Der OGH und die Büchse der Pandora
Seit mittlerweile einigen Jahren werden die österreichischen Gerichte in den sogenannten "Abgas-Verfahren" mit Klagen überschwemmt, in denen die klagenden Parteien behaupten, dass sie für ein mit einer (angeblich) gegen die unionsrechtlichen Emissionsvorschriften verstoßenden unzulässigen Motorsoftware (einer sogenannten "unzulässigen Abschalteinrichtung") ausgestattetes Fahrzeug einen zu hohen Kaufpreis bezahlt hätten. Wäre die unzulässige Abschalteinrichtung zum Kaufzeitpunkt bekannt gewesen, wäre das Fahrzeug weniger wert und somit der Kaufpreis geringer gewesen. Die Kläger begehren daher vom Motorenhersteller den Ersatz des überhöhten Kaufpreises. Dogmatisch bestehen erhebliche Parallelen zwischen diesem Schadenersatzbegehren und dem unter dem Titel "private enforcement" bekannten Anspruch, den ein Erwerber eines kartellverfangenen Guts gegen einen der Kartellteilnehmer auf Ersatz des kartellbedingt überhöhten Kaufpreises geltend macht. Hinsichtlich der Geltendmachung des "Kartellschadenersatzes" gibt es in Österreich und va in Deutschland eine erhebliche Anzahl höchstgerichtlicher Entscheidungen und seit dem Jahr 2014 die RL 2014/104/EU des europäischen Parlaments und des Rates sowie darauf aufbauend in Österreich eine gesetzliche Regelung in §§ 37a ff KartG. Umso überraschender und dogmatisch nicht nachvollziehbar ist die jüngste Tendenz des OGH, in den "Abgas-Verfahren" nicht nur von der eigenen bisherigen Rechtsprechung, sondern von eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen und Grundprinzipien des Schadenersatzrechts abzuweichen und im Endeffekt einen Schadenersatzanspruch ohne Vorliegen eines Schadens anzuerkennen.1 Im folgenden Beitrag soll eine dogmatische Auseinandersetzung mit der jüngsten diesbezüglichen Rechtsprechung des OGH erfolgen.
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