sie sich einen Überblick über Maßnahmen, die andere in diesem Zusammenhang einsetzen. So zeichnet bspw der österreichische Verein IRIS jedes Jahr Unternehmen und Organisationen mit positiver Konfliktkultur aus. Bei Interesse können Sie auch selbst Ihren Betrieb dort positionieren.
2.Gestalten Sie Beziehungen stimmig. Sie erkennen das im Arbeitsumfeld daran, dass vorhandene Arbeitsaufgaben zuverlässig erfüllt werden. Variieren Sie den Einsatz von mediativen und zwangsweisen Methoden der Situation angemessen. Bleiben Sie dabei allerdings herzlich und berücksichtigen Sie, dass jeder Mensch individuelle Maßstäbe hat.
3.Gesunde Beziehungen erfordern vor allem wechselseitiges Vertrauen, wobei auch unangenehme Sachverhalte angesprochen werden können. Das fördert Sicherheit und Wohlbefinden im Umgang mit anderen.
4.Streben Sie Arbeitsbeziehungen an, bei denen der Wunsch nach Beständigkeit vorherrscht. Setzen Mitarbeitende viel Energie dafür ein, andere aus dem aktuellen Arbeitsleben hinauszudrängen, bleibt weniger Zeit für die eigentlichen beruflichen Tätigkeiten.
Artikel-Nr.
ARD 6609/4/2018

02.08.2018
Heft 6609/2018
Autor/in
Elvira Hauska

Dr. Elvira Hauska leitet das Kompetenzzentrum für Sicherheit und Vertrauen. Sie ist Mediatorin, Journalistin und Unternehmensberaterin bei ÖSB-Consulting. Als Wissenschaftscoach arbeitet sie unter anderem aktuell an dem Forschungsprojekt an der Landesverteidigungsakademie "Mediation und militärische Führung" sowie für ACADWrite. Ihre derzeitigen Schwerpunkte sind Strategie und Netzwerke.

Publikationen:
Zur Kunst des Friedens. Leben und Wirken österreichischer Friedensstifterinnen und Friedensstifter der Gegenwart (2015), zahlreiche Buchbeiträge, (Fach-)Artikel, Rezensionen, 2016 Gründung der ERSTEN Plattform für mediativen Journalismus – Überblick, Links und Downloads unter http://www.elvira-hauska.at/de/journalismus.