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Dr. Stefan Weinhandl
Abstract
Im österreichischen Abgabenrecht stellt der in der Bundesabgabenordnung verankerte Rechtsschutz die einzige Möglichkeit dar, Steuerbescheide zu bekämpfen. Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften trifft neben der wirtschaftlichen auch die gesellschaftsrechtliche Pflicht, von diesen Rechtsschutzinstrumenten zum Wohle des Unternehmens Gebrauch zu machen. Dabei obliegt es in erster Instanz dem Bundesfinanzgericht über die Begehren der Steuerpflichtigen zu entscheiden. Diesem Stadium des Rechtsmittelweges widmet sich die vorliegende Arbeit. Die Beantwortung der Forschungsfrage: „Welche Faktoren beeinflussen finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaftsteuer?“ ist für die Adressaten von Steuerbescheiden und für deren rechtliche Vertreter, für das Bundesfinanzgericht, für die Legislative sowie für die Wissenschaft bedeutsam.
Die durchgeführten Analysen sind konzeptionell den empirisch, quantitativen Untersuchungen zuzuordnen. Sie basieren auf 4.276 finanzgerichtlichen Entscheidungen der Jahre 2003 bis 2014 zur Körperschaftsteuer. Methodisch wird auf Binomialtests, ordinale und multinomiale logistische sowie auf multiple lineare Regressionen zurückgegriffen.
Diese Auswertungen liefern für finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaftsteuer folgende, statistisch signifikante Ergebnisse:
(1) Die Wahrscheinlichkeit, dass Finanzämter „gewinnen“, liegt in 95 % aller Fälle über 76,8 %.
(2) Werden Steuerpflichtige durch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (Rechtsanwälte) vertreten, ist das Verhältnis zwischen „gewonnen“ („teilweise gewonnenen“) und „verlorenen“ Verfahren um den Faktor 1,42 (2,64) größer, als wenn sie sich selbst vertreten.
(3) Wird über die Rechtsschutzinstrumente Abänderung, Zurücknahme oder Aufhebung entschieden, so ist das Verhältnis zwischen „gewonnen“ und „verlorenen“ Verfahren um den Faktor 2,60 größer, als wenn über Bescheidbeschwerden entschieden wird.
(4) Die Verfahrensdauer ist mit 1,19 (1,49) zu multiplizieren, wenn Steuerpflichtige „gewinnen“ („teilweise gewinnen“) anstatt zu „verlieren“.
(5) Die Verfahrensdauer ist mit 1,16 zu multiplizieren, wenn sich Steuerpflichtige nicht selbst vertreten, sondern sich durch Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen.
Darüber hinaus kommen die empirischen Untersuchungen für die an die finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer anschließenden höchstgerichtlichen Verfahren zu folgenden, statistisch signifikanten Resultaten:
(6) Die Wahrscheinlichkeit, dass Finanzämter vor dem VwGH „gewinnen“, liegt in 95 % aller Fälle über 60,6 %.
(7) Die Wahrscheinlichkeit, dass Finanzämter vor dem VfGH „gewinnen“, liegt in 95 % aller Fälle über 85,1 %.
Aus diesen Ergebnissen lässt sich zusammenfassend ableiten, dass für Steuerpflichtige die Wahrscheinlichkeit gering ist, ein Verfahren zur Körperschaftsteuer zu gewinnen. Jedoch steigen ihre Chancen signifikant, wenn sie sich vor Gericht von Experten vertreten lassen.
Inhaltsverzeichnis
Abstract | |||||||
Inhaltsverzeichnis | |||||||
1 | Einleitung | ||||||
1.1 | Ausgangslage und Motivation | ||||||
1.2 | Themenabgrenzung, Forschungsfrage und Zielsetzung | ||||||
1.3 | Bedeutung und Relevanz der Untersuchung | ||||||
1.4 | Theoretisch-konzeptioneller Rahmen, Forschungsmethode und Gliederung | ||||||
2 | Empirische Analyse der finanzgerichtlichen Rechtsprechung zur Körperschaftsteuer | ||||||
2.1 | Gang und Aufbau der Untersuchung | ||||||
2.2 | Hypothesen | ||||||
2.3 | Daten | ||||||
2.4 | Vorstellung der Variablen | ||||||
2.4.1 | Verfahrensausgang | ||||||
2.4.2 | Beschwerdejahr und -monat | ||||||
2.4.3 | Entscheidungsjahr und -monat | ||||||
2.4.4 | Verfahrensdauer | ||||||
2.4.5 | Gerichtsstand | ||||||
2.4.6 | Rechtsvertretung | ||||||
2.4.7 | Rechtsschutzinstrument | ||||||
2.4.8 | VwGH | ||||||
2.4.9 | VwGH-Verfahrensausgang | ||||||
2.4.10 | Revisionswerber | ||||||
2.4.11 | VfGH | ||||||
2.4.12 | VfGH-Verfahrensausgang | ||||||
2.5 | Erfolgsaussichten in finanzgerichtlichen Verfahren | ||||||
2.5.1 | Deskriptive Statistik | ||||||
2.5.1.1 | Verfahrensausgang und Entscheidungsjahr | ||||||
2.5.1.2 | Verfahrensausgang und Verfahrensdauer | ||||||
2.5.1.3 | Verfahrensausgang und Gerichtsstand | ||||||
2.5.1.4 | Verfahrensausgang und Rechtsvertretung | ||||||
2.5.1.5 | Verfahrensausgang und Rechtsschutzinstrument | ||||||
2.5.2 | Induktive Statistik | ||||||
2.5.2.1 | Binomialtest | ||||||
2.5.2.2 | Multinomiale logistische Regression | ||||||
2.5.2.2.1 | Modell | ||||||
2.5.2.2.2 | Ergebnisse | ||||||
2.5.2.2.3 | Robustheit | ||||||
2.6 | Dauer finanzgerichtlicher Verfahren | ||||||
2.6.1 | Deskriptive Statistik | ||||||
2.6.1.1 | Verfahrensdauer und Entscheidungsjahr | ||||||
2.6.1.2 | Verfahrensdauer und Gerichtsstand | ||||||
2.6.1.3 | Verfahrensdauer und Rechtsvertretung | ||||||
2.6.1.4 | Verfahrensdauer und Rechtsschutzinstrument | ||||||
2.6.2 | Induktive Statistik: Multiple lineare Regression | ||||||
2.6.2.1 | Modell | ||||||
2.6.2.2 | Ergebnisse | ||||||
2.6.2.3 | Robustheit | ||||||
2.7 | Erfolgsaussichten in höchstgerichtlichen Verfahren und Qualität finanzgerichtlicher Entscheidungen | ||||||
2.7.1 | Revisionen an den VwGH | ||||||
2.7.1.1 | Deskriptive Statistik | ||||||
2.7.1.1.1 | VwGH-Verfahrensausgang und Verfahrensausgang | ||||||
2.7.1.1.2 | VwGH-Verfahrensausgang und Entscheidungsjahr | ||||||
2.7.1.1.3 | VwGH-Verfahrensausgang und Gerichtsstand | ||||||
2.7.1.1.4 | VwGH-Verfahrensausgang und Revisionswerber | ||||||
2.7.1.2 | Induktive Statistik | ||||||
2.7.1.2.1 | Binomialtest | ||||||
2.7.1.2.2 | Multinomiale logistische Regression | ||||||
2.7.1.2.2.1 | Modell | ||||||
2.7.1.2.2.2 | Ergebnisse | ||||||
2.7.1.2.2.3 | Robustheit | ||||||
2.7.2 | Beschwerden an den VfGH | ||||||
2.7.2.1 | Deskriptive Statistik | ||||||
2.7.2.1.1 | VfGH-Verfahrensausgang und Verfahrensausgang | ||||||
2.7.2.1.2 | VfGH-Verfahrensausgang und Entscheidungsjahr | ||||||
2.7.2.1.3 | VfGH-Verfahrensausgang und Gerichtsstand | ||||||
2.7.2.2 | Induktive Statistik: Binomialtest | ||||||
2.7.3 | Qualität finanzgerichtlicher Entscheidungen | ||||||
2.8 | Limitationen der Untersuchungen | ||||||
3 | Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick |
Die Rechtsstaatlichkeit ist in Österreich ein wesentliches, in der Bundesverfassung verankertes1 Prinzip und gilt als einer der fünf Grundsätze2 des Verfassungsrechtes. Sie besagt, dass die gesamte staatliche Verwaltung nur aufgrund von Gesetzen ausgeübt werden darf3 und bindet somit alles staatliche Handeln an die geltenden Rechtsvorschriften.4 Je nach Zweck und Bestimmung dieser Vorschriften unterscheidet die Rechtswissenschaft zwischen materiellem und formellem Recht. Unter materiellem Recht werden jene Normen verstanden, die ein bestimmtes Verhalten vorschreiben und für den Fall der Nichtbefolgung Sanktionen anordnen.5 Demgegenüber regelt das formelle Recht das Verfahren, durch das materielle Ansprüche festgestellt und durchgesetzt werden können.6
Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, die damit einhergehende Gesetzesgebundenheit der österreichischen Verwaltung und die Unterscheidung zwischen materiellem und formellem Recht gelten als allgemeine Grundsätze auch im Bereich des Abgaben- und Steuerrechtes.7 So sind bspw die überwiegenden Teile des Umsatzsteuer-, des Einkommensteuer- und des Körperschaftsteuergesetzes dem materiellen Recht zuzuordnen.8 Diesen Gesetzen steht eine Reihe von verfahrensrechtlichen und sohin dem formellen Recht zuzuordnenden Vorschriften gegenüber.9 Um etwaige Ansprüche aus materiellen Normen durchsetzen zu können, muss sich der Betroffene daher auch in Abgaben- und Steuerangelegenheiten des formellen Rechtes bedienen. Dies gilt insb auch dann, wenn ein vom Finanzamt zugestellter Steuerbescheid bekämpft werden soll.
Die Bundesabgabenordnung (BAO) stellt in einem solchen Fall die wesentlichste formelle Rechtsgrundlage dar. Anzuwenden ist sie für alle öffentlichen Abgaben10 sowie für Beiträge an öffentliche Fonds und an Körperschaften des öffentlichen Rechts.11 Mit dem Inkrafttreten des AbgVRefG am 1. Jänner 2010 wurde ihr Anwendungsbereich, der zuvor im Wesentlichen auf Bundesabgaben beschränkt war,12 auch auf Landes- und Gemeindeabgaben ausgeweitet.13 Seither fungiert die BAO als einheitliches Gesetzeswerk für allgemeine und verfahrensrechtliche Normen.14 In ihr finden sich neben zahlreichen Begriffsbestimmungen und abgabenrechtlichen Grundsätzen15 auch konkrete Regelungen zur Erhebung16 und Einhebung17 der Abgaben sowie zum Rechtsschutz.18 Insb Letzterer spielt für Steuerpflichtige eine entscheidende Rolle, weil die in diesem Abschnitt der BAO normierten Verfahrensbestimmungen die einzige Möglichkeit darstellen, einen vom Finanzamt zugestellten Bescheid zu bekämpfen. Als Rechtsschutzinstrumente stehen dem Abgabepflichtigen dabei neben dem ordentlichen Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde19 in bestimmten Fällen auch noch sonstige Maßnahmen zur Abänderung, Zurücknahme oder Aufhebung des Bescheides20 sowie zur Wiederaufnahme des Verfahrens oder zur Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zur Verfügung.
Die BAO stellt mit ihren Bestimmungen zum Abgabenverfahren demnach jene gesetzliche Grundlage dar, die den Steuerpflichtigen Rechtsschutz garantiert21 und sie somit vor der Willkür der Finanzverwaltung schützt. Die Kenntnis der in ihr normierten formellen Regelungen ist für Abgabepflichtige und insb auch für die beratende Praxis22 wesentlich, weil die BAO somit ein essenzieller und unabdingbarer Bestandteil eines jeden Verfahrens zur Bescheidbekämpfung ist.
Mit der Entscheidung in derartigen Verfahren gegen die von den Finanzämtern erlassenen Bescheide war bis zum 1. Jänner 2014 der am 1. Jänner 2003 gegründete Unabhängige Finanzsenat (UFS)23 als Abgabenbehörde zweiter Instanz betraut.24 Beim UFS handelte es sich jedoch um kein Gericht im Sinne des B-VG, sondern um eine unabhängige Verwaltungsbehörde,25 sodass die Verwaltungsgerichtsbarkeit nur vom VwGH ausgeübt wurde. Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 wurde die Rechtskontrolle des abgabenbehördlichen Handelns auf neue Beine gestellt:26 Beschwerden zur Anfechtung von Bescheiden sind seit ihrem Inkrafttreten am 1. Jänner 2014 gemäß § 243 BAO an das neu geschaffene Bundesfinanzgericht (BFG) zu richten.27 Damit wurde erstmals auch im Steuerrecht eine zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit implementiert: Die erste Stufe bildet das BFG, die zweite der VwGH.28 Ein Berufungsverfahren innerhalb der Verwaltung ist seither nicht mehr vorgesehen.29
Wie bereits beim UFS werden die Entscheidungen beim BFG jedoch weiterhin entweder durch Einzelrichter oder in Senaten,30 bestehend aus zwei Berufsrichtern und zwei sogenannten fachkundigen Laienrichtern, getroffen.31 Auch an der Zusammensetzung dieser Senate hat sich praktisch nichts geändert, weil sämtlichen Mitgliedern des UFS per Gesetz32 die Möglichkeit eingeräumt wurde, schriftlich ihre Ernennung zum BFG-Richter zu beantragen.33 Darüber hinaus ist in den Verfahren vor dem BFG unverändert die BAO anwendbar.34 Auch sind der VfGH und der VwGH weiterhin für die höchstgerichtliche Kontrolle zuständig,35 jedoch steht die ordentliche Revision an Letzteren nur noch dann offen, wenn es sich um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung handelt.36
Alle im Rechtsmittelverfahren zuständigen Gerichte stehen in der Verantwortung, auf Basis der geltenden Rechtslage und des ihnen bekannten Sachverhaltes über die Bescheidbeschwerden der Abgabepflichtigen zu entscheiden. Sonstige Parameter, wie die Vertretung vor Gericht durch einen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt oder Notar, oder das gewählte Rechtsschutzinstrument sollten, zumindest in einem idealtypischen Rechtssystem, keine Auswirkungen auf ihre Entscheidungen haben. In der Praxis jedoch stehen die zu beurteilenden Sachverhalte weder in all ihren Elementen fest, noch sind die einschlägigen Rechtsnormen derart ausgestaltet, dass sie sich ohne Auslegung anwenden lassen.37 Daher kann erwartet werden, dass sowohl die Art der Sachverhaltsdarstellung als auch jene der Gesetzesauslegung maßgebend für die richterlichen Entscheidungen sind.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie wirksam der Rechtsschutz und das Verfahrensrecht im österreichischen Abgabenrecht ausgestaltet sind und wie nahe die richterliche Entscheidungsfindung dem idealtypischen Rechtssystem kommt. Diese beiden Fragestellungen dienen als Motivation, die Entscheidungen des UFS bzw des BFG genauer zu untersuchen.
Um einen besseren Lesefluss zu gewährleisten, werden in der Folge immer dann, wenn sowohl Verfahren vor dem UFS als auch solche vor dem BFG gemeint sind, vereinfachend der Begriff „finanzgerichtliche Verfahren“ und wenn sowohl Entscheidungen des UFS als auch solche des BFG gemeint sind, der Begriff „finanzgerichtliche Entscheidungen“ verwendet.38
Unternehmerische Entscheidungen sind so zu treffen, dass sie das Wohl des Unternehmens gewährleisten und die Erreichung der Unternehmensziele begünstigen. Dies ergibt sich zum einen aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen und ist für Körperschaften zum anderen auch gesetzlich normiert:39 Aus § 25 Abs 1 GmbHG geht hervor, dass Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber verpflichtet sind, bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Des Weiteren verlangt auch § 70 Abs 1 AktG von Vorständen, die Gesellschaft so zu leiten, wie es das Wohl des Unternehmens erfordert.40
Da sich Steueraufwendungen negativ auf das Ergebnis auswirken, trifft die Geschäftsführung von Körperschaften daher sowohl die finanzielle41 als auch die gesellschaftsrechtliche Pflicht,42 steuerminimierend zu handeln.43 Einen wesentlichen Aspekt stellt dabei die Durchsetzung der materiell-rechtlichen Ansprüche gegenüber der Finanzverwaltung dar, weshalb zu Unrecht zuungunsten der Gesellschaft ergangene Steuerbescheide in den meisten Fällen anzufechten sind. Wird der Rechtsmittelweg beschritten, so ist letztlich der Ausgang des Verfahrens das zur Messung des Zielerreichungsgrades heranzuziehende Beurteilungskriterium. Für die Geschäftsführung bedeutend ist dabei, welche steuerlichen Konsequenzen sich für das Unternehmen aufgrund der ergangenen Entscheidung ergeben. Demnach wiegt ein aus formellen Gründen verlorenes Verfahren genauso schwer wie eines, in dem in der materiellen Rechtsfrage gegen die Gesellschaft entschieden wird.
Aufgrund des Umstandes, dass Geschäftsführer von Körperschaften nicht nur wirtschaftliche Gründe, sondern auch die gesellschaftsrechtliche Verpflichtung zur Bekämpfung von Steuerbescheiden haben, fokussiert sich diese Arbeit auf die Untersuchung von finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer.
Daraus und aus den im vorherigen Kapitel gestellten Fragen nach der Wirksamkeit des in der BAO verankerten Rechtsschutzes und nach den die finanzgerichtlichen Entscheidungen beeinflussenden Faktoren, lässt sich folgende, dieser Dissertation zugrunde liegende Forschungsfrage ableiten:
Forschungsfrage: Welche Faktoren beeinflussen finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaftsteuer? |
Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist es, diese Frage systematisch zu beantworten. Um dies zu erreichen, erscheint ein rein normativer Zugang nicht sinnvoll, weil ein solcher lediglich die theoretische Bedeutung des Rechtsmittelverfahrens aufzeigen kann. Daher wird als Methode, in Anlehnung an die in den letzten Jahren in der englischsprachigen Literatur verstärkt aufkommenden „empirical legal studies“, eine empirische Analyse der Rechtsprechung durchgeführt. Diese ermöglicht es, quantitative Aussagen über den Forschungsgegenstand und somit über die das finanzgerichtliche Verfahren beeinflussenden Faktoren zu treffen.
Dazu muss die weit formulierte Forschungsfrage operationalisiert werden, weshalb sie in einem ersten Schritt in folgende drei Teilfragen zerlegt wird, deren Beantwortung sich der empirische Teil dieser Arbeit widmet:
Teilfrage 1: |
Welche Faktoren beeinflussen den Ausgang finanzgerichtlicher Verfahren zur Körperschaftsteuer? |
Teilfrage 2: |
Welche Faktoren beeinflussen die Dauer finanzgerichtlicher Verfahren zur Körperschaftsteuer? |
Teilfrage 3: |
Welche Faktoren beeinflussen den Ausgang höchstgerichtlicher Verfahren zur Körperschaftsteuer? |
Bei jenen Fragen, bei denen latente Variablen gemessen werden sollen, erfolgt in einem zweiten Schritt deren Operationalisierung. Dies ist bei der ersten und der dritten Teilfrage der Fall. Anschließend werden durch Vornahme von statistischen Analysen empirische und quantitative Antworten auf die drei Teilfragen und damit auf die Forschungsfrage selbst gegeben.
Die Beantwortung der Frage nach den die finanzgerichtlichen Entscheidungen zur Körperschaftsteuer beeinflussenden Faktoren, ist sowohl für die Praxis als auch für die Wissenschaft von Bedeutung. Insb entfaltet sie für die folgenden Personenkreise Relevanz:
Erstens ist sie für jede Körperschaft wesentlich, die Adressat eines nicht rechtskonformen Steuerbescheides ist. Die Geschäftsführung kann die Ergebnisse der empirischen Auswertung bei der Abwägung, ob sie den Bescheid im Rechtsmittelweg bekämpfen soll, als ein zusätzliches Entscheidungskriterium heranziehen. Für den Fall, dass sie die Einbringung der Beschwerde wählt, liefert die Untersuchung darüber hinaus auch Hinweise darauf, welche Auswirkungen es statistisch gesehen hat, wenn sich die Gesellschaft vor Gericht von einem Experten vertreten lässt.
Zweitens sind die Ergebnisse für die als gesetzliche Vertreter im finanzgerichtlichen Verfahren zugelassenen Berufsgruppen (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte und Notare) von Relevanz. Diese können die empirische Analyse sowohl als ein zusätzliches Kriterium bei der Entscheidung über die Einbringung von Beschwerden als auch als Argumentationshilfe bei Beratungsgesprächen mit ihren Mandanten nutzen. Des Weiteren können die Ergebnisse hinsichtlich der Erfolgsaussichten in finanzgerichtlichen Verfahren ebenfalls zu einem Vergleich zwischen diesen Berufsgruppen herangezogen werden und so evtl Veränderungen und Reformen in den Berufsständen initiieren.
Drittens ist die Untersuchung auch für die Judikative von Bedeutung. Die im Abgabenverfahren zuständigen Richter sollten in einem idealtypischen Rechtssystem ausschließlich auf Basis der geltenden Rechtslage und des Sachverhaltes zeitnah entscheiden. Die Ergebnisse der Analyse können von den Gerichten dazu verwendet werden, diesen Sollzustand mit dem im Untersuchungszeitraum vorliegenden Istzustand zu vergleichen, etwaige Abweichungen zu analysieren und notwendigenfalls Anpassungen in ihrer Organisation einzuleiten.
Viertens können sich durch die Ergebnisse der empirischen Auswertung auch Impulse für die Legislative ergeben. Deren Aufgabe ist es, im Gesetzeswege sicherzustellen, dass die Gerichte unabhängig und auf Basis der geltenden Rechtslage entscheiden. Haben hingegen auch sonstige Faktoren einen Einfluss auf die Entscheidungen der Gerichte, könnte dies dem Gesetzgeber ein Anlass sein, um legistische Vorkehrungen dagegen zu treffen.
Fünftens leisten die aus der empirischen Analyse der finanzgerichtlichen Rechtsprechung gewonnen Erkenntnisse einen neuen Beitrag zur akademischen Diskussion, weil bislang noch keine derartige Untersuchung durchgeführt wurde. Sie sind somit auch für die Wissenschaft von Bedeutung. Forscher könnten sich insb die Fragen stellen, warum die Faktoren einen Einfluss auf die Entscheidungen der Gerichte haben, welche zusätzlichen, in dieser Arbeit nicht behandelten Variablen von Relevanz sein könnten und ob es Umstände gibt, unter denen sich die Intensität des Einflusses der einzelnen Parameter auf die Gerichtsentscheidungen verändert.
Die Forschungsarbeit widmet sich der statistischen Analyse der finanzgerichtlichen Rechtsprechung zur Körperschaftsteuer. Im folgenden Kapitel 2 werden Hypothesen aus der Forschungsfrage abgeleitet und einer empirischen Prüfung unterzogen. Konzeptionell stellt dieser Teil der Arbeit eine empirisch wissenschaftliche, quantitative Untersuchung dar.44 Dabei wird dem wissenschaftstheoretischen Ansatz des kritischen Rationalismus45 von Popper46 gefolgt, wonach wissenschaftliche Sätze und Theorien niemals empirisch verifizierbar sind. Stattdessen müssen sie an der Erfahrung scheitern und somit auch durch methodische Falsifikationsversuche überprüft werden können. Nach Kromrey47 stellt diese Prüfbarkeit darüber hinaus auch eine der Grundvoraussetzungen dafür dar, dass bei einer aufgestellten Vermutung über einen Zusammenhang von mindestens zwei Variablen von einer Hypothese gesprochen werden kann. Da die im zweiten Kapitel aufgestellten Hypothesen das Kriterium der Falsifizierbarkeit erfüllen und sie darüber hinaus auch im Rahmen einer empirischen Analyse einer Überprüfung unterzogen werden, eignet sich der Ansatz von Popper, um wissenschaftlich fundierte Aussagen über den Forschungsgegenstand treffen zu können.48
Im Anschluss an diese wissenschaftstheoretische Einordnung der Dissertation werden nun die Inhalte der einzelnen Kapitel näher erläutert, um einen tieferen Einblick in die Forschungsarbeit zu gewähren.
Kapitel 1 widmete sich bereits der Ausgangslage und der sich daraus ergebenden Motivation, diese Arbeit zu verfassen. Darüber hinaus erfolgten die Themenabgrenzung, die Formulierung der Forschungsfrage, die Festlegung der Zielsetzungen und die Darstellung der Bedeutung dieser Dissertation für Wissenschaft und Praxis. Auch wurde bereits eine theoretisch-konzeptionelle Einordnung vorgenommen. In der Folge werden noch der Aufbau der Arbeit sowie die zur Anwendung kommenden Forschungsmethoden erörtert.
Kapitel 2 widmet sich der empirischen Analyse der finanzgerichtlichen Rechtsprechung zur Körperschaftsteuer. Nach Vorstellung des Untersuchungsaufbaues werden aus der im ersten Kapitel formulierten Forschungsfrage Hypothesen abgeleitet. Im Anschluss daran erfolgen die Darstellung der zur Überprüfung dieser Hypothesen verwendeten Daten sowie die Beschreibung der Aufbereitung dieser Daten zu empirisch auswertbaren Variablen.49 Der nachkommende Abschnitt bildet den Hauptteil des zweiten Kapitels. Hier werden die Hypothesen empirisch getestet, um die aus der Forschungsfrage abgeleiteten Teilfragen beantworten zu können. Es erfolgt eine Gliederung in drei Unterkapitel (2.5, 2.6 und 2.7), die im Anschluss, insb im Hinblick auf die in diesen zur Anwendung kommenden Forschungsmethoden, vorgestellt werden:
1) | Erfolgsaussichten in finanzgerichtlichen Verfahren (Kapitel 2.5): Zur Beantwortung der ersten Teilfrage wird empirisch untersucht, inwiefern die Erfolgsaussichten von Steuerpflichtigen bei finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer mit den unabhängigen Variablen (bspw dem jeweiligen Gerichtsstand, der Verfahrensdauer, der Rechtsvertretung vor Gericht oder dem Rechtsschutzinstrument) korrelieren bzw von diesen beeinflusst werden. Dazu wird die latente Variable „Erfolg“ in einem ersten Schritt mithilfe eines polytomen Indikators operationalisiert. Dieser kann drei Ausprägungen annehmen: „gewonnen“, „teilweise gewonnen“50 und „verloren“. Aufgrund des niedrigen Skalenniveaus51 der zu erklärenden Variablen, ist der Einsatz von linearen OLS-Regressionen52 nicht zielführend.53 Um die Beziehung zwischen der abhängigen und den unabhängigen Variablen dennoch modellieren zu können, kann stattdessen auf die multinomiale logistische Regressionsanalyse54 zurückgegriffen werden.55 Als eine weitere statistische Methode zur Auswertung der Daten bietet sich das ordinale Logit-Modell56 an, weil die drei Ausprägungen der abhängigen Variablen aus Sicht des Steuerpflichtigen gereiht werden können.57 Im Hinblick auf möglichst aussagekräftige Ergebnisse der Analyse werden im Zuge der Datenauswertung sowohl Binomialtests, multinomiale logistische Regressionen als auch ordinale Logit-Modelle verwendet.58 In diesem Unterkapitel wird auf die Ergebnisse der Modelle eingegangen. Zum Abschluss werden Robustheitstests durchgeführt. |
2) | Dauer finanzgerichtlicher Verfahren (Kapitel 2.6): Zur Beantwortung der zweiten Teilfrage wird in diesem Abschnitt empirisch untersucht, inwiefern die Dauer von finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer mit den unabhängigen Variablen (bspw dem jeweiligen Gerichtsstand, dem Verfahrensausgang, der Rechtsvertretung vor Gericht oder dem Rechtsschutzinstrument) korreliert bzw von diesen beeinflusst wird. Die abhängige Variable wird durch die „Anzahl der Verfahrenstage“ gemessen. Sie weist damit das höchst mögliche Skalenniveau (Ratio- oder Verhältnisskala)59 auf, weshalb der Einsatz einer linearen OLS-Regression sinnvoll und zielführend ist.60 Da der Einfluss mehrerer unabhängiger Variablen auf die Verfahrensdauer ermittelt werden soll, erfolgt die Analyse im Rahmen einer multiplen linearen Regression.61 Dabei wird der Verteilung der abhängigen Variablen „Verfahrensdauer“ besondere Beachtung geschenkt. Diese ist rechtsschief und besitzt mit dem Wert Null eine natürliche untere Schranke. Um diesem Spezifikum gerecht zu werden und im Hinblick auf möglichst aussagekräftige Ergebnisse, werden zwei Modelle der multiplen linearen Regression geschätzt. Beim ersten wird eine logarithmische Transformation62 der Daten durchgeführt, dem zweiten liegt eine Gammaverteilung zugrunde.63 In diesem Unterkapitel wird auf beide Modelle eingegangen. Zum Abschluss erfolgen wieder die Diskussion der Ergebnisse sowie Robustheitstests. |
3) | Erfolgsaussichten in höchstgerichtlichen Verfahren und Qualität finanzgerichtlicher Entscheidungen (Kapitel 2.7): Zur Beantwortung der letzten Teilfrage wird in diesem Unterkapitel untersucht, inwiefern der Ausgang der höchstgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer64 mit den unabhängigen Variablen (bspw dem jeweiligen Gerichtsstand, der Verfahrensdauer oder dem Revisionswerber) korreliert bzw von diesen beeinflusst wird. Die hier untersuchten höchstgerichtlichen Entscheidungen dienen darüber hinaus auch als Indikator für die Qualität der vorangegangenen finanzgerichtlichen Beschlüsse und Erkenntnisse. Zuerst werden die Entscheidungen des VwGH statistisch ausgewertet und die Ergebnisse diskutiert. Danach folgt die Analyse der Entscheidungen des VfGH. Die bei beiden Auswertungen zur Anwendung kommende Forschungsmethodik entspricht dabei im Wesentlichen jener des ersten Unterkapitels zu den Erfolgsaussichten in finanzgerichtlichen Verfahren. Dieser Abschnitt wird mit einer quantitativen Untersuchung der Qualität der finanzgerichtlichen Entscheidungen zur Körperschaftsteuer abgeschlossen. |
Zum Abschluss des Kapitels 2 wird auf Limitationen der Untersuchungen eingegangen.
Kapitel 3 ist schlussendlich der Zusammenfassung der wesentlichsten in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse gewidmet. Hier finden sich die gesammelten Antworten auf die zu Beginn formulierte Forschungsfrage sowie die bedeutendsten Ergebnisse aus der empirischen Analyse. Des Weiteren wird gezeigt, welche Erkenntnisse dieser Arbeit Anlass für zukünftige Forschungsvorhaben geben können.
Diese Arbeit widmet sich der empirischen Analyse der finanzgerichtlichen Rechtsprechung zur Körperschaftsteuer sowie ggf der jeweiligen Folgeentscheidungen durch den VwGH oder den VfGH. Im Anschluss werden also tatsächlich abgeschlossene Verfahren statistisch ausgewertet um zu untersuchen, von welchen Faktoren der Verfahrensausgang, die Verfahrensdauer und ggf der Ausgang des anschließenden höchstgerichtlichen Verfahrens in der Praxis beeinflusst werden. Die Beantwortung dieser Frage ist sowohl für die Praxis als auch für die Wissenschaft von Bedeutung. Die sich für die verschiedenen Personengruppen ergebende Relevanz der Arbeit wurde bereits ausführlich im einleitenden Kapitel 1.3 beschrieben, auf das an dieser Stelle verwiesen wird.
Die empirische Analyse der finanzgerichtlichen Rechtsprechung zur Körperschaftsteuer ist wie folgt aufgebaut: Zuerst werden aus der bereits zu Beginn dieser Arbeit formulierten Forschungsfrage sowie der daraus abgeleiteten Teilfragen65 Hypothesen erarbeitet. Diese bilden die Grundannahmen der Untersuchung, die es mithilfe statistischer Methoden zu überprüfen gilt. Die Erhebung und Zusammensetzung der Daten, die als Basis für diese Überprüfung dienen, werden direkt im Anschluss an die Hypothesenentwicklung besprochen. Es folgt ein Abschnitt zur Aufbereitung der Daten zu empirisch auswertbaren Variablen, deren Ausprägungen ebenfalls dargestellt werden.
Daran anschließend findet sich der Hauptteil der Analyse. Hier werden Antworten auf die Teilfragen nach dem finanzgerichtlichen Verfahrensausgang, der Verfahrensdauer und dem Ausgang der höchstgerichtlichen Verfahren erarbeitet. Jeder dieser Teilfragen ist eines von drei Kapiteln gewidmet, in welchen eingangs die Zusammenhänge zwischen den Variablen deskriptiv vorgestellt werden. Im Anschluss daran werden Binomialtests durchgeführt und die jeweils zur Anwendung kommenden Regressionsmodelle erarbeitet.
Diesen Hauptteil folgt ein Abschnitt über die Limitationen der Untersuchung. In diesem wird dargelegt, welche Einschränkungen bei der kritischen Interpretation der Forschungsergebnisse zu beachten sind.
Bereits im einleitenden Kapitel wurde die Zielsetzung dieser Arbeit festgelegt. Diese besteht darin, folgende Forschungsfrage systematisch zu beantworten.
Forschungsfrage: |
Welche Faktoren beeinflussen finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaftsteuer? |
Zur Operationalisierung dieser weit formulierten Forschungsfrage erfolgte in einem ersten Schritt die Ableitung von drei konkreten Teilfragen. In einem zweiten Schritt werden nun zu jeder dieser Teilfragen Hypothesen entwickelt, die im Anschluss daran einer empirischen Überprüfung unterzogen werden. Die erste Teilfrage betrifft die Erfolgsaussichten der Beschwerdeführer in finanzgerichtlichen Verfahren zu Körperschaftsteuer.
Teilfrage 1: |
Welche Faktoren beeinflussen den Ausgang finanzgerichtlicher Verfahren zur Körperschaftsteuer? |
Als Ausgangspunkt für die Entwicklung der ersten Hypothese dient Marc Galanters Arbeit „Why the „Haves“ Come Out Ahead: Speculations on the Limits of Legal Change“.66 In diesem Artikel, der in der Literatur als einer der bedeutendsten der Rechtswissenschaften67 angesehen wird,68 erläutert Galanter, wie sich „Repeat Players“ in Rechtsstreitigkeiten hinsichtlich ihres Verhaltens und ihrer Erfolgschancen von „One-Shotters“ unterscheiden. Als „Repeat Players“ in Gerichtsverfahren gelten dabei jene Personen, Unternehmen und Organisationen, die bereits in eine Vielzahl ähnlicher Verfahren involviert waren und weitere derartige Verfahren für die Zukunft erwarten. „One-Shotters“ waren hingegen noch nie oder nur gelegentlich Partei in einem ähnlichen Prozess.
„Repeat Players“ haben in Gerichtsverfahren meist eine Reihe struktureller Vorteile, die sie für sich nutzen. Sie besitzen für gewöhnlich ausreichend finanzielle Ressourcen, einschlägige fachliche Informationen und können auf Experten zurückgreifen. Darüber hinaus konnten sie bereits Erfahrungen in ähnlichen Rechtssachen sammeln und womöglich auch informelle Beziehungen mit Amtsträgern aufbauen. Diese Vorteile führen zusätzlich dazu, dass sie bei neuen Verfahren mit geringeren Anlaufkosten zu rechnen haben. Schlussendlich verfolgen „Repeat Players“ in den Verhandlungen eine langfristige Strategie, weshalb sie auch eine für sie momentan negative Entscheidung in Kauf nehmen, sofern diese bei zukünftigen Verfahren Vorteile verspricht.69
Galanter weist in seinem Artikel ausdrücklich darauf hin, dass „Repeat Players“ nicht automatisch mit „Haves“ (einflussreichen, wohlhabenden und angesehenen Personen, Unternehmen oder Organisationen) gleichgesetzt werden könnten.70 Jedoch bestünde eine beachtliche Schnittmenge zwischen diesen beiden Gruppen.71
In dieser Schnittmenge befinden sich ohne Zweifel die für die Entwicklung der ersten Hypothese wesentlichen Institutionen: Die Finanzämter. Zum einen wird der IRS als amerikanisches Pendant zu den österreichischen Steuerbehörden bereits von Galanter als Beispiel für einen „Repeat Player“ angeführt.72 Zum anderen sind Finanzämter aufgrund der ihnen per Gesetz übertragenen Kompetenzen einflussreich, besitzen die zur prozessualen Austragung von Rechtsstreitigkeiten notwendigen finanziellen Mittel und können sich darüber hinaus auch aller anderen oben genannten Vorteile bedienen. Finanzämter sind daher sowohl der Gruppe der „Repeat Players“ als auch jener der „Haves“ zuzuordnen.
Aufbauend auf den soeben beschriebenen Überlegungen behauptet Galanter, wie bereits aus dem Titel seiner Arbeit (Why the „Haves“ Come Out Ahead) hervorgeht, dass „Haves“ und „Repeat Players“ bei Rechtsstreitigkeiten häufiger obsiegen als „Have Nots“ und „One-Shotters“. Seine These wurde in der Wissenschaft mehrfach zum Anlass genommen, die Erfolgschancen dieser Gruppen, vor unterschiedlichen Gerichten und in verschiedenen Ländern, zu analysieren.73 Die Autoren kommen bei ihren Untersuchungen dabei einheitlich zu die Galenter-These unterstützenden und bestätigenden Ergebnissen.74 In Anbetracht dessen wird im Hinblick auf die Erfolgsaussichten in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer folgende Hypothese aufgestellt.
H1a: In finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer obsiegen Finanzämter häufiger als Beschwerdeführer.
Diese Hypothese beruht darauf, dass Finanzämter als „Haves“ und „Repeat Players“ vor Gericht einen oder mehrere der oben genannten Vorteile gegenüber den Steuerpflichtigen nutzen können. Was geschieht jedoch, wenn sich Beschwerdeführer in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer durch Experten (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte oder Notare) vertreten lassen?
Schon Galanter bemerkte, dass Rechtsanwälte selbst „Repeat Players“ sind und die Erfolgschancen ihrer Mandanten verbessern können.75 Diese Behauptung konnte von mehreren Autoren durch empirische Analysen der Rechtsprechung verschiedener Gerichte bestätigt werden.76 Auch im steuerrechtlichen Kontext wurde der Einfluss einer Rechtsvertretung auf den Verfahrensausgang bereits untersucht: Lederman & Hrung77 zeigen, dass die Vertretung durch Experten vor den amerikanischen Steuergerichten einen signifikant positiven Effekt auf die vom Gericht getroffenen Entscheidungen hat und dass dieser Effekt umso stärker ist, je mehr Erfahrung due Vertreter besitzen. Dies sei auch zu erwarten, weil die Parteien den Experten für deren Expertise entsprechende Honorare zu bezahlen hätten.
Bemerkenswert ist darüber hinaus auch, dass ein Rechtsbeistand die Erfolgsaussichten vor Gericht für „Have Nots“ signifikant stärker erhöht als für „Haves“.78 Der Untersuchung von Dotan zufolge geht dieser Effekt sogar soweit, dass „Have Nots“ in jenen Fällen, in denen sie sich durch Rechtsexperten vertreten lassen, gegenüber „Haves“ nicht mehr benachteiligt sind.79 Aufbauend auf diesen Forschungsergebnissen lässt sich die zweite Hypothese wie folgt formulieren.
H1b: Werden Beschwerdeführer in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer durch Experten vertreten, erhöhen sich ihre Erfolgsaussichten.
Die dritte Hypothese behandelt die Beziehung der Rechtsvorschriften zueinander. Wie bereits erörtert, werden als materielles Recht jene gebietenden Normen verstanden, die ein bestimmtes Verhalten vorschreiben und für den Fall der Nichtbefolgung eine Sanktion anordnen.80 Dieser Gruppe sind die überwiegenden Teile des Körperschaftsteuergesetzes zuzuordnen.81 Demgegenüber regelt das formelle Recht ausschließlich das Verfahren, durch das ein bestimmtes materielles Recht festgestellt und durchgesetzt werden kann.82 Zu dieser Kategorie zählen die in der BAO verankerten Rechtsschutzinstrumente. Aus den unterschiedlichen Zweckbestimmungen des materiellen und formellen Rechtes ergibt sich die letzte Hypothese zur ersten Teilfrage.
H1c: Formelle Rechtsschutzinstrumente haben in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer keinen Einfluss auf materiell-rechtliche Entscheidungen.
Bezugnehmend auf die erste Teilfrage stellen die bisherigen Hypothesen eine Vermutung über den Zusammenhang zwischen verschiedenen Faktoren und den Erfolgsaussichten der Beschwerdeführer in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer an. Im Anschluss werden nun Hypothesen formuliert, die sich auf die zweite Teilfrage beziehen.
Teilfrage 2: |
Welche Faktoren beeinflussen die Dauer finanzgerichtlicher Verfahren zur Körperschaftsteuer? |
Ein mit der Einführung der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit verfolgtes Ziel war es, die Dauer der Rechtsmittelverfahren zu reduzieren und somit die Effizienz der Spruchkörper zu stärken. In diesem Zusammenhang sei auf zwei der vom Gesetzgeber genannten Hauptgesichtspunkte der Reform hingewiesen: Die Schaffung von „Vereinfachungen im Interesse der Verwaltungsökonomie und zur Verfahrensbeschleunigung“ sowie die Positionierung des BFG „als unabhängige, qualitätsgesicherte Verwaltungsgerichtsbarkeit durch Steigerung der Rechtssicherheit im Wege der organisatorischen Ermöglichung [...] einer Beschleunigung der Rechtsmittelverfahren“.83
Das Streben nach einer effizienten Verfahrensabwicklung ist jedoch nicht neu. Bereits mit der Schaffung des UFS arbeitete der Gesetzgeber darauf hin, die Bürgerrechte durch faire und schnelle Verfahren zu stärken.84 Wie die Richter des BFG waren demnach auch schon die Mitglieder des UFS dazu angehalten, die ihnen zugeteilten Rechtssachen zügig zu bearbeiten. Eine Möglichkeit um dies zu erreichen und die Liegedauern gering zu halten ist es, einfache und schnell zu erledigende Fälle zuerst zu bearbeiten und schwierige, langwierige auf später zu verschieben.85 Im Hinblick auf die in der Folge untersuchten finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer kann davon ausgegangen werden, dass Rechtssachen, in denen das Finanzgericht der Rechtsansicht einer Partei vollinhaltlich folgt, weniger Zeit in Anspruch nehmen als solche, bei denen der Berufung bzw Beschwerde teilweise stattgegeben wird. Dies zum einen deshalb, weil bei einigen besonders einfach gelagerten Fällen eine teilweise Stattgabe denkunmöglich erscheint86 und zum anderen, weil das Übernehmen einer bereits vorgefertigten Rechtsansicht in eine finanzgerichtliche Entscheidung oder gar ein schlichter Verweis auf diese Rechtsansicht87 weniger Aufwand erfordern, als die Entwicklung eines eigenen Argumentationsganges.
Des Weiteren wird ein im Vergleich zur teilweisen Aufhebung geringer Zeitaufwand auch in jenen Fällen erwartet, in denen die Berufungen bzw Beschwerden durch formelle Erledigungen abzuschließen sind. Die dazu notwendigen Voraussetzungen sind nämlich verhältnismäßig einfach zu prüfen und verlangen keine Klärungen von materiell-rechtlichen Fragen.
Daher wird aufgrund der Annahme, dass einfache und schnell zu erledigende Fälle zur Gewährleistung eines raschen Rechtsmittelverfahrens vorgezogen werden und deren Bearbeitung selbst weniger Zeit als jene von komplexeren Sachverhalten in Anspruch nimmt, folgende Hypothese aufgestellt.
H2a: Finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaftsteuer dauern länger, wenn den Begehren der Beschwerdeführer teilweise stattgeben wird.
Die zweite Hypothese zur zweiten Teilfrage basiert auf der empirischen Untersuchung von Lederman & Hrung.88 Diese zeigen für amerikanische Steuergerichte, dass die Inanspruchnahme einer rechtlichen Vertretung durch einen Experten keinen signifikanten Einfluss auf die Dauer des Verfahrens hat.89 Daher wird auch für finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaftsteuer Folgendes angenommen.
H2b: Rechtsvertretungen durch Experten haben keinen Einfluss auf die Dauer von finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer.
Damit ist die Hypothesenentwicklung bezüglich des Einflusses der verschiedenen Faktoren auf die Verfahrensdauer abgeschlossen. Im Anschluss wird nun jene Hypothese formuliert, die sich auf die dritte Teilfrage bezieht.
Teilfrage 3: |
Welche Faktoren beeinflussen den Ausgang höchstgerichtlicher Verfahren zur Körperschaftsteuer? |
Steuerpflichtige führen ihre kontradiktorischen Prozesse vor dem VwGH und VfGH abermals gegen Finanzämter, weshalb sich dieselben Parteien wie in den vorangegangenen finanzgerichtlichen Verfahren gegenüberstehen. Hinsichtlich der auf die Galanter-These90 gestützten Hypothesenentwicklung wird daher auf die Ausführungen zu Beginn dieses Kapitels verwiesen. Demnach haben Finanzämter als „Haves“ und „Repeat Players“ auch vor den Höchstgerichten Vorteile gegenüber den Steuerpflichtigen, die sie für sich nutzen.
Darüber hinaus kommt es sowohl aufseiten der Steuerpflichtigen als auch aufseiten der Finanzämter zu einer Selbstselektion der an die Höchstgerichte herangetragenen Fälle. Während Steuerpflichtige aufgrund des finanziellen Anreizes ihrer rechtlichen Vertreter von diesen womöglich dahin gehend beraten werden, auch Rechtssachen mit geringen Erfolgsaussichten zu verhandeln, wird den Finanzämtern in einem Bericht des Finanzausschusses nahegelegt, die Höchstgerichte möglichst selten (im Wesentlichen nur bei Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung) zu bemühen.91 Aufgrund dieser beiden Effekte kann davon ausgegangen werden, dass Steuerpflichtige den Höchstgerichten in der Regel weniger erfolgversprechende Fälle vorlegen als Finanzämter. Die letzte Hypothese lautet daher wie folgt.
H3: In höchstgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer obsiegen Finanzämter häufiger als Steuerpflichtige.
Das der empirischen Untersuchung zugrunde liegende Datenmaterial stammt aus der für alle Bürger öffentlich zugänglichen Onlinedatenbank FINDOK.92 Es umfasst sämtliche zum 24. Dezember 2014 in dieser Datenbank dokumentierten Entscheidungen des UFS und des BFG, die die Wörter „Körperschaftsteuer“, „Körperschaftssteuer“ und/oder „KöSt“ im Entscheidungstext enthalten. Die Daten wurden von der Bundesrechenzentrum GmbH gegen eine Aufwandsentschädigung aus der FINDOK exportiert und elektronisch als Excel-Datei zur Verfügung gestellt.
Das Exportfile besteht aus 4.499 finanzgerichtlichen Entscheidungen. Da sich diese Arbeit jedoch ausschließlich mit der Abgabenkategorie „Steuern“ befasst, werden bei den folgenden Auswertungen Entscheidungen, die zoll- oder finanzstrafrechtliche Fragen betreffen, nicht berücksichtigt. Ebenfalls nicht miteinbezogen werden jene Fälle, bei denen die Beschwerde vom Steuerpflichtigen wieder zurückgenommen wurde und solche, bei denen die Entscheidung aufgrund eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH ausgesetzt ist, weil das Finanzgericht bei diesen (noch) keine Entscheidung getroffen hat. Nach dieser Abgrenzung verbleiben 4.276 Entscheidungen für die empirische Untersuchung.
Zusammensetzung Datenmaterial | Anzahl Entscheidungen |
Exportfile aus der FINDOK-Datenbank | 4.499 |
- Entscheidungen zu Zollangelegenheiten | - 9 |
- Entscheidungen zu Finanzstrafangelegenheiten | - 201 |
- Zurücknahmen durch Steuerpflichtige | - 9 |
- Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH | - 4 |
= Entscheidungen für empirische Analyse | 4.276 |
Tabelle 1: Der empirischen Analyse zugrunde liegende Entscheidungen
Da die von der Bundesrechenzentrum GmbH elektronisch zur Verfügung gestellten Daten zu wesentlichen Teilen aus nicht direkt auswertbaren Fließtexten bestehen, wurden sie mithilfe von Excel-Makros und händischer Bearbeitung aufbereitet. So konnten die, für die statistische Analyse geeigneten und in der Folge vorgestellten Variablen generiert werden.
Die polytome Variable „Verfahrensausgang“ misst den Ausgang der finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer aus Sicht des Steuerpflichtigen. Sie kann die Ausprägungen „gewonnen“, „teilweise gewonnen“ oder „verloren“ annehmen.
Als „gewonnen“ gilt ein Verfahren dann, wenn aus dem Entscheidungstext hervorgeht, dass der angefochtene Bescheid aufgehoben und/oder dem Beschwerdebegehren stattgegeben wird. Des Weiteren werden auch jene Fälle als „gewonnen“ gewertet, bei denen der bekämpfte Bescheid abgeändert oder bei denen die Rs an das Finanzamt zurückverwiesen wird. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass vor dem Finanzgericht kein Verböserungsverbot herrscht, weshalb prinzipiell sowohl eine Abänderung des Bescheides als auch eine Zurückweisung an das Finanzamt zum Nachteil des Steuerpflichtigen gereichen können. Da die Beschwerde jedoch jedenfalls vom Steuerpflichtigen selbst an das Finanzgericht herangetragen wird, kann davon ausgegangen werden, dass eine Verböserung die Ausnahme darstellt. Letztendlich werden auch jene Verfahren als „gewonnen“ angesehen, bei denen das Finanzgericht einen Antrag zur Aufhebung einer gesetzlichen Regelung wegen ihrer Verfassungswidrigkeit an den VfGH stellt.
Als „teilweise gewonnen“ gilt ein Verfahren dann, wenn aus dem Entscheidungstext hervorgeht, dass dem Beschwerdebegehren nur teilweise oder in eingeschränktem Umfang stattgegeben wird. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Finanzgericht nicht allen, vom Steuerpflichtigen festgelegten, Beschwerdepunkten Folge leistet.
Als „verloren“ gilt ein Verfahren schlussendlich, wenn aus dem Entscheidungstext hervorgeht, dass die Beschwerde zurück- oder abgewiesen wird und/oder der angefochtene Bescheid unverändert im Rechtsbestand bestehen bleibt.
Abbildung 1: Ausgang finanzgerichtlicher Verfahren zur Körperschaftsteuer
Die Grafik zeigt die Ausprägungen der Variablen „Verfahrensausgang“ für die der folgenden Untersuchung zugrunde liegenden finanzgerichtlichen Entscheidungen zur Körperschaftsteuer. Auffallend an der Verteilung ist, dass die Steuerpflichtigen das Gros der Fälle „verloren“ haben und nur wenige Rechtssachen „gewinnen“ konnten.
Die diskrete Variable „Beschwerdejahr“ („Beschwerdemonat“) gibt jenes Jahr (Monat) an, in dem die Steuerpflichtigen ihre Beschwerden, bzw vor dem 1. Jänner 2014 ihre Berufungen, gegen die jeweils zu bekämpfenden Bescheide verfasst haben. Zur besseren Lesbarkeit sind in der Folge mit dem Begriff „Beschwerden“ auch alle „Berufungen“ zu Zeiten des UFS gemeint.
Sofern eine finanzgerichtliche Entscheidung über mehrere Beschwerden abspricht, wird jenes Beschwerdedatum in der Analyse berücksichtigt, welches weiter in der Vergangenheit liegt. Des Weiteren wird in allen Fällen, in denen das Datum der Postaufgabe bekannt ist, dieses verwendet.
Enthält der Entscheidungstext hingegen weder eine Angabe zum Tag der Beschwerdeschrift noch zum Tag der Postaufgabe, wird stattdessen das Datum des ältesten Bescheides, gegen den Beschwerde erhoben wurde, herangezogen. Zu diesem Datum wird prinzipiell ein Monat (= Beschwerdefrist) hinzugerechnet, weil das Verfassen einer Beschwerde Zeit in Anspruch nimmt. Sofern innerhalb der Beschwerdefrist jedoch bereits eine Beschwerdevorentscheidung ergangen ist, ist das Datum dieser maßgebend. Ist aus dem Entscheidungstext dagegen ersichtlich, dass eine Verlängerung der Beschwerdefrist beantragt wurde, wird der Ablauf dieser prolongierten Frist als beste Schätzung für das Beschwerdedatum herangezogen. Schlussendlich wurden offensichtliche (Tipp-)Fehler bei Datumsangaben in den finanzgerichtlichen Entscheidungstexten händisch korrigiert.93
Es verbleiben jene Entscheidungen, bei denen das Datum der Beschwerde nicht direkt ersichtlich ist und dieses mit den oben beschriebenen Methoden auch nicht näherungsweise geschätzt werden kann. In diesen 203 Fällen wird der Variablen „Beschwerdejahr“ („Beschwerdemonat“) die Ausprägung „NA“ zugeordnet. Da bei derartigen Entscheidungen auch die für die empirische Untersuchung wesentliche Variable „Verfahrensdauer“ nicht bekannt ist, fließen diese nicht in alle Regressionsmodelle mit ein.
Abbildung 2: Anzahl der Beschwerden pro Jahr, Verfahrensdauer < 1.051 Tage
Die obige Abbildung zeigt die Entwicklung der Anzahl der Beschwerdeschriften. Sie beschränkt sich dabei jedoch auf Fälle, deren Verfahrensdauer maximal 1.050 Tage betragen hat. Dies ist zu Vergleichszwecken notwendig, weil das Datenmaterial aus Entscheidungen besteht, die zum 24. Dezember 2014 in der FINDOK dokumentiert waren. Nicht enthalten sind daher alle Fälle, die zwar bis zu diesem Tag an das Finanzgericht herangetragen, jedoch noch nicht abgeschlossen wurden. Somit wird durch die Einschränkung auf Entscheidungen mit einer Verfahrensdauer von weniger als 1.051 Tagen sichergestellt, dass die Zahlen der Jahre miteinander vergleichbar sind. Auffallend ist dabei, dass die Anzahl der Beschwerden über die Jahre hinweg relativ konstant geblieben ist.
Abbildung 3: Anzahl der Beschwerden pro Monat, Beschwerdejahr < 2014
Wie die Grafik zeigt, wurden die meisten Beschwerden in den Monaten März und Dezember verfasst. Jedoch lässt sich hinsichtlich der Anzahl der Beschwerdeschriften auch unterjährig nur eine geringe Varianz erkennen. Um die Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Monaten zu gewährleisten, sind Beschwerden aus dem Jahr 2014 nicht in der Abbildung enthalten, weil das Datenmaterial dieses Jahr nicht vollständig umfasst.
Die diskrete Variable „Entscheidungsjahr“ („Entscheidungsmonat“) gibt jenes Jahr (Monat) an, in dem das Finanzgericht über die jeweilige Bescheidbeschwerde entschieden hat. Da das Datum aller finanzgerichtlichen Entscheidung bereits im Exportfile aus der FINDOK enthalten ist, kann hinsichtlich des „Entscheidungsjahres“ („Entscheidungsmonats“) auf einen vollständigen Datensatz zurückgegriffen werden.
Abbildung 4: Anzahl der Entscheidungen pro Jahr, Entscheidungsjahr < 2014
Wie das Säulendiagramm erkennen lässt, wurden von Anfang 2004 bis Ende 2012 jährlich annähernd gleich viele Rechtssachen entschieden. Interessant erscheint hingegen, dass sowohl im Jahr 2003 als auch im Jahr 2013 um gut ein Viertel weniger Fälle abgeschlossen wurden. Beide Jahre waren von Veränderungen in der Organisation der für die Rechtsmittel zuständigen Institutionen gezeichnet: Mit 1. Jänner 2003 ersetzte der UFS die bis zu diesem Zeitpunkt zuständigen Finanzlandesdirektionen und im Jahr 2013 liefen bereits die Vorbereitungen für die Etablierung des BFG. Es kann vermutet werden, dass es durch die Umgestaltungen des Rechtsmittelweges in diesen Jahren zusätzliche, organisatorische Aufgaben zu bewältigen gab, welche zur Bindung von Kapazitäten der Spruchkörper führten. Ein kausaler Zusammenhang darf jedoch nicht abgeleitet werden. Letztendlich sei darauf hingewiesen, dass die Daten für das Jahr 2014 unvollständig sind und dieses daher nicht in der Abbildung enthalten ist.
Abbildung 5: Anzahl der Entscheidungen pro Monat, Entscheidungsjahr < 2014
Hinsichtlich der Anzahl der in den einzelnen Monaten abgeschlossenen Rechtssachen bestehen zum Teil erhebliche Unterschiede. Mit 450 erledigten Fällen wurden die meisten Entscheidungen in den Märzmonaten getroffen. An zweiter Stelle liegen die Novembermonate, in denen mit 389 jedoch bereits deutlich weniger Rechtssachen abgeschlossen wurden. Die wenigsten Urteile wurden hingegen in den Sommermonaten August (295) und Mai (302) gefällt. Dieses Missverhältnis ist durchaus beachtlich: In den Märzmonaten wurden rund 52,5 % mehr Fälle entschieden als in den Augustmonaten.
Die diskrete Variable „Verfahrensdauer“ misst die Dauer des finanzgerichtlichen Verfahrens. Angegeben werden die Tage, die zwischen dem Beschwerde- und dem Entscheidungsdatum liegen. Bei all jenen Entscheidungen, bei denen das Datum der Beschwerde nicht bekannt ist,94 wird der Variablen „Verfahrensdauer“ die Ausprägung „NA“ zugeordnet. Diese 203 Beobachtungen fließen nicht in alle statistischen Auswertungen ein. Die folgende Grafik beruht daher auf 4.073 Entscheidungen.
Abbildung 6: Verteilung der Verfahrensdauer
Wie aus dem Histogramm ersichtlich ist, sind die Verfahrensdauern stark rechtsschief verteilt. Dies ist auch daran zu erkennen, dass das durchschnittliche finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaftsteuer rund 970 Tage dauert, der Median jedoch bei 731 Tagen liegt. Auch die Extremwerte der Verteilung liegen weit auseinander: Während das schnellste Verfahren nach nur 8 Tagen abgeschlossen wurde, dauerte das längste 5.034 Tage (rund 13,8 Jahre).
Durch die polytome Variable „Gerichtsstand“ wird festgehalten, welche Außenstelle des Finanzgerichtes die jeweilige Entscheidung getroffen hat. Mögliche Ausprägungen sind „Feldkirch“, „Graz“, „Innsbruck“, „Klagenfurt“, „Linz“, „Salzburg“ und „Wien“. Da aus allen finanzgerichtlichen Entscheidungen eindeutig hervorgeht, welche Außenstelle mit ihnen betraut war, ist der Datensatz hinsichtlich des „Gerichtsstandes“ vollständig.
Abbildung 7: Anzahl der Entscheidungen pro Gerichtsstand
Wie aus dem Säulendiagramm abzulesen ist, war Wien bei der Anzahl der entschiedenen Rechtssachen klarer Spitzenreiter. Mit 2.368 abgeschlossenen Fällen wurden hier rund 55,5 % aller finanzgerichtlichen Entscheidungen zur Körperschaftsteuer getroffen. An zweiter Stelle lag Linz mit 639 Entscheidungen, was rund 15 % der Gesamtmenge entspricht. Hingegen wurden am wenigsten Fälle in Feldkirch (191, rund 4,5 %) und in Salzburg (216, rund 5 %) erledigt. Die Verteilung der entschiedenen Rechtssachen nach den Gerichtsständen und insb die Dominanz von Wien erscheinen wenig überraschend und spiegeln die Anzahl der im jeweiligen Zuständigkeitsbereich der Außenstellen stehenden Arbeitgeberbetriebe wider.95
Die polytome Variable „Rechtsvertretung“ gibt an, ob sich der Steuerpflichtige im finanzgerichtlichen Verfahren vertreten hat lassen. Sie kann die Ausprägungen „StB/WP“, „RA“, „unbekannt“ oder „keine“ annehmen. Die zur Aufbereitung dieser Variablen notwendigen Informationen stammen aus den finanzgerichtlichen Beschlüssen und Erkenntnissen. Diese haben gemäß § 280 Abs 1 lit b BAO zwingend „die Namen der Parteien des Beschwerdeverfahrens und ihrer Vertreter“ zu enthalten.
Die Ausprägung „StB/WP“ („RA“) bedeutet, dass aus der Berufsbezeichnung des Vertreters im jeweiligen Entscheidungstext hervorgeht, dass der Steuerpflichtige durch einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer (Rechtsanwalt) vor dem Finanzgericht vertreten wurde. Für die Vertretung durch einen Notar wird keine eigene Ausprägung angenommen, weil es nur in einem einzigen Verfahren zu einer solchen gekommen ist. Stattdessen wird diese eine Entscheidung der Kategorie „unbekannt“ zugeordnet, welche in der Folge beschriebenen wird.
Wird der Vertreter des Beschwerdeführers im Entscheidungstext lediglich mit seinem Namen, jedoch ohne Berufsbezeichnung angeführt und konnte der Name auch durch manuelle Recherche keinem Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt zugeordnet werden, dann nimmt die Variable „Rechtsvertretung“ die Ausprägung „unbekannt“ an. Wesentlich ist es darauf hinzuweisen, dass diese Ausprägung keine klar definierte Gruppe von Entscheidungen umfasst. Zum einen nimmt die Variable „Rechtsvertretung“ auch bei jenem Verfahren, bei dem ein Notar die Vertretung übernommen hat, die Ausprägung „unbekannt“ an. Zum anderen kommen in den Entscheidungstexten häufig Phrasen wie „Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der B, vertreten durch S, [...] entschieden“96 vor. Daher ist bei vielen Rechtssachen nicht ersichtlich, auf wen sich die, im Zusammenhang mit der Vertretung genannten Namen bzw Abkürzungen beziehen. Denkbar wäre neben einer facheinschlägigen Vertretung durch einen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt oder Notar bspw ebenfalls, dass die jeweilige Gesellschaft in einem solchen Fall lediglich durch ihren Geschäftsführer oder Vorstand repräsentiert wurde.
Findet sich im Entscheidungstext hingegen kein Hinweis auf eine Vertretung, wird davon ausgegangen, dass sich der Steuerpflichtige selbst vertreten hat und die Variable „Rechtsvertretung“ nimmt die Ausprägung „keine“ an.
Abbildung 8: Rechtsvertretung in finanzgerichtlichen Verfahren
Die Abbildung zeigt die Häufigkeit von Rechtsvertretungen in den untersuchten finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer. Auffallend ist, dass sich ein großer Teil der Beschwerdeführer durch Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten hat lassen. Diese Berufsgruppe war mit 2.116 Vertretungen bei rund 49,5 % aller Verfahren beteiligt. Demgegenüber waren Rechtsanwälte nur in 352 Fällen tätig, was etwas mehr als 8,2 % der Gesamtanzahl entspricht. Überraschend erscheint die relativ hohe Anzahl an Rechtssachen, die von Steuerpflichtigen in Selbstvertretung geführt wurden. Bei 1.066 Verfahren (rund 24,9 %) wurde dem Gerichtsprozess demnach kein externer Experte beigezogen.
Anzumerken bleibt, dass keiner der soeben genannten Werte präzise ermittelt werden konnte, weil aus jenen Entscheidungstexten, aus denen sich die Gruppe „unbekannt“ zusammensetzt (rund 17,4 %), nicht hervorgeht, wie sich die jeweiligen Vertretungsverhältnisse gestaltet haben. Um genaue Angaben treffen zu können, müssten aber auch all diese Verfahren auf die anderen drei Gruppen aufgeteilt werden. Auch wenn dies aufgrund fehlender Informationen nicht möglich ist, ergibt sich aus dieser Überlegung zumindest der Schluss, dass die obigen Werte jedenfalls nicht niedriger sein können, als sie dargestellt wurden, weshalb es ihnen nicht an Aussagekraft fehlt.
Die diskrete Variable „Rechtsschutzinstrument“ gibt an, welches der im 7. Abschnitt der BAO normierten Rechtsmittel die formelle Verfahrensgrundlage darstellt. Mögliche Ausprägungen sind „Abänderung/Zurücknahme/Aufhebung“, „Wiederaufnahme“, „Wiedereinsetzung“, „Devolutionsantrag“ und „Beschwerde“. Zur Bestimmung dieser Ausprägungen wurde auf die Zusatzinformationen, die jeder finanzgerichtlichen Entscheidung in der FINDOK-Datenbank beigefügt sind, zurückgegriffen. Diese enthalten den Punkt „betroffene Normen“, in welchem angeführt wird, welche gesetzlichen Regelungen für die jeweilige Entscheidung relevant waren. Die Angabe erfolgt detailliert durch die Nennung der einschlägigen Paragraphen der Gesetze.
Die Variable „Rechtsschutzinstrument“ nimmt die Ausprägung „Abänderung/Zurücknahme/Aufhebung“ dann an, wenn in den Zusatzinformationen zur Entscheidung als „betroffene Norm“ einer oder mehrere der §§ 293 bis 302 BAO97 angeführt werden. Entsprechendes gilt für die Ausprägungen „Wiederaufnahme“ (§§ 303 bis 307 BAO),98 „Wiedereinsetzung“ (§§ 308 bis 310 BAO)99 und „Devolutionsantrag“ (§§ 311 und 311a BAO).100 Während die gesetzliche Verankerung von allen zuvor genannten Rechtsschutzinstrumenten innerhalb des Untersuchungszeitraumes unverändert geblieben ist, wurde der zuletzt genannte Devolutionsantrag per 1. Jänner 2014 im Zuge der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit von der Säumnisbeschwerde ersetzt. Diese wurde gleichzeitig in die §§ 284 bis 286 BAO verschoben. Da das untersuchte Datenmaterial keine einzige Säumnisbeschwerde umfasst,101 ergeben sich dadurch jedoch keinerlei Abgrenzungsprobleme.
In jenen sechs Fällen, in denen die Zusatzinformationen zwei (oder mehrere) Paragraphen anführen, die unterschiedlichen Rechtsschutzinstrumenten zuzuordnen sind, wird die betroffene Entscheidung in der Auswertung bei beiden Gruppen berücksichtigt.
Letztendlich wird die Ausprägung „Beschwerde“ der Variablen „Rechtsschutzinstrument“ immer dann zugeordnet, wenn keiner der oben genannten Paragraphen als „betroffene Norm“ in den Zusatzinformationen zur Entscheidung angeführt wird. Diese Vorgehensweise begründet sich mit dem Umstand, dass das ordentliche Rechtsmittel der Beschwerde den Regelfall darstellt und die für dieses einschlägigen gesetzlichen Normen (§§ 243 ff BAO) von den Richtern daher nicht explizit als „betroffene Norm“ angeführt werden. Es wird somit davon ausgegangen, dass sämtliche Entscheidungen, die keinem anderen Rechtsschutzinstrument zuzuordnen sind, durch eine Bescheidbeschwerde an das Finanzgericht herangetragen wurden.
Abbildung 9: Anzahl der Entscheidung pro Rechtsschutzinstrument
Die Grafik zeigt die Häufigkeit der formellen Rechtsschutzinstrumente, die den Entscheidungen zugrunde liegenden. Erwartungsgemäß dominiert das ordentliche Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde, welches in 3.890 Fällen und sohin bei rund 90,8 % aller Verfahren angewandt wurde. Zur Wiederaufnahme eines Verfahrens kam es 235-mal (5,5 %), zur Abänderung/Zurücknahme/Aufhebung von Bescheiden 120-mal (2,8 %) und zur Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand 24-mal (0,6 %). Am seltensten wurde über Devolutionsanträge entschieden: 13-mal (0,3 %).
Die dichotome Variable „VwGH“ nimmt den Wert „1“ an, wenn eine Revision102 gegen eine finanzgerichtliche Entscheidung erhoben wurde. War dies nicht der Fall, wird ihr hingegen die Ausprägung „0“ zugewiesen. Die für die Aufbereitung dieser Variablen notwendigen Informationen wurden dem Feld „Beachte“ der FINDOK-Datenbank entnommen, welches immer dann aufscheint, wenn gegen eine finanzgerichtliche Entscheidung eine Revision an den VwGH oder eine Beschwerde an den VfGH eingebracht wurde.
Zusammensetzung Revisionen | Anzahl Entscheidungen |
Entscheidungen, gegen die Revision erhoben wurde | 697 |
- noch nicht entschiedene Revisionen | - 154 |
= Entscheidungen mit abgeschlossener Revision | - 543 |
Tabelle 2: Revisionen an den VwGH
Wie aus obiger Tabelle hervorgeht, wurden gegen 697 finanzgerichtliche Entscheidungen Revisionen erhoben. Im Hinblick auf die Gesamtanzahl der untersuchten Entscheidungen entspricht dies einer Revisions-Quote von rund 16,3 %. Zur statistischen Analyse des VwGH-Verfahrensausganges können jedoch nur jene Entscheidungen herangezogen werden, bei denen das Verfahren bereits abgeschlossen ist. Nach Abzug der 154 noch nicht entschiedenen Revisionen verbleiben somit 543 oder rund 12,7 % aller der Untersuchung zugrunde liegenden Entscheidungen.
Die polytome Variable „VwGH-Verfahrensausgang“ misst für alle entschiedenen Revisionen den Ausgang des Verfahrens vor dem VwGH. Sie kann die Ausprägungen „Aufhebung“, „teilweise Aufhebung“, „Vorlage EuGH“, „Einstellung“, „Zurückweisung“, „Ablehnung“ oder „Abweisung“ annehmen. Die zur Zuordnung dieser Ausprägungen notwendigen Informationen wurden ebenfalls dem Feld „Beachte“ der FINDOK-Datenbank entnommen. In diesem finden sich Erläuterungen zu sämtlichen Revisionen, die gegen die jeweiligen finanzgerichtlichen Entscheidungen eingebracht wurden. Insb wird auch der jeweilige Ausgang des Verfahrens vor dem VwGH angegeben. Zwei der soeben genannten Ausprägungen seien näher erörtert:
Zu einer „teilweisen Aufhebung“ kommt es immer dann, wenn ein Teil der angefochtenen finanzgerichtlichen Entscheidung vom VwGH aufgehoben wurde, der andere jedoch weiterhin in Rechtskraft geblieben ist.
Ausprägung „Ablehnung“ bedeutet, dass die Behandlung der Revision vom VwGH abgelehnt wurde, weil die jeweilige Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängig war, welcher grundsätzliche Bedeutung zukam. Anzumerken bleibt, dass der VwGH seit der Einführung der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit am 1. Jänner 2014 nicht mehr mit „Ablehnung“ entscheiden kann. Seither hat er in einem solchen Fall stattdessen die „Zurückweisung“ der Revision zu beschließen.103 Für den Revisionswerber hat sich dadurch jedoch insofern nichts verändert, als er seine Revision weiterhin verliert.
Abbildung 10: Anzahl der VwGH-Entscheidungen pro Entscheidungsart
Das Säulendiagramm zeigt, wie der VwGH erkannt hat. Auffallend ist, dass in 75,7 % aller Revisionen (415 Fällen) in der Sache selbst entschieden wurde („Abweisung“, „Aufhebung“ oder „teilweise Aufhebung“). Ebenfalls interessant erscheint die Tendenz dahin gehend, für den Revisionswerber nachteilig zu urteilen: Während in 312 Rechtssachen (56,9 %) entweder mit „Ablehnung“, „Abweisung“ oder „Zurückweisung“ entschieden wurde und der Revisionswerber sein Verfahren daher verloren hat, wurde die angefochtene finanzgerichtliche Entscheidung in lediglich 186 Fällen (33,9 %) zumindest teilweise aufgehoben. Bei den restlichen beiden Entscheidungsarten „Einstellung“ und „Vorlage EuGH“ lässt sich hinsichtlich ihrer Vorteilhaftigkeit für den Revisionswerber keine eindeutige Aussage treffen.
Es ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung eines Finanzgerichtes sowohl vom Steuerpflichtigen als auch vom Finanzamt beim VwGH bekämpft werden kann. Somit können auch beide Seiten als Revisionswerber auftreten. Es ist sogar möglich, dass beide Parteien gegen dieselbe finanzgerichtliche Entscheidung Revision erheben und der VwGH daher über diese auch zweimal, wenn auch in unterschiedlichen Rechtsfragen, urteilen muss. Ebenfalls zu zwei Rechtsprechungen des VwGH über dieselbe finanzgerichtliche Entscheidung kann es kommen, wenn sowohl Revision an den VwGH als auch Beschwerde an den VfGH erhoben wurde und der VfGH die Rs in der Folge an den VwGH abtritt. Dies sind jedoch seltene Fälle, was auch die zur Untersuchung herangezogenen Daten widerspiegeln: Den oben angeführten 543 finanzgerichtlichen Entscheidungen mit abgeschlossener Revision stehen in Summe 548 Erkenntnisse bzw Beschlüsse des VwGH gegenüber.
Die dichotome Variable „Revisionswerber“ nimmt die Ausprägung „Steuerpflichtiger“ („Finanzamt“) an, wenn die Revision von einem Steuerpflichtigen (Finanzamt) an den VwGH herangetragen wurde. Wie bei allen Variablen zu den höchstgerichtlichen Entscheidungen, wurden die zur Aufbereitung dieser Variablen notwendigen Informationen dem Feld „Beachte“ der FINDOK-Datenbank entnommen. In all jenen Fällen, in denen die Revision vom Finanzamt erhoben wurde, findet sich dort der Zusatz „Amtsrevision“.104
Abbildung 11: Anzahl der Revisionen pro Revisionswerber
Obiger Grafik liegen sämtliche Revisionen zugrunde, also auch jene, bei denen das Verfahren vor dem VwGH noch nicht abgeschlossen wurde. In 630 Fällen wurde die Revision von einem Steuerpflichtigen an den VwGH herangetragen, dies entspricht einer Quote von rund 89,9 %. Daher kann zumindest für den Untersuchungszeitraum festgehalten werden, dass die Finanzämter, in Übereinstimmung mit dem ihnen vom Finanzausschluss105 nahegelegten sparsamen Umgang mit Amtsrevisionen, den VwGH tatsächlich relativ selten bemüht haben.
Die dichotome Variable „VfGH“ nimmt den Wert „1“ an, wenn gegen eine finanzgerichtliche Entscheidung eine Beschwerde an den VfGH erhoben wurde. War dies nicht der Fall, wird ihr hingegen die Ausprägung „0“ zugewiesen. Die dafür notwendigen Informationen wurden wieder dem Feld „Beachte“ aus der FINDOK-Datenbank entnommen.
Zusammensetzung VfGH-Beschwerden | Anzahl Entscheidungen |
Entscheidungen, gegen die Beschwerde erhoben wurde | 94 |
- noch nicht entschiedene Beschwerden | - 6 |
= Entscheidungen mit abgeschlossener Beschwerde | - 88 |
Tabelle 3: Beschwerden an den VfGH
Wie aus der Tabelle hervorgeht, wurden gegen 94 finanzgerichtliche Entscheidungen Beschwerden an den VfGH erhoben. Im Hinblick auf die Gesamtanzahl der untersuchten Entscheidungen entspricht dies einer Beschwerde-Quote von rund 2,2 %. Zur statistischen Analyse des VwGH-Verfahrensausganges können jedoch, wie bereits beim VwGH, nur jene Entscheidungen herangezogen werden, bei denen das Verfahren bereits abgeschlossen ist. Nach Abzug der sechs noch nicht entschiedenen Beschwerden verbleiben somit lediglich 88 oder rund 2,1 % aller der Untersuchung zugrunde liegenden Entscheidungen für die Analyse. Bemerkenswert, jedoch nicht verwunderlich ist, dass finanzgerichtliche Entscheidungen rund 7,4-mal häufiger beim VwGH als beim VfGH angefochten wurden.
Die polytome Variable „VfGH-Verfahrensausgang“ misst den Ausgang des Verfahrens vor dem VfGH für alle entschiedenen Beschwerden. Sie kann die Ausprägungen „Aufhebung“, „Einstellung“, „Ablehnung“ oder „Abweisung“ annehmen, welche abermals dem Feld „Beachte“ aus der FINDOK-Datenbank entnommen wurden.
Anzumerken bleibt, dass es bei einem Urteil des VfGH sowohl zu einer Aufhebung der angefochtenen finanzgerichtlichen Entscheidung (hinsichtlich der KöSt 2006) als auch zu einer Abweisung der Beschwerde (hinsichtlich der KöSt 2007) gekommen ist.
Abbildung 12: Anzahl der VfGH-Entscheidungen pro Entscheidungsart
Das Säulendiagramm lässt erkennen, dass der VfGH, ganz im Gegensatz zum VwGH, nur selten in der Sache selbst entschieden hat. Stattdessen wurde die Beschwerdebehandlung 78-mal und somit in rund 87,6 % aller Fälle abgelehnt. Zweimal wurde das Verfahren darüber hinaus eingestellt (2,2 %). Nur in den verbleibenden neun Rechtssachen kam es zu einem Erkenntnis in der Sache selbst (10,1 %).
Ebenfalls auffallend an der Verteilung ist, dass die Steuerpflichtigen mit den von ihnen beim VfGH eingebrachten Beschwerden in aller Regel erfolglos geblieben sind: 80-mal und sohin in rund 89,9 % aller Fälle wurde gegen den Beschwerdeführer entschieden („Ablehnung“ oder „Abweisung“). Dem stehen lediglich sieben Aufhebungen der angefochtenen finanzgerichtlichen Entscheidungen (7,9 %) entgegen. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass vom VfGH weder eine Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen, noch ein Vorlageantrag an den EuGH gestellt wurde.
Der nachfolgende Abschnitt konzentriert sich auf die Beantwortung der ersten Teilfrage. Diese wurde bereits zu Beginn der Arbeit zur Operationalisierung der Forschungsfrage aus dieser abgeleitet und lautet wie folgt.
Teilfrage 1: |
Welche Faktoren beeinflussen den Ausgang finanzgerichtlicher Verfahren zur Körperschaftsteuer? |
Die Antworten darauf werden in der Folge systematisch entwickelt. In einem ersten Schritt erfolgt die Aufbereitung der Zusammenhänge zwischen den Ausprägungen der Variablen „Verfahrensausgang“ und den Ausprägungen der wichtigsten anderen, im vorangegangenen Kapitel vorgestellten Variablen mithilfe deskriptiver Statistik. Daran anschließend werden aus den der Untersuchung zugrunde liegenden Daten mittels induktiver Statistik Eigenschaften der Grundgesamtheit abgeleitet, welche insb auch relevant für zukünftige finanzgerichtliche Entscheidungen zur Körperschaftsteuer sind. Dazu werden Binomialtests und multinomiale logistische Regressionen durchgeführt. Letztere schätzen die Auswirkungen der einzelnen Variablen auf den „Verfahrensausgang“ und überprüfen deren statistische Signifikanz. Anschließend werden die Ergebnisse der empirischen Analyse diskutiert und infolgedessen Antworten auf die erste Teilfrage gegeben. Zum Abschluss erfolgen Tests zur Überprüfung der Robustheit des verwendeten Modells.
Um ein Gefühl für die zeitliche Entwicklung der Erfolgsaussichten in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer zu bekommen, wird der „Verfahrensausgang“ zu Beginn in Beziehung zu dem jeweiligen „Entscheidungsjahr“ gesetzt.
Abbildung 13: Verfahrensausgang und Entscheidungsjahr
Die Abbildung lässt eine interessante Entwicklung erkennen. Im ersten Jahr in dem der UFS tätig wurde, konnten Steuerpflichtige lediglich rund 10,9 % aller Fälle gewinnen. Die Erfolgsaussichten stiegen in den Folgejahren zwar leicht an, blieben bis zum Jahr 2013 jedoch immer deutlich unter 20 %. Erst mit dem Inkrafttreten der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit am 1. Jänner 2014 und der damit einhergehenden Weiterentwicklung des UFS in das BFG kam es zu einem bemerkenswerten Anstieg in der relativen Anzahl der von Steuerpflichtigen gewonnen Verfahren. Mit rund 35,6 % aller in 2014 entschiedenen Fälle lagen die Erfolgsaussichten im letzten Jahr der Untersuchung deutlich über einem Drittel.
Die aus Sicht der Steuerpflichtigen seit dem Jahr 2011 stetig ansteigenden Chancen, finanzgerichtliche Verfahren zu gewinnen, lassen Interpretationsspielraum offen. Neben oder zusätzlich zu der Etablierung der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit und einer damit einhergehenden stärkeren Unabhängigkeit dieser Instanz, könnte bspw auch eine aggressivere Verwaltungspraxis ursächlich für diese Entwicklung sein. Denn würden die Finanzämter eine restriktivere Politik verfolgen, gäben sie den Beschwerdebegehren der Steuerpflichtigen in den von ihnen erlassenen Beschwerdevorentscheidungen in Zweifelsfällen seltener statt. Aus Sicht der Finanzverwaltung eindeutig erfolgsversprechende Begehren (= Stattgabe) oder eindeutig aussichtslose Begehren (= Nichtstattgabe) sollten von einem härteren Kurs hingegen nicht oder nur unwesentlich betroffen sein. Dies würde im Ergebnis dazu führen, dass der durch eine aggressivere Verwaltungspraxis induzierte Anstieg an Nichtstattgaben von Beschwerdebegehren primär auf Zweifelsfälle zurückzuführen wäre. Und bei solchen haben Steuerpflichtige im finanzgerichtlichen Verfahren bessere Chancen zu gewinnen als bei jenen, die der Finanzverwaltung aussichtslos erscheinen.
Im Hinblick auf teilweise gewonnene Verfahren lässt sich hingegen keine eindeutige Entwicklung beobachten. Im Jahr 2014 wurden in etwa 23,6 % aller Entscheidungen mit einer teilweisen Stattgabe der Beschwerde abgeschlossen. Dies unterscheidet sich nur marginal vom Mittelwert über alle Untersuchungsjahre hinweg: Dieser liegt bei 23,7 %. Prozentuell gesehen zu den meisten teilweise gewonnen Verfahren kam es im Jahr 2003 (30,6 %). Dieses ist gleichzeitig auch jenes Jahr, in dem die Steuerpflichtigsten am seltensten gewinnen konnten.
Die obige Darstellung der zeitlichen Entwicklung könnte verzerrt sein, wenn die Erfolgsaussichten innerhalb der einzelnen Jahre ungleich verteilt sind. Insb dann, wenn sich die Ausgänge der Verfahren zu Jahresbeginn und Jahresende stark von den anderen unterscheiden würden, würde sich das Jahr nicht als Betrachtungsperiode eignen. Um Unschärfen zu vermeiden, müssten diesfalls andere Zeiträume zur Darstellung der zeitlichen Entwicklung herangezogen werden. Daher betrachten wir in einem nächsten Schritt die Verteilung innerhalb der Entscheidungsjahre.
Die Abbildung zeigt die prozentuelle Verteilung gewonnener finanzgerichtlicher Verfahren für die einzelnen Entscheidungsjahre und -monate. Wie aus der Grafik hervorgeht, sind die Erfolgsaussichten innerhalb der Jahre im Wesentlichen gleichmäßig verteilt und es lassen sich weder zu Jahresbeginn noch zu Jahresende bedeutsame Ausreißer erkennen. Dies lässt darauf schließen, dass die Darstellung der zeitlichen Entwicklung der Erfolgsaussichten auf Jahresbasis nicht verzerrt ist und daher keine alternativen Zeitintervalle herangezogen werden müssen.
Abbildung 14: Gewonnene Verfahren pro Entscheidungsjahr und -monat
Als nächstes betrachten wir die beiden Variablen „Verfahrensausgang“ und „Verfahrensdauer“. Aufgrund der Tatsache, dass letztere eine Ratio-Skalierung aufweist, wird für die grafische Darstellung auf Boxplots zurückgegriffen.
Abbildung 15: Verfahrensausgang und Verfahrensdauer
Wie bereits in Kapitel 2.4.4 beschrieben, liegen obiger Abbildung ausschließlich jene 4.073 Entscheidungen zugrunde, bei denen die Verfahrensdauer ermittelt werden konnte. Am schnellsten wurden demnach Verfahren abgeschlossen, bei denen von den Finanzgerichten Entscheidungen gegen die Beschwerdebegehren der Steuerpflichtigen getroffen wurden. Der Median liegt in diesen Fällen bei 629, der Mittelwert bei rund 856 Verfahrenstagen. Verfahren, deren Entscheidungen zugunsten der Steuerpflichtigen ausfielen, dauerten hingegen bedeutend länger. Hier ergibt sich ein Median (Mittelwert) von etwa 827 (1.045) Tagen. Noch länger waren jedoch jene Verfahren, bei denen mit teilweiser Stattgabe der Beschwerdebegehren entschieden wurde. Bei diesen beläuft sich der Median auf rund 990 und der Mittelwert auf 1.213 Tage. In Einklang mit der Hypothese H2a, dauerten die untersuchten finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer im Durchschnitt also wahrhaftig am längsten, wenn den Begehren der Beschwerdeführer teilweise stattgegeben wurde. Statistisch signifikante Schlüsse können daraus jedoch noch nicht gezogen werden. Ob die Hypothese H2a tatsächlich auch einer empirischen Überprüfung standhält, wird in Kapitel 2.6 untersucht.
Auffallend ist, dass die Mittelwerte der Verfahrensdauern immer oberhalb der Mediane liegen. Dieser Umstand lässt auf eine rechtsschiefe Verteilung schließen, welche offensichtlich nicht nur der Variablen „Verfahrensdauer“ selbst, sondern auch den drei soeben gebildeten Teilmengen dieser Variablen zugrunde liegt.
Interessant erscheint ebenfalls, ob die sieben Außenstellen des UFS bzw BFG unterschiedlich entschieden haben. Zur grafischen Illustration werden die finanzgerichtlichen Erkenntnisse und Beschlüsse ihrem „Gerichtsstand“ nach gruppiert und die Ausprägungen der Variablen „Verfahrensausgang“ für jede dieser Gruppen dargestellt.
Abbildung 16: Verfahrensausgang und Gerichtsstand
Die Abbildung zeigt den prozentuellen „Verfahrensausgang“ für jeden der sieben „Gerichtsstände“. Die Erfolgsaussichten in den Außenstellen sind ungleich ausgeprägt: Relativ am häufigsten gewannen Steuerpflichtige in Linz (20,0 %) und Salzburg (19,4 %), am seltensten in Feldkirch (11,5 %) und Innsbruck (13,3 %). Der Unterschied zwischen diesen Extremwerten ist durchaus beachtlich.
Bemerkenswert erscheint weiters, dass in Salzburg nicht nur auffallend viele Verfahren gewonnen, sondern in Relation zu den anderen Gerichtsständen gleichzeitig auch die meisten Verfahren verloren wurden (66,7 %). Dies bedingt, dass es hier am seltensten, nämlich in nur 13,9 % aller Fälle, zu teilweisen Stattgaben von Beschwerdebegehren gekommen ist. Eine genau gegensätzliche Entscheidungskultur bestand in Innsbruck. In keiner anderen Außenstelle wurden Verfahren seltener verlorenen (52,6 %). Gleichzeitig führt Innsbruck aber auch die Liste der teilweise gewonnen Fälle mit 34,1 % an.
Die Beziehung zwischen dem „Verfahrensausgang“ und der Variablen „Rechtsvertretung“ ist vorwiegend für die Praxis von Belang. Insb stellt sich aus Sicht der Steuerpflichtigen die Frage, mit welcher Rechtsvertretung die besten Erfolgsaussichten in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer verbunden sind. Die Antwort darauf ist aber auch für die zur Vertretung befugten Berufsgruppen von Interesse, um Vergleiche untereinander anstellen zu können.
Abbildung 17: Verfahrensausgang und Rechtsvertretung
Die Abbildung illustriert den prozentuellen „Verfahrensausgang“ für die verschiedenen Gruppen von „Rechtsvertretungen“. Auffallend ist, dass jene Verfahren, in denen die Beschwerdeführer von einem Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten wurden, mit rund 19 % am häufigsten gewonnen werden konnten. Demgegenüber stehen Verfahren, bei denen Rechtsanwälte die Vertretung übernommen haben. Diese wurden in lediglich 13,4 % der Fälle zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden. Wurde hingegen gar kein Rechtsvertreter beigezogen, konnten 15,3 % der Verfahren gewonnen werden.
Bei Betrachtung der aus Sicht der Steuerpflichtigen verlorenen Rechtssachen ergibt sich hingegen ein konträres Bild: Hier schneiden Rechtsanwälte mit nur 47,4 % klar besser als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer mit rund 56,5 % ab. Noch häufiger wurde jedoch gegen die Beschwerdeführer entschieden, wenn sich diese in den Verfahren nicht vertreten haben lassen (61 %).
Hinsichtlich der Variablen „Rechtsvertretung“ bleibt anzumerken, dass die Ausprägung „unbekannt“ keine klar definierte Gruppe von finanzgerichtlichen Entscheidungen umfasst und somit auch nur geringe Aussagekraft besitzt. Daher wird auf sie nicht näher eingegangen. Eine genaue Beschreibung, in welchen Fällen die Variable „Rechtsvertretung“ die Ausprägung „unbekannt“ annimmt, findet sich in Kapitel 2.4.6.
Letztendlich werden die finanzgerichtlichen Entscheidungen ihrem „Rechtsschutzinstrument“ nach gruppiert und für jede dieser Gruppen die Ausprägungen des „Verfahrensausganges“ dargestellt.
Abbildung 18: Verfahrensausgang und Rechtsschutzinstrument
Die Grafik zeigt den prozentuellen „Verfahrensausgang“ je „Rechtsschutzinstrument“. Sofort wird augenscheinlich, dass alle Devolutionsanträge gegen die Steuerpflichtigen entschieden wurden. Hinsichtlich der Interpretation dieses Umstandes gilt es jedoch Folgendes zu beachten: Zum einen waren Devolutionsanträge vom UFS auch dann als unzulässig zurückzuweisen, wenn das Finanzamt seiner Entscheidungspflicht durch Erlassung der entsprechenden Bescheide innerhalb der vom UFS gesetzten Frist nachgekommen ist. In diesen Fällen waren die Anträge aus Sicht der Steuerpflichtigen daher zwar erfolgreich, weil die begehrten Bescheide erlassen wurden, allerdings haben die Steuerpflichtigen die Verfahren aufgrund der Zurückweisungen ihrer Anträge dennoch verloren. Zum anderen umfasst das untersuchte Datenmaterial nur 13 Entscheidungen über Devolutionsanträge, weshalb die Verteilung der Ausprägungen der Variablen „Verfahrensausgang“ nicht repräsentativ ist.
Aus demselben Grund mit Bedacht zu deuten sind ebenfalls die in obiger Abbildung illustrierten Erfolgsaussichten von Wiedereinsetzungsanträgen: Die analysierten Daten umfassen lediglich 24 auf diesem Rechtsschutzinstrument basierende und bereits abgeschlossene Verfahren. Für diese wenigen Entscheidungen lässt sich jedoch anmerken, dass mit rund 79,2 % besonders häufig gegen und mit 8,3 % nur selten für die Steuerpflichtigen entschieden wurde.
Verfahren, in denen die Abänderung, Zurücknahme oder Aufhebung von Bescheiden im Sinne der §§ 293 bis 302 BAO begehrt wurde, wurden hingegen in 34,2 % aller Fälle zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden. Gleichzeitig fielen nur rund 49,2 % der Entscheidungen zuungunsten der Antragsteller aus. Hinsichtlich des Verfahrensausganges waren die Rechtsschutzinstrumente der Abänderung, Zurücknahme und Aufhebung aus Sicht der Steuerpflichtigen daher die erfolgreichsten.
Bisher wurden die Zusammenhänge zwischen dem „Verfahrensausgang“ und den anderen Variablen deskriptiv aufbereitet. Dadurch konnten Aussagen über die finanzgerichtlichen Entscheidungen zur Körperschaftsteuer, die dieser Untersuchung zugrunde liegenden, getroffen werden. All diesen Aussagen ist jedoch gemein, dass sie sich ausschließlich auf ebendiese Entscheidungen beziehen und daher lediglich bereits verwirklichte Sachverhalte der Vergangenheit beschreiben.
Dieses Kapitel widmet sich nun der induktiven Statistik, mit deren Hilfe aus den für die Analyse verwendeten Daten Eigenschaften der Grundgesamtheit und sohin Eigenschaften aller finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer abgeleitet werden können. Die dazu verwendeten statistischen Methoden umfassen Binomialtests zur Beantwortung der Hypothese H1a sowie multinomiale logistische Regressionsmodelle zur Beantwortung der Hypothesen H1b und H1c. Letztere schätzen die Auswirkungen der einzelnen Variablen auf den „Verfahrensausgang“ und ermöglichen es somit, auch Aussagen über zukünftige finanzgerichtliche Entscheidungen zur Körperschaftsteuer treffen zu können.
Die erste in Kapitel 2.2 formulierte Hypothese H1a behauptet, dass Finanzämter in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer häufiger obsiegen als die die Beschwerde erhebenden Steuerpflichtigen. Bei der Überprüfung dieser Aussage gilt es Zweierlei zu beachten: Zum einen, dass Finanzämter in sämtlichen finanzgerichtlichen Verfahren gegen Steuerpflichtige auftreten. Dies führt dazu, dass hinsichtlich der kontrahierenden Parteien keinerlei Varianz besteht, weshalb die Implementierung einer entsprechenden Dummy-Variablen in die im Anschlusskapitel entwickelten Regressionsmodelle nicht zielführend wäre.106 Zum anderen, dass die in diesem Zusammenhang entscheidende Variable der „Verfahrensausgang“ ist, welche neben den beiden Ausprägungen „gewonnen“ und „verloren“ auch noch die Ausprägung „teilweise gewonnen“ annehmen kann. Letztere ist für die Überprüfung der Hypothese H1a jedoch unzweckmäßig, weil bei derartigen Verfahren nicht klar ist, welche Partei die obsiegende war. Aus diesem Grund werden hinsichtlich des Hypothesentests von H1a in einem ersten Schritt nur jene 3.261 finanzgerichtlichen Verfahren betrachtet, die eindeutig zugunsten (715) oder zuungunsten (2.546) der Steuerpflichtigen ausgegangen sind.
Methodisch wird für die beiden Verfahrensausgänge „gewonnen“ und „verloren“ eine Binomialverteilung107 unterstellt und mithilfe eines Binomialtests überprüft, ob Finanzämter statistisch gesehen tatsächlich signifikant häufiger gewonnen haben als Steuerpflichtige. Formal wird also folgende Nullhypothese H1a0 gegen die Alternativhypothese H1a1 getestet.
Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, dass Finanzämter finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaftsteuer gewinnen bzw Steuerpflichtige derartige Verfahren verlieren. Aufgrund der unterstellten Binomialverteilung folgt daraus eine Gegenwahrscheinlichkeit von 1 – p, mit welcher Finanzämter verlieren bzw Steuerpflichtige gewinnen.
Liegen einem Binomialtest mehr als 30 Beobachtungen zugrunde,108 kann die Binomialverteilung über eine Normalverteilung angenähert werden.109 In diesem Fall wird von einem approximativen, ansonsten von einem exakten Binomialtest gesprochen.110 Da die Überprüfung der Hypothese H1a auf 3.261 finanzgerichtlichen Entscheidungen basiert, sind die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des approximativen Binomialtests jedenfalls gegeben. Der entsprechende Befehl im Statistikprogramm R lautet prop.test(2546, 3261, p=0.5, alternative="greater“) und liefert folgendes Ergebnis:
1-sample proportions test with continuity correction
data: 2546 out of 3261, null probability 0.5
X-squared = 1026.955, df = 1, p-value < 2.2e-16
alternative hypothesis: true p is greater than 0.5
95 percent confidence interval: 0.7684384 1.0000000
sample estimates: 0.7807421
Der p-Wert liegt deutlich unter 0,1 %, weshalb das Testergebnis hoch signifikant ist.111 Die Nullhypothese H1a0, die besagt, dass finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaftsteuer von Finanzämtern mit einer Wahrscheinlichkeit von kleiner gleich 50 % gewonnen werden, ist daher zu verwerfen. Wie unterschiedlich die Erfolgsaussichten in derartigen Verfahren für Steuerpflichtige und Finanzämter sind, zeigt sich insb bei der Interpretation des Konfidenzintervalls: Obigem Ergebnis zufolge liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Finanzämter gewinnen, in 95 % aller Fälle zwischen rund 76,8 % und 100 %. Dieses hoch signifikante Ergebnis bleibt sowohl bei Verwendung eines exakten Binomialtests112 als auch bei Einsatz eines zweiseitigen Hypothesentests113 bestehen.
Um die Robustheit der Resultate zu testen, werden in einem nächsten Schritt auch die „teilweise gewonnenen“ Verfahren in die Analyse miteinbezogen. Bei diesen ist zwar nicht klar, zugunsten welcher Partei sie entschieden wurden. Jedoch kann die denkmögliche Annahme getroffen werden, dass all diese Verfahren zum Vorteil der Steuerpflichtigen ausgegangen sind. In einem solchen hypothetischen Extremszenario hätten die Finanzämter weiterhin 2.546 finanzgerichtliche Entscheidungen zur Körperschaftsteuer gewonnen, aber nicht mehr nur 715, sondern 1.730 verloren. Eine derartige Verteilung wird dem approximativen Binomialtest im Statistikprogramm R mit dem Befehl prop.test(2546, 4276, p=0.5, alternative="greater“) zugrunde gelegt. Es wird folgendes Ergebnis ausgegeben:
1-sample proportions test with continuity correction
data: 2546 out of 4276, null probability 0.5
X-squared = 155.3379, df = 1, p-value < 2.2e-16
alternative hypothesis: true p is greater than 0.5
95 percent confidence interval: 0.5828964 1.0000000
sample estimates: 0.5954163
Wie ersichtlich wird, liegt der p-Wert selbst bei Unterstellung der aus Sicht der Finanzämter nachteiligsten Konstellation weiterhin deutlich unter 0,1 %. Das Testergebnis ist daher hoch signifikant und die Nullhypothese H1a0 zu verwerfen. Das Konfidenzintervall zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Finanzämter gewinnen, bei Annahme dieses Extremszenarios in 95 % aller Fälle über rund 58,3 % liegt. Wie bereits beim vorherigen Test bleibt das hoch signifikante Ergebnis sowohl bei Verwendung eines exakten Binomialtests114 als auch bei Einsatz eines zweiseitigen Hypothesentests115 bestehen.
Die Ergebnisse der Binomialtests können als eine weitere Bestätigung der von Marc Galanter aufgestellten These gesehen werden, wonach „Haves“ und „Repeat Players“ (in dieser Untersuchung die Finanzämter) bei Rechtsstreitigkeiten häufiger obsiegen als „Have Nots“ und „One-Shotters“ (in dieser Untersuchung die Steuerpflichtigen). Als mögliche Gründe für die statistisch signifikant höheren Erfolgschancen von Finanzämtern in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer können die bereits von Galanter formulierten strukturellen Vorteile genannt werden: Finanzämter besitzen ausreichend finanzielle Ressourcen, um selbst langwierige Verfahren problemlos führen zu können. Darüber hinaus können sie auf eine Vielzahl von Experten und sohin auch auf facheinschlägige Informationen, sowie auf langjährige Erfahrung in finanzgerichtlichen Verfahren zurückgreifen. Nicht zuletzt ist es für Finanzbeamte durch die Teilnahme an fachlichen Veranstaltungen auch einfacher als für Steuerpflichtige, informelle Beziehungen zu den Richtern des BFG zu knüpfen.
Die zweite in Kapitel 2.2 formulierte Hypothese H1b postuliert, dass sich in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer die Erfolgsaussichten der Beschwerdeführer erhöhen, wenn sie sich von Experten vertreten lassen. Untersuchungsobjekt ist demnach die Auswirkung der Variablen „Rechtsvertretung“ auf die Variable „Verfahrensausgang“. Gleichzeitig behauptet die dritte in Kapitel 2.2 formulierte Hypothese H1c, dass formelle Rechtsschutzinstrumente in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer keinen Einfluss auf materiell-rechtliche Entscheidungen haben. Zur Überprüfung dieser Aussage gilt es, die Auswirkung der Variablen „Rechtsschutzinstrument“ auf die Variable „Verfahrensausgang“ zu untersuchen.
Es zeigt sich, dass der „Verfahrensausgang“ in beiden Fällen jene Größe darstellt, die erklärt werden soll. Um die Hypothesen H1b und H1c zu testen ist es daher zweckdienlich, ein multinomiales logistisches Regressionsmodell mit dem „Verfahrensausgang“ als abhängiger Variablen und der „Rechtsvertretung“ sowie dem „Rechtsschutzinstrument“ als unabhängige Variablen zu verwenden.
Um etwaige Einflüsse von sonstigen Faktoren auf den „Verfahrensausgang“ berücksichtigen zu können, fließen in die Regression neben den beiden Hauptvariablen „Rechtsvertretung“ und „Rechtsschutzinstrument“ auch noch Kontrollvariablen mit ein. Konkret wird die Schätzung der Ausprägungen des „Verfahrensausganges“ anhand des folgenden multinomialen logistischen Regressionsmodells vorgenommen:
Die Hauptvariable „Rechtsvertretung“ wird zu Auswertungszwecken in die drei Dummy-Variablen „Vertretung.StB/WP“, „Vertretung.RA“ sowie „Vertretung.Unbekannt“ aufgeteilt. Diese Vorgehensweise ist notwendig, weil das Datenmaterial ein finanzgerichtliches Verfahren beinhaltet, in dem sich der Beschwerdeführer sowohl von einem Steuerberater als auch von einem Rechtsanwalt vertreten hat lassen. Aus demselben Grund muss auch die Hauptvariable „Rechtsschutzinstrument“ in die vier Dummy-Variablen „Abänderung.Zurücknahme.Aufhebung“, „Wiederaufnahme“, „Wiedereinsetzung“ und „Devolutionsantrag“ zerlegt werden: Die Daten umfassen finanzgerichtliche Verfahren, in denen mehr als ein Rechtsschutzinstrument zur Anwendung gelangte. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über alle Variablen des obigen Regressionsmodells.
Bezeichnung | Erklärung |
Abhängige Variable | |
Verfahrensausgang | Polytome Variable, die die Ausprägungen „gewonnen“, „teilweise gewonnen“ oder „verloren“ annehmen kann.116 |
Erklärende Variablen | |
Vertretung.StB/WP | Dummy-Variable, die den Wert 1 annimmt, sofern sich Beschwerdeführer in finanzgerichtlichen Verfahren von einem Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten haben lassen. Ansonsten nimmt sie den Wert 0 an.117 |
Vertretung.RA | Dummy-Variable, die den Wert 1 annimmt, sofern sich Beschwerdeführer in finanzgerichtlichen Verfahren von einem Rechtsanwalt vertreten haben lassen. Ansonsten nimmt sie den Wert 0 an.118 |
Vertretung.Unbekannt | Dummy-Variable, die den Wert 1 annimmt, sofern sich Beschwerdeführer in finanzgerichtlichen Verfahren vertreten haben lassen, der Berufsstand des Vertreters jedoch unbekannt ist. Ansonsten nimmt sie den Wert 0 an.119 |
Abänderung.Zurücknahme.Aufhebung | Dummy-Variable, die den Wert 1 annimmt, sofern in den Zusatzinformationen zu den finanzgerichtlichen Entscheidungen als betroffene Norm einer oder mehrere der §§ 293 bis 302 BAO angeführt werden. Ansonsten nimmt sie den Wert 0 an.120 |
Wiederaufnahme | Dummy-Variable, die den Wert 1 annimmt, sofern in den Zusatzinformationen zu den finanzgerichtlichen Entscheidungen als betroffene Norm einer oder mehrere der §§ 303 bis 307 BAO angeführt werden. Ansonsten nimmt sie den Wert 0 an.121 |
Wiedereinsetzung | Dummy-Variable, die den Wert 1 annimmt, sofern in den Zusatzinformationen zu den finanzgerichtlichen Entscheidungen als betroffene Norm einer oder mehrere der §§ 308 bis 310 BAO angeführt werden. Ansonsten nimmt sie den Wert 0 an.122 |
Devolutionsantrag | Dummy-Variable, die den Wert 1 annimmt, sofern in den Zusatzinformationen zu den finanzgerichtlichen Entscheidungen als betroffene Norm einer oder mehrere der §§ 311 und 311a BAO angeführt werden. Ansonsten nimmt sie den Wert 0 an.123 |
Kontrollvariablen | |
Gerichtsstand | Polytome Variable, die die Ausprägungen „Feldkirch“, „Graz“, „Innsbruck“, „Klagenfurt“, „Linz“, „Salzburg“ oder „Wien“ annehmen kann.124 |
Entscheidungsjahr | Polytome Variable, die jenes Jahr angibt, in dem das Finanzgericht über die jeweilige Bescheidbeschwerde entschieden hat.125 |
Entscheidungsmonat | Polytome Variable, die jenen Monat angibt, in dem das Finanzgericht über die jeweilige Bescheidbeschwerde entschieden hat.126 |
log(Verfahrensdauer) | Diskrete Variable, die die vergangene Zeit zwischen dem Beschwerde- und dem Entscheidungsdatum in Tagen angibt. Die logarithmische Transformation (Basis = e = 2,71828) erfolgt aufgrund der rechtsschiefen Verteilung dieser Variablen.127 |
Tabelle 4: Variablen multinomiale logistische Regression „Verfahrensausgang“
In Übereinstimmung mit Hypothese H1b wird erwartet, dass die drei erklärenden Variablen „Vertretung.StB/WP“, „Vertretung.RA“ und „Vertretung.Unbekannt“ den „Verfahrensausgang“ aus Sicht der Steuerpflichtigen positiv beeinflussen, also die Wahrscheinlichkeiten ein Verfahren (teilweise) zu gewinnen erhöhen. Hingegen sollten die vier erklärenden Variablen „Abänderung.Zurücknahme.Aufhebung“, „Wiederaufnahme“, „Wiedereinsetzung“ und „Devolutionsantrag“ in Konformität mit Hypothese H1c keinen signifikanten Einfluss auf den „Verfahrensausgang“ haben.
Hinsichtlich der Kontrollvariablen wird korrespondierend zu Hypothese H2a erwartet, dass die Wahrscheinlichkeit, Verfahren teilweise zu gewinnen mit zunehmender „Verfahrensdauer“ ansteigt. In Ermangelung anwendbarer Theorien, können bezüglich des Einflusses der anderen drei Kontrollvariablen „Gerichtsstand“, „Entscheidungsjahr“ und „Entscheidungsmonat“ auf den „Verfahrensausgang“ keine fundierten, gerichteten Vorhersagen getroffen werden. Die folgende Tabelle fasst die erwarteten Einflüsse der einzelnen Faktoren auf die abhängige Variable nochmals zusammen.
Variable | Erwarteter Einfluss auf den „Verfahrensausgang“ |
Erklärende Variablen | |
Vertretung.StB/WP | positiv: Wahrscheinlichkeit (teilweise) zu gewinnen steigt |
Vertretung.RA | positiv: Wahrscheinlichkeit (teilweise) zu gewinnen steigt |
Vertretung.Unbekannt | positiv: Wahrscheinlichkeit (teilweise) zu gewinnen steigt |
Abänderung.Zurücknahme.Aufhebung | kein Einfluss |
Wiederaufnahme | kein Einfluss |
Wiedereinsetzung | kein Einfluss |
Devolutionsantrag | kein Einfluss |
Kontrollvariablen | |
Gerichtsstand | keine Vorhersage möglich |
Entscheidungsjahr | keine Vorhersage möglich |
Entscheidungsmonat | keine Vorhersage möglich |
log(Verfahrensdauer) | positiv: Wahrscheinlichkeit teilweise zu gewinnen steigt |
Tabelle 5: Erwarteter Einfluss der Variablen auf den „Verfahrensausgang“
Die Ergebnisse des im vorherigen Kapitel vorgestellten multinomialen logistischen Regressionsmodells werden in nachfolgender Tabelle gesammelt dargestellt. Die signifikanten Werte sind hervorgehoben, wobei ein Signifikanzniveau von 5 % mit einem (*), eines von 1 % mit zwei (**) und eines von 0,1 % mit drei (***) Asterisken versehen ist. Die entsprechenden p-Werte finden sich in den Klammern unterhalb der Quotenverhältnisse. Die Spalte (1) der Tabelle zeigt den isolierten Einfluss der drei erklärenden Variablen „Vertretung.StB/WP“, „Vertretung.RA“ und „Vertretung.Unbekannt“ auf die abhängige Variable „Verfahrensausgang“, die Spalte (2) den isolierten Einfluss der Rechtsschutzinstrumente „Abänderung.Zurücknahme.Aufhebung“, „Wiederaufnahme“, „Wiedereinsetzung“ und „Devolutionsantrag“. Die Spalte (3) enthält die Ergebnisse des gesamten Regressionsmodells inkl aller Kontrollvariablen.
Variable | Vorhersage | Kategorie | (1) | (2) | (3) | |
Konstante (ß0) | teilweise gewonnen gewonnen | 0,3902*** (0,0000) 0,2512*** (0,0000) | 0,3960*** (0,0000) 0,2708*** (0,0000) | 0,018*** (0,0000) 0,030*** (0,0000) | ||
Erklärende Variablen | ||||||
Vertretung.StB/WP | Odds-Ratios > 1 | teilweise gewonnen gewonnen | 1,1117 (0,2434) 1,3345** (0,0059) | 1,1066 (0,3036) 1,4150** (0,0019) | ||
Vertretung.RA | Odds-Ratios > 1 | teilweise gewonnen gewonnen | 2,1172*** (0,0000) 1,1192 (0,5464) | 2,6409*** (0,0000) 1,2793 (0,2020) | ||
Vertretung.Unbekannt | Odds-Ratios > 1 | teilweise gewonnen gewonnen | 0,5039*** (0,0000) 0,7752 (0,0657) | 0,5244*** (0,0000) 0,8541 (0,2726) | ||
Abänderung.Zurücknahme.Aufhebung | nicht signifikant | teilweise gewonnen gewonnen | 0,8496 (0,5334) 2,5656*** (0,0000) | 1,0338 (0,9033) 2,6005*** (0,0000) | ||
Wiederaufnahme | nicht signifikant | teilweise gewonnen gewonnen | 1,4090* (0,0270) 1,2177 (0,2851) | 1,2868 (0,1302) 1,1236 (0,5450) | ||
Wiedereinsetzung | nicht signifikant | teilweise gewonnen gewonnen | 0,4010 (0,1421) 0,3669 (0,1794) | 0,4289 (0,1876) 0,4026 (0,2279) | ||
Devolutionsantrag | nicht signifikant | teilweise gewonnen gewonnen | 0,0000 (0,8755) 0,0000 (0,8985) | 0,0001*** (0,0000) 0,0001*** (0,0000) | ||
Kontrollvariablen | ||||||
Gerichtsstand Graz | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 0,7967 (0,3391) 1,6373 (0,0955) | |||
Gerichtsstand Innsbruck | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 1,7629* (0,0157) 1,7887 (0,0646) | |||
Gerichtsstand Klagenfurt | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 1,1302 (0,6129) 1,6922 (0,0910) | |||
Gerichtsstand Linz | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 1,3804 (0,1261) 2,5010*** (0,0007) | |||
Gerichtsstand Salzburg | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 0,5078* (0,0171) 1,8225 (0,0529) | |||
Gerichtsstand Wien | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 0,9774 (0,9059) 1,8010* (0,0215) | |||
Entscheidungsjahr 2004 | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 0,6855 (0,0758) 1,3306 (0,2791) | |||
Entscheidungsjahr 2005 | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 1,0504 (0,8105) 1,5100 (0,1164) | |||
Entscheidungsjahr 2006 | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 0,9099 (0,6410) 1,4025 (0,1922) | |||
Entscheidungsjahr 2007 | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 0,8625 (0,4688) 1,0636 (0,8187) | |||
Entscheidungsjahr 2008 | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 0,5697** (0,0082) 1,0808 (0,7671) | |||
Entscheidungsjahr 2009 | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 0,6025* (0,0146) 1,0988 (0,7153) | |||
Entscheidungsjahr 2010 | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 1,0445 (0,8294) 1,4685 (0,1402) | |||
Entscheidungsjahr 2011 | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 0,6869 (0,0672) 1,1918 (0,4966) | |||
Entscheidungsjahr 2012 | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 0,7568 (0,1752) 1,4134 (0,1785) | |||
Entscheidungsjahr 2013 | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 0,7279 (0,1498) 1,6976* (0,0457) | |||
Entscheidungsjahr 2014 | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 0,9729 (0,9134) 3,9428*** (0,0000) | |||
Entscheidungsmonat Februar | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 0,7698 (0,1966) 0,5526** (0,0094) | |||
Entscheidungsmonat März | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 0,9613 (0,8318) 0,8594 (0,4430) | |||
Entscheidungsmonat April | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 1,0321 (0,8725) 1,0694 (0,7425) | |||
Entscheidungsmonat Mai | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 0,8209 (0,3418) 0,7402 (0,1737) | |||
Entscheidungsmonat Juni | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 1,0902 (0,6572) 0,9363 (0,7562) | |||
Entscheidungsmonat Juli | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 0,9008 (0,5921) 0,7845 (0,2495) | |||
Entscheidungsmonat August | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 1,0296 (0,8850) 0,7536 (0,2112) | |||
Entscheidungsmonat September | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 0,6696* (0,0453) 0,8405 (0,3899) | |||
Entscheidungsmonat Oktober | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 1,2153 (0,3093) 0,9278 (0,7196) | |||
Entscheidungsmonat November | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 0,7361 (0,1181) 0,7434 (0,1557) | |||
Entscheidungsmonat Dezember | keine Vorhersage | teilweise gewonnen gewonnen | 1,0527 (0,7934) 0,6478 (0,0617) | |||
log(Verfahrensdauer) | nur für teilweise gewonnen: Odds-Ratio > 1 | teilweise gewonnen gewonnen | 1,6425*** (0,0000) 1,2231*** (0,0000) |
Beobachtungen AIC McFadden R2 | 4.276 8.025,03 0,0133 | 4.276 8.091,80 0,0056 | 4.073 7.393,05 0,1074 |
Tabelle 6: Ergebnisse multinomiale logistische Regression „Verfahrensausgang“
Um die geschätzten Auswirkungen der einzelnen Variablen auf den „Verfahrensausgang“ besser nachvollziehen zu können, widmen wir uns zuerst der Berechnungsmethode der Quotenverhältnisse, die in obiger Tabelle abgebildet werden. Als einfaches Beispiel wird hierfür der Rechengang der in der Spalte (1) dargestellten Ergebnisse der Variablen „Vertretung.StB/WP“, „Vertretung.RA“ und „Vertretung.Unbekannt“ in folgender Tabelle veranschaulicht.
Ausgangsbasis | Rechtsvertretung | ||||
StB/WP | RA | Unbekannt | keine | ||
Verfahrensausgang | verloren | 1.196 | 167 | 534 | 650 |
teilweise gewonnen | 519 | 138 | 105 | 253 | |
gewonnen | 401 | 47 | 104 | 163 | |
Quoten | Rechtsvertretung | ||||
StB/WP | RA | Unbekannt | keine | ||
Verfahrensausgang | verloren | ||||
teilweise gewonnen | 0,43 | 0,83 | 0,20 | 0,39 | |
gewonnen | 0,34 | 0,28 | 0,19 | 0,25 | |
Quotenverhältnis | Rechtsvertretung | ||||
StB/WP | RA | Unbekannt | keine | ||
Verfahrensausgang | verloren | ||||
teilweise gewonnen | 1,11 | 2,12 | 0,51 | ||
gewonnen | 1,34 | 1,12 | 0,78 |
Tabelle 7: Berechnung der Quotenverhältnisse
Die Ausgangsbasis für die Berechnung bilden sämtliche der Untersuchung zugrunde liegende finanzgerichtliche Entscheidungen, welche der „Rechtsvertretung“ und dem „Verfahrensausgang“ nach gruppiert werden. Die Entscheidungen der beiden Kategorien „teilweise gewonnen“ und „gewonnen“ werden zu Beginn in Relation zu jenen der ersten Referenzkategorie „verloren“ gesetzt. Bspw berechnet sich die Quote in der mittleren Tabelle in der Zeile „gewonnen“ und der Spalte „RA“ mittels Division der Anzahl der „gewonnenen“ Entscheidungen durch die Anzahl der „verlorenen“, jeweils bei Vertretung durch einen Rechtsanwalt: 47/167 = 0,28. Um die Quotenverhältnisse zu erhalten, werden die so errechneten Quoten in einem weiteren Schritt in Relation zu den Quoten der zweiten Referenzkategorie, in diesem Fall „keine“ Rechtsvertretung, gesetzt. Exemplarisch ergibt sich das Quotenverhältnis der Zeile „gewonnen“ und der Spalte „RA“ in der untersten Tabelle durch Division der Quote in der Zeile „gewonnen“ und der Spalte „RA“ durch die Quote in derselben Zeile und der Spalte „keine“: 0,28/0,25 = 1,12. Diese Zahl bedeutet, dass das Verhältnis zwischen „gewonnen“ und „verlorenen“ Verfahren um den Faktor 1,12 größer ist, wenn Steuerpflichte von Rechtsanwälten anstatt von niemandem vertreten werden. Korrespondierend bedeutet das Quotenverhältnis in der Zeile „teilweise gewonnen“ und der Spalte „Unbekannt“, dass das Verhältnis zwischen „teilweise gewonnenen“ und „verlorenen“ Verfahren mit dem Faktor 0,51 zu multiplizieren (und somit nur annähernd halb so groß) ist, wenn Steuerpflichtige von „Unbekannten“ anstatt von niemandem vertreten werden.
Nun zurück zu den in der ersten Tabelle dieses Kapitels dargestellten Ergebnissen der Regression. Vorweg sind zu diesen drei prinzipielle Punkte festzuhalten: Erstens gelangen die in den Spalten (1) und (2) dargestellten, isolierten Schätzungen der Einflüsse der erklärenden Variablen auf den „Verfahrensausgang“ im Wesentlichen zu denselben Ergebnissen wie die in Spalte (3) beschriebene Schätzung unter Zugrundelegung des vollständigen Regressionsmodells. Dies bedeutet, dass die erklärenden Variablen durch die Berücksichtigung der Kontrollvariablen nicht an Gewicht verlieren. Zweitens legt die Interpretation des Pseudo-Bestimmtheitsmaßes „McFadden R2“ jedoch nahe, dass die unabhängigen Variablen lediglich einen sehr geringen Anteil der Varianz der abhängigen Variablen erklären. Selbst das vollständige Modell weist mit einem „McFadden R2“ von 0,1074 nur eine geringe Modellgüte auf.128 Dieser Umstand ist allerdings nicht verwunderlich, weil sich die Variable mit dem annahmegemäß größten Einfluss auf den „Verfahrensausgang“, nämlich der der jeweiligen finanzgerichtlichen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt, nicht explizit in dem Modell wiederfindet und auch nicht wiederfinden kann. Dieser ist stattdessen in der Konstanten ß0 enthalten, was deren höchst signifikanten Einfluss erklärt. Drittens sei darauf hingewiesen, dass die Anzahl der Beobachtungen im vollständigen Regressionsmodell nur 4.073 beträgt und daher um 203 geringer ist als bei den beiden isolierten Schätzungen. Dies ist auf die Kontrollvariable „Verfahrensdauer“ zurückzuführen, welche nicht für alle Verfahren ermittelt werden konnte.129
Kommen wir nun zu den jeweiligen Einflüssen der erklärenden Variablen auf den „Verfahrensausgang“ und damit zur Überprüfung der beiden Hypothesen H1b und H1c. Grundlage für die folgenden Erläuterungen sind dabei die Ergebnisse der auf dem vollständigen Regressionsmodell beruhenden Schätzung, welche in Spalte (3) der ersten Tabelle dieses Kapitels dargestellt werden. Hypothese H1b behauptet, dass sich die Erfolgsaussichten der Beschwerdeführer in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer erhöhen, wenn sie sich von Experten vertreten lassen. Im Konkreten wird folgende Nullhypothese H1b0 getestet: Rechtsvertretungen durch Experten in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer haben keinen Einfluss auf die Erfolgsaussichten der Beschwerdeführer. Zur Überprüfung dieser Aussage werden die Quotenverhältnisse der drei Dummy-Variablen „Vertretung.StB/WP“, „Vertretung.RA“ und „Vertretung.Unbekannt“ betrachtet. Wie oben bereits beschrieben, dienen in diesem Fall beim „Verfahrensausgang“ die Ausprägung „verloren“ und bei der „Rechtsvertretung“ die Ausprägung „keine“ als Referenzkategorien.
Beginnen wir mit der Variablen „Vertretung.StB/WP“: Das statistisch sehr signifikante Quotenverhältnis von 1,42 in der Kategorie „gewonnen“ bedeutet, dass das Verhältnis zwischen „gewonnen“ und „verlorenen“ Verfahren um den Faktor 1,42 größer ist, wenn Steuerpflichte, anstatt sich selbst zu vertreten, von Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern vertreten werden. Das Quotenverhältnis bei den „teilweise gewonnenen“ Verfahren beträgt annähernd eins. Darüber hinaus ist dieses Ergebnis statistisch auch nicht signifikant, weshalb keine definitiven Schlüsse über den Einfluss der Rechtsvertretung durch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer auf die Chance, finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaftsteuer teilweise zu gewinnen, gezogen werden können.
Das Regressionsmodell liefert auch für die Variable „Vertretung.RA“ ein interessantes Erkenntnis: Werden Steuerpflichte in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer durch einen Rechtsanwalt vertreten, so ist das Verhältnis zwischen „teilweise gewonnenen“ und „verlorenen“ Entscheidungen um den Faktor 2,64 größer, als wenn sie sich durch niemanden vertreten lassen. Dieses Ergebnis ist höchst signifikant. Hingegen hat die Rechtsvertretung durch einen Anwalt modellgemäß keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die Chance, ein Verfahren zur Gänze zu gewinnen.
Ebenfalls bemerkenswert erscheint das Quotenverhältnis der Variablen „Vertretung.Unbekannt“ in der Kategorie „teilweise gewonnen“. Es besagt, dass das Verhältnis zwischen „teilweise gewonnenen“ und „verlorenen“ Verfahren mit dem Faktor 0,52 zu multiplizieren ist, wenn Steuerpflichtige in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer anstatt sich selbst zu vertreten von „Unbekannten“ vertreten werden. Diesem statistisch höchst signifikanten Ergebnis sollte allerdings insofern keine allzu große Bedeutung beigemessen werden, als die Ausprägung „Vertretung.Unbekannt“, wie bereits in Kapitel 2.4.6 beschrieben, keine klar definierte Gruppe von Rechtsvertretern umfasst. Insb ist nicht auszuschließen, dass sich die beschwerdeführenden Gesellschaften in solchen Fällen lediglich durch ihre Geschäftsführer oder Vorstände repräsentieren haben lassen. Das Quotenverhältnis der Kategorie „gewonnen“ ist statistisch nicht signifikant und darüber hinaus auch nahe Eins, weshalb darauf nicht näher eingegangen wird.
Für die Überprüfung der Hypothese H1b bedeuten diese Ergebnisse, dass die Nullhypothese H1b0, wonach Rechtsvertretungen durch Experten in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer keinen Einfluss auf die Erfolgsaussichten der Beschwerdeführer haben, zu verwerfen ist. Stattdessen legt das Modell nahe, dass Steuerpflichtige in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer tatsächlich bessere Erfolgsaussichten haben, wenn sie sich durch einen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt vertreten lassen.
Dieses Ergebnis kann als Bekräftigung der von Marc Galanter aufgestellten Vermutung, dass Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte als „Repeat Players“ die Erfolgschancen ihrer Mandanten verbessern, gesehen werden. Wie auch die Finanzbeamten haben diese Experten bereits Erfahrungen in finanzgerichtlichen Verfahren gesammelt. Darüber hinaus besitzen sie Zugang zu fachlichen Informationen und konnten womöglich, bspw durch die Teilnahme an Fachveranstaltungen, ebenfalls informelle Beziehungen zu den Richtern des BFG aufbauen. Dies führt dazu, dass ein großer Teil der strukturellen Vorteile, die die Finanzverwaltung gegenüber den Steuerpflichtigen hat, in den finanzgerichtlichen Verfahren von den steuerlichen Vertretungen beigesteuert wird. Dadurch verschiebt sich das Chancenverhältnis zugunsten der Steuerpflichtigen. Eine gänzliche Gleichstellung wird jedoch auch bei Vertretung durch einen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt nicht erreicht, weil Steuerpflichtige, verglichen mit Finanzämtern, in aller Regel geringere finanzielle Ressourcen zur Verfügung haben.
Hypothese H1c betrifft den Einfluss der formellen „Rechtsschutzinstrumente“ auf den „Verfahrensausgang“. Im Konkreten beziehen sich die in der ersten Tabelle dieses Kapitels dargestellten Ergebnisse auf den Test der Nullhypothese H1c0, wonach formelle Rechtsschutzinstrumente in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer keinen Einfluss auf den „Verfahrensausgang“ haben, gegen die Alternativhypothese H1c1 die besagt, dass ein solcher besteht. Zur Überprüfung dieser Aussage werden die Quotenverhältnisse der vier Dummy-Variablen „Abänderung.Zurücknahme.Aufhebung“, „Wiederaufnahme“, „Wiedereinsetzung“ und „Devolutionsantrag“ betrachtet. Dabei dienen die Ausprägungen „verloren“ beim „Verfahrensausgang“ und „Beschwerde“ beim „Rechtsschutzinstrument“ als die beiden Referenzkategorien.
Bei Betrachtung der Ergebnisse des Regressionsmodells wird sofort augenfällig, dass lediglich zwei der vier formellen Rechtsschutzinstrumente einen statistisch (höchst) signifikanten Einfluss auf den „Verfahrensausgang“ haben. Die einen sind „Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen“, welche in der Kategorie „gewonnen“ ein Quotenverhältnis von 2,60 aufweisen. Das bedeutet, dass das Verhältnis zwischen „gewonnenen“ und „verlorenen“ Verfahren um den Faktor 2,60 größer ist, wenn Finanzgerichte über Verfahren zur Körperschaftsteuer entscheiden, die auf „Abänderungen, Zurücknahmen oder Aufhebungen“ anstatt auf dem ordentlichen Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde basieren. Hinsichtlich der „teilweise gewonnenen“ Verfahren kann bei „Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen“ hingegen kein statistisch signifikanter Einfluss festgestellt werden.
Das andere Rechtsschutzinstrument, das modellgemäß relevant für den „Verfahrensausgang“ ist, ist der „Devolutionsantrag“. Bei dieser erklärenden Variablen betragen die Quotenverhältnisse sowohl in der Kategorie „gewonnen“ als auch in der Kategorie „teilweise gewonnen“ 0,0001 und sind in beiden Fällen statistisch höchst signifikant. Bei der Interpretation dieser Ergebnisse ist jedoch Vorsicht geboten, weil, wie bereits in Kapitel 2.5.1.5 ausführlich beschrieben, das Datenmaterial zum einen lediglich 13 Entscheidungen über Devolutionsanträge umfasst und Devolutionsanträge zum anderen auch dann als unzulässig zurückzuweisen waren, wenn die Finanzämter ihrer Entscheidungspflicht durch Erlassung der entsprechenden Bescheide innerhalb der von den Finanzgerichten gesetzten Fristen nachgekommen sind. In derartigen Fällen waren die Anträge aus Sicht der Steuerpflichtigen daher zwar erfolgreich, weil die begehrten Bescheide erlassen wurden, allerdings haben die Steuerpflichtigen die Verfahren aufgrund der Zurückweisung ihrer Anträge dennoch verloren. Aus diesen Gründen wird davon abgesehen, Aussagen zum Hypothesentest auf Basis der Ergebnisse zum „Devolutionsantrag“ zu treffen.
Für die Überprüfung der Hypothese H1c bedeutet dies, dass die Nullhypothese H1c0, wonach formelle Rechtsschutzinstrumente in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer keinen Einfluss auf den „Verfahrensausgang“ haben, für „Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen“ zu verwerfen ist. Das Regressionsmodell liefert hingegen Hinweise, wonach auf diesen Rechtsschutzinstrumenten basierende Verfahren von Steuerpflichtigen häufiger gewonnen werden als Verfahren über Bescheidbeschwerden. Eine denkmögliche Ursache für dieses Ergebnis ist jedoch, dass die Rechtsmittel der Abänderung, Zurücknahme und Aufhebung von Bescheiden tendenziell dann zum Einsatz kommen, wenn relativ eindeutige Sachverhalte vorliegen: Bspw Schreib- oder Rechenfehler (§ 293 BAO), Übernahmen offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen (§ 293b BAO), Abänderungen von Bescheiden, die von Feststellungsbescheiden abgeleitet wurden (§ 295 BAO), rückwirkende Ereignisse (§ 295a BAO), Änderungen von Hebesätzen (§ 298 BAO) oder Aufhebungen von Bescheiden aufgrund unrichtiger Sprüche (§ 299 BAO). Diesfalls wären es allerdings nicht die verschiedenen formellen Rechtsschutzinstrumente selbst, sondern die einfach gearteten Sachverhalte, die die höheren Erfolgschancen bedingen. Ob dem tatsächlich so ist, kann mit dem untersuchten Datenmaterial allerdings nicht überprüft werden, weil dieses die Sachverhalte, die den finanzgerichtlichen Entscheidungen zugrunde liegen, nicht umfasst. Aus theoretischen Überlegungen spricht jedoch gegen eine derartige Interpretation der Ergebnisse, dass die Finanzämter eindeutige Sachverhalte bereits im Rahmen der von ihnen erlassenen Beschwerdevorentscheidungen berücksichtigen müssten und derartige Fälle daher in der Regel gar nicht an die Finanzgerichte herangetragen werden dürften.
Für die anderen beiden erklärenden Variablen – die Rechtsschutzinstrumente „Wiederaufnahme“ und „Wiedereinsetzung“ – ist die Nullhypothese H1c0 hingegen beizubehalten. Wie erwartet haben diese daher keinen statistisch signifikanten Einfluss auf den „Verfahrensausgang“.
Widmen wir uns zum Abschluss den Kontrollvariablen. Bei den „Gerichtsständen“ ist auffallend, dass nur ein höchst signifikantes Ergebnis vorliegt: Das Verhältnis zwischen „gewonnenen“ und „verlorenen“ Verfahren ist um den Faktor 2,50 größer, wenn das Finanzgericht in „Linz“ anstatt jenem in „Feldkirch“ entscheidet. Darüber hinaus liefert das Modell auch signifikante Ergebnisse auf dem 5 %-Niveau für die Kategorie „teilweise gewonnen“ für „Innsbruck“ (Quotenverhältnis von 1,76) und „Salzburg“ (Quotenverhältnis von 0,51) sowie für die Kategorie „gewonnen“ für „Wien“ (Quotenverhältnis von 1,80). Eine mögliche Interpretation dieser Ergebnisse wäre, dass die Richter den Steuerpflichtigen in „Linz“, „Innsbruck“ und „Wien“ freundlicher gesonnen sind als jene in „Feldkirch“ oder „Salzburg“ und es aus Sicht der Steuerpflichtigen daher tendenziell besser ist, ihre Rechtssachen in den erstgenannten Städten zu führen. Jedoch ist eine derartige Auslegung der Ergebnisse nicht die einzig zulässige. Denkbar wäre bspw ebenfalls, dass die für die Gebiete „Linz“, „Innsbruck“ und „Wien“ zuständigen Finanzämter eine aggressivere Verwaltungspraxis üben und den Beschwerdebegehren in den von ihnen erlassenen Beschwerdevorentscheidungen seltener stattgeben. Diesfalls würden Steuerpflichtige, um zu ihrem Recht zu kommen, vermehrt Fälle an die Finanzgerichte herantragen müssen, die in den Gebieten der anderen „Gerichtsstände“ bereits im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung zu ihren Gunsten entschieden worden wären. Welche der Interpretation auch zutrifft, für die Praxis ergeben sich daraus kaum Gestaltungsmöglichkeiten, weil Steuerpflichtige bestenfalls durch (Firmen-)Sitzverlegungen einen Einfluss darauf nehmen können, welche Außenstelle des BFG für ihre Rechtssachen zuständig ist.
Die Jahres-Analyse zeigt, dass die meisten „Entscheidungsjahre“ statistisch gesehen unbedeutend für den „Verfahrensausgang“ waren. Im prozentuellen Vergleich zum Referenzjahr „2003“ wurden lediglich in „2008“ und „2009“ signifikant weniger Verfahren „teilweise gewonnen“ (Quotenverhältnisse von 0,57 bzw 0,60). Hingegen fielen finanzgerichtliche Entscheidungen in den Jahren „2013“ und „2014“ signifikant häufiger zugunsten der Steuerpflichtigen aus (Quotenverhältnisse von 1,70 bzw 3,94). Insb ist dabei auf das auffallend hohe Quotenverhältnis des Jahres „2014“ hinzuweisen. Demnach war das Verhältnis zwischen „gewonnenen“ und „verlorenen“ Verfahren um den Faktor 3,94 größer, wenn die finanzgerichtlichen Entscheidungen im Jahr „2014“ anstatt im Jahr „2003“ getroffen wurden. Dieses Ergebnis ist darüber hinaus statistisch höchst signifikant. Bemerkenswert ist weiters, dass das BFG zu Beginn des Jahres „2014“ seine Tätigkeit aufgenommen und somit sämtliche seither ergangenen Entscheidungen abgewickelt hat. Die Jahre davor umfassen hingegen ausschließlich Entscheidungen des UFS. Ob in „2014“ tatsächlich eine Veränderung der Rechtsprechungspraxis eingeläutet wurde, lässt sich in dieser Arbeit jedoch aufgrund des nur bis zum Jahr „2014“ reichenden Datenmateriales nicht abschließend beantworten. Und selbst wenn dem so wäre, ließe sich anhand der Ergebnisse nicht herleiten, dass der Übergang vom UFS auf das BFG dafür ursächlich verantwortlich wäre. Jedoch erscheint es zumindest für zukünftige Forschungsarbeiten interessant, die Auswirkungen der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit auf den Ausgang von finanzgerichtlichen Verfahren näher zu untersuchen.
Bei den „Entscheidungsmonaten“ weist in der Kategorie „gewonnen“ nur der „Februar“ mit einem Quotenverhältnis von 0,55 ein statistisch sehr signifikantes Ergebnis auf. In der Kategorie „teilweise gewonnen“ liefert lediglich der „September“ ein auf einem 5 %-Niveau signifikantes Resultat (Quotenverhältnis von 0,67). Gegeben dem Umstand, dass in jeder Kategorie des „Verfahrensausganges“ nur ein einziger Monat signifikant ist, kann zusammenfassend festgehalten werden, dass die Variable „Entscheidungsmonat“ allenfalls einen äußerst geringen Einfluss auf den „Verfahrensausgang“ hat. Darüber hinaus können Steuerpflichtige auf den „Entscheidungsmonat“ auch keinen direkten Einfluss nehmen, weshalb in der Praxis diesbezüglich kein gestalterischer Spielraum besteht.
Die letzte Kontrollvariable ist die „Verfahrensdauer“. Wie bereits in Kapitel 2.5.2.2.1 beschrieben, handelt es sich hierbei um eine diskrete Variable, die aufgrund ihrer rechtsschiefen Verteilung einer logarithmischen Transformation (Basis = e = 2,718) unterzogen wurde. Das statistisch höchst signifikante Quotenverhältnis von 1,64 in der Kategorie „teilweise gewonnen“ bedeutet daher, dass das Verhältnis zwischen „teilweise gewonnenen“ und „verlorenen“ Verfahren um den Faktor 1,64 größer ist, wenn die „Verfahrensdauer“ mit der Basis des Logarithmus, also mit 2,718 multipliziert wird. Bspw ist das Verhältnis zwischen „teilweise gewonnenen“ und „verlorenen“ Verfahren bei einer „Verfahrensdauer“ von rund 2.718 Tagen um 1,64-mal größer, als bei einer „Verfahrensdauer“ von nur 1.000 Tagen. Korrespondierend liefert die Regression für die Kategorie „gewonnen“ ein ebenfalls höchst signifikantes Quotenverhältnis von 1,22. Demnach ist das Verhältnis zwischen „gewonnenen“ und „verlorenen“ Verfahren um den Faktor 1,22 größer, wenn die „Verfahrensdauer“ mit 2,718 multipliziert wird. Zusammenfassend lassen diese Ergebnisse darauf schließen, dass die Chancen der Steuerpflichtigen, ein Verfahren (teilweise) zu gewinnen ansteigen, je länger die finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer dauern. Die Vermutung eines derartigen Zusammenhanges für die Kategorie „teilweise gewonnen“ wurde, in Übereinstimmung mit Hypothese H2a, bereits zu Anfang dieses Kapitels aufgestellt. Eine abschließende Überprüfung dieser Hypothese erfolgt jedoch erst in Kapitel 2.6.2.2, in welchem die Ergebnisse der multiplen linearen Regression mit der abhängigen Variablen „Verfahrensdauer“ vorgestellt und ausführlich diskutiert werden.
Um zu überprüfen, wie robust die oben dargestellten Ergebnisse sind, wird zusätzlich eine ordinale logistische Regression durchgeführt. Diese basiert im Gegensatz zur multinomialen logistischen Regression auf der Annahme, dass die drei Ausprägungen der abhängigen Variablen „Verfahrensausgang“ aus Sicht der Steuerpflichtigen derart gereiht werden können, dass „gewonnen“ besser als „teilweise gewonnen“ und „verloren“ das jedenfalls schlechteste Ergebnis ist. Das zur Schätzung herangezogene ordinale Logit-Modell beinhaltet dieselben Variablen130 wie das multinomiale logistische Modell.
Der ordinalen logistischen Regression liegt die Proportional-Odds-Annahme zugrunde,131 die besagt, dass das Quotenverhältnis einer jeden Variablen zwischen den Ausprägungen „gewonnen“ und „teilweise gewonnen“ gleich jenem zwischen den Ausprägungen „teilweise gewonnen“ und „verloren“ ist. Daher schätzt dieses Modell im Gegensatz zum multinomialen für jede unabhängige Variable nur ein einziges Quotenverhältnis, welches gleichsam auf das Verhältnis der Quoten zwischen „gewonnenen“ und „teilweise gewonnenen“ als auch auf jenes der Quoten zwischen „teilweise gewonnenen“ und „verlorenen“ Verfahren anzuwenden ist. Die Ergebnisse des vollständigen Modells werden in nachfolgender Tabelle dargestellt. Signifikante Werte sind hervorgehoben und mit entsprechenden Asterisken versehen.
Variable | Wert | p-Wert |
Konstante (ß0): „verloren“ | „teilweise gewonnen“ | 2,777*** | 0,0000 |
Konstante (ß1): „teilweise gewonnen“ | „gewonnen“ | 4,034*** | 0,0000 |
Erklärende Variablen | Quotenverhältnis | p-Wert |
Vertretung.StB/WP | 1,2627** | 0,0032 |
Vertretung.RA | 1,6331*** | 0,0000 |
Vertretung.Unbekannt | 0,7060*** | 0,0001 |
Abänderung.Zurücknahme.Aufhebung | 2,1834*** | 0,0000 |
Wiederaufnahme | 1,1505 | 0,2940 |
Wiedereinsetzung | 0,4244 | 0,1561 |
Devolutionsantrag | 0,0000*** | 0,0000 |
Kontrollvariablen | Quotenverhältnis | p-Wert |
Gerichtsstand Graz | 1,2127 | 0,3242 |
Gerichtsstand Innsbruck | 1,6897** | 0,0077 |
Gerichtsstand Klagenfurt | 1,3641 | 0,1235 |
Gerichtsstand Linz | 1,8375*** | 0,0005 |
Gerichtsstand Salzburg | 1,1371 | 0,5545 |
Gerichtsstand Wien | 1,3524 | 0,0635 |
Entscheidungsjahr 2004 | 0,9788 | 0,9013 |
Entscheidungsjahr 2005 | 1,2173 | 0,2417 |
Entscheidungsjahr 2006 | 1,1170 | 0,5047 |
Entscheidungsjahr 2007 | 0,9550 | 0,7849 |
Entscheidungsjahr 2008 | 0,8020 | 0,1986 |
Entscheidungsjahr 2009 | 0,8263 | 0,2567 |
Entscheidungsjahr 2010 | 1,2077 | 0,2547 |
Entscheidungsjahr 2011 | 0,9138 | 0,5890 |
Entscheidungsjahr 2012 | 1,0567 | 0,7407 |
Entscheidungsjahr 2013 | 1,1700 | 0,3735 |
Entscheidungsjahr 2014 | 2,3142*** | 0,0000 |
Entscheidungsmonat Februar | 0,6639* | 0,0113 |
Entscheidungsmonat März | 0,9272 | 0,6033 |
Entscheidungsmonat April | 1,0629 | 0,6909 |
Entscheidungsmonat Mai | 0,7949 | 0,1579 |
Entscheidungsmonat Juni | 0,9976 | 0,9876 |
Entscheidungsmonat Juli | 0,8420 | 0,2617 |
Entscheidungsmonat August | 0,8798 | 0,4240 |
Entscheidungsmonat September | 0,7954 | 0,1353 |
Entscheidungsmonat Oktober | 1,0359 | 0,8157 |
Entscheidungsmonat November | 0,7664 | 0,0825 |
Entscheidungsmonat Dezember | 0,8217 | 0,2119 |
log(Verfahrensdauer) | 1,3540*** | 0,0000 |
Beobachtungen | 4.073 | |
AIC | 7.501,98 | |
McFadden R2 | 0,0852 |
Tabelle 8: Robustheit „Verfahrensausgang", ordinale logistische Regression
Wie aus obiger Tabelle hervorgeht, bestätigen die Schätzungen der ordinalen logistischen Regression die Ergebnisse der multinomialen Auswertung: Bei beiden Modellen weisen die Quotenverhältnisse der erklärenden Variablen in dieselben Richtungen und auch die Signifikanzniveaus entsprechen einander. Bei Betrachtung der Kontrollvariablen ergeben sich ebenfalls keine wesentlichen Unterschiede. Lediglich die „Gerichtsstände“ „Salzburg“ und „Wien“, die „Entscheidungsjahre“ „2008“, „2009“ und „2013“ sowie der „Entscheidungsmonat“ „September“ verlieren im ordinalen logistischen Modell ihren signifikanten Einfluss auf den „Verfahrensausgang“. Alle anderen im multinomialen Modell signifikanten Kontrollvariablen behalten ihren Einfluss auf die abhängige Variable und wirken in dieselbe Richtung.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Proportional-Odds-Annahme nicht für alle unabhängigen Variablen hält und somit die Quotenverhältnisse zwischen den Ausprägungen „gewonnen“ und „teilweise gewonnen“ zum Teil erheblich von jenen zwischen den Ausprägungen „teilweise gewonnen“ und „verloren“ abweichen.132 Dass die Ergebnisse im Wesentlichen dennoch mit jenen des multinomialen Modells übereinstimmen, ist dessen ungeachtet als Indikator für die Robustheit der Resultate zu sehen.
Der zweite Robustheitstest behandelt die Variable „Verfahrensausgang“ und den Umgang mit all jenen finanzgerichtlichen Erkenntnissen und Beschlüssen, von denen nicht bekannt ist, ob sie zugunsten oder zuungunsten der Steuerpflichtigen ausgefallen sind. Bislang wurden diese Entscheidungen in die Regressionsmodelle explizit durch Schaffung der Ausprägung „teilweise gewonnen“ miteinbezogen. Daneben besteht jedoch auch die Möglichkeit, dass derartige Verfahren im Zuge der statistischen Analyse nicht berücksichtigt und sohin ausschließlich Entscheidungen untersucht werden, bei denen eindeutig ist, ob die Steuerpflichtigen „gewonnen“ oder „verloren“ haben. Das hierzu herangezogene binomiale logistische Modell beinhaltet dieselben Variablen133 wie das multinomiale. Der einzige Unterschied ist, dass die abhängige Variable „Verfahrensausgang“ nunmehr ausschließlich die Ausprägungen „gewonnen“ und „verloren“ annehmen kann.
Variable | Wert | p-Wert |
Konstante (ß0): | 0,0341*** | 0,0000 |
Erklärende Variablen | Quotenverhältnis | p-Wert |
Vertretung.StB/WP | 1,4059** | 0,0023 |
Vertretung.RA | 1,3101 | 0,1641 |
Vertretung.Unbekannt | 0,8637 | 0,3096 |
Abänderung.Zurücknahme.Aufhebung | 2,4415*** | 0,0000 |
Wiederaufnahme | 1,1343 | 0,5168 |
Wiedereinsetzung | 0,4319 | 0,2645 |
Devolutionsantrag | 0,0000 | 0,9576 |
Kontrollvariablen | Quotenverhältnis | p-Wert |
Gerichtsstand Graz | 1,4833 | 0,1821 |
Gerichtsstand Innsbruck | 1,6302 | 0,1202 |
Gerichtsstand Klagenfurt | 1,6278 | 0,1161 |
Gerichtsstand Linz | 2,2862** | 0,0023 |
Gerichtsstand Salzburg | 1,6686 | 0,0984 |
Gerichtsstand Wien | 1,6763* | 0,0427 |
Entscheidungsjahr 2004 | 1,3408 | 0,2679 |
Entscheidungsjahr 2005 | 1,5421 | 0,1005 |
Entscheidungsjahr 2006 | 1,4120 | 0,1853 |
Entscheidungsjahr 2007 | 1,0930 | 0,7421 |
Entscheidungsjahr 2008 | 1,1126 | 0,6852 |
Entscheidungsjahr 2009 | 1,1164 | 0,6711 |
Entscheidungsjahr 2010 | 1,4647 | 0,1443 |
Entscheidungsjahr 2011 | 1,2225 | 0,4381 |
Entscheidungsjahr 2012 | 1,4252 | 0,1701 |
Entscheidungsjahr 2013 | 1,6948* | 0,0475 |
Entscheidungsjahr 2014 | 3,9210*** | 0,0000 |
Entscheidungsmonat Februar | 0,5569* | 0,0105 |
Entscheidungsmonat März | 0,8478 | 0,4056 |
Entscheidungsmonat April | 1,0568 | 0,7889 |
Entscheidungsmonat Mai | 0,7277 | 0,1529 |
Entscheidungsmonat Juni | 0,9342 | 0,7499 |
Entscheidungsmonat Juli | 0,7847 | 0,2533 |
Entscheidungsmonat August | 0,7497 | 0,2050 |
Entscheidungsmonat September | 0,8524 | 0,4320 |
Entscheidungsmonat Oktober | 0,9176 | 0,6825 |
Entscheidungsmonat November | 0,7410 | 0,1533 |
Entscheidungsmonat Dezember | 0,6659 | 0,0811 |
log(Verfahrensdauer) | 1,2115*** | 0,0000 |
Beobachtungen | 3127 | |
AIC | 3206 | |
McFadden R2 | 0,0869 |
Tabelle 9: Robustheit „Verfahrensausgang", binomiale logistische Regression
Die Ergebnisse des vollständigen Modells werden in nachfolgender Tabelle dargestellt. Signifikante Werte sind wieder hervorgehoben und mit entsprechenden Asterisken versehen.
Der Vergleich der in Kapitel 2.5.2.2.2 in Tabelle 6 dargestellten Werte des multinomialen logistischen Regressionsmodells für die Kategorie „gewonnen“ mit jenen des binomialen logistischen Modells in obiger Tabelle 9 zeigt, dass beide Verfahren sowohl hinsichtlich der Quotenverhältnisse als auch hinsichtlich der geschätzten Signifikanzniveaus der einzelnen Variablen zu übereinstimmenden Ergebnissen gelangen. Einzige Ausnahme ist der „Devolutionsantrag“, welcher bei binomialer logistischer Regression keinen signifikanten Einfluss auf die abhängige Variable „Verfahrensausgang“ hat. Diese hohe Konvergenz der Ergebnisse des binomialen Modells mit dem multinomialen ist ein weiterer Indikator für die Robustheit der Resultate.
Nach Untersuchung der den „Verfahrensausgang“ beeinflussenden Faktoren, widmet sich dieses Kapitel nun der zweiten Teilfrage. Wie die erste, wurde auch sie bereits zu Beginn der Arbeit aus der Forschungsfrage abgeleitet und lautet wie folgt.
Teilfrage 2: |
Welche Faktoren beeinflussen die Dauer finanzgerichtlicher Verfahren zur Körperschaftsteuer? |
Darauf Antworten zu geben ist insofern bedeutsam, als lange Verfahrensdauern in der Literatur mit höheren Kosten134 und geringerem Nutzen135 verbunden werden. Der Aufbau dieses Kapitels entspricht jenem des vorherigen, wobei nun die ratioskalierte „Verfahrensdauer“ als abhängige Variable dient.
Zur Darstellung des in der Folge analysierten Datenmaterials, werden eingangs die Beziehungen zwischen den Ausprägungen der Variablen „Verfahrensdauer“ und den Ausprägungen der wichtigsten anderen Variablen deskriptiv aufbereitet. Grundlage sind dabei jene 4.073 finanzgerichtlichen Entscheidungen, bei denen die Dauer des Verfahrens bekannt ist oder ausreichend genau geschätzt werden konnte.136 Es sei darauf hingewiesen, dass auf eine nochmalige Darstellung des Variablenpaars „Verfahrensdauer“ und „Verfahrensausgang“ verzichtet und diesbezüglich stattdessen auf Kapitel 2.5.1.2 verwiesen wird.
Wie bereits in Kapitel 2.4.4. beschrieben, beläuft sich die durchschnittliche Dauer der dieser Untersuchung zugrunde liegenden finanzgerichtlichen Verfahren auf rund 970 Tage. Durch Zuordnung der einzelnen Verfahren zu den „Entscheidungsjahren“ wird ersichtlich, wie sich diese durchschnittliche „Verfahrensdauer“ im Zeitablauf entwickelt hat.
Abbildung 19: Durchschnittliche Verfahrensdauer und Entscheidungsjahr
Obiges Liniendiagramm lässt erkennen, dass finanzgerichtliche Verfahren im Jahr 2004 mit durchschnittlich rund 1.147 Tagen die meiste Zeit in Anspruch genommen haben. In den folgenden Jahren konnte dieser Wert deutlich reduziert werden, bis er 2009 seinen Tiefststand mit 870 Tagen erreichte. Dem folgte ein kontinuierlicher Anstieg, der bis zum Jahr 2014 andauerte. In diesem letzten Jahr der Untersuchung wurde eine durchschnittliche „Verfahrensdauer“ von rund 1.125 Tagen verzeichnet.
Abbildung 20: Verfahrensdauer und Entscheidungsjahr
Auch bei Betrachtung der Boxplots ergibt sich hinsichtlich der Entwicklung der „Verfahrensdauer“ ein korrespondierendes Bild. Der höchste Medianwert wurde jedoch nicht im Jahr 2004 (881 Tage) sondern im Jahr 2014 (1.044 Tage) erreicht. In Verbindung mit den durchschnittlichen „Verfahrensdauern“ dieser beiden Jahre lässt dies darauf schließen, dass in 2014 weniger besonders lange Verfahren abgeschlossen wurden. Ebenfalls ersichtlich wird dieses Ergebnis, wenn die 75 % Quantile und die Whiskers der beiden Boxplots miteinander vergleichen werden.
Es bleibt darauf hinzuweisen, dass die „Verfahrensdauern“ nicht als Kennzahl für die Effizienz der Rechtsprechung der jeweiligen Entscheidungsjahre herangezogen werden dürfen. Die langen Liegedauern der Rechtssachen führen nämlich dazu, dass die durchschnittliche „Verfahrensdauer“ gerade in jenen Jahren, in denen alte Fälle abgearbeitet werden, ansteigt. Dies gilt, bezogen auf sämtliche finanzgerichtlichen Entscheidungen (und nicht nur auf solche zur Körperschaftsteuer), auch für das Jahr 2014, in dem das BFG in Summe 12.435 Rechtssachen erledigen konnte, während nur 11.677 neu protokolliert wurden.137
Ebenfalls interessant erscheint, ob die sieben Außenstellen des UFS bzw BFG unterschiedlich lange für ihre Entscheidungen gebraucht haben. Um dies zu illustrieren, wird die „Verfahrensdauer“ in Beziehung zu den jeweiligen „Gerichtsständen“ gesetzt.
Abbildung 21: Durchschnittliche Verfahrensdauer und Gerichtsstand
Tatsächlich wichen die durchschnittlichen „Verfahrensdauern“ der einzelnen „Gerichtsstände“ voneinander ab. Mit rund 800 Tagen wurde in Feldkirch am schnellsten entschieden, am längsten dauerten die Verfahren hingegen in Salzburg (1.051 Tage). Selbst wenn dieser Unterschied durchaus beachtlich ist (+ 31,4 %), lässt obige Verteilung auch erkennen, dass die Außenstelle „Feldkirch“ die Ausnahme darstellt. Nach dieser nimmt Graz den zweiten Platz ein, benötigte im Durchschnitt jedoch bereits 905 Tage je Verfahren und war damit um lediglich 13,9 % schneller als Salzburg.
Abbildung 22: Verfahrensdauer und Gerichtsstand
Die Interpretation der Boxplots führt zu einem ähnlichen Ergebnis. Wie bereits bei der Durchschnittsbetrachtung weisen Innsbruck, Klagenfurt und Salzburg auch bei den Medianen die drei höchsten Werte (rund 898, 877 und 842 Tage) auf. Demgegenüber stehen Wien mit 661 und Feldkirch mit 727 Tagen.
Bei allen Gerichtsständen lag die durchschnittliche Verfahrensdauer über dem jeweiligen Medianwert, weshalb rechtsschiefe Verteilungen vorliegen. Daher wurden in sämtlichen Außenstellen mehr Verfahren mit kurzen Dauern abgeschlossen als solche mit langen. Dies galt, wie aus der Interpretation der Quartile und Whiskers hervorgeht, insb für Wien, Linz und Salzburg.
Als nächstes betrachten wir, ob sich Verfahren, bei denen Beschwerdeführer durch Experten vertreten wurden, hinsichtlich ihrer Dauer von in Selbstvertretung geführten Rechtssachen unterschieden haben. Um dies zu veranschaulichen, werden die beiden Variablen „Verfahrensdauer“ und „Rechtsvertretung“ zueinander in Beziehung gesetzt.
Abbildung 23: Durchschnittliche Verfahrensdauer und Rechtsvertretung
Mit durchschnittlich 1.044 Tagen am längsten waren jene finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer, bei denen sich die Beschwerdeführer durch die Berufsstände der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer vertreten haben lassen. Wurden die Vertretungen hingegen von Rechtsanwälten übernommen, kam es im Durchschnitt bereits innerhalb von 864 Tagen zu Entscheidungen. Verglichen mit den in Selbstvertretung geführten Rechtssachen (926 Tage), benötigten Verfahren mit Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern daher mehr, solche mit Rechtsanwälten weniger Zeit.
Abbildung 24: Verfahrensdauer und Rechtsvertretung
Die Betrachtung der Boxplots führt zu derselben Reihung: Der Median lag bei Verfahren, in denen sich Beschwerdeführer von Steuerberatern und/oder Wirtschaftsprüfern vertreten haben lassen bei rund 811 Tagen. Für in Selbstvertretung geführte Rechtssachen fällt dieser Wert mit 679 Tagen bereits deutlich geringer aus. Die Bestmarke mit 612 Tagen wurde abermals bei jenen Verfahren erzielt, bei denen Rechtsanwälte die Vertretung übernommen haben.
Zum Abschluss dieses Kapitels zur deskriptiven Statistik soll gezeigt werden, welche Unterschiede es hinsichtlich der „Verfahrensdauern“ gab, wenn die untersuchten Entscheidungen ihrem formellen „Rechtsschutzinstrument“ nach gruppiert werden.
Abbildung 25: Durchschnittliche Verfahrensdauer und Rechtsschutzinstrument
Wie obiges Säulendiagramm illustriert, unterschieden sich die durchschnittlichen Verfahrensdauern der einzelnen Rechtsschutzinstrumente deutlich voneinander. Besonders auffallend ist, dass die 13 Devolutionsanträge im Durchschnitt in nur rund 105 Tagen und somit wesentlich schneller als alle anderen Verfahren abgeschlossen wurden. Mit bereits erheblichem Abstand an zweiter Stelle liegt das Rechtsschutzinstrument der Wiedereinsetzung mit 672 Tagen. Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen von Bescheiden benötigten im Durchschnitt 766, Beschwerden rund 961 Tage. Wenig überraschend erscheint, dass dieser letzte Wert fast ident mit der durchschnittlichen Verfahrensdauer aller untersuchten Entscheidungen (970 Tage) ist, weil die Gruppe der Beschwerden 3.698 Entscheidungen umfasst und somit das Gros aller Verfahren ausmacht. Im Schnitt am längsten dauerten Wiederaufnahmen mit rund 1.307 Tagen.
Abbildung 26: Verfahrensdauer und Rechtsschutzinstrument
Aus der Interpretation der Boxplots lässt sich dieselbe Reihenfolge erkennen: Der Median bei Verfahren, in denen Devolutionsanträge gestellt wurden, beträgt 52 Tage und liegt damit klar unterhalb des zweitniedrigsten Wertes. Dieser wurde mit rund 478 Tagen bei Verfahren zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erzielt. Dem folgen jene Fälle, in denen das ordentliche Rechtsmittel der Beschwerde zur Anwendung gekommen ist (728 Tage) und bei denen über die Abänderung, Zurücknahme oder Aufhebung von Bescheiden entschieden wurde (766 Tage). Wie bereits bei der Durchschnittsbetrachtung, dauerten Wiederaufnahmen auch gemessen an den Medianen am längsten, nämlich rund 1.034 Tage.
Im vorherigen Kapitel wurden die Zusammenhänge zwischen der „Verfahrensdauer“ und den anderen Variablen deskriptiv aufbereitet. Dadurch konnten Aussagen über die dieser Untersuchung zugrunde liegenden Entscheidungen und somit über die Vergangenheit getroffen werden. Im Anschluss wird die „Verfahrensdauer“ mithilfe induktiver Statistik analysiert, um aus dem Datenmaterial auch Aussagen über die Grundgesamtheit und über zukünftige finanzgerichtliche Entscheidungen zur Körperschaftsteuer ableiten zu können.
Die in Kapitel 2.2. formulierte Hypothese H2a stellt die Vermutung auf, dass finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaftsteuer länger dauern, wenn den Begehren der Beschwerdeführer teilweise stattgegeben wird. Bei der empirischen Überprüfung dieser Aussage ist demnach die Auswirkung der Variablen „Verfahrensausgang“ auf die Variable „Verfahrensdauer“ von Interesse. Ferner postuliert die Hypothese H2b, dass die Dauer von finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer unabhängig davon ist, ob sich Beschwerdeführer von Experten vertreten lassen. Erkenntnisgegenstand ist demnach die Auswirkung der Variablen „Rechtsvertretung“ auf die Variable „Verfahrensdauer“.
Dies lässt erkennen, dass die „Verfahrensdauer“ in beiden Fällen jene Größe darstellt, die erklärt werden soll. Um die Hypothesen H2a und H2b zu testen, ist es daher zweckdienlich, ein multiples lineares Regressionsmodell mit der abhängigen Variablen „Verfahrensdauer“ und den unabhängigen Variablen „Verfahrensausgang“ und „Rechtsvertretung“ zu verwenden. In der Folge wird dieses Regressionsmodell vorgestellt.
Neben den beiden Hauptvariablen „Verfahrensausgang“ und „Rechtsvertretung“ fließen in das multiple lineare Regressionsmodell auch noch Kontrollvariablen mit ein, um etwaige Einflüsse von sonstigen Faktoren auf die „Verfahrensdauer“ berücksichtigen zu können. Konkret wird die Analyse anhand der folgenden Gleichung vorgenommen:
Wie bereits in Kapitel 2.5.2.2.1 erörtert, wird die Hauptvariable „Rechtsvertretung“ zu Auswertungszwecken wieder in die drei Dummy-Variablen „Vertretung.StB/WP“, „Vertretung.RA“ sowie „Vertretung.Unbekannt“ aufgeteilt. Selbiges gilt für die Kontrollvariable „Rechtsschutzinstrument“, welche in die vier Dummy-Variablen „Abänderung.Zurücknahme.Aufhebung“, „Wiederaufnahme“, „Wiedereinsetzung“ und „Devolutionsantrag“ zerlegt wird. Eine Übersicht über alle in das Regressionsmodell einfließenden Variablen findet sich in Tabelle 4 des Kapitels 2.5.2.2.1, auf welche an dieser Stelle verwiesen wird.
Hinsichtlich der Wirkungsrichtung der Hauptvariablen „Verfahrensausgang“ wird korrespondierend zu Hypothese H2a erwartet, dass „teilweise gewonnene“ Verfahren signifikant länger dauern als „gewonnene“ oder „verlorene“. Des Weiteren sollten die drei erklärenden Hauptvariablen „Vertretung.StB/WP“, „Vertretung.RA“ und „Vertretung.Unbekannt“ in Übereinstimmung mit Hypothese H2b keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die „Verfahrensdauer“ haben. Bei „Devolutionsanträgen“ kann davon ausgegangen werden, dass diese aufgrund der gesetzlich festgeschriebenen zeitlichen Fristen138 schneller erledigt werden als andere Rechtsschutzinstrumente. Bezüglich der Wirkungsweisen der anderen Kontrollvariablen können in Ermangelung anwendbarer Theorien hingegen keine fundierten, gerichteten Vorhersagen getroffen werden. Die nachfolgende Tabelle fasst die erwarteten Einflüsse der einzelnen Faktoren auf die abhängige Variable nochmals zusammen.
Variable | Erwarteter Einfluss auf die „Verfahrensdauer“ |
Erklärende Variablen | |
Verfahrensausgang | „teilweise gewonnene“ Verfahren dauern länger als „gewonnene“ und „verlorene“ |
Vertretung.StB/WP | kein Einfluss |
Vertretung.RA | kein Einfluss |
Vertretung.Unbekannt | kein Einfluss |
Kontrollvariablen | |
Abänderung.Zurücknahme.Aufhebung | keine Vorhersage möglich |
Wiederaufnahme | keine Vorhersage möglich |
Wiedereinsetzung | keine Vorhersage möglich |
Devolutionsantrag | Verfahren über „Devolutionsanträge“ werden schneller abgeschlossen als solche über andere Rechtsschutzinstrumente |
Gerichtsstand | keine Vorhersage möglich |
Entscheidungsjahr | keine Vorhersage möglich |
Entscheidungsmonat | keine Vorhersage möglich |
Tabelle 10: Erwarteter Einfluss der Variablen auf die „Verfahrensdauer“
Die Ergebnisse des im vorherigen Kapitel vorgestellten multiplen linearen Regressionsmodells werden in nachfolgender Tabelle gesammelt dargestellt. Die signifikanten Werte sind wieder hervorgehoben, wobei ein Signifikanzniveau von 5 % mit einem (*), eines von 1 % mit zwei (**) und eines von 0,1 % mit drei (***) Asterisken versehen ist. Die entsprechenden p-Werte finden sich in den Klammern unterhalb der Regressionskoeffizienten. Die Spalte (1) der Tabelle zeigt den isolierten Einfluss der erklärenden Variablen „Verfahrensausgang“ auf die abhängige Variable „Verfahrensdauer“, die Spalte (2) den isolierten Einfluss der drei erklärenden Variablen „Vertretung.StB/WP“, „Vertretung.RA“ und „Vertretung.Unbekannt“. Die Spalte (3) enthält die Ergebnisse des vollständigen Regressionsmodells inkl aller Kontrollvariablen.
Variable | Vorhersage | (1) | (2) | (3) | |
Konstante (ß0) | 6,3596*** (0,0000) | 6,4261** (0,0000) | 5,9241*** (0,0000) | ||
Erklärende Variablen | |||||
Verfahrensausgang teilweise gewonnen | positiv | 0,4264*** (0,0000) | 0,3958*** (0,0000) | ||
Verfahrensausgang gewonnen | keine Vorhersage | 0,2172*** (0,0000) | 0,1746*** (0,0000) | ||
Vertretung.StB/WP | nicht signifikant | 0,1463*** (0,0001) | 0,1471*** (0,0000) | ||
Vertretung.RA | nicht signifikant | -0,0211 (0,7200) | -0,0807 (0,1644) | ||
Vertretung.Unbekannt | nicht signifikant | -0,0026 (0,9600) | 0,0423 (0,3488) | ||
Kontrollvariablen | |||||
Abänderung.Zurück-nahme.Aufhebung | keine Vorhersage | -0,2703** (0,0018) | |||
Wiederaufnahme | keine Vorhersage | 0,3091*** (0,0000) | |||
Wiedereinsetzung | keine Vorhersage | -0,3428 (0,0685) | |||
Devolutionsantrag | negativ | -2,2961*** (0,0000) | |||
Gerichtsstand Graz | keine Vorhersage | 0,2099* (0,0150) | |||
Gerichtsstand Innsbruck | keine Vorhersage | 0,2577** (0,0040) | |||
Gerichtsstand Klagenfurt | keine Vorhersage | 0,2043* (0,0238) | |||
Gerichtsstand Linz | keine Vorhersage | 0,1898* (0,0155) | |||
Gerichtsstand Salzburg | keine Vorhersage | 0,2711** (0,0041) | |||
Gerichtsstand Wien | keine Vorhersage | 0,1306 (0,0684) | |||
Entscheidungsjahr 2004 | keine Vorhersage | 0,2037* (0,0103) | |||
Entscheidungsjahr 2005 | keine Vorhersage | 0,0994 (0,2045) | |||
Entscheidungsjahr 2006 | keine Vorhersage | 0,0697 (0,3650) | |||
Entscheidungsjahr 2007 | keine Vorhersage | 0,0831 (0,2860) | |||
Entscheidungsjahr 2008 | keine Vorhersage | 0,0393 (0,6125) | |||
Entscheidungsjahr 2009 | keine Vorhersage | 0,0210 (0,7827) | |||
Entscheidungsjahr 2010 | keine Vorhersage | 0,0720 (0,3525) | |||
Entscheidungsjahr 2011 | keine Vorhersage | 0,0876 (0,2519) | |||
Entscheidungsjahr 2012 | keine Vorhersage | 0,1196 (0,1210) | |||
Entscheidungsjahr 2013 | keine Vorhersage | 0,2302** (0,0050) | |||
Entscheidungsjahr 2014 | keine Vorhersage | 0,3723*** (0,0000) | |||
Entscheidungsmonat Februar | keine Vorhersage | 0,0822 (0,2503) | |||
Entscheidungsmonat März | keine Vorhersage | 0,0766 (0,2492) | |||
Entscheidungsmonat April | keine Vorhersage | 0,0821 (0,2430) | |||
Entscheidungsmonat Mai | keine Vorhersage | 0,0980 (0,1811) | |||
Entscheidungsmonat Juni | keine Vorhersage | 0,1860** (0,0087) | |||
Entscheidungsmonat Juli | keine Vorhersage | 0,0567 (0,4159) | |||
Entscheidungsmonat August | keine Vorhersage | 0,1231 (0,0930) | |||
Entscheidungsmonat September | keine Vorhersage | 0,0859 (0,2115) | |||
Entscheidungsmonat Oktober | keine Vorhersage | 0,0864 (0,2178) | |||
Entscheidungsmonat November | keine Vorhersage | 0,1703* (0,0130) | |||
Entscheidungsmonat Dezember | keine Vorhersage | 0,3462*** (0,0000) | |||
Beobachtungen AIC korrigiertes R2 | 4.073 11.044,3 0,0344 | 4.073 11.165,3 0,0055 | 4.073 10.883,4 0,0797 |
Tabelle 11: Ergebnisse multiple lineare Regression „Verfahrensdauer“
Auffallend an den in obiger Tabelle gezeigten Ergebnissen ist, dass die in den Spalten (1) und (2) dargestellten, isolierten Schätzungen der Einflüsse der erklärenden Variablen auf die „Verfahrensdauer“ sowohl hinsichtlich ihrer Wirkungsrichtungen als auch hinsichtlich ihrer Signifikanzniveaus zu denselben Ergebnissen wie die in Spalte (3) dokumentierten Resultate des vollständigen Regressionsmodells gelangen. Somit verlieren die interessierenden Variablen durch die Berücksichtigung der Kontrollvariablen nicht an Erklärungsgehalt. Als Grundlage für die folgenden Erläuterungen fungieren daher die Ergebnisse des vollständigen Regressionsmodells. Des Weiteren sind die niedrigen Werte der korrigierten R2 zu beachten. Diese bedeuten, dass die unabhängigen Variablen nur einen geringen Anteil der Varianz der „Verfahrensdauer“ erklären. Wie bereits in Kapitel 2.5.2.2.2 bei der Interpretation der Ergebnisse des multinomialen logistischen Regressionsmodells zum „Verfahrensausgang“ beschrieben, ist dieser Umstand jedoch nicht verwunderlich, weil sich die Variable mit dem annahmegemäß größten Einfluss auf die „Verfahrensdauer“, nämlich der der jeweiligen finanzgerichtlichen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt, nicht explizit in dem Modell wiederfindet und auch nicht wiederfinden kann. Stattdessen ist dieser in der Konstanten ß0 enthalten, was deren höchst signifikanten Einfluss erklärt.
Um die geschätzten Auswirkungen der einzelnen Variablen auf die „Verfahrensdauer“ besser nachvollziehen zu können, widmen wir uns zunächst der Bedeutung der Konstanten ß0. Diese stellt den logarithmierten Schätzwert der „Verfahrensdauer“ in Tagen für die Gruppe der Referenzverfahren dar. Letztere besteht aus den finanzgerichtlichen Entscheidungen zur Körperschaftsteuer, bei denen die (Kontroll-)Variablen jene Ausprägungen annehmen, welche in Tabelle 11 nicht explizit angeführt werden. Der Wert 5,9241 der Konstanten ß0 in Spalte (3) drückt also aus, dass die „Verfahrensdauer“ für „verlorene“ Verfahren, bei denen „keine“ Rechtsvertreter mitwirken und die auf dem ordentlichen Rechtmittel der „Beschwerde“ basieren sowie in „Feldkirch“ im Jahr „2003“ im „Jänner“ entschieden werden, auf rund 374 Tage (= e(5,9241)) geschätzt wird.
Kommen wir nun zu den Einflüssen der erklärenden Variablen auf die „Verfahrensdauer“ und somit zur Überprüfung der beiden Hypothesen H2a und H2b. Hypothese H2a postuliert, dass „teilweise gewonnene“ Verfahren zur Körperschaftsteuer länger dauern als „gewonnene“ und „verlorene“. Die korrespondierende Nullhypothese H2a0, die der empirischen Auswertung zugrunde gelegt wird, lautet daher: Der „Verfahrensausgang“ hat keinen Einfluss auf die „Verfahrensdauer“. Zur Überprüfung dieser Aussage werden die Regressionskoeffizienten der erklärenden Variablen „Verfahrensausgang“ für die beiden in Tabelle 11 angeführten Ausprägungen betrachtet. Der statistisch höchst signifikante Wert von 0,3958 für die Ausprägung „teilweise gewonnen“ bedeutet, dass die geschätzte „Verfahrensdauer“ der soeben beschriebenen Referenzverfahren mit dem Faktor 1,49 (= e(0,3958)) zu multiplizieren ist, wenn diese nicht „verloren“, sondern stattdessen „teilweise gewonnen“ werden. Dies entspricht rund 556 Verfahrenstagen (374 * 1,49). Denselben Wert erhalten wir, wenn der Regressionskoeffizient der Ausprägung „teilweise gewonnen“ zu der Konstanten ß0 addiert und die logarithmische Transformation im Anschluss rückgängig gemacht wird: e(5,9241+0,3958) = 556 Verfahrenstage.139 Werden finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaftsteuer hingegen zur Gänze „gewonnen“, ist die geschätzte „Verfahrensdauer“ der Referenzverfahren dem Regressionsmodell folgend mit dem Faktor 1,19 (= e(0,1746)) zu multiplizieren. Der Schätzwert liegt in diesen Fällen bei rund 445 Tagen (374 * 1,19). Auch dieses Ergebnis ist statistisch höchst signifikant.
Für die Überprüfung der Hypothese H2a bedeuten diese Resultate, dass die Nullhypothese H2a0, wonach der „Verfahrensausgang“ keinen Einfluss auf die „Verfahrensdauer“ hat, zu verwerfen ist. Der multiplen linearen Regression folgend kann hingegen eine eindeutige Reihung vorgenommen werden: „Verlorene“ finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaftsteuer werden demnach am schnellsten abgeschlossen und „teilweise gewonnene“ dauern am längsten. Dazwischen liegen jene Verfahren, bei denen die Steuerpflichtigen „gewinnen“.
Wie im Zuge der Entwicklung der Hypothese H2a bereits beschrieben, könnten die unterschiedlichen Verfahrensdauern einer effizienten und raschen Verfahrensabwicklung geschuldet sein. Denkbar wäre, dass die Spruchkörper des BFG einfache und schnell zu erledigende Fälle tendenziell vorziehen und schwierige, langwierige auf später verschieben. Durch diese Vorgehensweise würden die Liegedauern der rasch zu lösenden Fälle durch die Abarbeitung der zeitaufwendigeren Sachverhalte nicht beeinträchtigt werden. Die erstrebte Folge eines solchen Vorgehens wären geringere durchschnittliche Liegedauern.140 Wie bereits in Kapitel 2.2 erwähnt, kann in Bezug auf die untersuchten finanzgerichtlichen Entscheidungen davon ausgegangen werden, dass Rechtssachen, in denen das Finanzgericht der Rechtsansicht einer Partei vollinhaltlich folgt (derartige Fälle werden entweder „gewonnen“ oder „verloren“), weniger Zeit in Anspruch nehmen – und sohin tendenziell vorgezogen werden – als solche, bei denen der Beschwerde teilweise stattgegeben wird. Dies zum einen deshalb, weil bei besonders einfach gelagerten Fällen eine teilweise Stattgabe denkunmöglich erscheint141 und zum anderen, weil das Übernehmen einer bereits vorgefertigten Rechtsansicht in eine finanzgerichtliche Entscheidung oder gar ein schlichter Verweis auf diese Rechtsansicht weniger Aufwand erfordern, als die Entwicklung eines eigenen Argumentationsganges.
Die zweite Hypothese H2b behauptet für finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaftsteuer, dass Rechtsvertretungen durch Experten keinen Einfluss auf die „Verfahrensdauer“ haben. Diese Aussage stellt zugleich die zu testende Nullhypothese dar. Zur Überprüfung dieses Postulates betrachten wir die Regressionskoeffizienten der drei erklärenden Variablen „Vertretung.StB/WP“, „Vertretung.RA“ und „Vertretung.Unbekannt“. Diese liefern unterschiedliche Ergebnisse: Die geschätzten Regressionskoeffizienten der letzten beiden Variablen unterscheiden sich weder wesentlich von Null, noch sind sie statistisch signifikant. Ganz anders der Koeffizient der Variablen „Vertretung.StB/WP“: Dieser ist statistisch höchst signifikante und beläuft sich auf 0,1471. Dies bedeutet, dass die geschätzte „Verfahrensdauer“ mit dem Faktor 1,16 (= e(0,1471)) zu multiplizieren ist, wenn sich Steuerpflichtige in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer nicht selbst vertreten, sondern sich stattdessen von einem Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen.
Für die Überprüfung der Hypothese H2b lässt sich daher festhalten, dass die Nullhypothese H2b0, wonach Rechtsvertretungen durch Experten keinen Einfluss auf die „Verfahrensdauer“ haben, zu verwerfen ist. Stattdessen liefert das Regressionsmodell Hinweise darauf, dass finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaftsteuer länger dauern, wenn sich Steuerpflichtige durch Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen. Für die Berufsgruppe der Rechtsanwälte sowie für „unbekannte“ Vertreter kann hingegen kein derartiger Effekt festgestellt werden. Wie erwartet haben letztere daher keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die „Verfahrensdauer“.
Abschließend widmen wir uns der Interpretation der Kontrollvariablen. Interessant erscheint, dass drei der vier „Rechtsschutzinstrumente“ die „Verfahrensdauer“ signifikant beeinflussen: Auf der einen Seite dauern Verfahren über „Wiederaufnahmen“ dem Regressionsmodell gemäß um den Faktor 1,36 (= e(0,3091)) länger als solche, bei denen ausschließlich über das ordentliche Rechtsmittel der „Beschwerde“ entschieden wird. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass in derartigen Fällen zusätzlich zu den materiell-rechtlichen Fragen auch noch die formellen Wiederaufnahmegründe geprüft werden müssen, weshalb diese Verfahren tendenziell eine höhere Komplexität aufweisen. Auf der anderen Seite werden Verfahren über „Abänderungen.Zurücknahmen.Aufhebungen“ und über „Devolutionsanträge“ signifikant schneller als normale „Beschwerden“ abgeschlossen. Dabei haben „Devolutionsanträge“ mit einem Faktor von 0,10 (= e(-2,2961)) eine besonders starke Wirkung auf die „Verfahrensdauer“. Zur Illustration dieses Effektes werden wieder die Referenzverfahren herangezogen: Ceteris paribus wird die durchschnittliche Dauer dieser Verfahren modellgemäß auf lediglich rund 37 Tage (374 * 0,10) geschätzt, wenn diese „Devolutionsanträge“ anstelle von ordentlichen „Beschwerden“ behandeln.
Dieser durch die Regression empirisch fundierte Effekt wurde aufgrund der gesetzlich normierten zeitlichen Fristen, die für „Devolutionsanträge“ gelten,142 bereits im vorherigen Kapitel 2.6.2.1 vermutet. Hinsichtlich einer möglichen Erklärung des statistisch signifikanten, positiven Einflusses der Rechtsmittel der Abänderung, Zurücknahme und Aufhebung auf die „Verfahrensdauer“, sind die Ausführungen in Kapitel 2.5.2.2.2 in Erinnerung zu rufen: Wird wie dort weiterhin davon ausgegangen, dass diese Rechtsschutzinstrumente vermehrt dann zur Anwendung kommen, wenn relativ eindeutige Sachverhalte vorliegen, werden diese Rechtssachen von den Richtern des BFG aufgrund ihrer Einfachheit tendenziell vorgezogen, um lange Liegedauern zu vermeiden und so eine rasche und effiziente Verfahrensabwicklung zu gewährleisten.
Bei den „Gerichtsständen“ fällt auf, dass die Regressionskoeffizienten sämtlicher in Tabelle 11 angeführten Außenstellen ein positives Vorzeichen aufweisen. Dies bedeutet, dass die „Verfahrensdauer“ dem Modell nach in „Feldkirch“, welches als Referenz dient, am geringsten ist. Bis auf den Regressionskoeffizienten in „Wien“ sind die Ergebnisse aller „Gerichtsstände“ darüber hinaus auch statistisch (sehr) signifikant. Dies lässt darauf schließen, dass tatsächlich Unterschiede in den durchschnittlichen „Verfahrensdauern“ zwischen „Feldkirch“ und den anderen Außenstellen bestehen. Werden jedoch die Koeffizienten der anderen Außenstellen miteinander verglichen fällt auf, dass sich diese nur unwesentlich voneinander unterschieden. Dies ist derart zu interpretieren, dass hinsichtlich der geschätzten „Verfahrensdauern“ lediglich geringfügige Differenzen zwischen den „Gerichtsständen“ „Graz“, „Innsbruck“, „Klagenfurt“, „Linz“, „Salzburg“ und „Wien“ bestehen.
Ebenfalls interessant erscheinen die Ergebnisse für die „Entscheidungsjahre“. Wie bereits bei den „Gerichtsständen“ weisen sämtliche Regressionskoeffizienten der in Tabelle 11 angeführten Jahre ein positives Vorzeichen auf, was darauf schließen lässt, dass die „Verfahrensdauer“ für das Referenzjahr „2003“ vom Modell am geringsten geschätzt wird. Statistisch signifikante Ergebnisse ergeben sich neben dem Entscheidungsjahr „2004“ insb für die letzten beiden Jahre des Untersuchungszeitraumes. Der Regressionskoeffizient für das Jahr „2014“ von 0,3723 bedeutet, dass die geschätzte „Verfahrensdauer“ mit dem Faktor 1,45 (= e(0,3723) zu multiplizieren ist, wenn die Entscheidung nicht in „2003“ sondern in „2014“ getroffen wurde. Auch wenn diese Resultate auf den ersten Blick vermuten lassen, dass jüngere finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaftsteuer länger dauern, ist ein derartiger Schluss nicht zulässig. Dies deshalb, weil, wie bereits in Kapitel 2.6.1.1 beschrieben, die langen Liegedauern der Rechtssachen dazu führen, dass die durchschnittliche „Verfahrensdauer“ gerade in jenen Jahren, in denen Altfälle abgearbeitet werden, ansteigt.
Ähnliches kann auch bei den „Entscheidungsmonaten“ beobachtet werden. Aufgrund der durchwegs positiven Regressionskoeffizienten der in Tabelle 11 angeführten Monate, wird die „Verfahrensdauer“ im Referenzmonat „Jänner“ am geringsten geschätzt. Auffallend sind des Weiteren insb die statistisch (höchst) signifikanten Werte für die Monate „November“ und „Dezember“. Diese lassen darauf schließen, dass zu Jahresende vermehrt Altfälle abgearbeitet und somit jene Rechtssachen entschieden werden, die bereits länger unerledigt sind. Dieser Effekt ist kurz vor dem Jahreswechsel besonders stark: Der Regressionskoeffizient von 0,3462 für den Monat „Dezember“ bedeutet, dass die geschätzte „Verfahrensdauer“ mit dem Faktor 1,41 (= e(0,3462)) zu multiplizieren ist, wenn eine Entscheidung nicht im „Jänner“ sondern im „Dezember“ getroffen wird.
Um etwaigen Problemen der Autokorrelation143 und der Heteroskedastizität144 Rechnung zu tragen und um die Robustheit der oben dargestellten Ergebnisse zu überprüfen, wurden die Standardfehler des in Kapitel 2.6.2.1 vorgestellten vollständigen multiplen linearen Regressionsmodells auch nach der Newey-West-Methode145 geschätzt. Da sich dadurch keine Veränderungen bei den Regressionskoeffizienten ergeben146 und die ausgegebenen p-Werte ebenfalls konsistent mit jenen der ursprünglichen Schätzung sind,147 wird in der Folge auf eine separate Darstellung der Ergebnisse in Tabellenform verzichtet. Das Übereinstimmen der beiden Methoden spricht jedoch jedenfalls für die Robustheit der Resultate.
Der zweite Robustheitstest dient zur Überprüfung etwaiger Einflüsse von statistischen Ausreißern auf die Regressionsergebnisse. Wie bereits in Kapitel 2.4.4 beschrieben, wurde das schnellste in dieser Arbeit untersuchte finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaftsteuer nach bereits 8 Tagen abgeschlossen. Demgegenüber dauerte das längste 5.034 Tage. Um zu testen, ob die in Tabelle 11 gezeigten Ergebnisse von besonders kurzen oder besonders langen „Verfahrensdauern“ getrieben werden, wird eine weitere multiple lineare Regression durchgeführt, bei der jene 5 % der Verfahren, die am schnellsten abgeschlossen wurden und jene 5 % der Verfahren, bei denen die Entscheidungen am längsten gedauert haben, nicht berücksichtigt werden. Bis auf die Anzahl der finanzgerichtlichen Entscheidungen, die der Regression zugrunde liegenden, ist das verwendete Modell ident mit dem, welches in Kapitel 2.6.2.1 vorgestellt wurde. Die Ergebnisse werden in nachfolgender Tabelle dargestellt. Signifikante Werte sind wieder hervorgehoben und mit entsprechenden Asterisken versehen.
Variable | Regressionskoeffizient | p-Wert |
Konstante (ß0): | 6,1585*** | 0,0000 |
Erklärende Variablen | Regressionskoeffizient | p-Wert |
Verfahrensausgang teilweise gewonnen | 0,2573*** | 0,0000 |
Verfahrensausgang gewonnen | 0,1475*** | 0,0000 |
Vertretung.StB/WP | 0,1430*** | 0,0000 |
Vertretung.RA | -0,0946 | 0,0515 |
Vertretung.Unbekannt | 0,0310 | 0,4175 |
Kontrollvariablen | Regressionskoeffizient | p-Wert |
Abänderung.Zurücknahme.Aufhebung | -0,1395 | 0,0593 |
Wiederaufnahme | 0,1764** | 0,0015 |
Wiedereinsetzung | -0,2137 | 0,1985 |
Devolutionsantrag | -0,9565** | 0,0099 |
Gerichtsstand Graz | 0,1070 | 0,1420 |
Gerichtsstand Innsbruck | 0,1400 | 0,0642 |
Gerichtsstand Klagenfurt | 0,1623* | 0,0355 |
Gerichtsstand Linz | 0,0988 | 0,1391 |
Gerichtsstand Salzburg | 0,1293 | 0,1081 |
Gerichtsstand Wien | -0,0071 | 0,9078 |
Entscheidungsjahr 2004 | 0,1465* | 0,0359 |
Entscheidungsjahr 2005 | 0,0274 | 0,6847 |
Entscheidungsjahr 2006 | 0,0283 | 0,6726 |
Entscheidungsjahr 2007 | 0,0312 | 0,6430 |
Entscheidungsjahr 2008 | 0,0210 | 0,7546 |
Entscheidungsjahr 2009 | 0,0122 | 0,8535 |
Entscheidungsjahr 2010 | 0,0281 | 0,6746 |
Entscheidungsjahr 2011 | 0,0741 | 0,2679 |
Entscheidungsjahr 2012 | 0,0814 | 0,2243 |
Entscheidungsjahr 2013 | 0,2125** | 0,0026 |
Entscheidungsjahr 2014 | 0,3159*** | 0,0000 |
Entscheidungsmonat Februar | 0,0429 | 0,4759 |
Entscheidungsmonat März | 0,1070 | 0,0589 |
Entscheidungsmonat April | 0,1287* | 0,0315 |
Entscheidungsmonat Mai | 0,0518 | 0,4050 |
Entscheidungsmonat Juni | 0,1894** | 0,0018 |
Entscheidungsmonat Juli | 0,0280 | 0,6353 |
Entscheidungsmonat August | 0,0819 | 0,1878 |
Entscheidungsmonat September | 0,0974 | 0,0944 |
Entscheidungsmonat Oktober | 0,0923 | 0,1222 |
Entscheidungsmonat November | 0,0830 | 0,1564 |
Entscheidungsmonat Dezember | 0,3550*** | 0,0000 |
Beobachtungen | 3.666 | |
AIC | 8.222,69 | |
korrigiertes R2 | 0,0634 |
Tabelle 12: Robustheit „Verfahrensdauer“, 115 ≤ „Verfahrensdauer“ ≤ 2.569
Wie aus obiger Tabelle hervorgeht, bestätigen die Schätzungen des Robustheitstests die in Tabelle 11 gezeigten Ergebnisse der ursprünglichen Auswertung: Bei beiden Modellen weisen die Regressionskoeffizienten der erklärenden Variablen in dieselben Richtungen und auch die Signifikanzniveaus entsprechen einander. Dies untermauert die in Kapitel 2.6.2.2 über die beiden Hypothesen H2a und H2b gezogenen Schlüsse.
Bei Betrachtung der Kontrollvariablen fällt auf, dass diese teilweise an Signifikanz verlieren, wenn Verfahren mit besonders langen und besonders kurzen „Verfahrensdauern“ nicht in die Regression miteinbezogen werden. Dieser Effekt kann insb für die „Rechtsschutzinstrumente“ und die „Gerichtsstände“ beobachtet werden und bedeutet, dass die zuvor für diese Variablen in Tabelle 11 gezeigten Ergebnisse maßgeblich von Ausreißern, also von extremen „Verfahrensdauern“ getrieben sind und daher für das Gros der finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer nicht oder nur in abgeschwächter Form gelten. Weiterhin höchst signifikant bleiben hingegen die Auswirkungen des „Entscheidungsjahres“ „2014“ und des „Entscheidungsmonats“ „Dezember“ auf die „Verfahrensdauer“.
Wie bereits in Kapitel 2.4.4 beschrieben, sind die Ausprägungen der abhängigen Variablen „Verfahrensdauer“ stark rechtsschief verteilt. Um zu Auswertungszwecken eine Annäherung an eine Normalverteilung zu erreichen, wurde diesem Umstand in allen bisherigen Regressionsmodellen mittels logarithmischer Transformation Rechnung getragen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die „Verfahrensdauer“ mithilfe einer Gammaverteilung an die Normalverteilung zu approximieren.148 Die nachfolgende Tabelle zeigt die Ergebnisse für ein derartiges Vorgehen, wobei das verwendete Modell, bis auf die Transformation der abhängigen Variablen, ident mit jenem ist, welches in Kapitel 2.6.2.1 vorgestellt wurde. Signifikante Werte sind wieder hervorgehoben und mit entsprechenden Asterisken versehen.
Variable | Regressionskoeffizient | p-Wert |
Konstante (ß0): | 6,4725*** | 0,0000 |
Erklärende Variablen | Regressionskoeffizient | p-Wert |
Verfahrensausgang teilweise gewonnen | 0,3261*** | 0,0000 |
Verfahrensausgang gewonnen | 0,1743*** | 0,0000 |
Vertretung.StB/WP | 0,1197*** | 0,0002 |
Vertretung.RA | -0,0929 | 0,0735 |
Vertretung.Unbekannt | -0,0093 | 0,8178 |
Kontrollvariablen | Regressionskoeffizient | p-Wert |
Abänderung.Zurücknahme.Aufhebung | -0,2580*** | 0,0009 |
Wiederaufnahme | 0,2762*** | 0,0000 |
Wiedereinsetzung | -0,2936 | 0,0813 |
Devolutionsantrag | -2,0398*** | 0,0000 |
Gerichtsstand Graz | 0,1416 | 0,0670 |
Gerichtsstand Innsbruck | 0,1823* | 0,0228 |
Gerichtsstand Klagenfurt | 0,1855* | 0,0218 |
Gerichtsstand Linz | 0,1772* | 0,0116 |
Gerichtsstand Salzburg | 0,3012*** | 0,0004 |
Gerichtsstand Wien | 0,1631* | 0,0110 |
Entscheidungsjahr 2004 | 0,1241 | 0,0809 |
Entscheidungsjahr 2005 | -0,0588 | 0,4015 |
Entscheidungsjahr 2006 | -0,0451 | 0,5122 |
Entscheidungsjahr 2007 | -0,0868 | 0,2132 |
Entscheidungsjahr 2008 | -0,0895 | 0,1981 |
Entscheidungsjahr 2009 | -0,1057 | 0,1210 |
Entscheidungsjahr 2010 | -0,0705 | 0,3091 |
Entscheidungsjahr 2011 | -0,0469 | 0,4931 |
Entscheidungsjahr 2012 | -0,0238 | 0,7309 |
Entscheidungsjahr 2013 | 0,0382 | 0,6025 |
Entscheidungsjahr 2014 | 0,1246 | 0,1288 |
Entscheidungsmonat Februar | 0,0384 | 0,5485 |
Entscheidungsmonat März | 0,0591 | 0,3204 |
Entscheidungsmonat April | 0,0573 | 0,3621 |
Entscheidungsmonat Mai | 0,0927 | 0,1573 |
Entscheidungsmonat Juni | 0,1851** | 0,0035 |
Entscheidungsmonat Juli | 0,0330 | 0,5965 |
Entscheidungsmonat August | 0,0827 | 0,2075 |
Entscheidungsmonat September | 0,0246 | 0,6892 |
Entscheidungsmonat Oktober | 0,0842 | 0,1796 |
Entscheidungsmonat November | 0,1613** | 0,0086 |
Entscheidungsmonat Dezember | 0,2810*** | 0,0000 |
Beobachtungen | 4.073 |
Tabelle 13: Robustheit „Verfahrensdauer", Gammaverteilung
Auch die in obiger Tabelle 13 angeführten Schätzungen des dritten Robustheitstests bekräftigen die bisher beschriebenen Ergebnisse: Sämtliche erklärenden Variablen stehen sowohl hinsichtlich ihrer Wirkungsrichtungen als auch hinsichtlich ihrer Signifikanzniveaus in Einklang mit den Resultaten der ursprünglichen Auswertung. Für die Hypothesenüberprüfung bedeutet dies, dass die Nullhypothese H2a0, wonach der „Verfahrensausgang“ keinen Einfluss auf die „Verfahrensdauer“ hat, und die Nullhypothese H2b0, wonach Rechtsvertretungen durch Experten keinen Einfluss auf die „Verfahrensdauer“ haben, weiterhin zu verwerfen sind.
Außerdem liefert die Regression mit zugrunde liegender Gammaverteilung auch für die Kontrollvariablen „Rechtsschutzinstrument“, „Gerichtsstand“ und „Entscheidungsmonat“ Ergebnisse, welche weitgehend mit jenen des ursprünglichen Modells übereinstimmen. Interessant erscheint jedoch, dass der Schätzung des dritten Robustheitstests zufolge keines der „Entscheidungsjahre“ signifikante Auswirkungen auf die „Verfahrensdauer“ hat. Dies gilt auch für das Jahr „2014“, dessen Einfluss auf die abhängige Variable den Ergebnissen aller bisherigen Modelle zufolge sogar höchst signifikant ist. Ein Vergleich der Verteilung der Residuen der ursprünglichen Regression mit jener des dritten Robustheitstests legt jedoch nahe, dass die Normalverteilung durch die logarithmische Transformation besser als durch die Gammatransformation approximiert werden kann, weshalb den Ergebnisse der ursprünglichen Regression eine höhere Aussagekraft beizumessen ist. Zur Veranschaulichung zeigt die folgende Grafik die Histogramme der Residuen beider Modelle.
Abbildung 27: Residuen in Abhängigkeit der Transformation der „Verfahrensdauer“
Dieses letzte empirische Kapitel dient der Beantwortung der dritten Teilfrage. Wie die zwei vorherigen, wurde auch diese bereits zu Beginn der Arbeit aus der Forschungsfrage abgeleitet und lautet wie folgt.
Teilfrage 3: |
Welche Faktoren beeinflussen den Ausgang höchstgerichtlicher Verfahren zur Körperschaftsteuer? |
Der Ausgang der höchstgerichtlichen Folgeentscheidungen wird gleichzeitig auch als Proxy für die Qualität der finanzgerichtlichen Entscheidungen zur Körperschaftsteuer herangezogen. Wurden letztere vom VwGH oder vom VfGH (teilweise) aufgehoben, so werden sie als „falsch“ betrachtet. Kam es vor dem jeweiligen Höchstgericht hingegen zur Ablehnung, Abweisung oder Zurückweisung der Revision bzw Beschwerde, gilt sie als „richtig“. Schlussendlich werden aber insb auch all jene finanzgerichtlichen Entscheidungen zur Körperschaftsteuer als „richtig“ betrachtet, gegen die kein Rechtsmittel ergriffen wurde, weil angenommen werden kann, dass diese von den unterlegenen Parteien als gesetzeskonform angesehen werden.
Der erste Teil dieses Abschnittes widmet sich den Entscheidungen des VwGH, der zweite jenen des VfGH. Im dritten Unterkapitel wird der Versuch unternommen, die Qualität finanzgerichtlicher Entscheidungen zur Körperschaftsteuer zu quantifizieren.
Die folgende Analyse beruht auf den Daten zu jenen 543 finanzgerichtlichen Entscheidungen, gegen die Revision erhoben wurde und bei denen die Entscheidung des VwGH bereits ergangen ist. Die interessierende Variable ist der „VwGH-Verfahrensausgang“, dessen Ausprägungen im Anschluss in Beziehung zu den Ausprägungen der wichtigsten anderen Variablen gesetzt werden. Danach folgt wieder ein Abschnitt zur induktiven Statistik, in dem ein Binomialtest und eine multinomiale logistische Regression durchgeführt werden. Anschließend an die Kommentierung der Ergebnisse werden die Resultate der statistischen Analyse auf ihre Robustheit getestet.
Zu Beginn wollen wir die Zusammenhänge zwischen den Entscheidungen des VwGH und den Ausgängen der Verfahren vor den Finanzgerichten betrachten. Dazu werden die Ausprägungen der beiden Variablen „VwGH-Verfahrensausgang“ und „Verfahrensausgang“ zueinander in Beziehung gesetzt.
Abbildung 28: VwGH-Verfahrensausgang und Verfahrensausgang
Die Abbildung illustriert für jede der drei Ausprägungen der Variablen „Verfahrensausgang“ wie der VwGH entschieden hat. Da es bei „teilweise gewonnenen“ finanzgerichtlichen Entscheidungen sowohl für Steuerpflichtige als auch für Finanzämter sinnvoll sein kann, Revisionen an den VwGH heranzutragen, lässt sich hinsichtlich der mittleren Säule nicht feststellen, welcher „VwGH-Verfahrensausgang“ für welche Partei vorteilhaft war. Anderes gilt hingegen für die beiden Säulen „gewonnen“ (Revisionswerber waren die Finanzämter) und „verloren“ (Revisionswerber waren die Steuerpflichtigen). Somit ist klar, dass der grüne (rote) Teil der rechten Säule sowie der rote (grüne) Teil der linken Säule zum Vorteil der Steuerpflichtigen (der Finanzverwaltung) entschieden wurden.
Bei Betrachtung der Abbildung sticht sofort die linke Säule ins Auge. In jenen Fällen, in denen Steuerpflichtige vor dem UFS oder BFG obsiegt haben („gewonnen“), wurden prozentuell gesehen die meisten finanzgerichtlichen Entscheidungen aufgehoben (52,4 %). Gleichzeitig kam es zu keiner einzigen Ablehnung oder Zurückweisung.
Revisionen gegen teilweise gewonnene (verlorene) finanzgerichtliche Verfahren führten wesentlich seltener, nämlich in nur 29,5 % (31,8 %) aller Fälle zu einer Aufhebung. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang, dass die niedrigeren Erfolgsraten in diesen beiden Gruppen ausschließlich aus formellen Ablehnungen und Zurückweisungen, sowie Einstellungen der Verfahren resultierten. Die relative Häufigkeit von Abweisungen in den Rechtssachen selbst lag hingegen unabhängig vom finanzgerichtlichen „Verfahrensausgang“ bei rund 40 %. Bei einem Vergleich der linken mit der rechten Säule ergibt sich dennoch ein eindeutiges Bild, wonach die Finanzämter vor dem VwGH erfolgreicher als die Steuerpflichtigen waren.
Es kann vermutet werden, dass dies darauf zurückzuführen ist, dass den Finanzämtern vom Finanzausschuss nahegelegt wird, die Höchstgerichte möglichst selten (im Wesentlichen nur bei Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung) zu bemühen149 und dieser Empfehlung weitestgehend Folge geleistet wird. Dies führt dazu, dass die Finanzämter tendenziell Fälle mit besseren Erfolgsaussichten an den VwGH herantragen. Demgegenüber haben die rechtlichen Vertreter von Steuerpflichtigen einen finanziellen Anreiz am Führen von höchstgerichtlichen Verhandlungen per se und empfehlen ihren Mandanten daher womöglich auch dann das Rechtsmittel zu ergreifen, wenn die Erfolgsaussichten gering sind.
Als nächstes wird der „VwGH-Verfahrensausgang“ dem „Entscheidungsjahr“ des jeweiligen finanzgerichtlichen Verfahrens gegenübergestellt um zu zeigen, welche Entwicklung die VwGH-Rechtsprechung im Zeitablauf genommen hat.
Abbildung 29: VwGH-Verfahrensausgang und Entscheidungsjahr
Das Säulendiagramm zeigt für die „Entscheidungsjahre“ 2003 bis 2011 wie der VwGH erkannt hat. Vorab sei erwähnt, dass in den Jahren 2012, 2013 und 2014 von den erhobenen Revisionen mehr unerledigt als entschieden waren und diese Jahre somit lediglich eine geringe Aussagekraft besitzen. Daher finden sie sich nicht in obiger Grafik und werden auch in der Folge nicht näher erläutert.
Aus der Abbildung ist ersichtlich, dass UFS-Entscheidungen des Jahres 2004 am häufigsten aufgehoben wurden, nämlich in 52,9 % aller Fälle. Die nachfolgenden Jahre hinweg ist ein Trend hin zu weniger Aufhebungen zu erkennen, welcher bis zum Jahr 2009 andauerte. Diese Entwicklung ist durchaus beachtlich: In diesem Jahr wurden vom VwGH nur noch 24,6 % aller finanzgerichtlichen Entscheidungen aufgehoben. In den folgenden zwei Jahren blieb die relative Anzahl der Aufhebungen weitgehend auf dem niedrigen Niveau des Jahres 2009.
Eine spiegelbildliche Tendenz zeigt sich bei Betrachtung der aus Sicht der Revisionswerber nachteiligen „VwGH-Verfahrensausgängen“. Während im Jahr 2004 nur 40 % aller Fälle abgewiesen, abgelehnt oder zurückgewiesen wurden, stieg dieser Wert bis zum Jahr 2007 kontinuierlich an und erreichte 2009 mit 69,6 % seinen Zenit. In den folgenden zwei Jahren ist hinsichtlich der relativen Anzahl der Abweisungen, Ablehnungen und Zurückweisungen eine Abkehr vom sich bis dahin abzeichnenden Trend festzustellen: In 2008 wurden nur mehr 61,5 %, in 2009 jedoch wieder rund 68 % aller Fälle gegen die Revisionswerber entschieden.
Diese Entwicklung der VwGH-Entscheidungen kann auch als ein Indiz für eine zunehmende Qualität der finanzgerichtlichen Rechtsprechung gesehen werden, weil das Höchstgericht die Rechtsanschauungen des UFS im Zeitablauf vermehrt bestätigt hat. Weshalb sich eine derartige Tendenz zeigt, lässt jedoch Interpretationsspielraum offen. Denkbar wären bspw Lerneffekte im Entscheidungsfindungsprozess, eine Professionalisierung der finanzgerichtlichen Spruchkörper sowie eine verstärkt gelebte Unabhängigkeit des UFS von der Finanzverwaltung.
Ebenfalls interessant erscheint, ob der VwGH über die finanzgerichtlichen Entscheidungen der sieben Außenstellen des UFS bzw BFG unterschiedlich erkannt hat. Um dies zu veranschaulichen, werden in der Folge die Ausprägungen der Variablen „VwGH-Verfahrensausgang“ und „Gerichtsstand“ betrachtet.
Abbildung 30: VwGH-Verfahrensausgang und Gerichtsstand
Die Abbildung gruppiert die finanzgerichtlichen Entscheidungen nach den Gerichtsständen und illustriert für jede dieser sieben Gruppen, wie der VwGH entschieden hat. Auffällig ist, dass fast die Hälfte aller Entscheidungen (48 %) aus Klagenfurt aufgehoben wurde. Demgegenüber steht Salzburg mit nur 18,5 % Aufhebungen und 3,7 % teilweisen Aufhebungen. Der Unterschied zwischen diesen Extremwerten ist beachtlich, jedoch sei darauf hingewiesen, dass diese beiden Gerichtsstände gleichzeitig jene sind, gegen deren Entscheidungen die wenigsten vom VwGH bereits erledigten Revisionen vorliegen. Für Klagenfurt umfasst das Datenmaterial nur 25, für Salzburg lediglich 27 Fälle. Aufgrund dieser geringen Anzahl an Beobachtungen ist die Varianz der Ausprägungen höher als bei den anderen Gerichtsständen, weshalb Extremwerte statistisch gesehen häufiger vorkommen.
Betrachten wir als nächstes die „VwGH-Verfahrensausgänge“ Abweisung, Ablehnung und Zurückweisung. Hier belegen Feldkirch mit 63,4 % und Linz mit 62,6 % die ersten beiden Plätze. Am seltensten gegen die Revisionswerber wurde hingegen in Klagenfurt mit 44 % und Graz mit 46,6 % entschieden. Auch hier bestanden also deutliche Disparitäten in der Rechtsprechung des VwGH. Die Aussagekraft dieser Unterschiede ist, aufgrund der größeren Anzahl der Beobachtungen (41 in Feldkirch, 99 in Linz und 58 in Graz) und der damit einhergehenden geringeren Varianz, höher als bei den zuvor behandelten Aufhebungen.
Als letztes werden die Ausprägungen der Variablen „VwGH-Verfahrensausgang“ in Relation zu jenen der Variablen „Revisionswerber“ gesetzt um zu zeigen, ob der VwGH über Revisionen von Steuerpflichtigen anders als über solche von Finanzämtern entschieden hat.
Abbildung 31: VwGH-Verfahrensausgang und Revisionswerber
Die Abbildung illustriert, wie der VwGH über Revisionen von Steuerpflichtigen und über solche von Finanzämtern erkannt hat. Sofort wird augenfällig, dass eine deutliche Diskrepanz zwischen diesen beiden Gruppen existierte. Während nur 32 % aller von den Steuerpflichtigen eingebrachten Revisionen zu einer (teilweisen) Aufhebung der bekämpften finanzgerichtlichen Entscheidung geführt haben, war dies in 54,2 % aller von den Finanzämtern angestoßenen Revisionen der Fall.
Korrespondierende Zahlen ergeben sich bei Betrachtung der Abweisungen, Ablehnungen und Zurückweisungen: In 58,8 % aller Rechtssachen wurde gegen die von den Steuerpflichtigen vorgebrachten Revisionen entschieden. Die von den Finanzämtern initiierten Revisionen wurden hingegen in lediglich 37,5 % aller Fälle ab- oder zurückgewiesen und kein einziges Mal abgelehnt.
An dieser Stelle sei nochmals auf die absoluten Häufigkeiten, mit denen Revisionen von Steuerpflichtigen und von Finanzämtern eingebracht wurden, hingewiesen. Wie bereits in Kapitel 2.4.10 beschrieben, wurden rund 89,9 % aller Revisionen von Steuerpflichtigen an den VwGH herangetragen. Obige Grafik basiert jedoch nur auf den 548 bereits entschiedenen Revisionen. Von diesen wurden 500 von Steuerpflichtigen (91,2 %) und 48 von Finanzämtern (8,8 %) erhoben.
Diese Auswertung kann, wie bereits jene in Kapitel 2.7.1.1.1, als ein Indiz dafür herangezogen werden, dass die rechtlichen Vertreter ihre Mandanten aus finanziellen Motiven heraus tendenziell dahin gehend beraten, auch weniger erfolgsversprechende Rechtssachen an den VwGH heranzutragen. Demgegenüber dürften die Finanzämter den Bericht des Finanzausschusses, in dem sie dazu angehalten werden, die Höchstgerichte möglichst selten zu bemühen, tatsächlich umgesetzt haben. Vor diesem Hintergrund erscheint es allerdings bemerkenswert, dass die Finanzverwaltung trotz ihres äußerst bedachten Vorgehens in rund 45,8 % der von ihr erhobenen Revisionen dennoch nicht gewinnt.
Im vorangegangenen Kapitel wurden die Zusammenhänge zwischen der Variablen „VwGH-Verfahrensausgang“ und den anderen Variablen deskriptiv aufbereitet. Dadurch konnten Aussagen über die dieser Untersuchung zugrunde liegenden Entscheidungen des VwGH und somit über die Vergangenheit getroffen werden. In der Folge wird das Datenmaterial mithilfe induktiver Statistik analysiert, um dadurch Aussagen über den Einfluss der Faktoren auf den „VwGH-Verfahrensausgang“ tätigen zu können, die für die Grundgesamtheit und somit auch für zukünftige VwGH-Entscheidungen zur Körperschaftsteuer Gültigkeit besitzen. In einem ersten Schritt wird ein Binomialtest durchgeführt, im Anschluss daran ein multinomiales logistisches Regressionsmodell erarbeitet.
Die in Kapitel 2.2 formulierte Hypothese H3 behauptet, dass Finanzämter in höchstgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer häufiger obsiegen als Steuerpflichtige. Bei der Überprüfung dieser Aussage sind prinzipiell dieselben beiden Punkte zu beachten wie bereits beim Hypothesentest von H1a in Kapitel 2.5.2.1: Einerseits treten in den untersuchten höchstgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer jedenfalls Finanzämter gegen Steuerpflichtige auf. Daher besteht abermals keine Varianz hinsichtlich der kontrahierenden Parteien, weshalb eine entsprechende Dummy-Variable in dem Regressionsmodell, das im Anschlusskapitel entwickelt wird, für jede Beobachtung denselben Wert annehmen und somit keinerlei Aussagekraft besitzen würde.
Andererseits ist die erste für den Test der Hypothese H3 entscheidende Variable der „VwGH-Verfahrensausgang“.150 Diese kann die Ausprägungen „Aufhebung“, „teilweise Aufhebung“, „Vorlage EuGH“, „Einstellung“, „Zurückweisung“, „Ablehnung“ oder „Abweisung“ annehmen. Um analysieren zu können, ob Finanzämter in VwGH-Verfahren zur Körperschaftsteuer statistisch signifikant häufiger obsiegen als Steuerpflichtige, muss daher zuerst eine Einteilung vorgenommen werden, welche dieser Ausprägungen als „gewonnen“ und welche als „verloren“ klassifiziert werden. Dabei sind „Aufhebungen“ jedenfalls zugunsten der Revisionswerber zu werten. Auch die Ausprägung „teilweise Aufhebung“ wird in die Kategorie „gewonnen“ aufgenommen. Dies deshalb, weil die jeweils bekämpften finanzgerichtlichen Entscheidungen in diesen Fällen zumindest zum Teil annulliert wurden und die Revisionswerber somit durch die Einbringungen ihrer Revisionen annahmegemäß erfolgreicher waren, als sie ohne Beschreitung des Rechtsmittelweges gewesen wären. Demgegenüber stehen die Ausprägungen „Abweisung“, „Ablehnung“ und „Zurückweisung“. Diese drei Verfahrensausgänge werden als „verloren“ klassifiziert, weil derartige VwGH-Entscheidungen zu keinerlei Vorteilen für die Revisionswerber gereichen können. Verbleiben die beiden Ausprägungen „Einstellung“ und „Vorlage EuGH“, welche in der Folge weder den „gewonnen“, noch den „verloren“ Verfahren zugeordnet werden. Diese Vorgehensweise begründet sich damit, dass in diesen Fällen unklar ist, weshalb es zur Einstellung des jeweiligen Verfahrens kam, bzw wie die Vorabentscheidung des EuGH ausfallen wird. Letztendlich sei erwähnt, dass noch nicht abgeschlossene VwGH-Verfahren selbstverständlich ebenfalls nicht in die anschließende Analyse miteinbezogen werden. Im Ergebnis werden dem Hypothesentest von H3 daher 498 VwGH-Verfahren zugrunde gelegt, von denen 178 zugunsten151 und 320 zuungunsten152 der Steuerpflichtigen entschieden wurden.
Wie bereits in Kapitel 2.5.2.1, wird für die beiden Verfahrensausgänge „gewonnen“ und „verloren“ eine Binomialverteilung unterstellt und mithilfe eines Binomialtests überprüft, ob Finanzämter statistisch gesehen tatsächlich signifikant häufiger vor dem VwGH gewonnen haben als Steuerpflichtige. Formal wird also folgende Nullhypothese H3-VwGH0 gegen die Alternativhypothese H3-VwGH1 getestet.
Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, dass Finanzämter VwGH-Verfahren zur Körperschaftsteuer gewinnen bzw Steuerpflichtige derartige Verfahren verlieren. Aufgrund der unterstellten Binomialverteilung folgt daraus eine Gegenwahrscheinlichkeit von 1 – p, mit welcher Finanzämter verlieren bzw Steuerpflichtige gewinnen.
Da die Überprüfung der Hypothese auf 498 Entscheidungen des VwGH basiert, sind die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des approximativen Binomialtests jedenfalls gegeben.153 Bei Eingabe des Befehls prop.test(320, 498, p=0.5, alternative="greater“) liefert das Statistikprogramm R folgendes Ergebnis:
1-sample proportions test with continuity correction
data: 320 out of 498, null probability 0.5
X-squared = 39.9217, df = 1, p-value = 1.322e-10
alternative hypothesis: true p is greater than 0.5
95 percent confidence interval: 0.6055428 1.0000000
sample estimates: 0.6425703
Der p-Wert liegt deutlich unter 0,1 %, weshalb ein hoch signifikantes Testergebnis vorliegt.154 Die Nullhypothese H3-VwGH0, die besagt, dass VwGH-Verfahren zur Körperschaftsteuer von Finanzämtern mit einer Wahrscheinlichkeit von kleiner gleich 50 % gewonnen werden, ist daher zu verwerfen. Die Interpretation des Konfidenzintervalls zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Finanzämter gewinnen, in 95 % aller Fälle zwischen rund 60,6 % und 100 % liegt. Dieses hoch signifikante Ergebnis wird sowohl bei Verwendung eines exakten Binomialtests155 als auch bei Einsatz eines zweiseitigen Hypothesentests156 bestätigt.
Die Ergebnisse der Binomialtests können abermals als eine Bestätigung der von Marc Galanter aufgestellten These gesehen werden, wonach „Haves“ und „Repeat Players“ (die Finanzämter) bei Rechtsstreitigkeiten häufiger obsiegen als „Have Nots“ und „One-Shotters“ (die Steuerpflichtigen). Hinsichtlich der denkmöglichen Gründe dafür sei an dieser Stelle auf die Interpretation der Ergebnisse zu den Erfolgsaussichten in finanzgerichtlichen Verfahren in Kapitel 2.5.2.1 verwiesen.
Auch wenn die Hypothese H3-VwGH0 bereits aufgrund des Ergebnisses des Binomialtests verworfen werden kann, sollen im Anschluss die in Kapitel 2.7.1.1 deskriptiv dargestellten Beziehungen zwischen dem „VwGH-Verfahrensausgang“ und den anderen Variablen zusätzlich mithilfe eines multinomialen logistischen Regressionsmodells umfassender untersucht werden. Im Hinblick auf eine weitere Überprüfung der Hypothese H3 ist es dabei erklärtes Ziel, den Einfluss der Hauptvariablen „Revisionswerber“ auf den „VwGH-Verfahrensausgang“ zu überprüfen. Das zu Auswertungszwecken verwendete statistische Modell wird im Anschluss vorgestellt.
Um etwaige Einflüsse von sonstigen Faktoren auf den „VwGH-Verfahrensausgang“ berücksichtigen zu können, fließen in die multinomiale logistische Regression neben der Hauptvariablen „Revisionswerber“ auch noch Kontrollvariablen mit ein. Im Konkreten wird die Schätzung der Einflüsse der unabhängigen Variablen auf die abhängige Variable „VwGH-Verfahrensausgang“ anhand folgender Regressionsgleichung vorgenommen:
Die abhängige Variable „VwGH-Verfahrensausgang“ wurde bereits in Kapitel 2.4.9 vorgestellt. Zu Auswertungszwecken werden die einzelnen Entscheidungsarten des VwGH jedoch aggregiert, sodass folgende drei Ausprägungen verbleiben: „gewonnen“, „Einstellung/Vorlage EuGH“ und „ verloren“. Wie zuvor in Kapitel 2.7.1.2.1 beschrieben, gilt eine Entscheidung des VwGH aus Sicht des Revisionswerbers dann als „gewonnen“, wenn die angefochtene finanzgerichtliche Entscheidung ganz oder teilweise aufgehoben wurde. Hingegen „verliert“ der Revisionswerber, wenn mit Abweisung, Ablehnung oder Zurückweisung entschieden wurde. Der dritten Ausprägung „Einstellung/Vorlage EuGH“ werden jene Verfahren zugeordnet, die eingestellt wurden oder die zur Vorabentscheidung beim EuGH liegen.
Wie bereits in Kapitel 2.4.10 näher beschrieben, nimmt die dichotome Hauptvariable „Revisionswerber“ die Ausprägung „Steuerpflichtiger“ an, wenn die Revision von einem Steuerpflichtigen an den VwGH herangetragen wurde. Wandte sich hingegen ein Finanzamt an das Höchstgericht, besitzt sie die Ausprägung „Finanzamt“. Die Dummy-Variable „VfGH“ nimmt, wie in Kapitel 2.4.11 erläutert, den Wert „1“ an, wenn gegen die finanzgerichtliche Entscheidung neben der Revision an den VwGH auch eine Beschwerde an den VfGH erhoben wurde. War dies nicht der Fall, wird ihr hingegen die Ausprägung „0“ zugewiesen.
Alle anderen Kontrollvariablen, welche in obiger Gleichung verwendeten werden, waren bereits Bestandteil des Regressionsmodells zum finanzgerichtlichen „Verfahrensausgang“ und wurden daher schon in Kapitel 2.5.2.2.1 in Tabelle 4 vorgestellt. Um Redundanzen zu vermeiden, enthält die folgende Liste daher nur eine Aufstellung über jene Variablen, welche nicht bereits explizit in Tabelle 4 angeführt werden.
Bezeichnung | Erklärung |
Abhängige Variable | |
VwGH-Verfahrensausgang | Polytome Variable, die die Ausprägungen „gewonnen“, „Einstellung/Vorlage EuGH“ und „verloren“ annehmen kann.157 |
Erklärende Variable | |
Revisionswerber | Dummy-Variable, die die Ausprägung „Steuerpflichtiger“ annimmt, wenn die Revision von einem Steuerpflichtigen an den VwGH herangetragen wurde. Ansonsten nimmt sie die Ausprägung „Finanzamt“ an.158 |
Kontrollvariable | |
VfGH | Dummy-Variable, die den Wert 1 annimmt, wenn gegen eine finanzgerichtliche Entscheidung eine Beschwerde an den VfGH erhoben wurde. Ansonsten nimmt sie den Wert 0 an.159 |
Tabelle 14: Variablen multinomiale logistische Regression „VwGH-Verfahrensausgang“
In Übereinstimmung mit Hypothese H3 wird ein signifikanter Einfluss der erklärenden Variablen „Revisionswerber“ auf den „VwGH-Verfahrensausgang“ erwartet: „Finanzämter“ sollten vor dem VwGH häufiger „gewinnen“ und seltener „verlieren“ als „Steuerpflichtige“. Hinsichtlich der Wirkungsweisen der anderen Variablen auf den „VwGH-Verfahrensausgang“ können in Ermangelung einer anwendbaren Theorie keine fundierten, gerichteten Vorhersagen getroffen werden. Die folgende Tabelle fasst die erwarteten Einflüsse der einzelnen Faktoren auf die abhängige Variable zusammen.
Variable | Erwarteter Einfluss auf den „VwGH-Verfahrensausgang“ |
Erklärende Variable | |
Revisionswerber | „Finanzämter“ gewinnen (verlieren) vor dem VwGH häufiger (seltener) als „Steuerpflichtige“ |
Kontrollvariablen | |
für alle Kontrollvariablen | keine Vorhersage möglich |
Tabelle 15: Erwarteter Einfluss der Variablen auf den „VwGH-Verfahrensausgang“
Die Ergebnisse der im vorherigen Kapitel vorgestellten multinomialen logistischen Regression werden in nachfolgender Tabelle 16 gesammelt dargestellt. Die signifikanten Werte sind wieder hervorgehoben, wobei ein Signifikanzniveau von 5 % mit einem (*), eines von 1 % mit zwei (**) und eines von 0,1 % mit drei (***) Asterisken versehen ist. Die entsprechenden p-Werte finden sich in den Klammern unterhalb der Quotenverhältnisse. Die Spalte (1) der Tabelle zeigt den isolierten Einfluss der erklärenden Variablen „Revisionswerber“ auf die abhängige Variable „VwGH-Verfahrensausgang“. Die Spalte (2) enthält die Ergebnisse des gesamten Regressionsmodells inkl aller Kontrollvariablen.
Variable | Vorhersage | Kategorie | (1) | (2) | |
Konstante (ß0) | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,2222** (0,0065) 1,4444 (0,2304) | 6,7052 (0,3178) 1,0297 (0,9804) | ||
Erklärende Variable | |||||
Revisionswerber Steuerpflichtiger | Odds-Ratios < 1 | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,7041 (0,5418) 0,3768** (0,0024) | 0,1689 (0,0771) 0,2104** (0,0077) | |
Kontrollvariablen | |||||
Verfahrensausgang teilweise gewonnen | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,8467 (0,6971) 0,5829* (0,0391) | ||
Verfahrensausgang gewonnen | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,2596 (0,2782) 0,7682 (0,6644) | ||
VfGH | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 3,5958** (0,0091) 1,2453 (0,5758) | ||
Vertretung.StB/WP | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,2857* (0,0115) 1,1240 (0,7029) | ||
Vertretung.RA | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,8400 (0,7596) 0,3437* (0,0387) | ||
Vertretung.Unbekannt | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,5856 (0,3537) 0,9187 (0,8231) | ||
Abänderung.Zurücknahme.Aufhebung | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 1,5751 (0,7114) 0,2736 (0,2546) | ||
Wiederaufnahme | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,1118 (0,0740) 0,9378 (0,8756) | ||
Wiedereinsetzung | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,9354 (0,9643) 0,0000*** (0,0000) | ||
Devolutionsantrag | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,3378*** (0,0000) 20.261.710*** (0,0000) | ||
Gerichtsstand Graz | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 1,4656 (0,6392) 1,6504 (0,3480) | ||
Gerichtsstand Innsbruck | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,8999 (0,9179) 1,2664 (0,7212) | ||
Gerichtsstand Klagenfurt | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,9466 (0,9575) 2,1770 (0,2145) | ||
Gerichtsstand Linz | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,6718 (0,6038) 0,7314 (0,5288) | ||
Gerichtsstand Salzburg | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,6564 (0,6754) 1,2906 (0,7146) | ||
Gerichtsstand Wien | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,7629 (0,6921) 1,2800 (0,5781) | ||
Entscheidungsjahr 2004 | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,6182 (0,6097) 3,4470* (0,0215) | ||
Entscheidungsjahr 2005 | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,3880 (0,3330) 1,8285 (0,2801) | ||
Entscheidungsjahr 2006 | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,3399 (0,2494) 1,3021 (0,6256) | ||
Entscheidungsjahr 2007 | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,2968 (0,2429) 0,9566 (0,9404) | ||
Entscheidungsjahr 2008 | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,5550 (0,5285) 1,0769 (0,8985) | ||
Entscheidungsjahr 2009 | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,4574 (0,3746) 0,6295 (0,4042) | ||
Entscheidungsjahr 2010 | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,9206 (0,9188) 0,7036 (0,5525) | ||
Entscheidungsjahr 2011 | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,4182 (0,3579) 0,7990 (0,7045) | ||
Entscheidungsjahr 2012 | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 2,4446 (0,2791) 0,2791 (0,0969) | ||
Entscheidungsjahr 2013 | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 8,0833* (0,0348) 2,0952 (0,4254) | ||
Entscheidungsjahr 2014 | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,0000*** (0,0000) 0,0000*** (0,0000) | ||
Entscheidungsmonat Februar | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,6745 (0,6876) 0,8754 (0,7959) | ||
Entscheidungsmonat März | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 1,0789 (0,9158) 0,4705 (0,1107) | ||
Entscheidungsmonat April | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 1,1418 (0,8754) 0,4204 (0,1521) | ||
Entscheidungsmonat Mai | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,1421 (0,0714) 0,2635* (0,0150) | ||
Entscheidungsmonat Juni | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 1,2550 (0,8102) 1,3043 (0,6317) | ||
Entscheidungsmonat Juli | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,7349 (0,7032) 0,2788* (0,0241) | ||
Entscheidungsmonat August | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,5932 (0,5527) 0,4539 (0,1684) | ||
Entscheidungsmonat September | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,5662 (0,5731) 0,3367 (0,0941) | ||
Entscheidungsmonat Oktober | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,6170 (0,5611) 0,6530 (0,4067) | ||
Entscheidungsmonat November | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 1,1804 (0,8318) 0,6546 (0,3868) | ||
Entscheidungsmonat Dezember | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,3306 (0,2548) 0,4883 (0,1429) | ||
log(Verfahrensdauer) | keine Vorhersage | Einstellung/Vorlage EuGH gewonnen | 0,9097 (0,6224) 1,2201 (0,1104) | ||
Beobachtungen AIC McFadden R2 | 548 991,4 0,0095 | 510 932 0,2265 |
Tabelle 16: Ergebnisse multinomiale logistische Regression „VwGH-Verfahrensausgang“
Wie die Tabelle 16 zeigt, gelangt die in der Spalte (1) dargestellte, isolierte Schätzung des Einflusses der erklärenden Variablen „Revisionswerber“ auf den „VwGH-Verfahrensausgang“ im Wesentlichen zu demselben Ergebnis wie die in Spalte (2) beschriebene Schätzung des vollständigen Regressionsmodells. Die Miteinbeziehung der Kontrollvariablen beeinflusst die Bedeutung der erklärenden Variablen daher nur unwesentlich. Auffallend beim Vergleich der beiden Spalten ist jedoch das Pseudo-Bestimmtheitsmaß „McFadden R2“, welches beim vollständigen Modell einen deutlich höheren Wert, nämlich 0,2265 annimmt. Dies spricht für eine hohe Modellgüte.160 Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Anzahl der Beobachtungen im vollständigen Regressionsmodell nur 510 beträgt und daher geringer ist als bei der isolierten Schätzung. Dies ist auf die Kontrollvariable „Verfahrensdauer“ zurückzuführen, welche für 38 Verfahren nicht ermittelt werden konnte. Schlussendlich sei hinsichtlich der nachfolgenden Interpretation der in Spalte (2) geschätzten Einflüsse auf den „VwGH-Verfahrensausgang“ angemerkt, dass sich diese ausschließlich auf die Ausprägungen „gewonnen“ und „verloren“ bezieht. Aussagen über die Ausprägung „Einstellung/Vorlage EuGH“ hätten keinen gesonderten Erklärungsgehalt, weil unklar ist, ob derartige Verfahren zugunsten oder zuungunsten der Revisionswerber ausgegangen sind.
Kommen wir nun zu dem Einfluss der erklärenden Variablen und damit zur Überprüfung der Hypothese H3. Diese postuliert, dass Finanzämter in höchstgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer häufiger obsiegen als Steuerpflichtige. Im Konkreten basieren die in Tabelle 16 angeführten Schätzungen auf folgender Nullhypothese H3-VwGH0: Der „Revisionswerber“ hat keinen Einfluss auf den „VwGH-Verfahrensausgang“. Zur Überprüfung dieser Aussage wird das Quotenverhältnis der erklärenden Variablen „Revisionswerber“ betrachtet. Für diese ist die Ausprägung „Finanzamt“ als Referenzkategorie zu Interpretationszwecken heranzuziehen, für die abhängige Variable „VwGH-Verfahrensausgang“ die Ausprägung „verloren“. Das statistisch sehr signifikante Quotenverhältnis von 0,21 in der Kategorie „gewonnen“ in der Spalte (2) bedeutet, dass das Verhältnis zwischen „gewonnenen“ und „verlorenen“ VwGH-Verfahren mit dem Faktor 0,21 zu multiplizieren ist, wenn die Revision von einem „Steuerpflichtigen“ anstatt von einem „Finanzamt“ an den VwGH herangetragen wird. Ob dieses Missverhältnis tatsächlich auf dem von Galanter161 beschriebenen Umstand beruht, dass Finanzämter der Gruppe der „Haves“ und jener der „Repeat Players“ angehören, kann vermutet, auf Basis dieser Analyse jedoch nicht abschließend beantwortet werden. Im Gegensatz zu den finanzgerichtlichen Verfahren, die jedenfalls von den Steuerpflichtigen initiiert werden, können die Verfahren vor dem VwGH nämlich auch von den Finanzämtern angestrengt werden. Daher ist es ebenfalls denkbar, dass sich die von den Finanzämtern als „Revisionswerber“ an das Höchstgericht herangetragenen Revisionen in Punkten, die für den Verfahrensausgang wesentlichen sind (bspw den Sachverhalten) und von obigem Modell nicht erfasst werden, von jenen Revisionen unterscheiden, die von den Steuerpflichtigen angeregt werden. Diesfalls wären die höheren Erfolgschancen der Finanzämter jedoch nicht (nur) auf ihre Zugehörigkeit zu den Gruppen der „Haves“ und „Repeat Players“ zurückzuführen, sondern eben (auch) auf diese von der Regression nicht erfassten Faktoren. Im Hinblick auf den Hypothesentest kann jedoch dennoch allgemein festgehalten werden, dass Steuerpflichtige eine erheblich geringere Chance als Finanzämter haben, ihre Verfahren vor vom VwGH zu gewinnen. Die Nullhypothese H3-VwGH0 ist somit zu verwerfen.
Die Interpretation der Quotenverhältnisse der Kontrollvariablen legt nahe, dass Verfahren vor dem VwGH signifikant seltener „gewonnen“ werden, wenn die bekämpften finanzgerichtlichen Entscheidungen „teilweise gewonnen“ und nicht „verloren“ wurden (Quotenverhältnis von 0,58). Gleiches gilt, wenn sich Steuerpflichtige in finanzgerichtlichen Verfahren von Rechtsanwälten vertreten haben lassen. In diesen Fällen ist das Verhältnis zwischen „gewonnenen“ und „verlorenen“ VwGH-Verfahren mit dem Faktor 0,34 zu multiplizieren. Eine mögliche Erklärung dafür wäre abermals, dass Rechtsanwälte ihren Mandanten auch bei weniger erfolgsversprechenden Rechtssachen dazu raten, Revisionen beim VwGH einzubringen. Interessant erscheint jedenfalls, dass die Vertretung durch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer dem Modell nach hingegen keinen statistisch signifikanten Einfluss auf den „VwGH-Verfahrensausgang“ hat.
Bei Betrachtung der Quotenverhältnisse der „Rechtsschutzinstrumente“ fallen sofort die höchst signifikanten Ergebnisse der beiden Dummy-Variablen „Wiedereinsetzung“ und „Devolutionsantrag“ auf. Diese sind jedoch auf die geringe Anzahl derartiger Verfahren zurückzuführen: Dem VwGH sind lediglich vier finanzgerichtliche Entscheidungen zur „Wiedereinsetzung“162 und nur eine einzige zum „Devolutionsantrag“163 vorgelegt worden. Die vom Modell für diese beiden „Rechtsschutzinstrumente“ geschätzten Ergebnisse sind daher nicht aussagekräftig, weshalb von einer Interpretation Abstand genommen wird.
Zwischen dem „Gerichtsstand“ „Feldkirch“, welcher als Referenzwert dient, und den anderen „Gerichtsständen“ bestehen hinsichtlich der Anteile an vom VwGH aufgehobenen und somit „falschen“ finanzgerichtlichen Entscheidungen keine signifikanten Unterschiede. Dies lässt österreichweit auf eine einheitliche Qualität der finanzgerichtlichen Rechtsprechung schließen. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse der „Entscheidungsjahre“, dass, im prozentuellen Vergleich zum Referenzjahr „2003“, nur Revisionen über finanzgerichtliche Entscheidungen aus dem Jahr „2004“ signifikant häufiger „gewonnen“ wurden (Quotenverhältnis von 3,45). Die Ergebnisse der anderen „Entscheidungsjahre“ sprechen dafür, dass die Qualität der finanzgerichtlichen Rechtsprechung über das letzte Jahrzehnt hinweg konstant geblieben ist. Anzumerken bleibt, dass bei der Interpretation der Ergebnisse das „Entscheidungsjahr“ „2014“ keine Berücksichtigung erfährt, weil lediglich zwei finanzgerichtliche Entscheidungen aus diesem Jahr in die Auswertung einfließen164 und dieses daher nicht aussagekräftig ist. Schlussendlich weisen die größtenteils nicht signifikanten Ergebnisse der „Entscheidungsmonate“ darauf hin, dass die Qualität der finanzgerichtlichen Rechtsprechung auch unterjährig keinen Schwankungen unterliegt.
In obiger Auswertung wurde dem Umstand, dass bei eingestellten VwGH-Verfahren und bei dem EuGH vorgelegten Rechtssachen ungewiss ist, zu wessen Gunsten diese tatsächlich ausgegangen sind, durch die Codierung der abhängigen Variablen „VwGH-Verfahrensausgang“ begegnet. Diese konnte neben den Ausprägungen „gewonnen“ und „verloren“ auch noch die Ausprägung „Einstellung/Vorlage EuGH“ annehmen. Dadurch wurde gewährleistet, dass alle vom VwGH bereits entschiedenen Revisionen des untersuchten Datenmaterials in die multinomiale logistische Regression miteinbezogen werden konnten. Freilich beschränkte sich die Interpretation der geschätzten Ergebnisse auf die beiden Ausprägungen „gewonnen“ und „verloren“, weil die dritte Ausprägung „Einstellung/Vorlage EuGH“ aufgrund ihrer Unbestimmtheit keinen Aufschluss über die Erfolgsaussichten in Verfahren vor dem VwGH geben kann.
Eine weitere Möglichkeit mit Entscheidungen umzugehen, deren tatsächliche Vorteilhaftigkeit für den Revisionswerber nicht bekannt ist, besteht darin, diese im Rahmen der statistischen Analyse gar nicht zu berücksichtigen. Im Ergebnis fließen sohin ausschließlich jene Entscheidungen in die Untersuchung mit ein, die eindeutig zugunsten oder zuungunsten der Revisionswerber ausgefallen sind. Für die Codierung der abhängigen Variablen „VwGH-Verfahrensausgang“ bedeutet dies, dass ihr lediglich die beiden Ausprägungen „gewonnen“ und „verloren“ zugewiesen werden müssen. Folglich basiert der Robustheitstest methodisch auf einer binomialen logistischen Regression. Die unabhängigen Variablen sind dieselben wir beim multinomialen logistischen Modell.
Die Ergebnisse der binomialen logistischen Regression unter Einbeziehung aller Kontrollvariablen werden in nachfolgender Tabelle dargestellt. Signifikante Werte sind wieder hervorgehoben und mit entsprechenden Asterisken versehen.
Variable | Wert | p-Wert |
Konstante (ß0): | 0,9164 | 0,9419 |
Erklärende Variable | Quotenverhältnis | p-Wert |
Revisionswerber Steuerpflichtiger | 0,1978 | 0,0081** |
Kontrollvariablen | Quotenverhältnis | p-Wert |
Verfahrensausgang teilweise gewonnen | 0,6113 | 0,0590 |
Verfahrensausgang gewonnen | 0,7298 | 0,6185 |
VfGH | 1,3630 | 0,4419 |
Vertretung.StB/WP | 1,0703 | 0,8260 |
Vertretung.RA | 0,3135* | 0,0285* |
Vertretung.Unbekannt | 0,8796 | 0,7362 |
Abänderung.Zurücknahme.Aufhebung | 0,2950 | 0,2835 |
Wiederaufnahme | 0,9369 | 0,8740 |
Wiedereinsetzung | 0,0000 | 0,9826 |
Devolutionsantrag | 38.811.744,6675 | 0,9904 |
Gerichtsstand Graz | 1,8851 | 0,2451 |
Gerichtsstand Innsbruck | 1,4344 | 0,5883 |
Gerichtsstand Klagenfurt | 2,3424 | 0,1802 |
Gerichtsstand Linz | 0,7474 | 0,5612 |
Gerichtsstand Salzburg | 1,3523 | 0,6688 |
Gerichtsstand Wien | 1,3364 | 0,5194 |
Entscheidungsjahr 2004 | 3,6103* | 0,0176* |
Entscheidungsjahr 2005 | 1,9136 | 0,2472 |
Entscheidungsjahr 2006 | 1,4289 | 0,5127 |
Entscheidungsjahr 2007 | 0,9900 | 0,9864 |
Entscheidungsjahr 2008 | 1,1685 | 0,7896 |
Entscheidungsjahr 2009 | 0,6138 | 0,3799 |
Entscheidungsjahr 2010 | 0,7791 | 0,6762 |
Entscheidungsjahr 2011 | 0,8550 | 0,7919 |
Entscheidungsjahr 2012 | 0,2647 | 0,1461 |
Entscheidungsjahr 2013 | 2,4268 | 0,3582 |
Entscheidungsjahr 2014 | 0,0000 | 0,9853 |
Entscheidungsmonat Februar | 0,8230 | 0,7080 |
Entscheidungsmonat März | 0,4526 | 0,0984 |
Entscheidungsmonat April | 0,3924 | 0,1253 |
Entscheidungsmonat Mai | 0,2679* | 0,0173* |
Entscheidungsmonat Juni | 1,2359 | 0,7051 |
Entscheidungsmonat Juli | 0,2953* | 0,0314* |
Entscheidungsmonat August | 0,4389 | 0,1559 |
Entscheidungsmonat September | 0,3659 | 0,1252 |
Entscheidungsmonat Oktober | 0,6427 | 0,3963 |
Entscheidungsmonat November | 0,6656 | 0,4110 |
Entscheidungsmonat Dezember | 0,4795 | 0,1386 |
log(Verfahrensdauer) | 1,2388 | 0,0868 |
Beobachtungen | 463 | |
AIC | 604,9 | |
McFadden R2 | 0,2056 |
Tabelle 18: Robustheit „VwGH-Verfahrensausgang", binomiale logistische Regression
Die in obiger Tabelle 18 gezeigten Schätzungen des Robustheitstests stehen großteils in Einklang mit den Ergebnissen der multinomialen logistischen Regression. Insb ist der Einfluss der erklärenden Variablen „Revisionswerber“ sehr signifikant und auch das Quotenverhältnis von 0,20 entspricht jenem der ursprünglichen Auswertung. Für die Überprüfung der Hypothese H3 bedeutet dies, dass die Nullhypothese H3-VwGH0, die besagt, dass der „Revisionswerber“ keinen Einfluss auf den „VwGH-Verfahrensausgang“ hat, weiterhin zu verwerfen ist.
Werden die restlichen, vom Robustheitstest geschätzten Ergebnisse betrachtet, so fällt zweierlei auf: Zum einen sind die Wirkungsrichtungen der Kontrollvariablen ausnahmslos ident mit jenen des multinomialen Modells in der Kategorie „gewonnen“. Zum andern verlieren die Quotenverhältnisse tendenziell an statistischer Signifikanz. Letzteres gilt insb für jene Variablen, denen nur wenige finanzgerichtliche Entscheidungen zugeordnet werden konnten. So haben die beiden den Rechtsschutzinstrumenten zugehörigen Dummy-Variablen „Wiedereinsetzung“ und „Wiederaufnahme“ sowie das „Entscheidungsjahr“ „2014“ gemäß den Ergebnissen des Robustheitstests keinerlei Auswirkungen mehr auf den „VwGH-Verfahrensausgang“. Diese Ergebnisse sind, in Anbetracht der geringen Anzahl an Entscheidungen, die den jeweiligen Variablen zugeordnet werden konnten, jedenfalls plausibel.
Weiterhin einen signifikanten Einfluss auf den „VwGH-Verfahrensausgang“ haben hingegen die „Entscheidungsmonate“ „Mai“ und „Juli“, das „Entscheidungsjahr“ „2004“ sowie die Vertretung durch Rechtsanwälte in finanzgerichtlichen Verfahren.
Die Basis für die folgende empirische Untersuchung bilden die Daten zu jenen 88 finanzgerichtlichen Entscheidungen, gegen die Beschwerde beim VfGH erhoben wurde und bei denen die höchstgerichtliche Entscheidung bereits ergangen ist. Die interessierende Variable ist der „VfGH-Verfahrensausgang“, die im anschließenden Kapitel zur deskriptiven Statistik in Beziehung zu den wichtigsten anderen Variablen gesetzt wird. Daran schließt wieder ein Abschnitt zur induktiven Statistik an, in dem ein Binomialtest durchgeführt wird.
Die Variablen, die in der Folge im Zusammenhang mit dem VfGH betrachtet werden, sind im Wesentlichen dieselben wie im vorangegangenen Kapitel zum „VwGH-Verfahrensausgang“. Einzig zum „Revisionswerber“ gibt es kein Pendant. Dies deshalb, weil Finanzämter zwar zur Einbringung von Revision an den VwGH, nicht jedoch zur Einbringung von Beschwerden an den VfGH legitimiert sind. Daher ist davon auszugehen, dass lediglich verlorene und teilweise gewonnene finanzgerichtliche Entscheidungen an den VfGH herangetragen wurden.
Zu Beginn betrachten wir das Zusammenspiel zwischen den Entscheidungen des VfGH und den Ausgängen der Verfahren vor den Finanzgerichten. Hierzu werden die Ausprägungen der beiden Variablen „VfGH-Verfahrensausgang“ und „Verfahrensausgang“ zueinander in Beziehung gesetzt.
Abbildung 32: VfGH-Verfahrensausgang und Verfahrensausgang
Die Abbildung zeigt für die Ausprägungen der Variablen „Verfahrensausgang“ wie der VfGH entschieden hat. Erwartungsgemäß gab es zu von Steuerpflichtigen gewonnenen finanzgerichtlichen Verfahren keine Entscheidungen des VfGH. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Finanzämter nicht zur Einbringung von VfGH-Beschwerden berechtigt sind und Steuerpflichtige bei ohnehin zu ihren Gunsten entschiedenen Rechtssachen keinen Anreiz haben, den VfGH zu bemühen.
Des Weiteren wird bei Betrachtung der obigen beiden Säulen hinsichtlich des „VfGH-Verfahrensausganges“ sofort die bereits in Kapitel 2.4.12 beschriebene klare Dominanz der formellen Entscheidungsarten augenscheinlich: Der Gerichtshof lehnte die Behandlung von 90,5 % aller Beschwerden über teilweise gewonnene und 86,8 % aller Beschwerden über verlorene finanzgerichtliche Verfahren ab. Um auf die aus Sicht der Steuerpflichtigen nachteiligen Verfahrensausgänge kommen, sind zu diesen Werten nochmals die Abweisungen in Höhe von 4,8 % (teilweise gewonnen) bzw 1,5 % (verloren) hinzuzurechnen. Demgegenüber stehen Aufhebungen von finanzgerichtlichen Entscheidungen von lediglich 4,8 % (teilweise gewonnen) bzw 8,8 % (verloren).
Interessant an dieser Verteilung ist, dass das Gros aller Rechtssachen zwar zuungunsten der Steuerpflichtigen entschieden wurde, dieser Umstand jedoch ausschließlich auf die formellen Erledigungen zurückzuführen ist. Bei Gegenüberstellung der beiden „VfGH-Verfahrensausgängen“ Aufhebung und Abweisung, welche bei Entscheidungen in der Sache selbst zur Anwendung kommen, wurde bei Beschwerden über teilweise gewonnene finanzgerichtliche Verfahren gleichhäufig und bei solchen über verlorene finanzgerichtliche Verfahren sogar häufiger für die Steuerpflichtigen entschieden.
Im Anschluss werden die Ausprägungen der Variablen „VfGH-Verfahrensausgang“ jenen der Variablen „Entscheidungsjahr“ gegenübergestellt um zu zeigen, welche Entwicklung die VfGH-Rechtsprechung im Zeitablauf genommen hat.
Abbildung 33: VfGH-Verfahrensausgang und Entscheidungsjahr
Auch bei dieser Abbildung wird die hohe Häufigkeit von Ablehnungen deutlich. Interessant ist, dass der VfGH die finanzgerichtlichen Entscheidungen aus dem Jahr 2007 in fünf von zehn Fällen aufgehoben hat. Dies ist auch insofern bemerkenswert, als es über die gesamte Betrachtungsperiode hinweg nur zu sieben Aufhebungen gekommen ist: Neben den fünf finanzgerichtlichen Entscheidungen aus dem Jahr 2007 wurden lediglich eine aus 2008 und eine aus 2011 aufgehoben.
Mit Abweisung erkannte der VfGH nur über zwei Beschwerden, nämlich hinsichtlich einer finanzgerichtlichen Entscheidung des Jahres 2003 und einer des Jahres 2011. Ebenfalls zweimal wurde das Verfahren eingestellt (Entscheidungsjahre 2004 und 2011).
Um zu veranschaulichen, ob der VfGH über die finanzgerichtlichen Entscheidungen der sieben Außenstellen des UFS bzw BFG unterschiedlich erkannt hat, werden die Ausprägungen der Variablen „VfGH-Verfahrensausgang“ zum Abschluss dieses Kapitels in Relation zu jenen der Variablen „Gerichtsstand“ gesetzt.
Abbildung 34: VfGH-Verfahrensausgang und Gerichtsstand
Die Abbildung gruppiert die finanzgerichtlichen Entscheidungen nach den Gerichtsständen und illustriert für jede dieser sieben Gruppen, wie der VfGH erkannt hat. Auffallend an der Grafik ist, dass die Behandlung von sämtlichen Beschwerden gegen Rechtssachen, die von den Außenstellen Innsbruck und Klagenfurt entschieden wurden, abgelehnt wurde. Angesichts der Tatsache, dass der VfGH lediglich über drei (zwei) Beschwerden gegen Entscheidungen der Außenstelle Innsbruck (Klagenfurt) entschieden hat und der hohen relativen Anzahl an Ablehnungen erscheint dies jedoch nicht überraschend.
Auch die Verteilungen der anderen Entscheidungsarten lassen keine klaren Tendenzen erkennen: Es wurden jeweils zwei Entscheidungen der Außenstellen Feldkirch, Graz und Wien sowie eine der Außenstelle Salzburg aufgehoben. Zu einer Abweisung ist es lediglich einmal im Zusammenhang mit einer Entscheidung aus Linz und einmal im Zusammenhang mit einer aus Salzburg gekommen. Eingestellt wurden ebenfalls zwei Verfahren: Einmal bei einer Linzer und einmal bei einer Wiener Entscheidung.
An die im vorangegangenen Kapitel vorgenommene deskriptive Aufbereitung der Zusammenhänge zwischen der Variablen „VfGH-Verfahrensausgang“ und den anderen Variablen, schließt in der Folge, wie bereits bei der Untersuchung des „VwGH-Verfahrensausgangs“, eine auf induktiver Statistik basierende Analyse an. Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass Rechtssachen dem VfGH ausschließlich von Steuerpflichtigen – und nicht auch von Finanzämtern, wie dies beim VwGH der Fall ist – vorgelegt werden können. Daher besteht hinsichtlich des Beschwerdeführers keinerlei Varianz, weshalb die Implementierung einer entsprechenden Dummy-Variablen in ein Regressionsmodell als erklärende Hauptvariable nicht zielführend wäre. Somit könnten in eine Regression lediglich Kontrollvariablen einfließen. Dies wäre jedoch unbefriedigend, weil in diesem Fall keinerlei Aussagen über die Gültigkeit der Hypothese H3 getroffen werden könnten. Aus diesen Gründen wird von der Durchführung einer Regression Abstand genommen. Stattdessen beschränkt sich die folgende Untersuchung auf einen Binomialtest.
Rufen wir uns dazu nochmals die in Kapitel 2.2 formulierte Hypothese H3 in Erinnerung: Diese besagt, dass Finanzämter in höchstgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer häufiger obsiegen als Steuerpflichtige. In Kapitel 2.7.1.2.1 wurde diese Aussage bereits für den VwGH und somit für das erste im Abgabenrecht zuständige Höchstgericht überprüft. Die statistischen Tests lieferten als Ergebnis, dass die Nullhypothese H3-VwGH0, die besagt, dass VwGH-Verfahren zur Körperschaftsteuer von Finanzämtern mit einer Wahrscheinlichkeit von kleiner gleich 50 % gewonnen werden, verworfen werden kann. Nun gilt es, die Hypothese H3 für das zweite im Abgabenrecht zuständige Höchstgericht, den VfGH zu überprüfen.
Die für den dazu durchgeführten Binomialtest relevante Variable ist der „VfGH-Verfahrensausgang“, welche die Ausprägungen „Aufhebung“, „Einstellung“, „Ablehnung“ oder „Abweisung“ annehmen kann. Dabei gelten aus Sicht der Steuerpflichtigen all jene Verfahren als „gewonnen“, die mit einer „Aufhebung“ abgeschlossen wurden. Demgegenüber werden VfGH-Beschwerden, bei denen auf „Ablehnung“ oder „Abweisung“ entschieden wurde, als „verloren“ klassifiziert. „Einstellungen“ von Verfahren sowie noch nicht abgeschlossene VfGH-Beschwerden werden, wie bereits in Kapitel 2.7.1.2.1 zum VwGH, nicht in die Analyse miteinbezogen. Im Ergebnis sind dem Test der Hypothese H3 daher 87 VfGH-Verfahren zugrunde zu legen, von denen 7 zugunsten und 80 zuungunsten165 der Steuerpflichtigen entschieden wurden.
Für die beiden Verfahrensausgänge „gewonnen“ und „verloren“ wird eine Binomialverteilung unterstellt, um überprüfen zu können, ob Finanzämter statistisch gesehen tatsächlich signifikant häufiger vor dem VfGH gewonnen haben als Steuerpflichtige. Formal wird also folgende Nullhypothese H3-VfGH0 gegen die Alternativhypothese H3-VfGH1 getestet.
Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, dass Finanzämter VfGH-Verfahren zur Körperschaftsteuer gewinnen bzw Steuerpflichtige derartige Verfahren verlieren. Aufgrund der unterstellten Binomialverteilung folgt daraus eine Gegenwahrscheinlichkeit von 1 – p, mit welcher Finanzämter verlieren bzw Steuerpflichtige gewinnen.
Da die Überprüfung der Hypothese auf 87 Entscheidungen des VfGH basiert, sind die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des approximativen Binomialtests gegeben.166 Die Eingabe des Befehls prop.test(80, 87, p=0.5, alternative="greater“) in das Statistikprogramm R liefert folgendes Ergebnis:
1-sample proportions test with continuity correction
data: 80 out of 87, null probability 0.5
X-squared = 59.5862, df = 1, p-value = 5.853e-15
alternative hypothesis: true p is greater than 0.5
95 percent confidence interval: 0.8509976 1.0000000
sample estimates: 0.9195402
Wie ersichtlich wird, liegt der p-Wert deutlich unter 0,1 %. Dieses hoch signifikante Testergebnis bedeutet, dass die Nullhypothese H3-VfGH0, die besagt, dass VfGH-Verfahren zur Körperschaftsteuer von Finanzämtern mit einer Wahrscheinlichkeit von kleiner gleich 50 % gewonnen werden, verworfen werden kann. Gemäß dem Konfidenzintervall liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Finanzämter gewinnen, in 95 % aller Fälle zwischen rund 85,1 % und 100 %. Dieses hoch signifikante Ergebnis bleibt sowohl bei Verwendung eines exakten Binomialtests167 als auch bei Einsatz eines zweiseitigen Hypothesentests168 bestehen.
Diese Ergebnisse der Binomialtests können erneut als Bestätigung der von Marc Galanter aufgestellten These gesehen werden, wonach „Haves“ und „Repeat Players“ (die Finanzämter) bei Rechtsstreitigkeiten häufiger obsiegen als „Have Nots“ und „One-Shotters“ (die Steuerpflichtigen). Hinsichtlich der möglichen Ursachen dafür sei auf die Interpretation der Ergebnisse zu den Erfolgsaussichten in finanzgerichtlichen Verfahren in Kapitel 2.5.2.1 verwiesen.
Die letzte empirische Untersuchung widmet sich der Qualität finanzgerichtlicher Entscheidungen. Bei dieser Variablen handelt es sich um eine latente, dh nicht direkt messbare Größe. Daher muss in einem ersten Schritt, bevor mit der eigentlichen Auswertung begonnen werden kann, ein geeigneter Indikator für die Entscheidungsqualität der Finanzgerichte definiert werden.
Im Rahmen dieser Arbeit wird dazu zwischen „richtigen“ und „falschen“ Entscheidungen unterschieden. Zur Abgrenzung dienen dabei zum einen die Ausgänge der Verfahren vor dem VwGH bzw VfGH:169 Als „richtig“ gelten finanzgerichtliche Entscheidungen immer dann, wenn eingebrachte Revisionen bzw Beschwerden von den zuständigen Höchstgerichten abgelehnt, abgewiesen oder zurückgewiesen wurden, weil die Beschlüsse und Erkenntnisse der Finanzgerichte in diesen Fällen unverändert im Rechtsbestand bleiben. Wurden die bekämpften finanzgerichtlichen Entscheidungen von den Höchstgerichten hingegen (teilweise) aufgehoben, so werden sie als „falsch“ gewertet. Wenn gegen eine einzelne finanzgerichtliche Entscheidung sowohl Revision beim VwGH als auch Beschwerde beim VfGH eingebracht wurde, gilt diese auch dann als „falsch“, wenn sie von nur einem der beiden Höchstgerichte (teilweise) aufgehoben wurde.
Zum anderen müssen im Zuge der empirischen Analyse auch jene finanzgerichtlichen Entscheidungen Berücksichtigung finden, gegen die weder von den Steuerpflichtigen noch von den Finanzämtern Revisionen bzw Beschwerden eingebracht wurden. Diese Fälle werden ausnahmslos als „richtig“ gewertet, weil davon ausgegangen wird, dass die finanzgerichtlichen Entscheidungen anderenfalls von den jeweils benachteiligten Parteien bekämpft worden wären.
Nicht in die Auswertung fließen all jene Entscheidungen ein, gegen die zwar Beschwerden bzw Revisionen erhoben, letztere in weiterer Folge jedoch wieder eingestellt wurden, weil unklar ist, auf Basis welcher Rechtsgrundlage diese Einstellungen erwirkt wurden. Um Verzerrungen zu vermeiden, werden finanzgerichtliche Entscheidungen, deren höchstgerichtliche Verfahren zum Zeitpunkt der Analyse noch nicht entschieden waren170 in jenem Verhältnis zwischen „richtig“ und „falsch“ aufgeteilt, das sich aus den finanzgerichtlichen Entscheidungen, deren Revisionen und Beschwerden bereits entschieden waren, ergibt.171 Finanzgerichtliche Entscheidungen, gegen die sowohl Revision beim VwGH als auch Beschwerde beim VfGH eingebracht wurde und bei denen bislang nur eines der beiden Höchstgerichte entschieden hat, werden ebenfalls quotal zugeteilt. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die vorgenommene Operationalisierung der finanzgerichtlichen Entscheidungsqualität.
Operationalisierung der Entscheidungsqualität | Anzahl Entscheidungen |
Finanzgerichtliche Entscheidungen für empirische Analyse172 | 4.276 |
- Entscheidungen, deren Revisions-/Beschwerdeverfahren vor dem VwGH/VfGH eingestellt wurden | - 50 |
= Entscheidungen zur Analyse der Entscheidungsqualität | 4.226 |
davon: | |
Entscheidungen, gegen die keine Revisionen/Beschwerden eingebracht wurden | 3.553 |
Entscheidungen, über deren Revisionen/Beschwerden mit Ablehnung, Ab- oder Zurückweisung entschieden wurde | 319 |
Anteilige Entscheidungen,173 über deren Revisionen/Beschwerden noch nicht entschieden wurde | 101 |
= „richtige“ finanzgerichtliche Entscheidungen | 3.973 |
Entscheidungen, über deren Revisionen/Beschwerden mit (teilweisen) Aufhebungen entschieden wurde | 192 |
Anteilige Entscheidungen,174 über deren Revisionen/Beschwerden noch nicht entschieden wurde | 61 |
= „falsche“ finanzgerichtliche Entscheidungen | 253 |
Tabelle 19: Operationalisierung der „Entscheidungsqualität“
Wie aus der Tabelle hervorgeht, ist das Gros der untersuchten finanzgerichtlichen Entscheidungen zur Körperschaftsteuer nach Anwendung der oben angeführten Abgrenzungskriterien als „richtig“ zu werten. Das Verhältnis zwischen „richtigen“ und „falschen“ Entscheidungen wird dabei insb bei prozentueller Betrachtung ersichtlich: 94 % aller finanzgerichtlichen Verfahren wurden mit einer „richtigen“ und lediglich 6 % mit einer „falschen“ Entscheidung abgeschlossen.
Diese erste Auswertung deutet bereits auf eine hohe Qualität der finanzgerichtlichen Rechtsprechung hin, lässt jedoch unberücksichtigt, dass die statistischen Maßzahlen der untersuchten Entscheidungen nicht jenen der Grundgesamtheit entsprechen. Um ein Ergebnis zu erhalten, das auch für die Grundgesamtheit Aussagekraft entfaltet, wird in der Folge das Konfidenzintervall für die „richtigen“ finanzgerichtlichen Entscheidungen ermittelt. Die Eingabe des Befehls prop.test(3973, 4226) in das Statistikprogramm R liefert ua folgenden Output.
1-sample proportions test with continuity correction
data: 3973 out of 4226
95 percent confidence interval: 0.932447 0.947005
sample estimates: 0.940133
Wie bereits beschrieben, waren rund 94 % der untersuchten finanzgerichtlichen Beschlüsse und Erkenntnisse „richtig“. Dieser Wert bildet die Ausgangsbasis für das Konfidenzintervall, welches mögliche Abweichungen der untersuchen Entscheidungen von der Grundgesamtheit berücksichtigt. Obiger Schätzung zufolge liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Entscheidungen der Finanzgerichte „richtig“ sind, in 95 % aller Fälle zwischen rund 93,2 % und 94,7 %.175 Wie ersichtlich wird, ist die Schwankungsbreite innerhalb dieses Konfidenzbereiches gering, was auf die große Anzahl der untersuchten Entscheidungen zurückzuführen ist. Auf Basis dieser Analyse kann die hohe „Entscheidungsqualität“ daher auch für die Grundgesamtheit und somit für alle finanzgerichtlichen Entscheidungen zur Körperschaftsteuer bestätigt werden.
Die in den vorangegangenen Kapiteln durchgeführten quantitativen Analysen sind, wie alle empirischen Untersuchungen, mit einer Reihe von Limitationen verbunden, die es im Zuge einer kritischen Auseinandersetzung mit den in dieser Arbeit präsentierten Ergebnissen zu beachten gilt. In der Folge werden die aus Sicht des Autors wesentlichsten Einschränkungen, auf die teilweise bereits in den jeweiligen Kapiteln eingegangen wurde, (nochmals) überblicksweise zusammengefasst.
Wie bereits in Kapitel 2.3 erläutert, bildet der von der Bundesrechenzentrum GmbH als Excel-Datei zur Verfügung gestellte Datensatz die Grundlage für sämtliche statistischen Auswertungen. Dieser umfasst alle zum 24. Dezember 2014 in der FINDOK-Datenbank dokumentierten Entscheidungen des UFS und des BFG, die die Wörter „Körperschaftsteuer“, „Körperschaftssteuer“ und/oder „KöSt“ im Entscheidungstext enthalten. Die erste für die Repräsentativität der durchgeführten Studien wesentliche Limitation ergibt sich in diesem Zusammenhang dadurch, dass Entscheidungen nicht zwingend (ausschließlich) zur Körperschaftsteuer ergangen sein müssen, um aufgrund der Abgrenzungskriterien Teil des untersuchten Datensatzes zu sein.176 Auf der anderen Seite umfasst der Datensatz jedoch auch nicht alle finanzgerichtlichen Entscheidungen zur Körperschaftsteuer, weil nicht sämtliche Entscheidungen veröffentlicht werden.177 Diese Unvollkommenheiten des Datensatzes führen dazu, dass die Übertragbarkeit der statistisch signifikanten Ergebnisse der empirischen Untersuchungen auf die Grundgesamtheit der finanzgerichtlichen Entscheidungen zur Körperschaftsteuer eingeschränkt wird. Allerdings können die Resultate trotzdem als aussagekräftig angesehen werden, weil davon auszugehen ist, dass einerseits ein Großteil der analysierten Entscheidungen tatsächlich die Körperschaftsteuer betrifft und andererseits die zur Untersuchung herangezogenen Variablen auch bei den verbleibenden Entscheidungen über andere Steuern ähnliche Ausprägungen annehmen.
Daneben besteht, wie bei allen empirischen Untersuchungen, die Möglichkeit, dass die Daten, also die in die FINDOK-Datenbank eingetragenen Entscheidungstexte und Zusatzinformationen zu den finanzgerichtlichen Entscheidungen, Fehler enthalten oder unvollständig sind. Hinsichtlich des daraus zu erwarteten Einflusses auf die Ergebnisse gilt es zu unterscheiden: Zufällige Fehler und Unvollkommenheiten, wie bspw Tippfehler bei den Datumsangaben in den Entscheidungstexten, sollten die Resultate dieser Arbeit nicht beeinflussen, weil sich deren Effekte aufgrund der hohen Anzahl an untersuchten Entscheidungen gegenseitig aufheben. Die Wirkung von systematischen Fehlern und Unvollkommenheiten hängt hingegen nicht von der Menge der analysierten Entscheidungen ab. In der FINDOK-Datenbank dürften systematische Fehler bei der Erfassung von finanzgerichtlichen Entscheidungen jedoch nur schwach ausgeprägt sein. Vorstellbar wäre etwa, dass Richter tendenziell eher dazu neigen, für eine Entscheidung relevante Paragraphen in den Zusatzinformationen nicht als „betroffene Normen“ zu nennen, als für eine Entscheidung nicht relevante Paragraphen als „betroffene Normen“ anzuführen. In Kombination mit der zur Codierung der Variablen „Rechtsschutzinstrument“ gewählten Methode178 hätte dies zur Folge, dass die untersuchten Daten weniger außerordentliche Rechtsmittel beinhalten, als tatsächlich zur Anwendung gelangten.
Neben diesen Einschränkungen, die die von der Bundesrechenzentrum GmbH bereitgestellten Daten selbst betreffen, ergeben sich auch aus den Annahmen, die im Zuge der Aufbereitung dieser Daten zu auswertbaren Variablen getroffen werden, Limitationen. Dabei ist insb anzumerken, dass zwei Variablen gesonderte Ausprägungen zugewiesen werden, um mit fehlenden Informationen umzugehen, welche den untersuchen Entscheidungen nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand zu entnehmen waren. Zum einen betrifft dies die Ausprägung „teilweise gewonnen“ der Variablen „Verfahrensausgang“ und zum anderen die Ausprägung „Vertretung.Unbekannt“ der Variablen „Rechtsvertretung“. Bei vollständigen Informationen wäre keine dieser beiden Ausprägungen notwendig und die Variablen würden für die betroffenen finanzgerichtlichen Entscheidungen stattdessen andere Ausprägungen annehmen. Bedauerlicher Weise kann der sich dadurch ergebende Effekt auf die Ergebnisse nicht abgeschätzt werden. Bei einer kritischen Auseinandersetzung mit den statistischen Auswertungen dieser Arbeit ist daher zu beachten, dass deren Resultate zum Teil von unvollständigen Informationen getrieben sind. Aufgrund der Bedeutung der Variablen „Verfahrensausgang“ für die Überprüfung der Hypothesen H1a, H1b und H1c, wird auf diese Limitation in den Kapiteln 2.5.2.1179 und 2.5.2.2.3180 explizit mittels Durchführung eigener Robustheitstests eingegangen.
Eine weitere, sich aus der Aufbereitung der Daten ergebende Imperfektion, betrifft den Tag der Bescheidbeschwerde. Dieser ist aus einigen der untersuchten Entscheidung nicht direkt herauslesbar, weshalb die in Kapitel 2.4.2 beschriebenen Methoden angewendet werden, um das entsprechende Datum näherungsweise zu ermitteln. Der auf diese Weise geschätzte Tag ist für die Variablen „Beschwerdemonat“, „Beschwerdejahr“ und „Verfahrensdauer“ von Bedeutung. Etwaige daraus resultierende Abweichungen vom tatsächlichen Datum der Beschwerde bzw Berufung sollten jedoch im Hinblick auf die langen Verfahrensdauern vor den Finanzgerichten lediglich von untergeordneter Bedeutung für die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen sein. An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass 203 Entscheidungstexte keinerlei Hinweis darüber enthalten, an welchem Tag die Beschwerden bzw Berufungen verfasst wurden. In diesen Fällen kann daher nicht einmal eine Schätzung vorgenommen werden und die betroffenen Entscheidungen können somit auch in all jene statistischen Auswertungen nicht einfließen, die zumindest eine der Variablen „Beschwerdemonat“, „Beschwerdejahr“ oder „Verfahrensdauer“ enthalten. Jedoch sind die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Ergebnisse der empirischen Analysen ebenfalls als unwesentlich einzustufen, weil dadurch lediglich rund 4,7 % aller Entscheidungen von den Analysen ausgeschlossen werden und darüber hinaus auch kein Grund zur Annahme besteht, dass sich diese ausgeschlossenen Entscheidungen wesentlich von jenen unterscheiden, die in die Analysen eingehen.
Zu erwähnen ist des Weiteren die Annahme, die im Kapitel zur Untersuchung der Qualität der finanzgerichtlichen Rechtsprechung implizit getroffen wird. Die zur Entwicklung des Indikators für die Entscheidungsqualität notwendige Zuordnung der Entscheidungen zu „richtigen“ und „falschen“ erfolgt ua aufgrund der Verfahrensausgänge der Revisionen an den VwGH bzw der Beschwerden an den VfGH. Eine derartige Vorgehensweise führt jedoch nur dann zu einwandfreien Resultaten, wenn sämtliche höchstgerichtlichen Entscheidungen „richtig“ sind und sohin in Einklang mit den gesetzlichen Regelungen stehen. Es sei dem Leser überlassen zu entscheiden, ob sich die in der Analyse unterstellte Unfehlbarkeit der Höchstgerichte in der Praxis tatsächlich manifestiert. Aber selbst wenn nicht, sollten die Ergebnisse zur finanzgerichtlichen Entscheidungsqualität davon nur unwesentlich beeinflusst werden, weil davon ausgegangen werden kann, dass die Irrtumswahrscheinlichkeit der Höchstgerichte äußerst gering ist und deren Entscheidungen daher in aller Regel akkurat sind.
Letztendlich erweist sich für die Übertragbarkeit der Resultate der durchgeführten Untersuchungen auf zukünftige finanzgerichtliche Verfahren jedenfalls die mit 1. Jänner 2014 in Kraft getretene Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit als bedeutsam. Die Einschränkung ergibt sich dadurch, dass von den 4.276 den empirischen Analysen zugrunde gelegten Entscheidungen lediglich 191 durch das neu geschaffene BFG gefällt wurden. Das entspricht einem Anteil von nur rund 4,5 %. Die verbleibenden 95,5 % der Verfahren wurden von Mitgliedern des UFS entschieden. Jedoch sind es ausschließlich die Richter des BFG, die über zukünftige finanzgerichtliche Verfahren absprechen werden. Die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen sind daher insofern nicht auf künftige Entscheidungen übertragbar, als Unterschiede zwischen der Rechtsprechung des abgeschafften UFS und jener des neu eingesetzten BFG bestehen. Beachtenswert ist dabei insb auch das in Kapitel 2.5.2.2.2 gefundene Indiz dafür, dass sich durch den Übergang vom UFS auf das BFG die Erfolgsaussichten in finanzgerichtlichen Verfahren tatsächlich verändert haben: Bei den im Jahr „2014“ vom BFG getroffenen Entscheidungen konnten Steuerpflichtige signifikant häufiger gewinnen als in den Jahren, in denen noch der UFS tätig war. Ob sich die Erfolgsaussichten vor dem BFG in Zukunft auf dem hohen Niveau des „Entscheidungsjahres“ „2014“ halten werden, oder ob „2014“ lediglich eine kurzfristige Abweichung von der für die vorherigen Jahre gültigen Norm darstellt, lässt sich freilich nicht hervorsagen.
Die statistische Untersuchung widmet sich der empirischen Beantwortung der drei spezifischen Teilfragen, die aus der Forschungsfrage „Welche Faktoren beeinflussen finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaftsteuer?“ abgeleitet werden. Die erste Teilfrage behandelt die Erfolgsaussichten der Steuerpflichtigen und lautet: „Welche Faktoren beeinflussen den Ausgang finanzgerichtlicher Verfahren zu Körperschaftsteuer?“.
Aufbauend auf einer Vielzahl von Literaturarbeiten und wissenschaftlichen Studien werden in diesem Zusammenhang die folgenden beiden Hypothesen aufgestellt: „In finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer obsiegen Finanzämter häufiger als Beschwerdeführer“ (H1a) und: „Werden Beschwerdeführer in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer durch Experten vertreten, erhöhen sich ihre Erfolgsaussichten“ (H1b). Die dritte Hypothese ergibt sich aus der Beziehung der Rechtsvorschriften zueinander und lautet: „Formelle Rechtsschutzinstrumente haben in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer keinen Einfluss auf materiell-rechtliche Entscheidungen“ (H1c).
Zur Überprüfung dieser und der folgenden Hypothesen werden 4.276 finanzgerichtliche Entscheidungen zur Körperschaftsteuer empirisch untersucht. Von der Analyse erfasst sind sämtliche zum 24. Dezember 2014 in der Onlinedatenbank FINDOK dokumentierten Entscheidungen des UFS und des BFG, die die Wörter „Körperschaftsteuer“, „Körperschaftssteuer“ und/oder „KöSt“ im Entscheidungstext enthalten. Die Ergebnisse der Auswertungen lassen folgende, statistisch signifikante Schlüsse zu.
H1a: Die Wahrscheinlichkeit, dass Finanzämter in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer gewinnen, liegt in 95 % aller Fälle über 76,8 %. Dies zeigt, dass Finanzämter vor den Finanzgerichten tatsächlich deutlich häufiger obsiegen als Steuerpflichtige.
H1b: Werden Beschwerdeführer durch ein Mitglied des Berufsstandes der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer vertreten, ist das Verhältnis zwischen „gewonnenen“ und „verlorenen“ Verfahren um den Faktor 1,42 größer, als wenn sie sich selbst vertreten. Die Beiziehung eines Rechtsanwaltes wirkt sich ebenfalls positiv auf die Erfolgsaussichten aus: Das Verhältnis zwischen „teilweise gewonnenen“ und „verlorenen“ finanzgerichtlichen Entscheidungen ist mit dem Faktor 2,64 zu multiplizieren, wenn sich Beschwerdeführer vor den Finanzgerichten nicht selbst, sondern von Rechtsanwälten vertreten lassen. Diese Ergebnisse legen nahe, dass Steuerpflichtige in finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer wahrhaftig bessere Erfolgsaussichten haben, wenn sie den Verfahren Experten aus den oben genannten Berufsständen beiziehen.
H1c: Basieren finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaftsteuer auf einem der Rechtsschutzinstrumente Abänderung, Zurücknahme oder Aufhebung, so ist das Verhältnis zwischen „gewonnenen“ und „verlorenen“ Entscheidungen um den Faktor 2,60 größer, als wenn über das ordentliche Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde abgesprochen wird. Hingegen können den Resultaten der empirischen Untersuchungen zur Folge für alle anderen Rechtsschutzinstrumente keine statistisch fundierten Wirkungen auf den Verfahrensausgang festgestellt werden. Dennoch ist festzuhalten, dass formelle Normen entgegen der Hypothese tatsächlich einen Einfluss auf den materiell-rechtlichen Ausgang von finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer haben können.
Darüber hinaus wirken sich auch einige jener Faktoren signifikant auf den Verfahrensausgang aus, die als Kontrollvariablen in die empirischen Modelle einfließen. So ist es für Steuerpflichtige tendenziell besser, ihre Rechtssachen vor den Finanzgerichten in Linz, Innsbruck und Wien zu führen, als vor jenen in Feldkirch und Salzburg. Des Weiteren zeigt sich, dass seit dem 1. Jänner 2014 und somit seit der Etablierung des BFG deutlich mehr Verfahren zugunsten der Beschwerdeführer und sohin gegen die Finanzämter entschieden wurden, als dies zu Zeiten des UFS der Fall war. Schlussendlich weisen die Resultate auch darauf hin, dass die Verfahrensdauer mit dem Verfahrensausgang derart korreliert, dass aus Sicht der Steuerpflichtigen „verlorene“ Rechtssachen schneller als „gewonnene“ und „gewonnene“ schneller als „teilweise gewonnene“ entschieden werden.
Dieser letztgenannte Zusammenhang wird auch von jenen statistischen Auswertungen geliefert, die der zweiten Teilfrage zuzuordnen sind. Diese lautet: „Welche Faktoren beeinflussen die Dauer finanzgerichtlicher Verfahren zur Körperschaftsteuer?“ Das durchschnittliche, den empirischen Untersuchungen zugrunde gelegte Verfahren dauert rund 970 Tage. Aus der Literatur werden zwei die Verfahrensdauer betreffende Hypothesen entwickelt: „Finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaftsteuer dauern länger, wenn den Begehren der Beschwerdeführer teilweise stattgegeben wird“ (H2a) und: „Rechtsvertretungen durch Experten haben keinen Einfluss auf die Dauer von finanzgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer“ (H2b). Die zur Überprüfung dieser Aussagen durchgeführten quantitativen Analysen kommen zu folgenden, statistisch signifikanten Resultaten.
H2a: Die geschätzte Dauer finanzgerichtlicher Verfahren zur Körperschaftsteuer ist mit dem Faktor 1,49 zu multiplizieren, wenn Steuerpflichtige „teilweise gewinnen“ anstelle zu „verlieren“. Werden die Verfahren hingegen zur Gänze „gewonnen“ anstatt „verloren“, ist die geschätzte Verfahrensdauer dem Regressionsmodell folgend mit dem Faktor 1,19 zu vervielfachen. In Einklang mit der Hypothese dauern „teilweise gewonnene“ Verfahren daher am längsten.
H2b: Entgegen der Vermutung ergeben die Resultate der Analysen, dass die geschätzte Verfahrensdauer mit dem Faktor 1,16 zu multiplizieren ist, wenn sich Steuerpflichtige anstatt sich vor den Finanzgerichten selbst zu vertreten, durch Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen. Hingegen kann für eine Vertretung durch die Berufsgruppe der Rechtsanwälte kein statistisch signifikanter Einfluss auf die Dauer der Verfahren festgestellt werden.
Daneben wirken sich auch die Rechtsschutzinstrumente auf die Verfahrensdauer aus. Wird über Wiederaufnahmen entschieden, dauern finanzgerichtliche Verfahren zur Körperschaft länger als wenn über die ordentlichen Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde abgesprochen wird. Demgegenüber werden Verfahren über Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen von Bescheiden rascher als solche über Beschwerden abgeschlossen. Eindeutig am schnellsten wird jedoch über Devolutionsanträge (seit dem Inkrafttreten der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit als Säumnisbeschwerden bezeichnet) entschieden.
Neben den Erfolgsaussichten in finanzgerichtlichen Verfahren und deren Dauer erscheint auch interessant, welche Qualität die Entscheidungen der Finanzgerichte aufweisen. Dem Ergebnis der statistischen Analyse folgend kann davon ausgegangen werden, dass finanzgerichtliche Entscheidungen zur Körperschaftsteuer in 95 % aller Fälle mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 93,2 % „richtig“ sind, also von keinem Höchstgericht aufgehoben oder abgeändert werden.
Die dritte und letzte Teilfrage widmet sich ebendiesen höchstgerichtlichen Entscheidungen des VwGH und des VfGH und lautet: „Welche Faktoren beeinflussen den Ausgang höchstgerichtlicher Verfahren zur Körperschaftsteuer?“ Es wird die folgende Hypothese aufgestellt: „In höchstgerichtlichen Verfahren zur Körperschaftsteuer obsiegen Finanzämter häufiger als Steuerpflichtige“ (H3). Die zur Überprüfung dieser Aussage vorgenommenen empirischen Auswertungen kommen zu folgenden, statistisch signifikanten Ergebnissen.
H3-VwGH: Die Wahrscheinlichkeit, dass Finanzämter Verfahren zur Körperschaftsteuer vor dem VwGH gewinnen, liegt in 95 % aller Fälle über 60,6 %. In Übereinstimmung mit der Hypothese bedeutet dies, dass Finanzämter tatsächlich häufiger obsiegen als Steuerpflichtige.
H3-VfGH: Die Wahrscheinlichkeit, dass Finanzämter Verfahren zur Körperschaftsteuer vor dem VfGH gewinnen, liegt in 95 % aller Fälle über 85,1 %. In Einklang mit der Hypothese kann daher auch für den VfGH gezeigt werden, dass Finanzämter häufiger als Steuerpflichtige gewinnen.
Darüber hinaus ergeben die quantitativen Analysen, dass die Beiziehung von Experten zu finanzgerichtlichen Verfahren auch eine Auswirkung auf die Folgeverfahren vor dem VwGH haben kann. Lassen sich Steuerpflichtige vor dem UFS oder dem BFG nämlich von Rechtsanwälten vertreten, ist das Verhältnis zwischen „gewonnenen“ und „verlorenen“ VwGH-Verfahren mit dem Faktor 0,34 zu multiplizieren. Eine mögliche Erklärung für diesen nachteiligen Effekt ist, dass Rechtsanwälte ihren Mandanten aus wirtschaftlichen Gründen auch bei weniger erfolgsversprechenden Rechtssachen dazu raten, Revisionen einzubringen. Für den Berufsstand der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer lässt sich hingegen kein derartiger statistisch signifikanter Zusammenhang erkennen.
Die in dieser Arbeit gewonnen Erkenntnisse können Anlass für zukünftige Forschungsvorhaben geben. So erscheint es interessant zu untersuchen, ob sich durch den Übergang des UFS auf das BFG tatsächlich Unterschiede in der finanzgerichtlichen Rechtsprechungspraxis ergeben haben. Des Weiteren könnten die in dieser Arbeit behandelten Fragestellungen und empirischen Methoden ebenfalls auf andere Steuerarten und/oder auf andere Gerichte angewandt werden. Es besteht dabei auch keine Notwendigkeit, sich auf den deutschsprachigen Raum zu beschränken.
Vgl Art 18 B-VG.
Die anderen vier sind das demokratische Prinzip (vgl Art 1 B-VG), das republikanische Prinzip (vgl Art 1 B-VG), das bundesstaatliche Prinzip (vgl Abs 2 B-VG) und das gewaltentrennende Prinzip. (Vgl Ucakar & Gschiegl (2010), Das politische System Österreichs und die EU, S 60 ff).
Vgl Ucakar & Gschiegl (2010), S 63.
Vgl Degenhart (2012), Staatsrecht I, Staatsorganisationsrecht, Rz 134.
Vgl Schuch & Stieglitz (2006), Die Unterscheidung zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht, in Lang, et al, Die Diskriminierungsverbote im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, S 410 f.
Daher wird das formelle Recht auch als Verfahrensrecht bezeichnet. (Vgl Horn (2011), Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, S 31).
Vgl Görlich (1979), Die steuerrechtliche Behandlung von Vertragsgestaltungen zwischen Angehörigen: Verfassungsrechtliche, methodische und steuerrechtliche Grundlagen, S 102.
Vgl Kreft (2012), Steuerrecht: Schnell erfasst, S 81 ff; Das materielle Steuerrecht wird auch als „besonderes Steuerrecht“ bezeichnet. (Vgl Kreft (2012), S 6) Weiterführend dazu Boiger (2014), Materielles Recht, Übungsfälle für Rechtsfachwirte..
Vgl Schuch & Stieglitz (2006), in Lang, et al, S 411.
Unter dem Begriff „öffentliche Abgaben“ iSd § 1 Abs 1 BAO sind nur Abgaben im finanzverfassungsrechtlichen Sinn zu verstehen. (Vgl Ellinger, Iro, Kramer, Sutter & Urtz, in Ellinger, et al (2014), BAO3, § 1, Rz 3) Dabei handelt es sich nach stRsp des VfGH ausschließlich um öffentlich rechtliche Geldleistungen, die Gebietskörperschaften kraft öffentlichen Rechts zur Deckung ihres Finanzbedarfs erheben. (Vgl VfGH 14.12.2004, B 514/04; VfSlg 1465/1932; VfSlg 3670/1960; VfSlg 3919/1961).
Vgl Kamhuber, Mühlberger, Pilz & Rathgeber (2009), Die neue Abgabenordnung für Bund, Länder und Gemeinden, S 3.
Vgl Ritz, in Ritz (2014), BAO, § 1, Rz 1.
Vgl Ritz, Rathgeber & Koran, in Ritz, et al (2009), Abgabenordnung neu, § 1.
Vgl Kamhuber, Mühlberger, Pilz & Rathgeber (2009), S 2.
Wie bspw der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (vgl §§ 21 und 22 BAO), der Zurechnung von Wirtschaftsgütern (vgl § 24 BAO), des Wohnsitzprinzips (vgl §§ 26 und 27 BAO) oder der Geheimhaltungspflicht (vgl §§ 48a bis 48c BAO).
In Folge der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (vgl BGBl I 2012/51) stellen Rechtsmittel gegen Bescheide nicht mehr Berufungen, sondern Beschwerden dar. (Vgl Ritz & Koran, in Ritz & Koran (2013), Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich, § 243 BAO).
Vgl Keppert & Koss (2013), Der "das Verfahren abschließende Bescheid" i. S. d. § 295 Abs 1 i. V. m. § 304 BAO, SWK Heft 28, S 1246.
Vgl Kanduth-Kristen & Treer (2006), SWK-Spezial: Insolvenz und Steuern, S 39.
Vgl Kritzer (1998), Legal Advocacy: Lawyers and Nonlawyers at Work, S 108 f.
Vgl Moser (2007), Der unabhängige Finanzsenat, SWK Heft 31, S T 153.
Vgl Marchgraber (2013), Die Bindungswirkung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen im Abgabenverfahren, UFSjournal Heft 7-8, S 281 f.
Vgl Ritz (2002e), Unabhängiger Finanzsenat, RdW Heft 7, S 437.
Vgl Marchgraber (2013), UFSjournal Heft 7-8, S 281.
Vgl Laudacher (2012), Das neue Bundesfinanzgericht, SWK Heft 31, S 1383; Rauscher (2014), Beschwerdevorlage ohne Beschwerdevorentscheidung zur Wiederaufnahme des Verfahrens, SWK Heft 26.
Vgl Ritz & Koran, in Ritz & Koran (2013), S 15 f.
Vgl Muzak (2012), Die zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit nach der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, ZfV Heft 1, S 15.
Vgl Keppert (2014), Die steuerlichen Neuerungen ab 2014, SWK Heft 2, S 43.
Vgl Moser & Lenneis (2013), Der UFS wird zum Bundesfinanzgericht - das UFSjournal zum BFGjournal, UFSjournal Heft 11, S 384.
Vgl § 29 Abs 1 BFGG.
Vgl Keppert (2014), SWK Heft 2, S 43.
Vgl Ritz, in Ritz (2014), § 2a Rz 1; Dies ergibt sich explizit aus der in § 2a BAO neu eingeführten Regelung.
Vgl Keppert (2014), SWK Heft 2, S 44.
Vgl Staringer (2014b), Das Verfahren der Bescheid-(Administrativ-) Beschwerde vor dem Bundesfinanzgericht, in Holoubek & Lang, Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht, S 36 f.
Vgl Larenz (1991), Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S 211 f.
Obwohl es sich beim UFS um eine Verwaltungsbehörde und um kein (Finanz-)Gericht iSd B-VG handelte. (Vgl Ritz (2002e), RdW Heft 7, S 437).
Vgl Eberhartinger & Weinhandl (2014), Wann ist Steuerplanung aggressiv?, in Bertl, et al, Neue Grenzen der Gestaltung für Bilanz und Steuern, Wiener Bilanzrechtstage 2014, S 179 f.
§ 70 Abs 1 AktG nennt in diesem Zusammenhang explizit auch die Berücksichtigung der Interessen der Aktionäre und der Arbeitnehmer sowie des öffentlichen Interesse.
Vgl Landry, Deslandes & Fortin (2013), Tax Aggressiveness, Corporate Social Responsibility, and Ownership Structure, Journal of Accounting, Ethics & Public Policy Vol 14, S 611.
Vgl Gassner (2001), Steuergestaltung als Vorstandspflicht, in Bernat, et al, Festschrift für Heinz Krejci, S 613.
Vgl Eberhartinger & Weinhandl (2014), in Bertl, et al, S 179 f.
Vgl Voss (2014), S 25.
Vgl Pies (1999), Theoretische Grundlagen demokratischer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik - Der Beitrag Karl Poppers, in Pies & Leschke, Karl Poppers kritischer Rationalismus, S 8 ff.
Vgl Popper (1994), Logik der Forschung, S 14 ff.
Vgl Kromrey (2009), Empirische Sozialforschung, S 42 f.
Für das Forschungsdesign nicht geeignet erscheint hingegen der wissenschaftstheoretische Ansatz der kritischen Theorie von Hoy und McCarthy (vgl Hoy & McCarthy (1994), Critical Theory) und Wiggershaus (vgl Wiggershaus (1986), Die Frankfurter Schule: Geschichte, Theoretische Entwicklung, Politische Bedeutung), weil bei diesem keine Hypothesen formuliert und somit auch nicht empirisch überprüft werden können.
Da das im Rahmen der Arbeit untersuchte Datenmaterial nicht extra zur Untersuchung der in dieser Dissertation behandelten Forschungsprobleme erhoben, sondern lediglich in eine statistisch auswertbare Form überführt wird, wird keine Primäranalyse durchgeführt. (Vgl Schirmer (2009), Empirische Methoden der Sozialforschung, S 168) Stattdessen handelt es sich um eine Untersuchung sg öffentlicher Sekundärdaten. (Vgl Riesenhuber (2009), Datenerhebung, in Albers, et al, Mehodik der empirischen Forschung, S 12).
„Teilweise gewonnen“ ist eine Beschwerde bzw Berufung dann, wenn dem Antrag des Beschwerdeführers bzw Berufungswerbers nur teilweise stattgegeben wird. Detaillierter dazu siehe Kapitel 2.4.1.
Unter niedrigem Skalenniveau wird hier ein „nominales“ oder „ordinales“ verstanden. Zu diesen Begriffen sei an dieser Stelle auf weiterführende Literatur verwiesen: Paier (2010), Quantitative Sozialforschung, S 62 ff; Benesch (2013), Schlüsselkonzepte zur Statistik, die wichtigsten Methoden, Verteilungen, Tests anschaulich erklärt, S 21; Ebster & Stalzer (2013), Wissenschaftliches Arbeiten für Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler, S 150 f.
Zum Begriff „OLS-Regression“ sei an dieser Stelle auf weiterführende Literatur verwiesen: Giesselmann & Vindzio (2012), Regressionsmodelle zur Analyse von Paneldaten; Holling & Gediga (2013), Statistik - Wahrscheinlichkeitstheorie und Schätzverfahren, S 232 ff.
Vgl Menard (2010), Logistic Regression, From Introductory to Acvanced Concepts and Applications, S 2; Pampel (2000), Logistic Regression, A Primer, S V.
Zum Begriff „logistische Regression“ sei an dieser Stelle auf weiterführende Literatur verwiesen: Hosmer Jr., Lemeshow & Sturdivant (2013), Applied Logistic Regression; Rudolf & Müller (2012), Multivariate Verfahren, S 183 ff; Menard (2010); Pampel (2000), zum Begriff der „multinomialen logistischen Regression“ sei ebenfalls auf weiterführende Literatur verwiesen: Backhaus, Erichson, Plinke & Weiber (2015), Multivariate Analysemethoden, Eine anwendungsorientierte Einführung, S 283 ff; Abdelmonem, May & Clark (2015), Practical Multivariate Analysis, S 269 ff; Rohrlack (2009), Logistische und Ordinale Regression, in Albers, et al, Methodik der empirischen Forschung, S 274 ff.
Vgl Menard (2010), S 2.
Zum Begriff „ordinales Logit-Modell“ sei an dieser Stelle auf weiterführende Literatur verwiesen: Moosmüller (2004), Methoden der empirischen Wirtschaftsforschung, S 204 f; Kohler & Kreuter (2012), Datenanalyse mit Stata: Allgemeine Konzepte der Datenanalyse und ihre praktische Anwendung, S 372 ff; Urban (1993), Logit-Analyse, S 88 ff; Schlittgen (2013), Regressionsanalysen mit R, S 228 ff.
Wobei gilt, dass „gewonnen“ besser als „teilweise gewonnen“ und „verloren“ jedenfalls der schlechteste Verfahrensausgang ist.
Beim ordinalen Logit-Modell hält die Proportional-Odds-Annahme jedoch teilweise nicht. Genaueres hierzu findet sich in Kapitel 2.5.2.2.3. Zur Proportional-Odds-Annahme sei an dieser Stelle auf weiterführende Literatur verwiesen: Windzio (2013), Regressionsmodelle für Zustände und Ereignisse, S 212 f; Tutz (2012), Regression for Categorical Data, S 251 f; Smithson & Merkle (2014), Generalized Linear Models for Categorical and Continuous Limited Dependent Variables, S 100 ff; Kleinbaum, Kupper, Nizam & Rosenberg (2014), Applied Regression Analysis and Other Multivariable Methods, S 727 ff.
Zu den Begriffen „Ratioskala“ und „Verhältnisskala“ sei an dieser Stelle auf weiterführende Literatur verwiesen: Schnell, Hill & Esser (2011), Methoden der empirischen Sozialforschung, S 135 f; Holling & Gediga (2013), S 42 ff; Schlittgen (2012), Einführung in die Statistik, Analyse und Modellierung von Daten, S 6; Benesch (2013), S 22.
Vgl Menard (2010), S 1 f.
Zum Begriff „multipler linearer Regression“ sei an dieser Stelle auf weiterführende Literatur verwiesen: Stiefl (2011), Wirtschaftsstatistik, S 58 ff; Montgomery, Peck & Vining (2012), Introduction to Linear Regression Analysis, S 67 ff; Yan & Su (2009), Linear Regression Analysis, Theory and Computing, S 41 ff; Fahrmeir & Hamerle (1996), Kapitel 1, Einführung, in Fahrmeir, et al, Multivariate statistische Verfahren, S 11.
Vgl Schlittgen (2012), S 67.
Vgl Schlittgen (2013), S 238.
Jeweils mit den drei Ausprägungen „Aufhebung oder teilweise Aufhebung“, „Einstellung oder Vorlage an den EuGH“, „Abweisung, Ablehnung oder Zurückweisung“.
Vgl Kapitel 1.2.
Vgl Galanter (1974), Why the 'Haves' Come Out Ahead: Speculations on the Limits of Legal Change, Law & Society Review Vol 9, S 95.
67 Galanters „Haves“-Artikel nahm im Jahr 1996 den 13ten Platz in der Liste der am häufigsten zitierten Law Review Artikel ein. (Vgl Shapiro (1996), The Most-Cited Law Review Articles Revisited, Chicago-Kent Law Review Vol 71, S 751) Im Jahr 2006 wurde die Publikation von Galanter als eine der zwanzig bedeutsamsten amerikanischen zum juristischen Denken in „The Canon of American Legal Thought“ aufgenommen. (Vgl Kennedy & Fisher III (2006), The Canon of American Legal Thought).
Vgl Talesh (2014), Foreword: Why Marc Galanter's "Haves" Article is One of the Most Influential Pieces of Legal Scholarship Ever Written, in Galanter, Why the Haves Come Out Ahead: The Classic Essay and New Observations, S III; Ewick & Silbey (1999), Common Knowledge and Ideological Critique: The Significance of Knowing That the Haves Come out Ahead, Law & Society Review Vol 33, S 1025.
69 Galanter erwartet bspw, dass „Repeat Players“ versuchen jene Verfahren, bei denen sie einen für zukünftige Verfahren nachteiligen Ausgang erwarten, außergerichtlich beizulegen, damit diese nicht zu Präzedenzfällen werden. (Vgl Galanter (1974), Law & Society Review Vol 9, S 101).
Eine große Gruppe der „Repeat Players“ wird vor Gericht bspw von Alkoholikern gestellt (Vgl Galanter (1974), Law & Society Review Vol 9, S 103).
Vgl Galanter (1974), Law & Society Review Vol 9, S 103.
Vgl Galanter (1974), Law & Society Review Vol 9, S 107.
Einen guten Überblick über diese Untersuchungen bietet Lempert (1999), A Classic at 25: Reflections on Galanter's "Haves" Article and Work It Has Inspired, Law & Society Review Vol 33, S 1099.
Studien zu amerikanischen Verfahren finden sich bspw bei Albiston (1999), The Rule of Law and the Litigation Process: The Paradox of Losing by Winning, Law & Society Review Vol 33, S 869 (zu Gerichtsprozessen zum Family and Medical Leave Act), bei Farole (1999), Reexamining Litigant Success in State Supreme Courts, Law & Society Review Vol 33, S 1043 (zu den Erfolgsaussichten der Prozessführer bei Prozessen vor den State Supreme Courts – bei dieser Studie ist bemerkenswert, dass staatliche Prozessführer statistisch gesehen am häufigsten gewinnen, wobei Farole dies damit erklärt, dass diese die größten Ressourcen, die meiste Erfahrung und Insiderwissen haben und darüber hinaus „Repeat Player“ sind), bei Songer & Sheehan (1992), Who Wins on Appeal? Upperdogs and Underdogs in the United States Courts of Appeals, American Journal of Political Science Vol 36, S 235 (zu den Erfolgsaussichten der „Upperdogs“ in Verfahren vor den Courts of Appeals), bei Songer, Sheehan & Haire (1999), Do the "Haves" Come Out Ahead over Time? Applying Galanter's Framework to Decisions of the U.S. Courts of Appeals, 1925-1988, Law & Society Review Vol 33, S 811 (zu den Erfolgsaussichten der „Haves“ in Verfahren vor den Courts of Appeals und State Courts of last resort – bemerkenswert ist neben der Tatsache, dass „Haves“ signifikant bessere Gewinnchancen als „Have Nots“ haben, dass die Regierung am häufigsten gewinnt) und bei Wheeler, Cartwright, Kagan & Friedman (1987), Do the Haves Come out Ahead - Winning and Losing in State Supreme Courts, 1870-1970, Law & Society Review Vol 21, S 403 (zu den Erfolgsaussichten der „Haves“ in Verfahren vor den State Supreme Courts). Studien zu Verfahren in anderen Ländern finden sich bspw bei Hanretty (2014), Haves and Have-Nots before the Law Lords, Political Studies Vol 62, S 686 (zu den Erfolgschancen der „Haves“ in Verfahren vor dem Appellate Committee of House of Lords im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland – bemerkenswert bei dieser Untersuchung ist, dass nur die ebenfalls der Kategorie der „Haves“ zugehörigen staatlichen Prozessführer statistisch signifikant häufiger gewinnen), bei Dotan (1999), Do the 'Haves' Still Come Out Ahead? Resource Inequalities in Ideological Courts: The Case of the Israeli High Court of Justice, Law & Society Review Vol 33, S 1059 (zu den Erfolgschancen der „Haves“ in Verfahren vor dem israelischen High Court of Justice) und bei He & Su (2013), Do the "Haves" Come Out Ahead in Shanghai Courts?, jels Vol 10, S 120 ff (zu den Erfolgsaussichten der „Haves“ in Verfahren vor Gerichten in Shanghai).
Vgl Galanter (1974), Law & Society Review Vol 9, S 114 ff.
Vgl Sandefur (2010), The Impact of Counsel: An Analysis of Empirical Evidence, Seattle Journal for Social Justice Vol 9, S 51 (zu amerikanischen Zivilprozessen), Steinberg (2011), In Pursuit of Justice? Case Outcomes and the Delivery of Unbundled Legal Services, Georgetown Journal on Poverty Law & Policy Vol 18, S 453 (zu Prozessen über Zwangsräumungen in den Vereinigten Staaten von Amerika), Shanahan, Carpenter & Mark (2016), Lawyers, Power, and Strategic Expertise, Denver University Law Review, Forthcoming, Forthcoming (zu amerikanischen Verfahren betreffend Arbeitslosenunterstützung), Hanretty (2014), Political Studies Vol 62, S 686 (zu Verfahren vor dem Appellate Committee of House of Lords im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland), Hendley, Murrell & Ryterman (1999), Do Repeat Players Behave Differently in Russia? Contractual and Litigation Behavior of Russian Enterprises, Law & Society Review Vol 33, S 833 (zu Verfahren vor den russischen Gerichten) und Dotan (1999), Law & Society Review Vol 33, S 1059 (zu Verfahren vor dem israelischen High Court of Justice).
Vgl Lederman & Hrung (2006), Do Attorneys Do Their Clients Justice? An Empirical Study of Lawyers' Effects on Tax Court Litigation Outcomes, Wake Forest Law Review Vol 41, S 1235.
Vgl Shanahan, Carpenter & Mark (2016), Denver University Law Review, Forthcoming.
Vgl Dotan (1999), Law & Society Review Vol 33, S 1059.
Vgl Schuch & Stieglitz (2006), in Lang, et al, S 410 f.
Vgl Kreft (2012), S 81 ff.
Vgl Horn (2011), S 31.
EB RV zum FVwGG 2012, 2007 BlgNR, 24 GP, S 3.
Vgl EB RV zum Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, 1002 BlgNR, 21 GP, S 27.
85 Altman spricht im Zusammenhang mit der Priorisierung von (Management-)Aufgaben sogar über eine natürliche Tendenz, einfache Aufgaben zuerst zu erledigen und die schwierigeren auf später zu verschieben. (Vgl Altman (1988), What Makes a Good Manager, Legal Economics Vol 14, S 55).
Bspw dann, wenn in der Berufung bzw Beschwerde nur eine einzige Rechtsfrage zu klären ist.
Bei finanzgerichtlichen Entscheidungen sind auch Verweisungen auf die Begründung in einem den Parteien bereits bekannten Bescheid (vgl VwGH 26.11.1998, 96/16/0205; VwGH 12.09.2001, 96/13/0043) oder auf die Begründung der Beschwerdevorentscheidung zulässig, (vgl VwGH 17.09.1997, 93/13/0100; VwGH 29.06.2005, 2000/14/0194; VwGH 24.09.2008, 2006/15/0342) wenn im BFG-Verfahren nicht neue Argumente rechtlicher Art oder neue Sachverhaltsdarstellungen vorgebracht werden. (Vgl Ritz, in Ritz (2014), § 280 BAO, Rz 11).
88 Lederman & Hrung (2006), Wake Forest Law Review Vol 41, S 1235.
Nach Greiner & Pattanayak führt die Inanspruchnahme einer Vertretung durch das „Harvard Legal Aid Bureau“ vor Gericht hingegen zu einer Verzögerung des Verfahrens. Jedoch basiert diese Studie nicht auf steuergerichtlichen, sondern auf verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen (vgl Greiner & Pattanayak (2012), Randomized Evaluation in Legal Assistance: What Difference Does Representation (Offer and Actual Use) Make?, The Yale Law Journal Vol 121, S 2118), weshalb der Untersuchung von Lederman & Hrung der Vorzug für die Hypothesenentwicklung gegeben wird. (Vgl Lederman & Hrung (2006), Wake Forest Law Review Vol 41, S 1235).
Vgl Galanter (1974), Law & Society Review Vol 9, S 95.
Vgl Finanzausschuss, Bericht des Finanzausschusses über die RV zum Abgaben- Rechtsmittel- Reformgesetz, 1128 BlgNR, 21 GP S15.
Vgl https://findok.bmf.gv.at, zugegriffen am 16.08.2014 um 13:36 Uhr.
In Summe wurden Datumsangaben bei fünf finanzgerichtlichen Entscheidungstexten händisch nach bestem Wissen korrigiert. Dabei handelt es sich ausschließlich um eindeutige Fälle, bei denen bspw mehrfach dasselbe Datum des angefochtenen Bescheides angeführt wird, die Jahreszahl der fristgerechten Beschwerdeeinbringung jedoch um ein Jahr erhöht wurde (diesfalls wäre die Beschwerde wegen Versäumung der Frist jedoch zurückzuweisen).
Zur Erhebung und Aufbereitung des Beschwerdedatums siehe Kapitel 2.4.2.
Vgl WKÖ (2014), Arbeitgeberbetriebe 2014 - Österreich, http://wko.at/statistik/bundesland/Arbeitgeber.pdf, zugegriffen am 28.08.2015 um 11:48 Uhr.
UFS 25.10.2013, RV/1871-W/10.
In diesen Paragraphen sind die Abänderung, Zurücknahme und Aufhebung von Bescheiden geregelt.
In diesen Paragraphen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens geregelt.
In diesen Paragraphen ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geregelt.
In diesen Paragraphen wurde der Devolutionsantrag bis zum 1. Jänner 2014 geregelt. Der Devolutionsantrag wurde mit diesem Datum von der Säumnisbeschwerde abgelöst, welche seither in den §§ 284 bis 286 BAO verankert ist.
Die Entscheidungen ab dem 1. Jänner 2014 wurden manuell daraufhin untersucht.
Bzw vor dem 1. Jänner 2014 eine Beschwerde an den VwGH.
Vgl § 34 Abs 1 VwGG iVm Art 133 Abs 4 B-VG
Bei vor dem Inkrafttreten der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit am 1. Jänner 2014 eingebrachten Beschwerden an den VwGH findet sich in solchen Fällen der Zusatz „Amtsbeschwerde“.
Vgl Finanzausschuss, Bericht des Finanzausschusses über die RV zum Abgaben- Rechtsmittel- Reformgesetz, 1128 BlgNR, 21 GP S15.
Diese würde für jede finanzgerichtliche Entscheidung denselben Wert annehmen und hätte demnach keine Aussagekraft.
Eine Binomialverteilung basiert auf dem mehrmaligen Durchführen eines Bernoulli-Prozesses, bei dem nur zwei Ereignisse (konkret die beiden Ausprägungen „gewonnen“ und „verloren“ der Variablen „Verfahrensausgang“) auftreten können. (Vgl Eckey, Kosfeld & Türck (2005), Wahrscheinlichkeitsrechnung und Induktive Statistik, S 95).
Vgl Freund (2010), Ein-Stichproben-Tests, in Holling & Schmitz, Handbuch Statistik, Methoden und Evaluation, S 387.
Vgl Fahrmeir, Künstler, Pigeot & Tutz (2001), Statistik: Der Weg zur Datenanalyse, S 395.
Vgl Genschel & Becker (2005), Schließende Statistik: Grundlegende Methoden, S 278 ff.
Vgl Precht, Kraft & Bachmaier (2005), Angewandte Statistik 1, S 216.
Ergebnis exakter Binomialtest: p-Wert < 2,2e-16 und 95 % Konfidenzintervall: [0,768487; 1].
Formal wird dabei H1a0: p = 0,5 gegen H1a1: p ≠ 0,5 getestet. Ergebnis zweiseitiger approximativer Binomialtest: p-Wert < 2,2e-16 und 95 % Konfidenzintervall: [0,7660591; 0,7947574]. Ergebnis zweiseitiger exakter Binomialtest: p-Wert < 2,2e-16 und 95 % Konfidenzintervall: [0,7661398; 0,7948392].
Ergebnis exakter Binomialtest: p-Wert < 2,2e-16 und 95 % Konfidenzintervall: [0,5829079; 1].
Formal wird dabei H1a0: p = 0,5 gegen H1a1: p ≠ 0,5 getestet. Ergebnis zweiseitiger approximativer Binomialtest: p-Wert < 2,2e-16 und 95 % Konfidenzintervall: [0,5805084; 0,6101515]. Ergebnis zweiseitiger exakter Binomialtest: p-Wert < 2,2e-16 und 95 % Konfidenzintervall: [0,5805272; 0,6101749].
Detailliertere Informationen zur Variablen „Verfahrensausgang“ finden sich in Kapitel 2.4.1.
Detailliertere Informationen zur Variablen „Vertretung.StB/WP“ finden sich in Kapitel 2.4.6 (Ausprägung „StB/WP“).
Detailliertere Informationen zur Variablen „Vertretung.RA“ finden sich in Kapitel 2.4.6 (Ausprägung „RA“).
Detailliertere Informationen zur Variablen „Vertretung.Unbekannt“ finden sich in Kapitel 2.4.6 (Ausprägung „unbekannt“).
Detailliertere Informationen zur Variablen „Abänderung.Zurücknahme.Aufhebung“ finden sich in Kapitel 2.4.7 (Ausprägung „Abänderung/Zurücknahme/Aufhebung“).
Detailliertere Informationen zur Variablen „Wiederaufnahme“ finden sich in Kapitel 2.4.7 (Ausprägung „Wiederaufnahme“).
Detailliertere Informationen zur Variablen „Wiedereinsetzung“ finden sich in Kapitel 2.4.7 (Ausprägung „Wiedereinsetzung“).
Detailliertere Informationen zur Variablen „Devolutionsantrag“ finden sich in Kapitel 2.4.7 (Ausprägung „Devolutionsantrag“).
Detailliertere Informationen zur Variablen „Gerichtsstand“ finden sich in Kapitel 2.4.5.
Detailliertere Informationen zur Variablen „Entscheidungsjahr“ finden sich in Kapitel 2.4.3.
Detailliertere Informationen zur Variablen „Entscheidungsmonat“ finden sich in Kapitel 2.4.3.
Detailliertere Informationen zur Variablen „Verfahrensdauer“ finden sich in Kapitel 2.4.4.
Ein McFadden R2 zwischen 0,2 und 0,4 wird in der Literatur als Wert für eine ausgezeichnete Modellanpassung angesehen. (Vgl McFadden (1979), Quantitative Methods for Analyzing Travel Behaviour of Individuals: Some Recent Developments, in Hensher & Stopher, Behavioural Travel Modelling, S 307; Gautschi (2010), Maximum-Likelihood Schätztheorie, in Wolf & Best, Handbuch der sozialwissenschaftlichen Datenanalyse, S 228).
Detaillierter hierzu siehe Kapitel 2.4.4.
Hinsichtlich der Beschreibung der einzelnen Variablen sei an dieser Stelle auf die Tabelle in Kapitel 2.5.2.2.1 verwiesen.
Hinsichtlich der Proportional-Odds-Annahme sei an dieser Stelle auf weiterführende Literatur verwiesen: Windzio (2013), S 212 f; Tutz (2012), S 251 f; Smithson & Merkle (2014), S 100 ff; Kleinbaum, Kupper, Nizam & Rosenberg (2014), S 727 ff.
Der Test auf die Gültigkeit der Proportional-Odds-Annahme erfolgte nach der grafischen Methode von Harrell. (Vgl Harrell (2001), Regression Modeling Strategies with Applications to Linear Models, Logistic Regression, and Survival Analysis, S 335).
Hinsichtlich der Beschreibung der einzelnen Variablen sei an dieser Stelle auf die Tabelle in Kapitel 2.5.2.2.1 verwiesen.
Vgl Heise (2000), Justice Delayed? An Empirical Analysis of Civil Case Disposition Time, Case Western Reserve Law Review Vol 50
Vgl Priest (1989), Private Litigants and the Court Congestion Problem, Boston University Law Review Vol 69
Zur Aufbereitung der Variablen „Verfahrensdauer“ sei an dieser Stelle auf die Kapitel 2.4.2 bis 2.4.4 verwiesen.
Zum 31. Dezember 2014 waren unter Berücksichtigung der vom UFS übernommenen Rückstände 22.976 Verfahren offen. (Vgl BFG (2015c), Tätigkeitsbericht des Bundesfinanzgerichtes für das Jahr 2014, S 42)
Zu den gesetzlichen Fristen des Devolutionsantrages siehe § 311 BAO idF vor dem 1. Jänner 2014 bzw zu den gesetzlichen Fristen der Säumnisbeschwerde siehe § 284 BAO in der aktuellen Fassung.
e(5,9241) * e(0,3958) = e(5,9241 + 0,3958) = 555,52.
Das gleiche Prinzip wirkt, wenn im Supermarkt an der Kassa eine Person, die nur wenige Einkäufe getätigt hat, vorgelassen wird: Die Kassiererin benötigt zwar dieselbe Zeit, um alle Kunden zu bedienen, die durchschnittliche Wartezeit pro Kunden reduziert sich jedoch.
Bspw dann, wenn in der Beschwerde nur eine einzige Rechtsfrage zu klären ist.
Zu den gesetzlichen Fristen des Devolutionsantrages siehe § 311 BAO idF vor dem 1. Jänner 2014 bzw zu den gesetzlichen Fristen der Säumnisbeschwerde siehe § 284 BAO in der aktuellen Fassung.
Autokorrelation liegt dann vor, wenn die Residuen in der Grundgesamtheit korrelieren, bzw systematische Verbindungen zwischen den Residuen benachbarter Fälle bestehen. Dies ist bspw dann der Fall, wenn die Residuen vom jeweils vorherigen Beobachtungswert abhängen. (Vgl Holtmann (2010), Grundlegende multivariate Modelle der sozialwissenschaftlichen Datenanalyse, S 111) Der Durbin-Watson-Test auf Autokorrelation (genauer zu diesem Test vgl bspw Anderson, Sweeney, Williams, Camm & Cochran (2014), Statistics for Business and Economics, S 788 ff) ist mit einem p-Wert von 0,9382 nicht signifikant.
Heteroskedastizität liegt dann vor, wenn die Streuung der Residuen vom Betrag oder von der Reihenfolge der Prädiktoren abhängt. (Vgl Holtmann (2010), S 111) Der Goldfeld-Quandt-Test auf Heteroskedastizität (genauer zu diesem Test vgl bspw Krämer & Sonnberger (2012), The Linear Regression Model Under Test, S 32 ff) ist mit einem p-Wert von 0,4827 nicht signifikant, der Breusch-Pagan-Test auf Heteroskedastizität (genauer zu diesem Test vgl bspw Hackl (2008), Einführung in die Ökonometrie, S 180 ff) ist mit einem p-Wert von 0,000 hingegen höchst signifikant.
Zum Newey-West-Test vgl Newey & West (1987), A Simple, Positive Semi-definite, Heteroskedasticity and Autocorrelation Consistent Covariance Matrix, Econometrica Vol 55, S 703.
Vgl Auer & Rottmann (2011), Statistik und Ökonometrie für Wirtschaftswissenschaftler: Eine anwendungsorientierte Einführung, S 554.
Hinsichtlich der Einordnung der Ergebnisse in die 5%igen, 1%igen und 0,1%igen Signifikanzniveaus ergeben sich durch die Schätzung nach Newey-West im Vergleich mit den in Tabelle 11 dargestellten Ergebnissen lediglich bei folgenden beiden Variablen Unterschiede: „Gerichtsstand Graz“ (nach Newey-West sehr signifikant, p-Wert: 0,0084) und „Entscheidungsmonat November“ (nach Newey-West sehr signifikant, p-Wert: 0,0097).
Vgl Schlittgen (2013), S 238.
Vgl Finanzausschuss, Bericht des Finanzausschusses über die RV zum Abgaben- Rechtsmittel- Reformgesetz, 1128 BlgNR, 21 GP S15.
Die zweite für die Überprüfung der Hypothese H3 entscheidende Variable ist der „VfGH-Verfahrensausgang“. Diese liegt dem Binomialtest in Kapitel 2.7.2.2 zugrunde.
Die aus Sicht der Steuerpflichtigen gewonnen VwGH-Verfahren setzen sich aus jenen 153 „Aufhebungen“ und 7 „teilweisen Aufhebungen“ zusammen, bei denen die Revisionen von den Steuerpflichtigen geführt wurden sowie aus jenen 17 „Abweisungen“, 0 „Ablehnungen“ und 1 „Zurückweisung“, bei denen die Revisionen von den Finanzämtern geführt wurden.
Die aus Sicht der Steuerpflichtigen verlorenen VwGH-Verfahren setzen sich aus jenen 26 „Aufhebungen“ und 0 „teilweisen Aufhebungen“ zusammen, bei denen die Revisionen von den Finanzämtern geführt wurden sowie aus jenen 212 „Abweisungen“, 60 „Ablehnungen“ und 22 „Zurückweisungen“, bei denen die Revisionen von den Steuerpflichtigen geführt wurden.
Die Binomialverteilung kann über eine Normalverteilung angenähert werden, wenn dem Binomialtest mehr als 30 Beobachtungen zugrunde liegen. (Vgl Freund (2010), in Holling & Schmitz, S 387).
Vgl Precht, Kraft & Bachmaier (2005), S 216.
Ergebnis exakter Binomialtest: p-Wert = 1,004e-10 und 95 % Konfidenzintervall: [0,6056769; 1].
Formal wird dabei H3-VwGH0: p = 0,5 gegen H3-VwGH1: p ≠ 0,5 getestet. Ergebnis zweiseitiger approximativer Binomialtest: p-Wert = 2,644e-10 und 95 % Konfidenzintervall: [0,598513; 0,684393]. Ergebnis zweiseitiger exakter Binomialtest: p-Wert = 2,008e-10 und 95 % Konfidenzintervall: [0,5987264; 0,6847102].
Detailliertere Informationen zur Variablen „VwGH-Verfahrensausgang“ finden sich in Kapitel 2.4.9.
Detailliertere Informationen zur Variablen „Revisionswerber“ finden sich in Kapitel 2.4.10.
Detailliertere Informationen zur Variablen „VfGH“ finden sich in Kapitel 2.4.11.
Ein McFadden R2 zwischen 0,2 und 0,4 wird in der Literatur als Wert für eine ausgezeichnete Modellanpassung angesehen. (Vgl McFadden (1979), in Hensher & Stopher, S 307; Gautschi (2010), in Wolf & Best, S 228).
Vgl Galanter (1974), Law & Society Review Vol 9, S 95.
Die abhängige Variable „VwGH-Verfahrensausgang“ nimmt für drei der an den VwGH herangetragenen finanzgerichtlichen Entscheidungen zur „Wiedereinsetzung“ die Ausprägung „gewonnen“ und für eine die Ausprägung „Einstellung / Vorlage EuGH“ an.
Die abhängige Variable „VwGH-Verfahrensausgang“ nimmt für die eine an den VwGH herangetragene finanzgerichtliche Entscheidung zum „Devolutionsantrag“ ist der Ausprägung „gewonnen“ an.
Die abhängige Variable „VwGH-Verfahrensausgang“ nimmt für beide dieser finanzgerichtlichen Entscheidungen die Ausprägung „verloren“ an.
Die aus Sicht der Steuerpflichtigen verlorenen VwGH-Verfahren setzen sich aus 78 „Ablehnungen“ und 2 „Abweisungen“ zusammen.
Die Binomialverteilung kann über eine Normalverteilung angenähert werden, wenn dem Binomialtest mehr als 30 Beobachtungen zugrunde liegen. (Vgl Freund (2010), in Holling & Schmitz, S 387).
Ergebnis exakter Binomialtest: p-Wert < 2,2e-16 und 95 % Konfidenzintervall: [0,8541841; 1].
Formal wird dabei H3-VfGH0: p = 0,5 gegen H3-VfGH1: p ≠ 0,5 getestet. Ergebnis zweiseitiger approximativer Binomialtest: p-Wert = 1,171e-14 und 95 % Konfidenzintervall: [0,835984; 0,9642837]. Ergebnis zweiseitiger exakter Binomialtest: p-Wert < 2,2e-16 und 95 % Konfidenzintervall: [0,841225; 0,9670383].
Durch diese Vorgehensweise wird implizit angenommen, dass sämtliche höchstgerichtlichen Entscheidungen richtig sind. Detaillierter zu den sich daraus für die Untersuchung ergebenden Limitationen siehe Kapitel 2.8.
Diese umfassen auch die dem EuGH zur Entscheidung vorgelegten Revisionen bzw Beschwerden.
Ein schlichtes Nichtberücksichtigen der noch nicht entschiedenen höchstgerichtlichen Verfahren würde hingegen zu Verzerrungen führen, weil finanzgerichtliche Entscheidungen im Sinne des in dieser Arbeit angestellten Versuchs der Objektivierung nur dann „falsch“ sein können, wenn sie von einem Höchstgericht (teilweise) aufgehoben wurden. Demnach würde eine Nichtberücksichtigung der noch nicht entschiedenen höchstgerichtlichen Verfahren die relativen Verhältnisse zugunsten der „richtigen“ finanzgerichtlichen Entscheidungen verzerren.
Detaillierter zur Ausgangsbasis „finanzgerichtliche Entscheidungen für empirische Analyse“ siehe Tabelle 2 in Kapitel 2.3.
In Summe umfasst das Datenmaterial 162 „finanzgerichtliche Entscheidungen zur Analyse der Entscheidungsqualität“, über deren Revisionen bzw Beschwerden noch nicht entschieden wurde. Der den „richtigen“ finanzgerichtlichen Entscheidungen zugewiesene Anteil berechnet sich daher wie folgt: 162 * 319/(319 + 192) = 101,13.
Der den „falschen“ finanzgerichtlichen Entscheidungen zugewiesene Anteil berechnet sich wie folgt: 162 * 192/(319 + 192) = 60,87.
Werden die noch nicht entschiedenen Revisionen an den VwGH und die noch nicht entschiedenen Beschwerden an den VfGH bereits aus den „Entscheidungen zur Analyse der Entscheidungsqualität“ herausgenommen anstatt auf die „richtigen“ und „falschen“ finanzgerichtlichen Entscheidungen quotal aufgeteilt zu werden, ergibt sich ein verzerrtes 95 % Konfidenzintervall für „richtige“ Entscheidungen von 94,6 % als untere und 95,9 % als obere Grenze.
So können bspw in einer Entscheidung, in der ausschließlich über die Umsatzsteuer abgesprochen wird, ebenfalls die Wörter „Körperschaftsteuer“, „Körperschaftssteuer“ und/oder „KöSt“ im Entscheidungstext enthalten sein (bspw im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung).
Nicht zu veröffentlichen waren und sind Entscheidungen dann, wenn der Veröffentlichung wesentliche Interessen der Parteien oder wesentliche öffentliche Interessen entgegenstehen.
Die in den Zusatzinformationen zu den Entscheidungen angeführten Paragraphen der BAO bestimmen die Ausprägung die Variablen „Rechtsschutzinstrument“. Detailliert hierzu siehe Kapitel 2.4.7.
Als Robustheitstest des zur Überprüfung der Hypothese H1a durchgeführten Binomialtests erfolgt eine fiktive Zurechnung der „teilweise gewonnen“ Verfahren zu den „gewonnenen“.
Als Robustheitstest der zur Überprüfung der Hypothesen H1b und H1c durchgeführten multinomialen logistischen Regression wird eine binomiale logistische Regression durchgeführt, in die die Ausprägung „teilweise verloren“ der abhängigen Variablen „Verfahrensausgang“ nicht einfließt.