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Neben der Vorrückung, Umreihung und Rückreihung gibt es noch eine Reihe an speziellen Regelungen für Sondersituationen bzw zur Förderung individueller Entwicklung von Handelsangestellten.
In der letzten ARD-Ausgabe (6763/4/2021) wurden die grundlegenden Regelungen zur Bewegung in der Gehaltstabelle des KV-Handelsangestellte genau erläutert und im vorliegenden Artikel werden davon abweichende Regelungen behandelt. Nicht immer wird eine höhere Einreihung mit Übernahme von höherwertigen Tätigkeiten ausgelöst. Die Sozialpartner haben diesen Artikel, der praxisgerecht die Regelungen des Kollektivvertrages beschreibt und Einblick in die Verhandlungshintergründe gibt, wieder gemeinsam verfasst.
Der Kollektivvertrag bietet mehrere Möglichkeiten zur Abgeltung der Übernahme von Führungsaufgaben oder höherwertigeren Tätigkeiten. Wichtig ist hier die klare Unterscheidung zwischen Führungsaufgaben und anderen höherwertigen Aufgaben, die keine Führungsaufgaben darstellen.
Werden dauerhaft Führungsaufgaben in Stellvertretung übernommen, ist die Einstufung in eine Beschäftigungsgruppe unterhalb der Beschäftigungsgruppe der Führungskraft vorzunehmen.
Die "zeitweise" Stellvertretung von Führungsaufgaben in Form von Stunden-, Tages- bzw Wochenvertretungen regelt der Kollektivvertrag durch ein Vertretungsgeld als Aufzahlung auf die "dauerhafte" Stellvertretung (siehe nachstehende Tabelle). Das Vertretungsgeld wird nur dann fällig, wenn die Einstufung zwei Beschäftigungsgruppen unter jener der Führungskraft (zB Abteilungsleiter, Filialleiter) liegt. Ist die Einstufung noch niedriger, kann die zeitweise Stellvertretung nicht mehr mit einem Vertretungsgeld abgegolten werden. In diesem Fall entsteht ein Anspruch auf eine höhere Einreihung und auf das Vertretungsgeld.
Mit Führungsaufgaben, die ein Vertretungsgeld auslösen, bezieht sich der Kollektivvertrag auf klassische Mitarbeiterführungs- sowie Leitungs- und Managementaufgaben, die nur zeitweise übernommen werden. Näheres dazu kann dem Zusatzprotokoll 8.3. entnommen werden. Werden administrative und/oder organisatorische Aufgaben in zeitweiser Stellvertretung übernommen, steht kein Vertretungsgeld zu. In der Praxis kann dies bedeuten, dass in Abwesenheit einer Führungskraft keine Stellvertretung für deren Führungsaufgaben definiert ist, jedoch administrative Aufgaben (zB Auf- und Zusperren eines Geschäftes) delegiert werden.
Das Vertretungsgeld wird je angefangene Stunde bezahlt, wobei die angefangenen Stunden eines Tages zusammengerechnet werden. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, ganze Tage (8 x eine Stunde) oder eine ganze Woche (5 x einen ganzen Tag) zu vergüten.
Hinweis: Sowohl die dauerhafte als auch die zeitweise Übernahme von Führungsaufgaben kann natürlich von Angestellten einer höheren Beschäftigungsgruppe übernommen werden (Vertretung "zur Seite" oder "nach oben"). Da
die Einreihung die damit verbundenen Befugnisse und die Verantwortung abgilt, sieht der Kollektivvertrag in diesen Fällen keine weitere Abgeltung vor.
Aushilfsweise Tätigkeit in einer höheren Beschäftigungsgruppe, die keine Führungsaufgabe darstellt und in einem Jahr nicht länger als ununterbrochen 5 Wochen bei Urlaub und ununterbrochen 12 Wochen bei Krankheit dauert, begründet keinen Anspruch auf eine höhere Einreihung. Wird dieser Zeitraum jedoch überschritten, so gebührt für die ganze Zeit der Tätigkeit das Entgelt der höheren Beschäftigungsgruppe.
Die aushilfsweise Übernahme der höherwertigen Tätigkeit löst keine höhere Einreihung aus. Ab Überschreiten des angegebenen Zeitraumes entsteht lediglich der Anspruch auf das höhere Entgelt, also eine Aufzahlung auf die höhere Gruppe. Diese Aufzahlung ist jedoch rückwirkend zu bezahlen. Zur Ermittlung des höheren Entgeltes ist jener Wert heranzuziehen, der sich aus einer fiktiven Umreihung ergeben würde. Eine allfällige, nicht zweckgebundene Überzahlung kann angerechnet werden, wenn im Einzelvertrag nichts Gegenteiliges vereinbart wurde.
Beispiel: Ein Angestellter der BG E wird gebeten, einen Kollegen, der aufgrund seiner Tätigkeit in BG F eingestuft ist, für den Zeitraum eines geplanten Krankenstandes von 8 Wochen, von 2. 8. bis 26. 9. 2021, zu vertreten. Diese Vertretungstätigkeit löst noch keine höhere Beschäftigungsgruppe aus. Die Genesung des erkrankten Kollegen erfolgt aber doch nicht so rasch wie erwartet und der Krankenstand wie auch die Vertretungstätigkeit für den Kollegen verlängern sich. Nach ununterbrochener Vertretungstätigkeit von 12 Wochen, daher ab dem 25. 10. 2021, steht dem Angestellten, rückwirkend ab 2. 8. 2021 für die gesamte Zeit der Vertretung das Entgelt der höheren Beschäftigungsgruppe zu. Mit 1. 12. 2021 kommt der Kollege vom Krankenstand zurück. Die Vertretungstätigkeit und der Anspruch auf das Entgelt der höheren Beschäftigungsgruppe enden somit mit 30. 11. 2021.
Einstufung des Angestellten: BG E, 2. Stufe | € 2.191,- |
Überzahlung | € 100,- |
Gesamtgehalt | € 2.391,- |
Der Angestellte erhält dieses Gesamtgehalt bis 24. 10. 2021 ausbezahlt.
Mit 25. 10. 2021 wird der zwölfwöchige Zeitraum überschritten und somit der rückwirkende Anspruch auf die Aufzahlung auf die höhere Einreihung ausgelöst. Um den korrekten Referenzwert zu ermitteln, ist fiktiv eine Umreihung vorzunehmen. Die nicht zweckgebundene Überzahlung kann angerechnet werden.
Die fiktive Umreihung ergibt den Wert der BG F, Stufe 2 mit € 2.555,-. Der Angestellte erhält somit für den gesamten Zeitraum der Vertretung folgendes Entgelt:
Einstufung des Angestellten: BG E, 2. Stufe | € 2.191,- |
Aufzahlung | € 309,- |
Überzahlung | € 0,- |
Gesamtgehalt | € 2.555,- |
Ab 1. 12. 2021 erhält der Angestellte wieder jenes Entgelt, das er vor der Vertretung erhalten hat.
Grundsätzlich gilt immer, dass entsprechend der Tätigkeit einzustufen ist. Auch Angestellte ohne abgeschlossene Berufsausbildung sind entsprechend ihrer Tätigkeit einzustufen. Um auch geringer qualifizierten Angestellten der Beschäftigungsgruppe B eine Entwicklungsmöglichkeit in die Beschäftigungsgruppe C zu bieten, rechnet der Kollektivvertrag facheinschlägige Berufserfahrung an.
Angestellte, die eine Tätigkeit der Beschäftigungsgruppe B in der Arbeitswelt Verkauf & Vertrieb verrichten, sind nach einer vierjährigen facheinschlägigen Berufserfahrung in die Beschäftigungsgruppe C umzureihen. Die vierjährige facheinschlägige Berufserfahrung gilt als gleichwertiger Qualifikationserwerb zur Lehre als Einzelhandelskaufmann. Eine facheinschlägige Berufserfahrung ist dann gegeben, wenn die Tätigkeiten des Angestellten in vielen Punkten jenen entsprechen, die im Berufsprofil der Ausbildungsordnung zum Einzelhandelskaufmann definiert sind, und damit über die praktische Berufserfahrung ein gleichwertiger Qualifikationserwerb zum Lehrberuf stattfindet. Die Feststellung der Facheinschlägigkeit kann damit nicht auf eine einzelne Tätigkeit abstellen, da sonst der Wert der Lehre infrage gestellt werden würde. Daraus ergibt sich auch die Mindesteinstufung in die Beschäftigungsgruppe C mit einer Lehre als Einzelhandelskaufmann. Die Regelungen zur Umreihung kommen zur Anwendung.
Bei Neueintritten von Angestellten im Verkauf in eine Tätigkeit der BG B sind die Vordienstzeiten daher doppelt wichtig. Zum einen sind diese Basis für die Vordienstzeitenanrechnung und zum anderen ist bei facheinschlägiger Tätigkeit die Anrechnung auf die 4-jährige Frist zur Umreihung in die höhere Beschäftigungsgruppe zu prüfen.
Beispiel 1: Eine Angestellte bewirbt sich für eine Stelle der Gruppe B im Verkauf. Sie kann folgende Ausbildung und Vordienstzeiten nachweisen:
- | Pflichtschulabschluss |
- | 2 Jahre als Arbeiterin im Gastgewerbe |
- | 1 Jahr als Angestellte im Gastgewerbe |
Für die Einstufung werden ihr die Hälfte der Arbeiterzeiten angerechnet, also ein Jahr, und das Jahr als Ange-
stellte. Sie wird in Gruppe B, Stufe 1 im 3. Jahr am 1. 8. 2020 eingereiht.
Zum 1. 8. 2023 hat sie insgesamt 4 Jahre facheinschlägige Berufserfahrung erworben (1 Jahr Vordienstzeit als Angestellte im Gastgewerbe und 3 Jahre im Verkauf). Zu diesem Zeitpunkt ist sie daher in die BG C umzureihen. Da ihr beim Eintritt zwei Vordienstjahre angerechnet werden, hat sie sich zum 1. 8. 2023 in die Stufe 2 ins 3. Jahr (€ 1.740,-) entwickelt. Die Bestimmungen zur Umreihung kommen zur Anwendung. Durch die fiktive Vorrückung in die nächste Stufe der Gruppe B würde sie ein kollektivvertragliches Mindestgehalt von € 1.795,- erreichen. Die Umreihung erfolgt in die nächsthöhere Stufe der BG C, somit in die Stufe 2 mit € 1.837,-.
Die nächste Vorrückung hat sie am 1. 8. 2026.
Beispiel 2: Eine Angestellte wird am 1. 2. 2020 für eine Stelle der Gruppe B im Verkauf eingestellt. Sie kann folgende Ausbildung und Vordienstzeiten nachweisen:
- | Pflichtschulabschluss |
- | 3 Jahre als Arbeiterin in einer Reinigungsfirma |
- | 4 Jahre und 6 Monate Elternkarenz bzw Kinderbetreuungszeiten |
- | 3 Monate als Angestellte im Verkauf |
Für die Einstufung müssen ihr die Hälfte der Arbeiterzeiten angerechnet werden. Weitere 24 Monate werden ihr aufgrund der Elternkarenz bzw Kinderbetreuung angerechnet. Die 3 Monate als Angestellte zählen im vollen Ausmaß. 1 Jahr und 6 Monate + 24 Monate + 3 Monate = 3 Jahre und 9 Monate. Sie wird in Gruppe B, Stufe 2 im 4. Jahr bei Eintritt am 1. 2. 2020 eingereiht. Die erste Vorrückung hat sie am 1. 5. 2022 in die Stufe 3.
Für die 4 Jahre facheinschlägige Berufserfahrung werden ihr die 3 Monate als Angestellte im Verkauf angerechnet. Für die Umreihung hat sie daher ab Eintritt noch 3 Jahre und 9 Monate Erfahrung zu sammeln.
Sie wird nach 2 Jahren und 3 Monaten in die Stufe 3 vorgerückt. Damit kommt sie insgesamt (angerechnete Vordienstzeit als Angestellte und Berufserfahrung im Betrieb) schon auf 2 Jahre und 6 Monate facheinschlägige Berufserfahrung. Nach 1 Jahr und 6 Monaten hat sie die 4 Jahre komplett und wird daher am 1. 11. 2023 in die Beschäftigungsgruppe C umgereiht. Die Regelung zur Umreihung kommt zur Anwendung. Sie wird in jene Stufe mit dem nächsthöheren kollektivvertraglichen Mindestgehalt umgereiht. Auf Basis der aktuellen Werte ist das die Stufe 2 in der Beschäftigungsgruppe C mit € 1.837,-.
Die nächste Vorrückung hat sie am 1. 11. 2024.
Viele Betriebe setzen auf interne Aus- und Weiterbildung, um als attraktiver Arbeitgeber zu punkten und die Mitarbeiterbindung zu stärken. Betriebsinterne Traineeprogramme bieten dabei Entwicklungsmöglichkeiten für die Angestellten sowie eine gute Ausbildung für Neu- und Quereinsteiger, die nach erfolgreichem Abschluss den Einsatz in einer Spezialisten- oder Führungsfunktion vorsehen. Typische Bestandteile solcher Förder- und Schulungsprogramme sind, neben Praxiseinsätzen in verschiedenen Filialen, Abteilungen und Bereichen des Unternehmens, diverse Veranstaltungen und Seminare zu Fach- und Führungsthemen. Der zeitliche Rahmen erstreckt sich meist über mehrere Monate.
Um dieses Modell der Fach- und Führungskarrieren zu fördern, bietet der Kollektivvertrag eine neue Regelung, die ab dem Umstieg in das neue Gehaltssystem genutzt werden kann.
Ein Trainee befindet sich im Zuge seines Traineeprogramms in einer beruflichen Entwicklungsphase, die auf seine zukünftige Tätigkeit zugeschnitten ist. Es werden sowohl praktische Tätigkeiten absolviert als auch Qualifizierungsmaßnahmen durchgeführt, der Ausbildungscharakter steht immer im Vordergrund. Diese Entwicklungsphase wird im neuen Gehaltssystem bei der Einreihung ins Beschäftigungsgruppenschema in einer Beschäftigungsgruppe unter der angestrebten Spezialisten- oder Führungsposition berücksichtigt.
Die Rahmenbedingungen:
- | Die Einstufung erfolgt in eine Beschäftigungsgruppe unter der Zielposition für einen Zeitraum von maximal 18 Monaten. |
- | Dem Trainee ist zu Beginn seines Ausbildungsprogramms ein schriftlicher Ausbildungsplan auszuhändigen. |
- | Am Ende des Traineeprogramms erfolgt die Umreihung in die (höhere) Beschäftigungsgruppe der Zielposition. Die Zeit im Traineeprogramm wird nicht in die höhere Gruppe mitgenommen. Die Entwicklung in der höheren Gruppe beginnt im ersten Jahr der Stufe. Der Vorrückungsstichtag ändert sich daher. |
- | Übernimmt der Trainee seine Zielposition zu einem früheren Zeitpunkt, so ist die Höherreihung bereits zu diesem Zeitpunkt vorzunehmen. |
Bei einer Höherqualifizierung eines Angestellten im aufrechten Dienstverhältnis ist zu prüfen, ob die aktuelle Einstufung eine Beschäftigungsgruppe niedriger als die Beschäftigungsgruppe der Zielposition ist. Liegt die Einstufung darunter, ist für die Absolvierung des Traineeprogramms entsprechend den Bestimmungen des Kollektivvertrages der Angestellte höher zu reihen.
Beispiel: Eine Angestellte ist in der Gruppe D, Stufe 3 im zweiten Jahr eingereiht und steigt am 1. 3. 2021 in ein Traineeprogramm des Betriebes ein. Sie soll in Folge die Funktion einer Filialleiterin übernehmen.
- | Dauer des Traineeprogramms: 6 Monate |
- | Einstufung der Zielposition: Beschäftigungsgruppe F |
- | kollektivvertragliches Mindestgehalt D, Stufe 3/2: € 2.119,- |
Da die Zielposition eine Einreihung in die Gruppe F zur Folge hat, ist die Angestellte für die Dauer des Trainee-
programms in die Gruppe E umzureihen: Umreihung in Gruppe E Stufe 3/1 mit 1. 3. 2021 = € 2.370,-
Bei Übernahme der Funktion als Filialleiterin wird die Angestellte wieder umgereiht: Umreihung in Gruppe F Stufe 2/1 mit 1. 9. 2021 = € 2.555,-
Die nächste Vorrückung hat sie am 1. 9. 2024.
Bei einer Neueinstellung erfolgt die Einstufung mit entsprechender Anrechnung der Vordienstzeiten eine Beschäftigungsgruppe niedriger als die Beschäftigungsgruppe der Zielposition.
Beispiel: Eine Angestellte tritt mit 1. Mai in das Unternehmen ein. Sie soll sich über die Entwicklungseinstufung zu einer Fachexpertin entwickeln. Unter Anrechnung der Vordienstzeiten (7 Jahre) wird sie in der Gruppe E, Stufe 3 im zweiten Jahr eingereiht.
- | Dauer des Traineeprogramms: 6 Monate |
- | Einstufung der Zielposition: Beschäftigungsgruppe F |
- | kollektivvertragliches Mindestgehalt E Stufe 3/2 mit 1. 5. 2021: € 2.370,- |
Bei Übernahme der Funktion als Fachexpertin wird die Angestellte umgereiht: Umreihung in Gruppe F Stufe 2/1 mit 1. 11. 2021 = € 2.555,-
Eine Überzahlung kann vereinbart werden. Zuschläge oder Zulagen sind unabhängig von der Entwicklungseinstufung zu behandeln.
Die nächste Vorrückung hat sie am 1. 11. 2024.
Eine Überzahlung kann bei der Umreihung angerechnet bzw bei Übernahme der Funktion vereinbart werden. Zuschläge, Zulagen oder Aufwandsentschädigungen sind unabhängig von der Entwicklungseinstufung zu behandeln.
Hinweis: Weitere Berechnungsbeispiele mit den Werten 2021 und Erläuterungen finden Sie im Leitfaden der Sozialpartner "Der neue Kollektivvertrag für Angestellte im Handel", erschienen im DBV Verlag (als Print- und Onlineausgabe erhältlich).