Iura novit curia
Das Gericht kennt das Recht, die Parteien müssen daher prinzipiell keine Rechtsausführung machen, sondern nur den Sachverhalt vortragen (da mihi factum, dabo tibi ius). Dessen ungeachtet empfehlen sich vor Gericht aber auch rechtliche Ausführungen, wozu man seit jeher auch bisweilen das Gutachten eines Rechtsgelehrten bemüht. Zu den Aufgaben des Juristen zählten die Römer neben agere (Beistand im Prozess) und cavere (Kautelarjurisprudenz) eben auch respondere (also das Erstellen von Rechtsgutachten). Die Erstellung von Rechtsgutachten - im alten Rom noch unentgeltlich - entwickelte sich im Laufe des Mittelalters zu einem einträglichen Geschäft. Berühmt für seine Gutachten war der Begründer der humanistischen Jurisprudenz Andreas Alciatus (1492-1550). Um seinen wissenschaftlichen Ruf nicht zu gefährden, verhinderte er aber deren Publikation mit dem Hinweis der Parteilichkeit. Alciatus Verhalten löste eine Diskussion aus, die heute wieder aufzuflammen scheint (jüngst Psenner, Vom Wert und Unwert privater [Rechts-]Gutachten, RdW 2005, 607; dagegen Krejci, Über den Wert von Rechtsgutachten, RdW 2006, 12). In der Entscheidung 2 Ob 235/05f äußerte sich der OGH kürzlich wie folgt: „Die Parteien haben in dieser Rechtssache gleich sechs verschiedene, einander teilweise widersprechende private Rechtsgutachten (der Professoren Fasching, Krejci, Öhlinger, Vonkilch, Welser und Wilhelm […]) vorgelegt. Eine solche Vorlage mag zulässig sein (vgl RIS-Justiz RS0041743, RS0043585), der Oberste Gerichtshof ist aber nicht verpflichtet, auf derartige Auftragswerke im Einzelnen einzugehen. Es gilt der Grundsatz: iura novit curia.“
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