Wirtschaftsrecht

Bilanzpublizität für jedermann?Überlegungen zum „Daihatsu“-Urteil des EuGH

Michael Gruber

Im österreichischen Schrifttum wird nach dem „Daihatsu“-Urteil des EuGH zum deutschen Bilanzrecht einmütig und mit Erleichterung befunden, das österreichische Rechnungslegungsrecht entspreche den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Den Verfasser dieses Beitrages plagen Zweifel, ob dem wirklich so ist.

Der EuGH1) hat in einem vom OLG Düsseldorf2) eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren erkannt, daß die Regelung des§ 335 dHGB keine ausreichende Umsetzung des Art 6 PublizitätsRL3) darstellt, der von den Mitgliedstaaten geeignete Maßregeln für die Durchsetzung der Offenlegung von Jahresabschlüssen (Art 2 Abs 1 lit f PublizitätsRL) verlangt4). Die Verpflichtung zur Offenlegung des Jahresabschlusses ergibt sich aus Art 47 Abs 1 JahresabschlußRL5) iVm Art 3 PublizitätsRL6). Entscheidendes Defizit der deutschen Regelung ist es, daß die Zwangsstrafe wegen Nichtvorlage des Jahresabschlusses, Lageberichtes usw beim Registergericht nur auf Antrag eines begrenzten, vom Gesetzgeber als besonders betroffen erachteten Personenkreises (Gesellschafter, Gläubiger oder Betriebsrat der Gesellschaft) verhängt werden kann (§ 335 Satz 1 Nr 6 iVm Satz 2 dHGB)7). Die österreichische Rechtslage entsprach bis zum EU-GesRÄG 1996 der deutschen, nunmehr ist in§ 283 HGB die amtswegige Verhängung der Zwangsstrafe vorgesehen8). Seit dem EU-GesRÄG hat die Bilanzpublizität auch eine deutlich größere wirtschaftspolitische Dimension, da nunmehr jedenfalls im Grundsatzalle Gesellschaften unabhängig von ihrer Größe offenlegungspflichtig sind9). Die bisherigen österreichischen Stellungnahmen zum „Daihatsu“-Urteil erachten die amtswegige Zwangsstrafenbefugnis in§ 283 HGB als eine geeignete (und offenbar auch ausreichende) Maßregel iSd Art 6 PublizitätsRL entsprechend den Vorgaben des EuGH und sehen anders als in Deutschland keinen Anpassungsbedarf10).

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Artikel-Nr.
RdW 1998, 525

15.09.1998
Heft 9/1998
Autor/in
Michael Gruber

Univ. Prof. Dr. Michael Gruber lehrt Unternehmensrecht an der Universität Salzburg.