Thema - Arbeitsrecht

Verspätete Urlaubsrückkehr wegen COVID-19

Dr. Thomas Rauch

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, das Arbeitsentgelt weiter zu bezahlen, wenn für eine verhältnismäßig kurze Zeit der Arbeitnehmer verhindert ist, die im Arbeitsvertrag vorgesehenen Arbeitsleistungen zu erbringen (§ 8 Abs 3 AngG und § 1154b Abs 5 ABGB für Arbeiter und Lehrlinge). Dies betrifft ua familiäre Beistandspflichten (zB Niederkunft der Ehegattin, Begräbnis naher Angehöriger), öffentliche Pflichten (zB Vorladungen vor Behörden, Musterung, Tätigkeit als Wahlzeuge bei einer Betriebsratswahl) und Arztbesuche, die innerhalb der Arbeitszeit erforderlich sind. Erfasst von dieser Regelung sind auch verspätete Arbeitsantritte durch Hindernisse, wie nicht vorhersehbare Verspätungen öffentlicher Verkehrsmittel oder ein Stau, sowie eine verspätete Rückkehr vom Urlaub, etwa wegen einer Sperre des Flughafens, entfallener Bahnfahrten oder geschlossener Grenzen. Als Höchstgrenze für eine "verhältnismäßig kurze Zeit" ist im Allgemeinen eine Woche anzunehmen. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann jedoch eine Woche überstiegen werden, wobei die zeitliche Höchstdauer vom Gericht festgesetzt wird.1

Im Folgenden wird die Frage erörtert, ob bzw unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber zur Fortzahlung des Entgelts nach § 8 Abs 3 AngG bzw § 1154b Abs 5 ABGB verpflichtet ist, wenn nach dem Urlaub der Arbeitsantritt wegen Ereignissen aufgrund von COVID-19 verspätet erfolgt.

1. Allgemeines

Der Zeitpunkt des Urlaubsantritts ist zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer zu vereinbaren (§ 4 Abs 1 UrlG). Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber Auskünfte über die Gestaltung des Urlaubs bzw allfällige Reiseziele zu erteilen. Kommt es aber aus einem Verschulden (iSd § 8 Abs 3 AngG bzw § 1154b Abs 5 ABGB) des Arbeitnehmers zu einer verspäteten Rückkehr aus dem Urlaub, so hat der Arbeitgeber keine Entgeltfortzahlung wegen einer Dienstverhinderung zu leisten. Dabei ist kein echtes Verschulden (welches Rechtswidrigkeit voraussetzt) erforderlich, sondern reichen Obliegenheitsverletzungen aus. Der Arbeitgeber soll nicht mit einer Entgeltfortzahlung belastet werden, wenn der Arbeitnehmer in eigenen Belangen sorglos ist. Ist etwa für einen Durchschnittsmenschen nicht überprüfbar und erkennbar, ob alle staatlichen Verwaltungsakte für eine Ausreise aus dem Urlaubsland ordnungsgemäß gesetzt worden sind, so liegt eine solche Obliegenheitsverletzung nicht vor.2

Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, zeitliche Spielräume für allfällige Verkehrsstörungen bei der Ausreise aus seinem Urlaubsland zu berücksichtigen. Vielmehr ist eine verspätete Urlaubsrückkehr nur dann dem Arbeitnehmer anzulasten, wenn diese vorhersehbar war. Der verzögerte Wiederantritt der Arbeit beruht nicht auf einem Verschulden des Arbeitnehmers, wenn ein unvorhersehbarer Maschinenschaden am Flugzeug (auch bei knapper Rückkehrplanung von einer Fernostreise) als Ursache anzusehen ist.3

2. Einholung von Informationen bezüglich Reisewarnung

Aus der zuvor dargestellten Judikatur ist mE abzuleiten, dass insbesondere während einer Pandemie den Arbeitnehmer die Obliegenheit trifft, vor dem Antritt einer Reise Informationen zum Zielgebiet (die ohne nennenswerte Hindernisse für den Arbeitnehmer zugänglich sind) einzuholen. Die Frage, ob eine Reisewarnung für das Reiseziel besteht, ist etwa über das Internet oder eine telefonische Auskunft des Außenministeriums (Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten) ohne Schwierigkeiten zu klären. Falls also der Arbeitnehmer keine Informationen einholt und daher über eine bestehende Reisewarnung nicht informiert ist oder trotz der ihm bekannten Reisewarnung das gefährliche Gebiet aufsucht, so besteht kein Anspruch auf eine Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei verspäteter Rückkehr aus seinem Urlaub. Dabei ist es dem Arbeitnehmer auch zumutbar, die Erkundigun-


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gen kurz vor dem Urlaubsantritt einzuholen, weil sich aufgrund der Verbreitung von Virusvarianten neue Gefährdungen ergeben können.4

3. Rückkehrangebot des Außenministeriums

Wird die Reise angetreten, weil für das Ziel keine Reisewarnung besteht, und während des Urlaubs kommt es zu einer raschen Verschlechterung der pandemischen Gefährdungssituation, die das Außenministerium zu einer Rückholaktion veranlasst, so hat der Arbeitnehmer das Rückkehrangebot anzunehmen. Lehnt er dieses Angebot ab und kommt es zu einem verspäteten Antritt der Arbeit nach seinem Urlaub, so hat der Arbeitgeber nicht das Arbeitsentgelt für die versäumte Arbeitszeit zu bezahlen.5

4. Quarantäne bei Rückkehr

Reist der Arbeitnehmer im Zuge seiner Rückkehr in Österreich ein, so besteht die Möglichkeit, dass eine 10-tägige Quarantäne (Freitestmöglichkeit nach 5 Tagen) erforderlich wird.6 Auch bezüglich der Quarantäne ist davon auszugehen, dass ein Verschulden des Arbeitnehmers (iSd gesetzlichen Bestimmungen zur Dienstverhinderung aus persönlichen Gründen) vorliegt, wenn dieser keine Informationen zeitnah vor dem Antritt der Reise bezüglich einer allfälligen Quarantäne bei der Rückkehr einholt.7

Wenn sich der Arbeitnehmer entsprechend seiner Obliegenheit über eine Quarantäne bei der Rückreise informiert und dabei erfährt, dass eine solche erforderlich ist, so muss er diese bei der zeitlichen Planung für die Rückfahrt berücksichtigen. Kommt es zu einem verspäteten Arbeitsantritt, weil der Arbeitnehmer keine Erkundigungen zur Quarantäne bei der Rückkehr eingeholt oder die Quarantäne nicht bei der zeitlichen Einteilung der Heimkehr beachtet hat, so trifft den Arbeitgeber keine Fortzahlungspflicht nach § 8 Abs 3 AngG bzw § 1154b Abs 5 ABGB bei einem verzögerten Wiederantritt zur Arbeit.8

Anders ist dies zu sehen, wenn kurz vor der Reise keine Quarantänepflicht bei der Rückfahrt vorgesehen war und während des Urlaubs eine Verschlechterung eintritt, die dazu führt, dass eine Quarantäne bei der Einreise nach Österreich vorgeschrieben wird. Ist diesfalls nicht von einem Verschulden des Arbeitnehmers auszugehen, weil die Verschlechterung der Epidemiesituation nicht vorhersehbar war, so hat der Arbeitgeber das Entgelt bei verspätetem Antritt der Arbeit zu bezahlen. Ein Verschulden des Arbeitnehmers wäre aber hier anzunehmen, wenn ein Rückkehrangebot des Außenministeriums ohne triftigen Grund abgelehnt wurde oder etwa eine anderweitige vorzeitige Rückkehrmöglichkeit nicht genutzt wurde, obwohl dies ohne wesentliche Hindernisse möglich gewesen wäre.

5. Corona-Cluster im Inland

Auch bei Urlaub im Inland kann die Corona-Situation bewirken, dass eine rechtzeitige Rückkehr aus dem Urlaub nicht möglich ist. Wenn etwa in den Medien über einen lokalen Corona-Cluster in einem bestimmten Tal bzw in einer bestimmten Gemeinde in Österreich berichtet und über die Abriegelung diskutiert wird und der Arbeitnehmer verbringt in diesem Gebiet seinen Urlaub, obwohl bereits bei der Fahrt zum Urlaubsziel die problematische Corona-Situation bekannt war, und es kommt in der Folge zur Abriegelung, so war dies für den Arbeitnehmer vorhersehbar. Der aufgrund der vorhersehbaren Abriegelung verspätete Antritt der Arbeit ist daher verschuldet und der Arbeitgeber hat keine Fortzahlung des Entgelts vorzunehmen.

Anders ist dies zu betrachten, wenn die Abriegelung bei der Einreise in das betroffene Gebiet noch nicht vorhersehbar war. Sollte es eine Ausreisemöglichkeit vor der Abriegelung geben, so müsste diese der Arbeitnehmer wahrnehmen, um seine Obliegenheiten zu erfüllen.

6. COVID-19-Erkrankung im Urlaub

Hat der Arbeitnehmer (entsprechend seinen Obliegenheiten) die Informationen zu Reisewarnungen und Quarantäne eingeholt und erkrankt nun im Urlaub an Corona, so ist zu prüfen, ob der Krankenstand den Urlaub unterbricht. Dazu ist auf § 5 UrlG zu verweisen. Die Voraussetzungen liegen insbesondere vor, wenn die Erkrankung länger als drei Kalendertage gedauert hat, nach drei Tagen die Erkrankung unverzüglich gemeldet wird und bei Wiederantritt des Dienstes die Vorlage einer Krankenstandsbestätigung erfolgt (bei Erkrankungen im Ausland muss der ärztlichen Bestätigung, nicht aber einer Spitalsbestätigung, ein behördlicher Nachweis darüber beigefügt sein, dass diese von einem zur Ausübung des Arztberufes zugelassenen Arzt ausgestellt wurde). Sind die Vorgaben dieser Regelung erfüllt, so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf das entsprechende Krankenentgelt auch über das Ende des Urlaubs hinaus (die Urlaubstage gelten diesfalls als Krankenstandstage).

Der Anspruch auf das Krankenentgelt entfällt aber, wenn der Krankenstand grob fahrlässig herbeigeführt wurde (§ 5 Abs 1


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UrlG, § 2 Abs 1 EFZG und § 8 Abs 1 AngG). Falls also der Arbeitnehmer am Urlaubsort die dort einzuhaltenden Corona-Regeln grob missachtet und dies die Infektion bewirkt, so besteht kein Anspruch auf ein Krankenentgelt. Verweigert der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung, weil er davon ausgeht, dass die Arbeitsunfähigkeit grob fahrlässig herbeigeführt wurde, so kann der Arbeitnehmer das Krankenentgelt einklagen. In einem solchen Fall müsste der Arbeitgeber beweisen, dass der Krankenstand auf grober Fahrlässigkeit beruht. Diese Beweisführung wird schwierig sein, könnte aber zB durch Fotos (etwa von der Teilnahme an einer regelwidrigen "Corona-Party"), die der Arbeitnehmer in sozialen Medien postet, erleichtert werden.

1

Gewerbegericht Innsbruck 16. 4. 1946, Cr 9/46, Arb 4.885.


2

OLG Wien 27. 9. 1995, 7 Ra 83/95, ARD 4711/26/96, bestätigt durch OGH 10. 4. 1996, 9 ObA 21/96, ARD 4766/35/96.


3

LG Wien 3. 11. 1980, 44 Cga 195/80, ARD 3351/10/81.


4

Mit 1. 7. 2021 hat das Außenministerium die weltweite Reisewarnung aufgehoben. Für Virusvariantengebiete (wie ua Brasilien, Südafrika, Indien, Großbritannien und Uruguay) besteht derzeit weiterhin eine Reisewarnung.


5

Im März 2020 wurde die Rückholung für alle Österreicher, die sich im Ausland aufhalten, vom Außenministerium angeboten, weil einige Länder bereits Überlegungen zur Sperre ihres Luftraums geäußert haben. Manche haben das Angebot mit Begründungen wie "das Wetter ist gerade schön" abgelehnt ("Die Presse" vom 23. 3. 2020, Seite 2).


6

Die Details regelt die COVID-19-Einreiseverordnung 2021 (BGBl II 2021/276), welche am 1. 7. 2021 in Kraft getreten ist und mit 31. 8. 2021 außer Kraft tritt (§ 13 dieser VO). Relevant kann diesbezüglich auch der Impfstatus sein.


7

Auf der Website des Außenministeriums (www.bmeia.gv.at) sind aktuelle Reiseregelungen für 208 Länder zu finden. Eine Website der EU enthält einen Reiseplaner, wo man Transit- und Zielländer eingeben kann, um die neuesten Bestimmungen zu erfahren.


8

Wenn die Voraussetzungen nach § 8 Abs 3 AngG oder nach § 1154b Abs 5 ABGB nicht erfüllt sind und der Arbeitgeber dennoch das Entgelt weiter bezahlt, so besteht kein Erstattungsanspruch nach § 32 Abs 3 EpiG.


Artikel-Nr.
ARD 6757/4/2021

22.07.2021
Heft 6757/2021
Autor/in
Thomas Rauch

Dr. Thomas Rauch hat als Mitarbeiter der Abteilung Sozialpolitik der Wirtschaftskammer Wien Unternehmer beraten und in arbeitsgerichtlichen Verfahren vertreten und ist als Fachbuchautor, Vortragender und Seminartrainer sowie Prüfer am WIFI Wien tätig.