Thema

Die Crux der ordnungsmäßigen Wohnungswirtschaft und der notwendigen/erforderlichen Rechtsgeschäfte

RA Dr. Christian Prader / Wolfgang Schwetz, MSc, BA

Antworten auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine GBV (noch) ein Hauptgeschäft iSd § 7 Abs 1 WGG tätigt und welche Voraussetzungen andernfalls die Genehmigung eines Ausnahmegeschäfts nach § 7 Abs 4 WGG rechtfertigen, sind teils ebenso komplex wie umstritten. Die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen des § 7 Abs 1a Z 1 und Abs 4 WGG verwenden (weitgehend) unbestimmte Gesetzesbegriffe, die einer entsprechenden Auslegung bedürfen. Im folgenden Beitrag werden diese beiden gebarungsrechtlich zentralen Themen des Geschäftskreises erörtert.

1. Hauptgeschäft und ordnungsmäßige Wohnungswirtschaft

Der Begriff der ordnungsmäßigen Wohnungswirtschaft, der vor allem im Lichte des "Anlegerunwesens"1 im WGG an Bedeutung gewonnen hat, geht auf die WGGDV 1940 dRGBl 1940/1012 zurück. Bereits dort findet sich dieselbe Textierung in deren § 8 lit a,2 der den zulässigen Tätigkeitsbereich einer GBV definierenden Norm. Der Gesetzgeber hat sich bei der Schaffung des WGG 1979 bewusst an den Vorgängerbestimmungen orientiert.3 Mit der WGG-Novelle 2019 erhöhte sich dessen Bedeutung, weil sich dieser Begriff fortan anstelle in § 7 Abs 3 Z 6 WGG in § 7 Abs 1a Z 1 WGG findet und damit für die Einstufung einer Tätigkeit als Hauptgeschäft von zentraler Bedeutung ist. Die vermeintlich4 korrespondierende Bestimmung des § 10a Abs 1 lit d WGG belegt die Wesentlichkeit dieses unbestimmten Gesetzesbegriffs.5 Art 11 Abs 1 B-VG enthält eine Reihe von Angelegenheiten, hinsichtlich derer dem Bund die Zuständigkeit zur Gesetzgebung, den Ländern indessen die Zuständigkeit zur Vollziehung zukommt; ua ordnet Art 11 Abs 1 Z 3 B-VG dabei das "Volkswohnungswesen mit Ausnahme der Förderung des Wohnbaus und der Wohnhaussanierung" ausdrücklich dem Bund in Gesetzgebung zu, wobei die Vollziehung Landessache ist. In seinem Erkenntnis vom 13. 10. 1951, KII-1/51,6 hat der VfGH den Begriff des "Volkswohnungswesens" "mit alle jenen Maßnahmen zur Beschaffung von Baugelände auf dem Wege der Enteignung gehören, die über jene Enteignungen hinausreichen, die in den Bauordnungen zur Durchsetzung der Regulierungspläne, zur Beschaffung von Grundflächen für Straßen und andere Verkehrsflächen, zur Beseitigung von Baulücken und im Rahmen der Städteplanung vorgesehen sind", umschrieben. Rechtspolitischer Hintergrund des in weiterer Folge erlassenen7 Bodenbeschaffungsgesetzes8 sowie des WGG9 war es, die unangemessen hohen Bodenpreise auf dem Bodenmarkt und das damit überproportionale Ansteigen der finanziellen Erfordernisse für Wohnbauzwecke durch entsprechende Ordnungsmaßnahmen einer Verbauung einzugrenzen.10 In seinem Kompetenzfeststellungserkenntnis VfSlg 2217/1951 hat der VfGH zum Volkswohnungswesen ausgeführt: "Wenn der Verfassungsgesetzgeber in einer Zeit akuter Wohnungsnot und weitestgehender Verarmung breiter Schichten der Bevölkerung einen besonderen Kompetenztatbestand statuiert, den er mit einem so allgemein gehaltenen Ausdruck wie ‚Volkswohnungswesen‘ bezeichnet, so kann es sich hier zunächst nur um die Wohnfürsorge für die minderbemittelten Schichten der Bevölkerung handeln."

Eine ähnliche Umschreibung findet sich auch in seinem Erkenntnis VfSlg 3378/1958. Der Inhalt der Kompetenz "Volkswohnungswesen" ist dabei nach der im Versteinerungszeitpunkt gültigen einfachgesetzlichen Rechtslage zu verstehen.11 Im Rahmen des Kompetenzverständnisses sind unter Wohnraum nicht nur Kleinwohnungen, sondern auch Wohnungen, "die bei den geänderten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen nach ihrer Größe derma-


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len bereits als Mittelwohnungen angesehen werden",12 zu verstehen.13 Da das WGG auf dieser Kompetenzgrundlage fußt,14 muss uE ordnungsmäßige Wohnungswirtschaft auch diesen Kriterien gerecht werden. Schließlich hat die Auslegung insoweit in einem spezifischen historischen Sinn, und zwar nach der vom VfGH entwickelten Versteinerungstheorie, zu erfolgen.15 Da Art 11 Abs 1 Z 3 B-VG die kompetenzrechtliche Grundlage des WGG bildet,16 folgt uE daraus, dass die Bestimmungen dieses Gesetzes verfassungskonform dahin gehend auszulegen sind, dass kein Widerspruch zur kompetenzmäßigen Grundlage entsteht. Insoweit ist uE der Begriff der ordnungsmäßigen Wohnungswirtschaft ausschließlich idS des "Volkswohnungswesens" zu verstehen. Die Richtigkeit dieses Verständnisses wird auch durch die Zielsetzung des § 1 Abs 2 und 3 WGG nachdrücklich untermauert. Ein Hauptgeschäft muss sich daher schon aufgrund dieser kompetenzrechtlichen Vorgaben im Rahmen dessen bewegen, was auch § 1 Abs 2 und 3 WGG fordert.

2. Ausnahmegeschäft und notwendige/erforderliche Rechtsgeschäfte

§ 7 Abs 4 WGG normiert Folgendes:

"Andere im Rahmen ordnungsmäßiger Wirtschaftsführung notwendig werdende Geschäfte einer Bauvereinigung als die in den Abs. 1 bis 3 angeführten bedürfen der Zustimmung der Landesregierung. Der Beteiligung einer gemeinnützigen Bauvereinigung an anderen als den in Abs. 3 Z 9 und 10 angeführten Unternehmungen darf die Landesregierung nur zustimmen, wenn

1. dies zur Durchführung der Aufgaben der Bauvereinigung erforderlich ist,

..."

§ 7 Abs 4 WGG schreibt sohin in seinem Einleitungssatz einerseits vor, dass im Rahmen ordnungsmäßiger Wirtschaftsführung notwendig werdende Geschäfte genehmigungspflichtig sind, andererseits in S 2, dass Beteiligungen zur Durchführung der Aufgaben der GBV erforderlich sein müssen.

Ordnungsmäßige Wirtschaftsführung ist nun uE nicht mit ordnungsmäßiger Wohnungswirtschaft gleichzusetzen. Dies ergibt sich etwa daraus, dass - wie zu Pkt 1. referiert - die Hauptgeschäfte schon kompetenzrechtlich streng auszulegen sind. Aus dem Grund weist Obermann 17 zutreffend darauf hin, dass es einer Neuorientierung des Verständnisses der ordnungsmäßigen Wohnungswirtschaft im Lichte ihrer Eigenschaft als normative Vorgabe für ein Hauptgeschäft bedarf. Ungeachtet dessen kann allerdings die Notwendigkeit ordnungsmäßiger Wirtschaftsführung (weiterhin) punktuell18 auch dazu führen, einzelne Rechtsgeschäfte zu genehmigen, die dem Grundgedanken der ordnungsmäßigen Wohnungswirtschaft widersprechen.19 Dieses Ergebnis folgt aus der jedenfalls bei beiden Bestimmungen notwendigen Berücksichtigung der Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit gem § 23 Abs 1 WGG.20

Davon zu trennen ist aber das Verständnis der Genehmigungsvoraussetzungen iSd § 7 Abs 4 WGG. Einleitend findet sich der Hinweis, dass von § 7 Abs 1-3 WGG nicht umfasste Rechtsgeschäfte einer Genehmigung bedürfen, vorausgesetzt, dass es sich um notwendig werdende Geschäfte im Rahmen ordnungsmäßiger Wohnungswirtschaft handelt. Auch wenn dies nicht gesetzlich verankert ist, folgt daraus aber im Umkehrschluss, dass andere diese Voraussetzungen nicht erfüllenden Rechtsgeschäfte nicht einmal genehmigungsfähig sein können. Die Notwendigkeit iSd § 7 Abs 4 S 1 WGG orientiert sich an den allgemeinen Grundsätzen des § 23 Abs 1 WGG und setzt keineswegs voraus, dass eine existenzielle Bedrohung der GBV Tatbestandvoraussetzung wäre.21 Dies ergibt sich auch aus dem Telos des Gesetzes, nach dem die Möglichkeit unterstützender Rechtsgeschäfte geschaffen werden sollte, wobei eine nähere Umschreibung und sohin auch taxative Aufzählung22 infolge der "Vielfalt des Lebens"23 nicht möglich war/ist. In § 7 Abs 4 S 1 WGG wird der Begriff "notwendig" verwendet, bei den Beteiligungen in Satz 2 hingegen "erforderlich". Auch wenn diese Begriffe sprachlich durchaus synonym verwendet werden,24 so herrscht die Ansicht vor, dass der Begriff "erforderlich" das Ziel schwammiger umschreibt. Eine solche Differenzierung findet sich auch im WGG. Geht es um anstehende Erhaltungsarbeiten, verwendet der Gesetzgeber den Begriff "notwendig",25 darüber hinaus wird jedoch mit dem Begriff "erforderlich" das Auslangen" gefunden.26

UE ist daher entgegen Ortbauer/Schinnagl 27 mit Korinek/Holubek 28 und Holoubek 29 das Erfordernis bei den Beteiligungen nicht als restriktiveres Merkmal zu sehen als in S 1 die Grundvoraussetzung der Notwendigkeit. Auch im Rahmen der Beteiligung kommt es richtigerweise darauf an, ob sich diese an § 23 Abs 1 WGG orientiert.30 Allerdings darf die Beteiligung nur dann genehmigt werden, wenn mit dieser die Aufgaben der GBV auch tatsächlich erfüllt und sohin sichergestellt werden. Damit schließt


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sich der Kreis zur ordnungsmäßigen Wohnungswirtschaft: Durch die Einschränkung der Genehmigungsfähigkeit auf die erforderlichen Aufgaben der GBV, die sich nicht sofort als (iS von absehbar) notwendig erweisen müssen,31 wird vielmehr sichergestellt, dass iS des Kompetenztatbestandes Volkswohnungswesen agiert werden und damit die Aufgaben des § 1 Abs 2 und 3 WGG erfüllt/sichergestellt sein müssen. Würde man diese Sichtweise nicht teilen, stünde man vor dem Dilemma, dass bei durch Beteiligungen idR langfristigen Bindungen32 stets eine Evaluierung erfolgen müsste, ob die Voraussetzung der Erforderlichkeit noch gegeben ist; ein Szenario, das das WGG nicht vorsieht. UE hat sich daher die Prüfung von punktuellen Rechtsgeschäften an der (unmittelbar) absehbaren Notwendigkeit zu orientieren, bei den als eine Art "Dauerschulverhältnissen" zu wertenden Beteiligungen hingegen danach, ob sich solche Maßnahme im Lichte des § 23 Abs 1 WGG als tauglich erweisen, die Aufgaben der GBV ganz generell pro futuro zu fördern und damit den Vorgaben des § 1 Abs 2 und 3 WGG sowie Art 11 Abs 1 Z 3 B-VG zu entsprechen. Insoweit liegt es an der Aufsichtsbehörde, den verpflichtend vorzulegenden Gesellschaftsvertrag dahin gehend zu überprüfen.

3. Zusammenfassung

Der Begriff der ordnungsmäßigen Wohnungswirtschaft ist iSd Vorgaben des Kompetenzbegriffs "Volkswohnungswesen" auszulegen und kann nur bei Erfüllung dieser Kriterien ein Hauptgeschäft iSd § 7 Abs 1a Z 1 WGG vorliegen. Im Fall von als Ausnahmegeschäft gem § 7 Abs 4 WGG zu beurteilenden Beteiligungen ist für das "Erfordernis zur Durchführung der Aufgaben" ein weniger strenger Maßstab als bei einzelnen Rechtsgeschäften anzulegen, die ausschließlich § 7 Abs 4 Satz 1 WGG zu unterstellen sind, und ist dieses Erfordernis gem § 7 Abs 4 Satz 2 WGG zur Aufgabenerfüllung (auch) pro futuro im Lichte des § 23 Abs 1 WGG iZm § 1 Abs 2 und 3 WGG sowie Art 11 Abs 1 Z 3 B-VG zu verstehen.

1

Vgl dazu Prader, Wie viel Anlegerwohnung verträgt das WGG? ImmoZak 2024/37, 70; Schwetz, Präferenz selbstgenutzten Eigentums und Verhinderung von Spekulationskäufen, immolex 2024, 378 (379); Vonkilch, Zum aktuellen Rechtsrahmen für den Verkauf neu errichteter Eigentumswohnungen durch eine gemeinnützige Bauvereinigung, wobl 2024, 321.


2

§ 8 lit a WGG: "alle Rechtsgeschäfte, die mit der Errichtung, Verschaffung und Finanzierung seiner Bauten und Anlagen in dem üblichen Rahmen ordnungsgemäßer Wohnungswirtschaft zusammenhängen, insbesondere deren Erwerb, die Belastung und Veräußerung von Grundstücken und Erbbaurechten und die Hereinnahme von Zwischenkrediten und Baudarlehen".



4

Vgl dazu FN 1.


5

Zur Kritik hieran etwa Grundbichler, Gemeinnützige Bauvereinigungen (2014) 55, dessen Kritik sich aber ganz generell auf die schwere Lesbarkeit und die zahlreichen unklaren Begrifflichkeiten bezieht.


6

= VfSlg 2217/1951.


7

Vgl Walter/Mayer, Grundriss des Besonderen Verwaltungsrechts2 (1987) 526.





11

Gamper, Die Kompetenzverteilung in der Judikatur des österreichischen Verfassungsgerichtshofs, BRGÖ 2021, 344 (350 ff mwN).


12

So der VfGH in VfSlg 2217/1951.


13

Krit dazu aber Denk, Landesgesetzliche Leerstandsabgaben und Kompetenzverteilung - zugleich Überlegungen zum "Volkswohnungswesen", JBl 2022, 773 (776 ff).



15

Dazu umfassend Adamovich/Funk/Holzinger, Österreichisches Staatsrecht I (1997) Rz 19.090 ff; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht12 (2019) Rz 275 ff. Siehe auch Berka, Verfassungsrecht4 (2012) Rz 429 ff; Mayer/Kucsko-Stadl­mayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 (2015) Rz 296; alle mwN.


16

Siehe dazu auch ErläutRV 760 BlgNR 14. GP 15.


17

Wohnungsgemeinnützige Bauvereinigungen: Körperschaftsteuerhinterziehung durch Grundstücksverkauf? ZSS 2023, 34 (36).


18

Darin liegt - wie dies noch dargelegt wird - der zentrale Unterschied zu den Beteiligungen.


19

Vgl zur Betriebsnotwendigkeit von Wohnungsverkäufen Schwetz, immolex 2024, 378 (379).


20

Vgl insb Schwetz, WGG2 § 7 Rz 13.


21

Ortbauer/Schinnagl in GeKo Wohnrecht III § 7 WGG Rz 118; Holoubek in Korinek/Nowotny, Handbuch der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft (1994) 345 (375 f).


22

Ortbauer/Schinnagl in GeKo Wohnrecht III § 7 WGG Rz 118.






27

In GeKo Wohnrecht III § 7 WGG Rz 129.


28

Korinek/Holoubek in Korinek/Krejci, Handbuch des Bau- und Wohnungsrechts (1983) III-Mon-5.


29

In Korinek/Nowotny, Handbuch 345 (375 f).


30

So auch Holoubek in Korinek/Nowotny, Handbuch 345 (376).


31

Andernfalls würde diese Bestimmung wohl seiner Zielsetzung "beraubt", denn dann müsste eine GBV existenziell bedroht sein und sohin wohl idR gegen die zwingenden Grundsätze des § 23 Abs 1 WGG verstoßen haben.


32

Auch wenn "Ausstiegsszenarien" (= Anteilsverkauf [§ 76 GmbhG]) vielfach in den Gesellschaftsvertrag Eingang finden und damit von der erteilten Genehmigung mitumfasst sind (zutr Schwetz, Tochtergesellschaft: Beteiligungsveräußerung gem § 7 Abs 4 WGG nur mit Genehmigungsvorbehalt? ImmoZak 2024/38, 73; diesem folgend Prader/Pittl, WGG2.07 § 7 Rz 6).


Artikel-Nr.
ImmoZak 2025/2

03.03.2025
Heft 1/2025
Autor/in
Christian Prader

Dr. Christian Prader ist Rechtsanwalt in Innsbruck sowie Autor zahlreicher Fachpublikationen zum Wohn-, Immobilien- und Zivilrecht.

Wolfgang Schwetz

Wolfgang Schwetz, MSc, BA, ist Unternehmensberater in Wien und Autor zahlreicher facheinschlägiger Publikationen sowie eines Kommentars zum WGG.