Arbeitsrecht

Betriebsübergang und Übergang der Arbeitsverhältnisse

Ulrich Runggaldier

Anmerkungen zum Entwurf eines Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes

Nach geltendem österreichischen Recht ist unstrittig, daß im Fall eines Betriebsüberganges die Arbeitsverhältnisse nicht automatisch mit übergehen. Damit diese mit dem Betrieb übergehen können, ist erforderlich, daß es zu einer sog Arbeitsvertragsübernahmevereinbarung kommt. Das ist eine Vereinbarung zwischen dem Veräußerer, dem Erwerber und dem betroffenen Arbeitnehmer (AN), die die Aufrechterhaltung des bisherigen Arbeitsverhältnisses bei Änderung der Person des Arbeitgebers (AG) zum Gegenstand hat1). In der Praxis erfolgt die Zustimmung des AN zum Übergang des Arbeitsverhältnisses zumeist schlüssig, wobei die Judikatur eine solche bereits dann annimmt, wenn der AN ohne Protest die Arbeit unter dem neuen Betriebsinhaber fortsetzt. Ähnliches gilt hinsichtlich des Erwerbers: erklärt der Erwerber nicht ausdrücklich, die Übernahme bestimmter AN abzulehnen, so geht die Judikatur davon aus, daß er damit sein Einverständnis hinsichtlich des Überganges aller AN zum Ausdruck bringt2). Folge dieser Rechtslage ist, daß sowohl die AN als auch der Erwerber dem Übergang der (des) betroffenen Arbeitsverhältnisse(s) widersprechen können. Aus sozialpolitischer Sicht ist dies deshalb problematisch, weil der Erwerber sich darauf beschränken kann, nur leistungsstarke, jüngere AN zu übernehmen. Der daraus folgende Verbleib der älteren und leistungsschwachen AN beim Veräußerer wird in aller Regel deren Kündigung zur Folge haben, da der bisherige AG einen Betrieb zur Weiterbeschäftigung dieser AN nicht mehr haben wird; er hat ja den Betrieb veräußert3). Das heißt, daß über den Weg des Betriebsübergangs letztlich der Kündigungsschutz des § 105 ArbVG zumindest ansatzweise ausgehöhlt werden kann. Darüber hinaus ist aus AN-Sicht die Rechtslage auch deshalb unbefriedigend, weil der Erwerber sich vorbehalten kann, die AN nur unter der Bedingung zu übernehmen, daß sie auf bestimmte Sozialleistungen oder Sonderleistungen, die ihnen bisher zustanden, verzichten4). Diesfalls ist das Übernahmeangebot des Erwerbers mit einem Änderungsangebot gekoppelt. Es handelt sich daher um einen Mechanismus, der dem der Änderungskündigung vergleichbar ist. Lehnt der AN die beantragte Vertragsänderung ab, so wird er nicht übernommen und aller Voraussicht nach vom bisherigen AG gekündigt. Stimmt er der Vertragsänderung zu, so wird er übernommen, allerdings zu schlechteren Bedingungen. Dieser Zustand wurde von Krejci in einem vor einigen Jahren in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beitrag als Sozialdemontage bezeichnet5). Zu bedenken ist allerdings, daß eine solche Verschlechterung nicht ohne jede Schranke zulässig ist; insb ist eine Vertragsänderung nur im Rahmen des nachgiebigen Gesetzesrechts möglich. So wird der AN nicht auf die Anrechnung der Dienstzeiten in bezug auf die Abfertigung wirksam verzichten können, da ein solcher Verzicht gegen den zwingenden Charakter des § 23 iV mit § 40 AngG verstößt6).

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Artikel-Nr.
RdW 1992, 375

01.11.1992
Heft 11/1992
Autor/in
Ulrich Runggaldier

Univ.-Prof. Dr. Ulrich Runggaldier war Professor für Arbeitsrecht und Sozialrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Schwerpunkte: Europäisches Arbeits- und Sozialrecht; Kollektives Arbeitsrecht; Recht der betrieblichen Altersversorgung; Sozialversicherungsrecht.