Die Berufung auf Formalstandpunkte kann treuwidrig sein, wenn die Gesellschafter einer GmbH durch langjährige Übung vom Inhalt des Gesellschaftsvertrags abweichen und dadurch einen Vertrauenstatbestand schaffen. Dem steht auch die objektive Auslegung des Gesellschaftsvertrags nicht entgegen.1
Der OGH hat kürzlich zu 6 Ob 155/20t und 6 Ob 140/20m zwei bemerkenswerte Entscheidungen2 gefällt, deren Ausgangspunkt eine GmbH ist, an der eine Mehrheitsgesellschafterin zu zwei Dritteln und eine Minderheitsgesellschafterin zu einem Drittel beteiligt ist. Die Minderheitsgesellschafterin erhielt bei Gründung der Gesellschaft ein Entsendungsrecht für einen von vier Kapitalvertretern im Aufsichtsrat, die Mehrheitsgesellschafterin konnte zwei Aufsichtsratsmitglieder entsenden. Die einvernehmliche Bestellung des vierten Mitglieds wurde in einem zwischen den Gesellschaftern abgeschlossenen Syndikatsvertrag festgehalten. Den entsandten Aufsichtsratsmitgliedern werden im Gesellschaftsvertrag jeweils Sonderzustimmungsrechte für wichtige Geschäftsführungsmaßnahmen eingeräumt, welche der OGH in der ersten der beiden Entscheidungen - 6 Ob 155/20t - als "de facto Vetorechte" qualifiziert hat. Den von beiden Gesellschaftern entsandten Aufsichtsratsmitgliedern kam also jeweils bestimmender Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft zu.
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