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Mit dem neuen Gehaltssystem haben die Gewerkschaft GPA, Wirtschaftsbereich Handel, und die WKÖ, Bundessparte Handel, einen wichtigen Schritt in Richtung Modernisierung und Weiterentwicklung des Kollektivvertrages für Angestellte und Lehrlinge im Handel gesetzt. Ein mehr als 45 Jahre lang gültiges Beschäftigungsgruppenschema wurde in einem intensiven, gemeinsamen Bearbeitungsprozess den aktuellen Bedürfnissen und den zukünftigen Entwicklungen im Handel angepasst.1
Die Sozialpartner haben diesen zweiteiligen Artikel gemeinsam verfasst, der praxisgerecht die Regelungen des Kollektivvertrages beschreibt und Einblick in die Verhandlungshintergründe gibt. Dabei werden die am häufigsten gestellten Fragen sowie die größten Stolpersteine auf dem Weg ins neue Gehaltssystem herausgegriffen. Teil 1 bietet einen guten Überblick und behandelt wesentliche Einstufungsfragen. Der zweite Teil in der nächsten ARD-Ausgabe erläutert die Regelungen zum Übergang und beantwortet spezifische Fragen zum Umbau der Ansprüche.
Das neue Gehaltssystem besteht aus dem Beschäftigungsgruppenschema, der Gehaltsordnung und den Übergangsbestimmungen.
Das neue Beschäftigungsgruppenschema ist ein tätigkeitsorientiertes Schema. Das heißt: Die Tätigkeit in ihrer Gesamtheit ist ausschlaggebend für die Einstufung. Es bringt moderne, zukunftsorientierte, umfangreichere Beschreibungen und eröffnet damit neue Möglichkeiten. Es enthält viele neue Elemente, die in der alten Gehaltsordnung kaum bis keine Auswirkung auf die Einstufung hatten. Daher ist es notwendig, über die Möglichkeiten und Neuerungen Bescheid zu wissen.
Die Gehaltsordnung enthält neben der Gehaltstabelle auch alle Regelungen zu Vorrückung, Umreihung und Vordienstzeitenanrechnung. Die neue Gehaltstabelle löst ein kompliziertes System ab. Denn bisher gab es neben acht verschiedenen Gehaltstabellen auch zwei Gehaltsgebiete.
Die Übergangsbestimmungen regeln den Weg vom alten ins neue Beschäftigungsgruppenschema. Der Umstieg ist zu jedem Monatsersten möglich, muss aber bis spätestens 1. 1. 2022 erfolgen - dann verliert "das alte System" seine Gültigkeit. (Mehr Informationen und Details zu den Übergangsbestimmungen werden im 2. Teil in der nächsten Ausgabe des ARD veröffentlicht.)
Basis für den Übergang sind die Einstufungen in der alten Gehaltsordnung. Diese müssen zum Umstiegsstichtag korrekt sein, um nicht unerwünschte Folgewirkungen auszulösen. Denn ist die Basis zu niedrig, stimmen die Ansprüche im neuen System nicht und das Risiko von Nachforderungen ist hoch.
In den meisten Betrieben regeln Stellenbeschreibungen die Arbeitsziele, Arbeitsinhalte, Aufgaben, Kompetenzen und die Beziehung zu anderen Stellen. Sie sind personenneutral gefasst und stellen damit eine gleiche Einstufung bei gleicher Tätigkeit und Transparenz sicher. Doch am wichtigsten ist, dass diese Beschreibungen die Realität abbilden und damit eine korrekte Einstufung in den neuen Kollektivvertrag ermöglichen.
In den letzten Monaten hat die Corona-Krise viel verändert und in manchen Betrieben musste umstrukturiert werden bzw hat auch die Kurzarbeit einiges auf den Kopf gestellt. Es stellt sich nun die Frage, ob diese Änderungen von Dauer oder nur vorübergehend sind. Achtung: Im Zuge der Überführung der bestehenden Gehaltsansprüche in das neue Beschäftigungsgruppenschema dürfen diese durch Einzelvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden. Auch die Einbeziehung des Betriebsrates bei Umstrukturierungen ist durch das Arbeitsverfassungsgesetz klar geregelt.
Im Handel arbeiten rund 420.000 Angestellte in 40.000 Betrieben. Die Digitalisierung hat viele Arbeitsprozesse verändert, was auch die Anforderungen an die Beschäftigten verändert hat. Um den Handel und die Vielfalt der Tätigkeiten strukturieren zu können, wurden daher sieben "Arbeitswelten" definiert (Einkauf, Verkauf & Vertrieb, Marketing & Kommunikation, Kaufmännische & administrative Dienstleistungen, Logistik, Technischer Dienst und Informationstechnologie).
Diesen Arbeitswelten sind sogenannte Referenzfunktionen zugeordnet. Sie beschreiben ein Bündel an Tätigkeiten und Aufgaben, die für eine einzelne Arbeitswelt typisch, bedeutungsvoll und unverwechselbar sind. Mittels Bewertungskriterien wurde eine summarische Bewertung (Gesamtbetrachtung) durchgeführt und die Referenzfunktionen in eine Struktur gebracht. Vereinfacht ausgedrückt wurden die Referenzfunktionen von "einfach bis schwer" oder "niedrige bis hohe Anforderungen" auf Basis der Bewertungskriterien (selbstständiges Arbeiten, Verantwortung, Befugnisse, soziale Fähigkeiten, Fach- und Sachkenntnisse sowie Qualifikationen) sortiert. Daraus haben sich acht Gruppen ergeben - die Beschäftigungsgruppen. Die Referenzfunktionen sollen Orientierung bei der Einstufung geben und wurden daher auch genau beschrieben. Diese Beschreibung ist dem Anhang des Kollektivvertrages zu entnehmen.
Die Beschäftigungsgruppen wurden um weitere spezifische Vorschriften ergänzt, welche die Einreihung bestimmter Personengruppen (zB Angestellte mit Lehrabschluss) bzw auf Basis bestimmter Tätigkeiten (zB Baukastensystem Verkauf & Vertrieb) vorgibt.
Der Übergang von 6 in 8 Gruppen zeigt einen wesentlichen Unterschied zwischen dem alten und neuen System auf und braucht einen guten Überblick über die vielen neuen Möglichkeiten der Einstufung.
Folgende Tabelle kann aber als grobe Orientierung für den Übergang herangezogen werden:
Beschäftigungsgruppe Gehaltsordnung ALT | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 |
Beschäftigungsgruppe Gehaltssystem NEU | A, B, C | C, D, E | C, D, E, F | E, F | F, G | H |
Das hat im Umstieg zur Folge, dass es nicht nur eine Bewertung jeder einzelnen Stelle im Betrieb braucht, sondern auch die Strukturen des Unternehmens besser abgebildet werden können. Dabei gibt es zwei Perspektiven: die fachliche und die hierarchische. Die Einstufung kann im neuen Schema genau aus diesen beiden Perspektiven erfolgen.
Die Fachlaufbahn ermöglicht die Einstufung eines Angestellten aus fachlicher Perspektive. Dabei spielen Fach- und Sachwissen natürlich eine wichtige Rolle. Jedoch sind alle Bewertungskriterien, die in jeder Beschäftigungsgruppe unter Ziffer 1 beschrieben sind, die Basis für diese Vorgehensweise. Die Beschreibung der Fachlaufbahn ermöglicht es, jeden Arbeitsplatz bzw jede Stelle individuell zu bewerten.
Die Führungslaufbahn ermöglicht die Einstufung eines Angestellten aus hierarchischer Perspektive, die ab der Gruppe E bis Gruppe G unter Ziffer 2 beschrieben ist. Um die formalen Strukturen der Betriebe auch im Kollektivvertrag abzubilden, gibt es die Führungslaufbahn. Abgeleitet von den Bewertungskriterien definiert diese Laufbahn Führungsaufgaben beginnend in der Beschäftigungsgruppe E und verankert zwei neue Begriffe im Kollektivvertrag: "dauerhafte" und "zeitweise" Stellvertretung von Führungsaufgaben.
Die "dauerhafte" Stellvertretung verankert die "formale" Stellvertretung einer Führungsfunktion im Beschäftigungsgruppenschema immer eine Stufe unter der zu vertretenden Führungsfunktion.
Die "zeitweise" Stellvertretung verankert Stunden-, Tages- bzw Wochenvertretungen und regelt in Form eines Vertretungsgeldes eine Aufzahlung auf die Stellvertretung. Dies ist im stationären Handel von besonderer Bedeutung, da die Führungsaufgaben während der gesamten Öffnungszeiten von bis zu 72 Stunden besser abgedeckt werden können.
Jede Stelle kann somit entweder auf Basis der Führungs- oder der Fachlaufbahn bewertet und eingestuft werden. Das kann zur Folge haben, dass Führungskräfte und Mitarbeiter in derselben Beschäftigungsgruppe landen. Der Kollektivvertrag bietet nicht allen "formalen und informellen" Ebenen im Unternehmen eine eigene Beschäftigungsgruppe an. Das wäre angesichts der vielen unterschiedlichen Organisationsformen in den Betrieben, die es im Handel gibt, gar nicht möglich. In der Praxis werden diese durch Zulagen, Provisionen oder Überzahlungen zusätzlich zur Einstufung im Kollektivvertrag sichtbar bzw abgegolten. Das neue Beschäftigungsgruppenschema bietet vielmehr auch Experten und Fachkräften eine gute Perspektive bei der Gehaltsentwicklung an und bildet damit moderne, flach organisierte Betriebsstrukturen ab. Eine höhere Einstufung ist damit nicht nur aus hierarchischer Sicht möglich.
Die Einstufung von Angestellten im Verkauf im Innen- oder Außendienst ist in vielen Beschäftigungsgruppen möglich und entlang der Bewertungskriterien in der Fachlaufbahn braucht es eine genaue, individuelle Prüfung. Im Verkauf hilft insbesondere das Baukastensystem, in welchem Tätigkeiten vorgegeben sind, die zu einer höheren Einstufung führen.
Folgende Tabelle auf Seite 5 gibt einen Überblick der Bewertungskriterien laut Kollektivvertrag mit Beispielen zur Einstufung von Angestellten im Verkauf im Innen- oder Außendienst. Der genaue Text und alle Einstufungsvorschriften sind dem Kollektivvertrag zu entnehmen.
Haben Angestellte im Verkauf Führungsfunktionen, können diese entlang der Führungslaufbahn eingestuft werden. Jedoch sollte bei besonders qualifizierten Tätigkeiten bzw hohen Anforderungen an die Fach- und Sachkenntnisse eine mögliche höhere Einstufung über die Fachlaufbahn geprüft werden.
Beschäftigungsgruppe | Bewertungskriterien | Abgrenzung | Beispiele aus der Praxis2 | ||||||||||||||||||||||||||||||
B |
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spezifische Vorschriften | Nur nach mindestens 4-jähriger facheinschlägiger Berufserfahrung in der Arbeitswelt Verkauf & Vertrieb werden Arbeitnehmer in die BG C umgereiht. Eine facheinschlägige Berufserfahrung ist dann gegeben, wenn die Tätigkeiten des Angestellten in vielen Punkten jenen entsprechen, die im Berufsprofil der Ausbildungsordnung zum Einzelhandelskaufmann definiert sind. | ||||||||||||||||||||||||||||||||
C |
| Basis Verkauf und Vertrieb: Standardtätigkeiten entsprechend den vier Tätigkeitsfeldern
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Mindesteinstufung | mit Lehre als Einzelhandelskauffrau oder einer kaufm. admin. Lehre oder einer fachlich gleichwertigen Schulausbildung unabhängig von der Tätigkeit. | ||||||||||||||||||||||||||||||||
D |
| qualifizierte Zusatztätigkeiten wie
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Mindesteinstufung |
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E |
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Mindesteinstufung |
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Beschäftigungs-gruppe | Bewertungskriterien | Abgrenzung | Beispiele aus der Praxis2 | ||||||||||||||
F |
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Die Zusatzprotokolle der Sozialpartner erläutern in spezifischen Fragen den Kollektivvertrag und helfen bei der Anwendung sowie bei der Einstufung.
Hinweis: Weitere Berechnungsbeispiele mit den Werten 2021 und Erläuterungen finden Sie im Leitfaden der Sozialpartner "Der neue Kollektivvertrag für Angestellte im Handel", erschienen im DBV Verlag (als Print- und Onlineausgabe erhältlich).
Zu den Neuerungen siehe bereits Lindmayr, Der Umstieg ins neue Gehaltssystem für Handelsangestellte, ARD 6576/4/2017.
Sofern sich nicht eine höhere Einstufung ergibt.