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Das Anfang Juli im Nationalrat beschlossene Abgabenänderungsgesetz 2024 (AbgÄG 2024)1 ist - verglichen zu den Vorjahren - im Umfang zwar etwas schlanker gehalten, enthält aber dennoch einige Highlights. Dies betrifft Personengesellschaften wie die Gruppenbesteuerung und vor allem die Umsatzsteuer - sowie ihre Schnittstellen zur Einkommensteuer. Der Beitrag gibt einen Überblick zu den wichtigsten Änderungen und beleuchtet die Highlights etwas stärker.
Das AbgÄG 2024 sieht als systematische Schwerpunkte ua Ergänzungen bei Personengesellschaften (§ 32 EStG), bei der Gruppenbesteuerung (§ 9 KStG) und vor allem Verbesserungen für Lebensmittelspenden (§ 6 Abs 1 Z 5a UStG) sowie bei Kleinunternehmern (§ 6 Abs 1 Z 27 UStG) vor. Neben diesen noch später erläuterten Schwerpunkten wären noch folgende Neuerungen hervorzuheben.
Die Berücksichtigung des Familienbonus Plus hängt nach § 33 Abs 3a Z 3 EStG davon ab, ob ein Unterhaltsabsetzbetrag (UAB) zusteht:
- | Steht kein UAB zu, kann statt des Familienbeihilfeberechtigten auch dessen (Ehe-)Partner ganz oder zur Hälfte berücksichtigt werden (lit a); |
- | steht hingegen ein UAB zu, steht der Familienbonus Plus nur dem Familienbeihilfeberechtigten und/oder dem Unterhaltsverpflichteten ganz oder zur Hälfte zu (lit b); einem (neuen) (Ehe-)Partner steht in dieser Konstellation daher (aus administrativen Gründen) kein Familienbonus Plus zu. |
Gerade Trennungen/Scheidungen mit nachfolgend neuem (Ehe-)Partner verursachen auch beim Familienbonus Plus Probleme.
Die Eltern von H sind geschieden. H lebt bei ihrer Mutter (M), welche die Familienbeihilfe für H bezieht. M hat erneut geheiratet (Stiefvater [S]). Da S mehr verdient als M, beantragt S den ganzen Familienbonus Plus für H (im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung), antragsgemäß wird dieser bei S berücksichtigt. Zwei Jahre später beantragt der leibliche Vater von H (V) im Rahmen seiner Arbeitnehmerveranlagung ebenfalls den ganzen Familienbonus Plus für H, weil er seine Unterhaltsverpflichtung für H stets zur Gänze erfüllt hat und ihm für 12 Monate der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht.
Da der leibliche Vater die Unterhaltverpflichtungen stets erfüllt hat, steht ihm auch der Familienbonus Plus zu. Dem Stiefvater stand hingegen nie ein Familienbonus Plus zu, was allerdings für das Finanzamt nicht ersichtlich war. Wenn nun aber ein Steuerpflichtiger von vornherein keinen Anspruch auf den Familienbonus Plus hat, dann lag bisher nach VwGH auch kein rückwirkende Ereignis gem § 295a BAO vor.3
Um eine einmalige Berücksichtigung des Familienbonus Plus sicherzustellen, wird in § 33 Abs 3a Z 3 EStG eine neue lit d eingefügt: Stellt sich für das Finanzamt nach Eintritt der Rechtskraft heraus, dass kein oder ein niedrigerer Anspruch auf den Familienbonus Plus besteht, gilt dies als rückwirkendes Ereignis gem § 295a BAO. Im Beispiel ist daher der Bescheid des Stiefvaters gem § 295a BAO von Amts wegen zu ändern.
Die Abs 2 und 2a von § 41 werden übersichtlicher strukturiert, dabei wird die antragslose Arbeitnehmerveranlagung aus Abs 2 herausgelöst, in Abs 2a überführt und inhaltlich teilweise verbessert. So ist nach der neuen Z 4 der Bescheid aus einer antragslosen Veranlagung im Falle nachträglich übermittelter Daten auch dann durch einen neuen Bescheid zu ersetzen, wenn die Gutschrift geringer ausfällt (bisher wurde der Bescheid mittels Wiederaufnahme aufgehoben, wodurch der Steuerpflichtige zurückzahlen und sodann neu beantragen musste). Wurden daher zB zunächst Spenden iHv 300 € berücksichtigt, die nachträglich übermittelten Daten korrigieren die Spenden aber auf 200 €, erfolgt automatisch eine neue antragslose Veranlagung und der Steuerpflichtige hat nur die Differenz der zu hoch berücksichtigten Spenden zurückzuzahlen; die Änderung gilt ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 2024.
Der Freibetragsbescheid ist gut gemeint, aber von überraschend geringer praktischer Relevanz; denn von den rund 480.000 jährlich erstellten Freibetragsbescheiden werden nur rund 4 % (!) dem Arbeitgeber zur Berücksichtigung am Lohnzettel vorgelegt. Daher werden zur administrativen Entlastung (und Verringerung von Nachfragen der betroffenen Arbeitnehmer) Freibetragsbescheide nur mehr auf Antrag erlassen (erstmals für Freibetragsbescheide, die mit einem Veranlagungsbescheid für das Kalenderjahr 2024 erstellt werden).
Die steuerliche Beurteilung für Entgelte aus der Einräumung von Leitungsrechten (zB Elektrizitätsunternehmen) war bis zum JStG 2018 komplex; denn diese Entgelte setzten sich aus mehreren Komponenten zusammen (für die Rechtseinräumung, die Bodenwertminderung und den Ertragsausfall), die steuerlich unterschiedlich zu behandeln waren.4 Mit dem JStG 2018 wurde daher in § 107 EStG bei Entgelten von Infrastrukturbetreibern ein (pauschaler) Steuerabzug für die Einkünfte aus der Einräumung von Leitungsrechten iHv 10 % eingeführt (konzeptionell dem KESt-Abzug nachgebildet);5 für empfangende Körperschaften beträgt die Abzugsteuer (seit 2023) 7,5 % (§ 24 Abs 7 KStG).
Ebenso wie die Entgelte aus der Einräumung von Leitungsrechten setzen sich auch Entgelte zur Abwehr von Hochwasserschäden (Retentionsflächen) und zur Errichtung/zum Betrieb von Hochwasserschutzanlagen aus mehreren Komponenten zusammen (ebenfalls für die Rechtseinräumung/Dienstbarkeit, die Bodenwertminderung und den Ertragsausfall). Daher wird mit dem AbgÄG 2024 in § 107 EStG der Steuerabzug für Einkünfte aus Leitungsrechten um Maßnahmen zur Abwehr von Hochwasserschäden erweitert. Die angesprochenen Entgelte stammen dabei von Gebietskörperschaften, Wassergenossenschaften, Wasserverbänden6 oder Elektrizitätsunternehmen (Abs 2 Z 2). Die Abzugsteuer beträgt unverändert 10 % (bei empfangenden Körperschaften 7,5 %) und greift erstmals für Zahlungen ab 1. 1. 2025.
Anknüpfend an § 107 EStG wird die bestehende Gebührenbefreiung für Entgelte aus der Einräumung von Leitungsrechten um solche für die Abwehr von Hochwasserschäden erweitert (§ 35 Abs 7). Ansonsten erfolgen im GebG noch weitere, kleinere Modernisierungen, zB wird für das Verfahren des AusländerbeschäftigungsG die Gebührenpauschalierung in eine reine Antragsgebühr überführt.
Wegen unerwünschter praktischer Gestaltungen zieht das AbgÄG 2024 bei der Berücksichtigung von Vorgruppenverlusten beim Gruppenträger eine Schranke ein.7 Bei den Verlusten gibt es aber auch Erleichterungen: An sich sieht § 9 Abs 6 Z 6 KStG zwingend die Zurechnung von Verlusten von ausländischen Gruppenmitgliedern vor (mit Nachversteuerung gem Z 7). Auf diese Zurechnung kann nunmehr auch verzichtet werden (ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 2024). Dieser Verzicht versteht sich jahresbezogen für das jeweilige ausländische Gruppenmitglied (und kann daher für das betreffende Wirtschaftsjahr auch jährlich neu ausgeübt werden).8 Relevant ist der Verzicht vor allem für Unternehmensgruppen, die in den Anwendungsbereich des MinBestG fallen; denn sollte es nach einer Verlustzurechnung nicht innerhalb von drei Jahren zu einer Nachversteuerung kommen, hätte eine Kürzung des Steueraufwandes nach § 40 Z 5 MinBestG zu erfolgen.9
Formale Voraussetzung für die Bildung einer Unternehmensgruppe ist nach § 9 Abs 8 KStG ein schriftlicher Gruppenantrag. Dieser ist vom Gruppenträger (bzw vom Hauptbeteiligten im Falle einer Beteiligungsgemeinschaft) bei dem für den Antragsteller für die Erhebung der KöSt zuständigen Finanzamt unter Verwendung des amtlichen Vordrucks innerhalb eines Kalendermonats nach der Unterfertigung des letzten gesetzlichen Vertreters zu stellen.10 Nach dem AbgÄG 2024 kann die Übermittlung der amtlichen Vordrucke elektronisch über FinanzOnline erfolgen, wenn die amtlichen Vordrucke mittels qualifizierter elektronischer Signaturen vom Gruppenträger und aller einzubeziehenden inländischen Körperschaften unterfertigt sind (ab 1. 1. 2025).
Die Besteuerungsregeln für Personengesellschaften sind anspruchsvoll, im Rahmen des AbgÄG 2023 wurde zumindest in einem Teilbereich Rechtssicherheit erreicht.11 Seither regelt § 32 Abs 3 EStG die steuerlichen Folgen einer Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Privatvermögen oder Sonderbetriebsvermögen des Steuerpflichtigen in das Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft: Der Vorgang wird dabei in einen Einlage- und einen Anschaffungsvorgang aufgespalten, wodurch es im Ergebnis zu einer anteiligen Veräußerung kommt. Das Ausmaß der anteiligen Veräußerung hängt von der "Fremdquote" (= Beteiligungsquoten der anderen Gesellschafter) ab; in diesem Ausmaß ist das übertragene Wirtschaftsgut sodann den anderen Gesellschaftern zuzurechnen.
Da übertragene Wirtschaftsgüter im Ausmaß der "Eigenquote" dem Steuerpflichtigen gem § 32 Abs 2 EStG weiterhin zuzurechnen sind, liegt eine Einlage gem § 6 Z 5 EStG vor, weil insoweit bei der steuerlichen Zurechnung des Wirtschaftsgutes keine Änderung eintritt; ebenfalls steuerneutral sind insoweit Übertragungen aus dem Sonderbetriebsvermögen oder Übertragungen auf vermögensverwaltende Personengesellschaften.12
Ebenfalls im Sinne der Rechtssicherheit regelt das AbgÄG 2024 nun auch ausdrücklich den spiegelbildlichen Vorgang der "Entnahme". Technisch wird dafür § 32 Abs 3 in zwei Ziffern untergliedert: Die zuvor angesprochene Einlage wandert inhaltlich unverändert in Z 1, während die neue Z 2 die Entnahme von Wirtschaftsgütern aus dem Gesellschaftsvermögen von Personengesellschaften in das Privat- oder Sonderbetriebsvermögen eines Steuerpflichtigen regelt.
Inhaltlich konsequent orientieren sich die Rechtsfolgen für die Entnahme von Wirtschaftsgütern an jenen für die Einlage. Daher wird auch der Entnahmevorgang entsprechend der Fremd- und Eigenquote in einen Veräußerungs- und einen Entnahmevorgang aufgespalten. Eine Veräußerung liegt nur insoweit vor, als die Wirtschaftsgüter den übrigen Gesellschaftern nach der Übertragung nicht mehr zuzurechnen sind ("Fremdquote"); im Ausmaß der "Eigenquote" liegt hingegen eine Entnahme gem § 6 Z 4 (Übertragung von Betriebsvermögen aus einer Mitunternehmerschaft in das Privatvermögen) oder ein steuerneutraler Vorgang (Übertragung aus einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft oder Übertragungen in das Sonderbetriebsvermögen) vor.13
A, B und C sind Mitunternehmer einer OG (jeweils zu 1/3). Im Gesellschaftsvermögen der OG befindet sich ein Grundstück (Buchwert = 300.000 €; gemeiner Wert = 900.000 €). A möchte das Grundstück in sein Privatvermögen übertragen.
Hinsichtlich der Eigenquote von A (1/3) liegt eine Entnahme vor; hinsichtlich der Fremdquoten (insgesamt 2/3) erfolgt eine Veräußerung bei B und bei C; B und C haben im Ausmaß ihrer Fremdquote von 1/3 jeweils eine Veräußerung und den anteiligen Veräußerungsgewinn von jeweils 200.000 € zu versteuern. Die Anschaffungskosten von A setzen sich aus seinem Entnahmewert (beim Grundstück zum Buchwert, daher 100.000 €) sowie dem anteiligen gemeinen Wert (im Ausmaß der Fremdquote, daher 600.000 €) zusammen und betragen daher 700.000 €.
Erfolgt - wie im Beispiel - die Entnahme eines Grundstücks zum Buchwert (oder liegt ein steuerneutraler Übertragungsvorgang vor), gehen die stillen Reserven hinsichtlich der "Eigenquote" im Wege der anteiligen Buchwertfortführung auf den entnehmenden Gesellschafter über. Wird nicht ein Grundstück, sondern ein anderes Wirtschaftsgut entnommen, erfolgt die Entnahme zum Teilwert, wobei dieser Entnahmegewinn ausschließlich beim entnehmenden Gesellschafter zu erfassen ist, dem das Wirtschaftsgut auch nach der Übertragung zuzurechnen ist (im Ausmaß der "Eigenquote"). Auch wenn die gespaltene Betrachtung in solchen Fällen zu unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben führt (Teilwert vs gemeiner Wert), stimmen diese für bei der Mitunternehmerschaft entbehrliche Wirtschaftsgüter (zB nicht mehr benötigtes Anlagevermögen) überein.15
Im neuen Schlussteil von § 32 Abs 3 EStG wird der Anwendungsbereich der Bestimmung noch erweitert: Die Regelungen (Z 1 und Z 2) sind danach auch dann anwendbar, wenn die Beteiligung an einer Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft oder vermögensverwaltende Personengesellschaft) zum Betriebsvermögen eines Betriebes eines Gesellschafters gehört und es zu Übertragungen zwischen diesem (Eigen-)Betrieb des Gesellschafters und dem Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft kommt.16 Die Neuregelung gilt für Übertragungen von Wirtschaftsgütern ab 1. 7. 2024.
Das Abfallwirtschaftsgesetz sieht seit dem 4. Quartal 2023 in Österreich eine Meldepflicht des Handels über die Menge an gespendeten und entsorgten Lebensmittel vor.17 Die für dieses 4. Quartal 2023 gemeldeten Zahlen sind ernüchternd: So wurden ca 16.200 Tonnen an Lebensmitteln entsorgt (vernichtet), während nur 4.900 Tonnen gespendet wurde.18
Im Rahmen der Ursachenforschung brachten die Handelsvertreter ua die negative Anreizwirkung im Steuerrecht vor, weil Lebensmittelspenden bisher als umsatzsteuerliche Entnahme zu versteuern sind. Die UStR ermöglichten nur für "abgelaufene Lebensmittel" (nach dem Lebensmittelgesetz nicht mehr verkehrsfähige Ware) eine Bemessungsgrundlage von null (Rz 679), wobei die Zulässigkeit der Weitergabe von "abgelaufenen Lebensmittel" nach dem Lebensmittelrecht ohnehin fraglich erscheint.19 Wünschenswert wäre es natürlich, wenn Lebensmittelhändler ihre Überbestände an einzelnen Lebensmitteln frühzeitig (vor Ablauf) feststellen und bereits vor deren Ablaufdatum an mildtätige Organisationen weitergeben könnten. Breivogel/Rezegh/Salnikow griffen die Problematik umfassend auf und schlugen einen "Nullsteuersatz" für Lebensmittelspenden an gemeinnützige Organisationen vor.20 Dieser Vorschlag belebte die Lösungsfindung.
Die EU-Richtlinie 2022/542 ermöglicht es nunmehr, eine echte Steuerbefreiung vorzusehen, die das Recht auf Vorsteuerabzug nicht ausschließt.21 Um daher Lebensmittelspenden zu erleichtern, wird in § 6 Ab 1 Z 5a UStG eine solche (echte) Steuerbefreiung für Spenden an durch Bescheid begünstigte Einrichtungen gem § 4a Abs 1 EStG vorgesehen. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, sind solche Spenden an begünstigte Einrichtungen nur für mildtätige Zwecke begünstigt.22 Neben Lebensmitteln (USt-Satz von 10 % gem Anlage 1) sind auch nichtalkoholische Getränke befreit.23 Die Befreiung gilt für Spenden ab 1. 8. 2025.24
Nach § 4a Abs 7 Z 5 ist bei zugewendeten/gespendeten Wirtschaftsgütern allgemein der gemeine Wert als Betriebsausgabe abzusetzen. Da USt-befreite Lebensmittelspenden (samt nichtalkoholischen Getränken) ertragsteuerlich "neutral" beim Spender sein sollen, ist nach einer neuen Z 5a (in § 4a Abs 7 EStG) für solche gespendeten Lebensmittel anstelle des gemeinen Wertes der Buchwert im Zeitpunkt der Zuwendung als Betriebsausgabe anzusetzen. Durch diese einmalige Abzugsfähigkeit des Buchwerts im Zeitpunkt der Zuwendung (und somit der gesamten Einstandskosten, die der Steuerpflichtige trägt) hat die Zuwendung für den Spender ertragsteuerlich zwar weder Vor- noch Nachteile (gegenüber einer Vernichtung), vermeidet aber im Sinne einer Verwaltungsvereinfachung die Ermittlung des gemeinen Wertes der zugewendeten Lebensmittel (bzw nichtalkoholischen Getränke).25
Kleinunternehmer sind nach § 6 Abs 1 Z 27 UStG unecht befreit, wobei auf die Befreiung auch verzichtet werden kann (Option zur Regelbesteuerung mit Vorsteuerabzug nach § 6 Abs 3; insb dann, wenn der Kleinunternehmer überwiegend B2B-Umsätze erbringt). Auf EU-Ebene wurden mit der RL (EU) 2020/285 umfassende Änderungen der Sonderregelung für Kleinunternehmer beschlossen.26 Dies betrifft zunächst Unternehmer, die ihr Unternehmen in einem anderen EU-Mitgliedstaat betreiben und ab 2025 in Österreich die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer in Anspruch nehmen können.
§ 6 Abs 1 Z 27 UStG setzt dafür voraus, dass ein EU-(Klein-)Unternehmer
- | die nationale Kleinunternehmergrenze und |
- | den unionsweiten Umsatz-Schwellenwert von 100.000 € einhält sowie |
- | die Anwendung der Kleinunternehmerbefreiung in jenem EU-Mitgliedstaat beantragt, von dem er aus sein Unternehmen betreibt. |
Ein Versandhändler betreibt sein Unternehmen in Deutschland und erzielte im Vorjahr dort Umsätze durch den Verkauf von Waren iHv 40.000 € sowie zusätzlich 5.000 € durch innergemeinschaftliche Versandhandelslieferungen nach Österreich. Im laufenden Jahr erzielt er einen Umsatz iHv 50.000 € in Deutschland und iHv 10.000 € in Österreich. Der unionsweite Jahresumsatz des Unternehmers beträgt daher im Vorjahr 45.000 € und im laufenden Jahr 60.000 €.
Da weder der unionsweite Schwellenwert noch die nationale (österreichische) Kleinunternehmergrenze überschritten werden, kann der Unternehmer die Kleinunternehmerbefreiung in Österreich in Anspruch nehmen.
Die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerbefreiung in Österreich setzt im Beispiel zudem eine Beantragung über das in Deutschland dafür vorgesehene Verfahren voraus (Erteilung einer Kleinunternehmer-Identifikationsnummer mit Suffix "-EX" gem Art 284 Abs 3 RL [EU] 2006/112).28
Die EU-Richtlinie strahlt auch auf Unternehmer aus, die ihr Unternehmen im Inland betreiben: So stellte die Berechnung der Umsatzgrenze des § 6 Abs 1 Z 27 UStG (35.000 €) bisher nach der Judikatur des VwGH auf die Bemessungsgrundlage bei unterstellter Steuerpflicht ab,29 wodurch die Kleinunternehmergrenze bei unterstellter Anwendung des Normalsteuersatzes bisher tatsächlich 42.000 € betrug. In Abstimmung mit der unionsrechtlich gebotenen Rechtslage und um Diskrepanzen bei den in Art 6a Abs 5 genannten kalendervierteljährlichen Meldungen bei der Berechnung des unionsweiten Jahresumsatzes zu vermeiden, wird einheitlich auf eine "Bruttoberechnung" umgestellt; damit die Höhe der Kleinunternehmergrenze im Ergebnis (vorerst)30 unverändert bleibt, wird der Betrag iHv 35.000 € durch 42.000 € ersetzt (wobei die EU-Richtlinie einen nationalen Grenzwert von bis zu 85.000 € zuließe).
Bei Überschreiten der Kleinunternehmergrenze (wie auch des EU-Schwellenwerts) entfällt nunmehr die Steuerbefreiung mit dem Zeitpunkt, ab dem die Grenze überschritten wird. Zudem ersetzt eine 10%-Toleranzregelung die bisherige Toleranzregelung, nach der ein Überschreiten der Umsatzgrenze innerhalb von 5 Jahren um nicht mehr als 15 % unschädlich war. Wurde allerdings die bisherige Toleranzregelung überschritten, wirkte das Überschreiten der Umsatzgrenze auf den Jahresbeginn zurück, was erhebliche (administrative) Probleme für den bisherigen Kleinunternehmer auslösen konnte. Bei der neuen Toleranzregelung von 10 % kann die Steuerbefreiung (innerhalb der Toleranzregelung) noch bis zum Ende des Kalenderjahres in Anspruch genommen werden.
Wird daher die Kleinunternehmergrenze zunächst um zB 8 % überschritten und im Laufe des Jahres schließlich um mehr als 10 %, entfällt die Befreiung mit dem Umsatz, mit dem die 10%-Toleranzgrenze überschritten wurde. Daher ist die Befreiung ab jenem Umsatz, mit dem die 10%-Toleranzgrenze überschritten wird (sowie für alle danach ausgeführten Umsätze) nicht mehr anwendbar.
Unternehmer A betreibt sein Unternehmen in Österreich und ist als Kleinunternehmer gem § 6 Abs 1 Z 27 von der Steuer befreit. Im Jahr 2025 erzielte er (im Inland) von Jänner bis Oktober Umsätze iHv 40.000 €. Im November verkauft er eine weitere Ware um 3.000 €. Bis Ablauf des Kalenderjahres erzielt er noch Umsätze im Dezember iHv insgesamt 1.000 € und somit einen Jahresumsatz iHv 44.000 €.
Unternehmer A kann die Steuerbefreiung für alle im Jahr 2025 erzielten Umsätze in Anspruch nehmen. Für ab 1. 1. 2026 ausgeführte Umsätze kann er die Befreiung in § 6 Abs 1 Z 27 nicht mehr anwenden.
Variante:
Umsätze von Jänner bis Oktober wie zuvor iHv 40.000 €; am 1. November verkauft Unternehmer A eine Ware um 10.000 €.
Für den Verkauf der Ware am 1. November sowie für alle danach ausgeführten Umsätze kann die Steuerbefreiung in § 6 Abs 1 Z 27 nicht angewandt werden.
Aus dem Zusammenspiel der nationalen Kleinunternehmergrenze und dem EU-Schwellenwert ergeben sich Kombinationsmöglichkeiten gerade für Unternehmer, die ihr Unternehmen im Inland betreiben:
Hält der Unternehmer beide Grenzwerte ein (inländischer Grenzwert von 42.000 € und EU-Schwellenwert von 100.000 €), kann er wählen, ob er
- | die inländische und grenzüberschreitende Befreiung, |
- | nur die inländische oder nur die grenzüberschreitende Befreiung oder |
- | keine der beiden Befreiungen |
in Anspruch nehmen möchte.
Für die grenzüberschreitende Befreiung ist das "Verfahren zur Sonderregelung für EU-Kleinunternehmer" in einem neuen Art 6a UStG geregelt; im Rahmen der "Vorabmitteilung" sind der/die EU-Mitgliedstaat(en) anzugeben, in dem/denen der Unternehmer als EU-Kleinunternehmer tätig sein möchte. Die grenzüberschreitende Kleinunternehmerbefreiung kann daher gezielt auch nur für einzelne EU-Mitgliedstaaten beantragt werden.
Sollte ein Unternehmer zudem den inländischen Grenzwert überschreiten (Umsätze in Österreich von zB 50.000 €), den EU-Schwellenwert allerdings nicht, kann dieser dennoch für einzelne EU-Mitgliedstaaten die EU-Kleinunternehmerbefreiung beantragen (zB für Deutschland, muss allerdings die dortige nationale/deutsche Kleinunternehmergrenze einhalten, die auf 25.000 € erhöht werden soll).32
Die Neuerungen für Kleinunternehmer sind allesamt erstmals auf Umsätze anzuwenden, die ab 1. 1. 2025 ausgeführt werden.33 Ab diesem Zeitpunkt besteht für Kleinunternehmer zudem die Möglichkeit der vereinfachten Rechnungsausstellung unabhängig vom in der Rechnung ausgewiesenen Betrag (also auch über 400 €, § 11 Abs 6 UStG).
Da der USt-Grenzwert lediglich aufgrund der nunmehrigen "Bruttoberechnung" von 35.000 € auf 42.000 € umgestellt, aber damit im Ergebnis die Höhe unverändert bleibt, bedarf es vorerst weiter der Sonderregelung für die Kleinunternehmerpauschalierung in § 17 Abs 3a Z 2 EStG; danach bleibt die Kleinunternehmerpauschalierung anwendbar, wenn die Umsatzgrenze gem § 6 Abs 1 Z 27 UStG "um nicht mehr als 5.000 € überschritten wurde".
Das AbgÄG 2024 sieht daher keine Änderungen bei der Kleinunternehmerpauschalierung nach § 17 Abs 3a EStG vor; als mittelbare Auswirkung aus dem neuen USt-Brutto-Grenzwert ergibt sich aber, dass auch der ESt-Erhöhungsbetrag von 5.000 € brutto zu verstehen ist. Der USt-Toleranzgrenze von 10 % kommt für die ESt-Kleinunternehmerpauschalierung schon deshalb keine Bedeutung zu, weil sich der ESt-Erhöhungsbetrag auf die USt-Umsatzgrenze von 42.000 € bezieht (und die 5.000 € mehr sind als 4.200 € = 10 % von 42.000 €).
Steuersystematisch eleganter wäre es, den USt-Grenzwert zu erhöhen und den ESt-Erhöhungsbetrag entfallen zu lassen. Denn gerade für kleinere Unternehmen erscheint ein einfaches Regelungsregime mit stärkerer Verschränkung von USt und ESt wünschenswert.34 Diesen Wunsch greift die Bundesregierung nun auf und hat im Rahmen der Abschaffung der "kalten Progression" für das Jahr 2025 auch eine Erhöhung der Kleinunternehmergrenze auf 55.000 € beschlossen.35 Dies wird zur Vereinfachung und (administrativen) Entlastung beitragen.
Am 27. 6. 2024 erfolgte die Beschlussfassung im Finanzausschuss, am 3. 7. 2024 im Plenum (Nationalrat).
In Anlehnung an die Gesetzesmaterialien.
Dazu Atzmüller in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 107 Tz 2.
Ausführlich Atzmüller in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 107 Tz 5 ff; EStR 2000 Rz 8207a ff.
Oder von juristischen Personen des Privatrechts, an denen eine Gebietskörperschaft, Wassergenossenschaft oder ein Wasserverband mehrheitlich beteiligt ist und deren Zweck die Errichtung oder der Betrieb einer Hochwasserschutzanlage ist.
Vgl dazu den gesonderten Beitrag Mayr, RdW 2024 (in diesem Heft).
Vgl Gesetzesmaterialien.
Dazu Schilcher in Schilcher/Mayr/Riedler/Schlager/Zechner, Mindestbesteuerung § 40 Anm 1.
Dazu KStR 2013 Rz 1583 ff; zur Nichterfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen vgl BFG 3. 2. 2023, RV/7102169/2022.
Vgl Mayr, RdW 2023, 551.
Vgl Aumayr-Schlaffer/Wild, RdW 2024, 280 (283).
Daher liegt auch kein (anteiliger) Veräußerungsvorgang vor, wenn der entnehmende Steuerpflichtige bereits vor der Überführung in sein Privat- oder Sonderbetriebsvermögen zu 100 % an der Personengesellschaft substanzbeteiligt war.
Basierend auf dem "umgekehrten" Beispiel einer Übertragung an die Personengesellschaft, vgl Mayr, RdW 2023, 511.
Ausführlich Mayr/Fritz-Schmied in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG24 § 6 Tz 136.
Dazu die Gesetzesmaterialien.
Vgl BMK vom 25. 5. 2023, Lebensmittel wegwerfen oder spenden: Meldepflicht für Supermärkte.
Vgl zB Kurier vom 2. 3. 2024, Wie viele Lebensmittel die Supermärkte wegschmeißen.
Vgl Breivogel/Rezegh/Salnikow, taxlex 2023, 392.
taxlex 2023, 392.
Vgl Art 98 Abs 2 RL (EU) 2022/542.
Vgl EB; zudem hält auch Heber die USt-Befreiung für vereinbar mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität und dem europäischen Beihilfenrecht, taxlex 2024, 149.
Nach den EB Getränke mit einem Alkoholgehalt von max 0,5 Volumenprozent.
Das Inkrafttreten wurde mittels Abänderungsantrags im Finanzausschuss noch auf 1. 8. 2025 vorgezogen.
Die USt-Befreiung für nichtalkoholische Getränke wurde mittels Abänderungsantrags im Finanzausschuss in § 4 Abs 7 Z 5a EStG spiegelbildlich gleichgezogen.
Dazu zB Weinzierl, SWK 2024, 614.
In Anlehnung an die Gesetzesmaterialien.
Vgl Gesetzesmaterialien (mit Beispiel).
Dazu unten Pkt 4.4.
In Anlehnung an die Gesetzesmaterialien.
Zum dt Jahressteuergesetz 2024 (Entwurf) siehe Stahlschmidt, RdW 2024 (in diesem Heft).
Ab 1. 1. 2025 soll auch das Verfahren für EU-Kleinunternehmer gem Art 6a UStG offen sein.
Vgl auch Mayr/Halder in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG 21 § 17 Tz 74.
Ministerrat vom 4. 7. 2024; die parlamentarische Beschlussfassung soll im September erfolgen.